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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 08.11.2007
Aktenzeichen: OVG 4 B 7.06
Rechtsgebiete: Richtlinie 1999/70/EG, Richtlinie 2000/78/EG, GG, BRRG, BBG, BBesG, BGB, MVergV, AGG


Vorschriften:

Richtlinie 1999/70/EG
Richtlinie 2000/78/EG
GG Art. 3
GG Art. 33 Abs. 5
BRRG § 44 Abs. 1 Satz 1
BBG § 72 Abs. 1
BBG § 72 Abs. 2
BBG § 79
BBesG § 1 Abs. 2 Nr. 5
BBesG § 2 Abs. 1
BGB § 242
BGB §§ 249 ff.
MVergV § 3 Abs. 1
AGG § 1
AGG § 2 Abs. 1 Nr. 2
Bundesbeamte im Ruhestand haben keinen Anspruch nach §§ 72 Abs. 2 Satz 3, 242 BGB auf Geldausgleich für den während ihres aktiven Dienstverhältnisses im Beitrittsgebiet aufgrund rechtswidrig zu hoch angesetzter Wochenarbeitszeit zuviel geleisteten Dienst (im Anschluss an BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 und 2 C 35.02 -).
OVG 4 B 7.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 4. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 08. November 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Buchheister, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Hoock, den Richter am Verwaltungsgericht Maresch und die ehrenamtlichen Richterinnen Fischer und Vogt für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 23. Februar 2006 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 v.H. des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 6. Mai 1938 geborene Kläger stand seit 1. Oktober 1958 in den Diensten der Zollverwaltung der Beklagten. Mit Wirkung vom 1. August 1998 wurde er von der Oberfinanzdirektion Berlin an die Oberfinanzdirektion Cottbus in Potsdam versetzt. Seit 1. Februar 1999 wurde er zu Arbeitsleistungen im Umfang von 40 Wochenstunden herangezogen. Auf seinen Antrag vom 1. Februar 1999 teilte ihm die Oberfinanzdirektion Cottbus durch Schreiben vom 29. Februar 2000 mit, seine Arbeitszeit betrage 40 Wochenstunden; man werde auf die Angelegenheit zurückkommen.

Am 14. April 2000 hat der Kläger bei dem Verwaltungsgericht Potsdam Klage auf Zahlung von 1.933,66 DM erhoben. Dieser Betrag stehe ihm als Vergütung für den Zeitraum von Februar 1999 bis Februar 2000 zu, in dem er aufgrund seiner rechtswidrigen Heranziehung zu einer Arbeitsleistung von 40 Wochenstunden statt der vorgeschriebenen 38,5 Wochenstunden Mehrarbeit im Umfang von 68,40 Stunden geleistet habe.

Durch Urteile vom 21. Dezember 2000 - 2 C 42.99 und 2 C 1.00 - hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Bundesbeamten im Beitrittsgebiet seit 1. Oktober 1992 durchschnittlich 38,5 Stunden betrage. Der Kläger hat bis 31. Dezember 2000 Dienst im Umfang von 40 Wochenstunden und danach von 38,5 Wochenstunden geleistet. Mit Ablauf des 31. Mai 2001 ist er auf seinen Antrag mit Vollendung des 63. Lebensjahres in den Ruhestand versetzt worden.

Mit Bescheid vom 26. Oktober 2001 hat die Oberfinanzdirektion Cottbus dem Kläger mitgeteilt, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Bundesbeamten im Beitrittsgebiet seit 1. Oktober 1992 38,5 Stunden betrage; auf die Vergütung seiner hierüber hinausgehenden Arbeit habe der Kläger jedoch keinen Anspruch. Den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 26. Oktober 2001 hat die Oberfinanzdirektion Cottbus durch Widerspruchsbescheid vom 20. November 2001 zurückgewiesen. Der Kläger hat die ergangenen Bescheide in das verwaltungsgerichtliche Verfahren einbezogen und schließlich beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der ergangenen Bescheide zu verpflichten, an ihn für den Zeitraum von März 1999 bis Dezember 2000 einen angemessenen Geldausgleich nebst Zinsen zu zahlen.

Mit Urteil vom 23. Februar 2006 hat das Verwaltungsgericht Potsdam der Klage stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger für die in dem Zeitraum vom 1. März 1999 bis 31. Dezember 2000 zuviel geleistete Arbeit einen finanziellen Ausgleich in Höhe von 317,99 € nebst Zinsen zu gewähren. Zur Begründung hat sich das Verwaltungsgericht auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - gestützt und ausgeführt, dass aktiven Beamten gemäß § 72 Abs. 2 Satz 2 Bundesbeamtengesetz (BBG) bei Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit ein Anspruch auf Dienstbefreiung zustehe. Ruhestandsbeamten könnten gemäß dem Rechtsgedanken des § 72 Abs. 2 Satz 3 BBG und unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen. Das Bundesverwaltungsgericht habe einen Geldausgleich nur für den Fall ausgeschlossen, dass der Beamte Freizeitausgleich erhalten könne; zu der Rechtslage bei Ruhestandsbeamten habe es sich nicht geäußert. Der Kläger habe vom Ende des Monats seiner Antragstellung über einen Zeitraum von 22 Monaten jeweils sechs Stunden monatlich zuviel gearbeitet. Bei einer nach der Mehrarbeitsvergütungsverordnung (MVergV) höchstens zulässigen Mehrarbeit von fünf Stunden monatlich sei eine Stunde monatlich zu vergüten.

Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet sich die vom Senat durch Beschluss vom 9. Juni 2006 zugelassene Berufung der Beklagten. Die Beklagte meint, dass das Bundesverwaltungsgericht einen Ausgleich in Geld für zuviel geleistete Arbeit nicht nur für Beamte im aktiven Dienstverhältnis, sondern schlechthin ausgeschlossen habe. Es gelte der Grundsatz, dass ein Ausgleich für zuviel geleistete Arbeit in Form von Dienstbefreiung zu gewährleisten sei. Soweit § 72 Abs. 2 Satz 3 BBG die Gewährung einer Vergütung vorsehe, setze die Vorschrift voraus, dass eine Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich sei. Diese Voraussetzung sei bei dem Kläger nicht gegeben, weil er nicht aus zwingenden dienstlichen Gründen, sondern - infolge seines Eintritts in den Ruhestand - aus rechtlichen Gründen Freizeitausgleich nicht (mehr) erhalten könne.

Die Beklagte beantragt,

das erstinstanzliche Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, wenn er keinen Ausgleich in Geld erhalte, ergebe sich ein Wertungswiderspruch zur Rechtslage bei aktiven Beamten. Die Richtlinien 1999/70/EG und 2000/78/EG schlössen eine Benachteiligung in Beschäftigung und Beruf aufgrund des Alters aus. Die Rechtsauffassung der Beklagten stehe ferner im Widerspruch zum allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (ein Band Personalakte, zwei Hefter Antragsvorgang, ein Hefter Versorgungsakten) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Kläger zu Unrecht einen finanziellen Ausgleich für die in dem Zeitraum vom 1. März 1999 bis 31. Dezember 2000 zuviel geleistete Arbeit zugesprochen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine solche Zahlung. Der Bescheid der Oberfinanzdirektion Cottbus vom 26. Oktober 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 20. November 2001 ist nicht zu beanstanden.

Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 3 Abs. 1 MVergV i.d.F. der Bekanntmachung vom 3. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3494), zuletzt geändert durch das Erste Gesetz zur Änderung des Postpersonalrechtsgesetzes vom 9. November 2004 (BGBl. I S. 2774). Gemäß § 3 Abs. 1 MVergV kann Beamten unter weiteren Voraussetzungen eine Mehrarbeitsvergütung gewährt werden, wenn die Mehrarbeit schriftlich angeordnet oder genehmigt wurde. Die Dienstleistung des Klägers über den Umfang von 38,5 Stunden hinaus wurde weder angeordnet noch genehmigt. Hierbei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die der Dienstherr unter Abwägung der im konkreten Zeitpunkt maßgebenden Umstände zu treffen hat. Der Dienstherr muss prüfen, ob nach den dienstlichen Notwendigkeiten eine Mehrarbeit erforderlich ist und welchem Beamten sie übertragen werden soll. Eine derartige Entscheidung hat die Beklagte nicht getroffen. Durch die Aufstellung eines Dienstplans mit 40 Wochenstunden in der Dienststelle des Klägers hat sie keine Mehrarbeit im Umfang der die gesetzliche Wochenarbeitszeit übersteigenden Stunden angeordnet, sondern hat die regelmäßige Arbeitszeit rechtswidrig zu hoch festgesetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 - 2 C 35.02 -, ZBR 2003, 385 f.).

Der von dem Kläger zusätzlich geleistete Dienst kann nicht nachträglich als Mehrarbeit genehmigt werden. Mehrarbeit darf gemäß § 72 Abs. 2 Satz 1 BBG nur angesetzt werden, wenn zwingende dienstliche Gründe dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 - 2 C 35.02 -, a.a.O., S. 386). Hiervon kann keine Rede sein, wenn die regelmäßige Arbeitszeit für alle im Beitrittsgebiet tätigen Bundesbeamten in Folge unrichtiger Rechtsanwendung zu hoch angesetzt wurde.

Der Kläger hat keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte. Es fehlt an einem in Geld zu ersetzenden Schaden. Der zusätzliche Dienst eines Beamten ist kein Schaden im Sinne des allgemeinen Schadensersatzrechts. Für beamtenrechtliche Schadensersatzansprüche ist der den §§ 249 ff. BGB zugrunde liegende Schadensbegriff maßgeblich. Danach setzt Geldersatz grundsätzlich einen Vermögensschaden voraus. Der Aufwand von Zeit und Arbeitskraft zur Leistung zusätzlichen Dienstes und der damit verbundene Verlust von Freizeit sind kein solcher durch Geld zu ersetzender materieller Schaden (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 - 2 C 35.02 -, a.a.O., S. 386; Urteil vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 -, ZBR 2003, 383, 384; jeweils m.w.N.; Urteil vom 10. Dezember 1970 - 2 C 45.68 -, BVerwGE 37, 21, 28).

Auch die verfassungsrechtlich durch Art. 33 Abs. 5 GG verbürgte beamtenrechtliche Fürsorgepflicht (§ 79 BBG) gibt dem Kläger keinen Anspruch auf Geldzahlung. Aus der Fürsorgepflicht ergeben sich nur dann Leistungsansprüche, wenn die Fürsorgepflicht anderenfalls in ihrem Wesenskern verletzt wäre (BVerwG, st. Rspr., vgl. etwa Urteil vom 10. Juni 1999 - 2 C 29.98 -, ZBR 2000, 46), indem unzumutbare Belastungen des Beamten einträten (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2000 - 2 C 39.99 -, BVerwGE 112, 308, 310 f.). Eine solche unzumutbare Belastung tritt nicht ein, wenn die wöchentliche Arbeitszeit um 1,5 Stunden überschritten wird, dabei aber immer noch deutlich unter der gemäß § 72 Abs. 1 BBG für Bundesbeamte höchstens zulässigen Wochenarbeitszeit von 44 Stunden bleibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 -, a.a.O., S. 384). Dies gilt umso mehr im Fall des Klägers, da selbst nach dem stattgebenden erstinstanzlichen Urteil nur eine Vergütung für 22 Stunden in Rede steht. Aus einer zeitlich so geringfügigen Beanspruchung kann sich keine unzumutbare Belastung ergeben.

Der allgemeine Folgenbeseitigungsanspruch verpflichtet die Beklagte ebenfalls nicht zur Zahlung eines Geldausgleichs. Der Anspruch kann nicht auf Schadensersatz oder Entschädigung in Geld für rechtswidriges Verwaltungshandeln, sondern nur auf Wiederherstellung des durch einen rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff veränderten rechtmäßigen Zustands gerichtet sein, der im Zeitpunkt des Eingriffs bestand (vgl. BVerwG, st. Rspr., vgl. Urteil vom 28. Mai 2003 - 2 C 35.02 -, a.a.O., S. 386 m.w.N.). Es gibt jedoch keinen rechtswidrigen Zustand, der zu beseitigen ist. Die rechtswidrige Arbeitsbelastung des Klägers mit 40 statt 38,5 Wochenstunden kann nicht rückwirkend beseitigt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 -, a.a.O., S. 384).

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ergibt sich der Zahlungsanspruch auch nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Dieser Grundsatz gilt auch im öffentlichen Recht, insbesondere im Beamtenrecht. Er vermag in dem engen, auf Dauer angelegten Rechtsverhältnis, in dem Dienstherr und Beamter verbunden sind, die nach der jeweiligen Interessenlage gebotenen Nebenpflichten zu begründen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 -, a.a.O., S. 384 m.w.N.). Wenn es keine gesetzliche Regelung gibt, die die Folgen der rechtswidrigen Inanspruchnahme von Beamten über die regelmäßige Dienstzeit hinaus erfasst, bedeutet dies nicht, dass die Inanspruchnahme ohne Folgen bleibt. Vielmehr kommt durch Mehrbeanspruchung des Beamten über einen langen Zeitraum hinweg der soziale Zweck der Arbeitszeitregelung einschließlich des dort geregelten Ausgleichs der Überbeanspruchung durch Dienstbefreiung nicht mehr zur Geltung. In einem solchen Fall kann ein Anspruch auf Dienstbefreiung aus dem Grundsatz von Treu und Glauben bestehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 -, .a.a.O., S. 384).

§ 72 Abs. 2 Satz 2 BBG sieht bei einer mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehenden, dienstlich angeordneten oder genehmigten Mehrarbeit einen Freizeitausgleich vor. Zwar ist die entsprechende Anwendung dieser Ausgleichsregelung in Fällen nicht gerechtfertigt, in denen Beamte Dienst nach einer rechtswidrig festgesetzten Wochenarbeitszeit leisten müssen: Der Ausgleich nach § 72 Abs. 2 Satz 2 BBG ist auf Mehrarbeit zugeschnitten, die nur für kurze Zeit und nur in Ausnahmefällen angeordnet werden darf; der Gesetzgeber will die Ansammlung von Freizeitausgleichsstunden in größerer Zahl im Interesse eines kontinuierlichen Dienstbetriebs vermeiden und wirkt durch die Frist in § 72 Abs. 2 Satz 2 BBG für den Ausgleich der Mehrarbeit auf eine rasche Rückkehr zur Normalität hin. Nichtsdestoweniger lässt § 72 Abs. 2 Satz 2 BBG erkennen, dass Überschreitungen der regelmäßigen Arbeitszeit den Beamten nicht prinzipiell ohne jeglichen Ausgleich durch Dienstbefreiung zugemutet werden sollen. Im Lichte des § 242 BGB erwächst dem Beamten daher nach Treu und Glauben ein Anspruch auf angemessene Dienstbefreiung, wodurch die beiderseitigen Interessen zu einem billigen Ausgleich gebracht und dem Sinn und Zweck der Arbeitszeitregelung Genüge getan wird (BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 -, a.a.O., S. 384, unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1970, a.a.O., S. 28).

Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgt jedoch kein Anspruch auf finanziellen Ausgleich für eine rechtswidrige Inanspruchnahme über die regelmäßige Dienstzeit hinaus. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der Gewährung (nur) von Dienstbefreiung aus dem Grundsatz von Treu und Glauben hat Allgemeingültigkeit über den Fall eines Beamten im aktiven Dienstverhältnis hinaus und schließt einen Ausgleich in Geld auch für solche Fälle aus, in denen sich der Beamte bereits im Ruhestand befindet und ein Freizeitausgleich nicht mehr möglich ist (vgl. OVG Koblenz, Beschluss vom 6. August 2004 - 10 A 10906.04 -, juris Rn. 10).

Ohne Berechtigung nimmt das Verwaltungsgericht für seine gegenteilige Ansicht § 72 Abs. 2 Satz 3 BBG in Anspruch. Ist die Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich, so können gemäß § 72 Abs. 2 Satz 3 BBG an ihrer Stelle Beamte in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern eine Vergütung erhalten. Das Verwaltungsgericht meint, dass der Fall des Klägers vergleichbar sei, weil er als Beamter im Ruhestand keine Dienstbefreiung mehr erhalten könne. Die strikte Gesetzesbindung der Besoldung (§ 2 Abs. 1 BBesG) schließt jedoch Ansprüche auf Vergütungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 BBesG) für Dienst über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus außerhalb der gesetzlich bestimmten Ausnahmen - wie etwa § 3 MVergV - aus (BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 - 2 C 35.02 -, a.a.O., S. 386). Das Besoldungsrecht legt die Ansprüche der Beamten nach Grund und Höhe durch zwingende Vorschriften fest. Es lässt keinen Raum für eine Erweiterung oder Ergänzung der ausdrücklich genannten Anspruchsvoraussetzungen (BVerwG, st. Rspr., vgl. Urteil vom 5. November 1998 - 2 A 2.98 -, ZBR 1999, 171, 172 m.w.N.). § 72 Abs. 2 Satz 3 BBG ist dementsprechend eine abschließende gesetzliche Regelung. Derartige Vergütungsregelungen bilden eine begrenzte Ausnahme von dem Grundsatz (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 BRRG), dass der Beamte bei zwingenden dienstlichen Erfordernissen ohne Vergütung auch über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Februar 1991 - 2 C 48.88 -, BVerwGE 88, 60, 62; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow/Lemhöfer, Kommentar zum BBG, Losebl., Band 1, Stand August 2007, § 72 Rn. 27a). Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - folgerichtig einen billigen Interessenausgleich im Anspruch auf Dienstbefreiung - und nicht in finanziellen Formen der Kompensation - erblickt (so auch OVG Koblenz, Beschluss vom 6. August 2004, a.a.O., juris Rn. 6). Eine Erweiterung dieser Rechtsprechung scheidet aus.

§ 72 Abs. 2 Satz 3 BBG geht zudem von einer anderen Interessenlage aus, als sie bei Ruhestandsbeamten gegeben ist. Die Vorschrift wurde durch Art. V § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Ersten Gesetzes zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern (1. BesVNG) vom 18. März 1971 (BGBl. I S. 208, 222) mit Wirkung vom 1. Juli 1971 in das BBG eingefügt und folgt dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 1970 (a.a.O.) (vgl. Lemhöfer, a.a.O., Rn. 27). Dieses Urteil behandelte eine Konstellation, in der der Dienstherr nicht in der Lage ist, seiner Verpflichtung zur Gewährung von Dienstbefreiung innerhalb einer bestimmten Frist nachzukommen, weil wichtige Belange der Allgemeinheit zu wahren sind. Im dortigen Fall litt die Deutsche Bundesbahn 1962/1963 in einer schwierigen Arbeitsmarktlage unter Personalmangel. Das öffentliche Interesse an der Gewährleistung ausreichender Bundesbahn-Verkehrsleistungen bedingte, dass die dort beschäftigten Beamten in erheblichem Umfang Mehrarbeit leisteten. Dieses öffentliche Interesse stand dem Interesse der Beamten gegenüber, Dienstbefreiung zum Ausgleich ihrer Mehrarbeit zu erhalten. Das Bundesverwaltungsgericht befand, wenn in solchen Fällen das öffentliche Wohl vorgehe, weil eine spätere Gewährung von Freizeitausgleich schutzwürdige Belange der Allgemeinheit gefährden oder schädigen würde, müssten die gesetzlich anerkannten sozialen Belange des Beamten zurücktreten, der der Allgemeinheit mit voller Hingabe und uneigennützig zu dienen habe. Die in § 72 Abs. 2 Satz 2 BBG vorgesehene Dienstbefreiung diene in erster Linie nicht der Erholung des Beamten, sondern der Einhaltung der regelmäßigen Arbeitszeit jedenfalls im Gesamtergebnis (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1970, a.a.O., S. 24 f.). Das Bedürfnis des Beamten, angesichts der Gefahr des Verlustes seines Anspruchs auf Dienstbefreiung einen Ausgleich zu erhalten, könne aber durch die seinerzeit von der Deutschen Bundesbahn zugestandene finanzielle Belohnung für geleistete Mehrarbeit befriedigt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1970, a.a.O., S. 28 f.).

Der bald nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts eingebrachte Gesetzentwurf zum 1. BesVNG geht laut der Amtlichen Begründung der Bundesregierung (BT-Drs. 6/1885, S. 11 mit Verweis auf S. 7) darauf zurück, dass die Anwendung des § 72 Abs. 2 Satz 2 BBG zu Schwierigkeiten und Umgehungen führe, wenn der Freizeitausgleich z.B. wegen angespannter Personallage nicht gewährt werden könne. In diesen Fällen solle ausnahmsweise und bei Anlegung eines strengen Maßstabs eine finanzielle Entschädigung gewährt werden. Die gesetzliche Beschränkung des entschädigungsfähigen Zeitraums auf (seinerzeit) höchstens vierzig Stunden monatlich diene dem Schutz des Beamten vor Überforderung; Mehrarbeit, die diese Grenze übersteige, sei ausschließlich durch Dienstbefreiung auszugleichen.

Nach alledem dient die Gewährung einer Vergütung nach § 72 Abs. 2 Satz 3 BBG dem abschließenden Ausgleich zwischen den Belangen des öffentlichen Wohls, die die Gewährung von Freizeitausgleich ausschließen, und dem Interesse des Beamten an einem Ausgleich für die nicht gewährte Dienstbefreiung (vgl. Lemhöfer, a.a.O., Rn. 27). Der Beamte wird andererseits durch Beschränkung des vergütungsfähigen Zeitraums vor Überforderung geschützt. Im Falle des Klägers kann ein so beschriebener Interessenkonflikt nicht eintreten: Das öffentliche Wohl ist von vornherein nicht betroffen, da der Kläger nicht mehr im aktiven Dienstverhältnis steht und dementsprechend keine (unabdingbare) Dienstleistung mehr erbringen kann; die Unmöglichkeit der Gewährung von Freizeitausgleich an ihn geht nicht auf zwingende dienstliche, sondern auf rechtliche Gründe zurück (vgl. OVG Koblenz, Beschluss vom 6. August 2004, a.a.O., juris Rn. 7). Ebenso wenig passt auf seinen Fall die Erwägung des Gesetzgebers, dass der Vergütungsanspruch des Beamten zu beschränken ist, um ihn vor Überforderung zu schützen. Die Gewährung eines Geldausgleichs an den Kläger würde ausschließlich dessen privatem, finanziellen Interesse dienen und hätte den Charakter einer Überstundenvergütung. Dieses Interesse ist nicht schutzwürdig.

Die arbeitsrechtliche Vorstellung von einem Gehalt, das anteilig jede Arbeitsstunde abgelte und für Mehrarbeit eine Überstundenvergütung gezahlt werden müsse, ist mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums unvereinbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. November 1980 - 2 BvL 7/76 u.a. -, BVerfGE 55, 207, 241; BVerwG, Urteil vom 29. April 2004 - 2 C 9.03 -, ZBR 2004, 431, 432; Lemhöfer, a.a.O., Anm. 22). Dienstleistung und Besoldung des Beamten stehen nicht in unmittelbarem Gegenseitigkeitsverhältnis (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 2004, a.a.O., S. 432). Beamte haben vielmehr im Grundsatz (vgl. § 72 Abs. 2 Satz 1 BBG) Mehrarbeit ohne Vergütung zu leisten (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Februar 1991, a.a.O., S. 62; Lemhöfer, a.a.O., Anm. 22). Sie können sich gegen eine rechtswidrige übermäßige zeitliche Beanspruchung durch Rechtsbehelfe - einschließlich der Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes - mit dem Ziel alsbaldiger Unterlassung zur Wehr setzen. Außer diesem unmittelbaren Rechtsschutz steht ihnen ein Anspruch auf Vergütung oder Entschädigung auch bei rechtswidriger längerer Heranziehung zum Dienst über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus grundsätzlich nicht zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 - 2 C 35.02 -, a.a.O., S. 386; OVG Koblenz, Beschluss vom 6. August 2004, a.a.O., Rn. 11).

Dieses Ergebnis verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die unterschiedliche Behandlung von Ruhestandsbeamten und Beamten im aktiven Dienstverhältnis ist aus den oben genannten Gründen sachlich gerechtfertigt. Dass es Fälle gibt, in denen der Beamte für Mehrarbeit keinen Ausgleich erhält bzw. - weil schon im Ruhestand - erhalten kann, ist angesichts der umfassenden Dienstleistungspflicht in weitem Umfang hinzunehmen (vgl. OVG Koblenz, Beschluss vom 6. August 2004, a.a.O., juris Rn. 11; Lemhöfer, a.a.O., Rn. 20a).

Die Berücksichtigung von Gemeinschaftsrecht führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger bezieht sich auf die Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. L 175/43) sowie auf die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303/16). Er meint, dass er durch die Versagung eines finanziellen Ausgleichs für seine zuviel geleistete Arbeit entgegen den Vorschriften der beiden Richtlinien auf Grund seines Alters benachteiligt werde. Dies trifft jedoch nicht zu.

Die Richtlinie 1999/70/EG führt laut ihrem Art. I die zwischen den allgemeinen branchenübergreifenden Organisationen EGB, UNICE und CEEP geschlossene Rahmenvereinbarung vom 18. März 1999 über befristete Arbeitsverträge durch. Laut §§ 1, 2 Ziffer 1 der Rahmenvereinbarung, die der Richtlinie als Anhang beigefügt ist, gilt die Rahmenvereinbarung für befristet beschäftigte Arbeitnehmer und soll durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse verbessern sowie einen Rahmen schaffen, der den Missbrauch durch aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge oder Arbeitsverhältnisse verhindert. Das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG) vom 21. Dezember 2000 (BGBl. S. 1966), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Beschäftigungschancen älterer Menschen vom 19. April 2007 (BGBl. I S. 538), das laut der amtlichen Anmerkung der Umsetzung der Richtlinie 1999/70/EG dient, verfolgt das Ziel, Teilzeitarbeit zu fördern, die Voraussetzungen für die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge festzulegen und die Diskriminierung von teilzeitbeschäftigten und befristet beschäftigten Arbeitnehmern zu verhindern (vgl. § 1 TzBfG). Ein Zusammenhang zu der von dem Kläger aufgeworfenen Frage, ob er in Bezug auf den vom ihm beanspruchten Geldausgleich wegen seines Alters diskriminiert werde, ist nicht erkennbar. Der Kläger war bzw. ist weder befristet beschäftigt noch teilzeitbeschäftigt.

Die Richtlinie 2000/78/EG berührt ebenfalls nicht die unterschiedliche Behandlung von Ruhestandsbeamten gegenüber Beamten im aktiven Dienstverhältnis bezüglich des Geldausgleichs für zuviel geleistete Arbeit. Es kann dahin stehen, ob sich der Geltungsbereich der Richtlinie, der gemäß Kapitel I Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c unter anderem das Arbeitsentgelt umfasst, überhaupt auf eine Vergütung nach § 72 Abs. 2 Satz 3 BBG (i.V.m. § 242 BGB) erstreckt. Jedenfalls dient die Richtlinie gemäß Kapitel I Art. 1 der Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung u.a. wegen des Alters. Der Kläger wird jedoch nicht unmittelbar diskriminiert (Kapitel I Art. 2 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie), da er nicht wegen seines Alters eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Ungleich behandelt werden vielmehr - unabhängig vom Alter und aus sachlich gerechtfertigtem Grund - Beamte im aktiven Dienstverhältnis und Ruhestandsbeamte. Aus dem gleichen Grund liegt auch keine mittelbare Diskriminierung (Kapitel I Art. 2 Abs. 2 Buchstabe b der Richtlinie) vor, denn es gibt in Bezug auf die Gewährung von Geldausgleich für zuviel geleistete Arbeit keine dem Anschein nach neutralen Vorschriften, Kriterien oder Verfahren, die Personen eines bestimmten Alters gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können. Es ist vielmehr so, dass kein Beamter gleich welchen Alters einen solchen Geldausgleich beanspruchen kann. Im Falle des Klägers tritt hinzu, dass er auf seinen Antrag mit Vollendung des 63. Lebensjahres gemäß § 42 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BBG in den Ruhestand versetzt worden ist. Es hätte ihm freigestanden, bis zum Erreichen der allgemeinen Altersgrenze in den Diensten der Beklagten zu verbleiben und für zuviel geleistete Arbeit Freizeitausgleich in Anspruch zu nehmen. Letztlich berührt die Richtlinie 2000/78/EG gemäß Ziffer 14 der Begründungserwägungen nicht die einzelstaatlichen Bestimmungen über die Festsetzung der Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand. Dann aber kann auch der Umstand, dass ein Beamter auf Grund des Erreichens der Altersgrenze in den Ruhestand versetzt worden ist, keine Diskriminierung wegen des Alters nach sich ziehen, wenn er aufgrund seines Ruhestands anders behandelt wird als ein Beamter im aktiven Dienstverhältnis.

Ebenso wenig kann der Kläger das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vom 14. August 2006 (Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung [BGBl. I S. 1897], geändert durch Art. 8 Abs. 1 des Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006 [BGBl. I S. 2742]), für sich in Anspruch nehmen, das laut der amtlichen Anmerkung der Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG dient. Gemäß §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG sind Benachteiligungen auf Grund des Alters unzulässig in Bezug auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt, wobei die Vorschriften des AGG gemäß § 24 Nr. 1 entsprechend für Beamte des Bundes anwendbar sind. Hier gilt, nicht anders als bei der Richtlinie 2000/78/EG, dass die Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber Beamten im aktiven Dienstverhältnis keine Diskriminierung auf Grund seines Alters darstellt, sondern allein an seine Stellung als Ruhestandsbeamter anknüpft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in §§ 132 Abs. 2 VwGO, 127 Nr. 1 BRRG genannten Gründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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