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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 28.02.2008
Aktenzeichen: OVG 4 E 3.08
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 21 Abs. 1 Nr. 1
VwGO § 21 Abs. 1 Nr. 2
VwGO § 24 Abs. 1 Nr. 1
VwGO § 24 Abs. 1 Nr. 2
VwGO § 32
Ein ehrenamtlicher Richter, der wahrheitswidrige Angaben zu einem angeblichen Verdienstausfall macht und fingierte Verdienstausfallbescheinigungen vorlegt, um eine ihm nicht zustehende Entschädigung für seine ehrenamtliche Tätigkeit zu erhalten, ist wegen gröblicher Verletzung seiner Amtspflichten von dem Ehrenamt zu entbinden. Auf die Voraussetzungen für den Ausschluss vom Ehrenamt wegen der Begehung einer Straftat kommt es dabei nicht an.
OVG 4 E 3.08

In dem Verfahren gemäß § 24 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -

hat der 4. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Buchheister, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Hoock und den Richter am Verwaltungsgericht Maresch am 28. Februar 2008 beschlossen:

Tenor:

Der ehrenamtliche Richter beim Verwaltungsgericht Berlin I_____ W_____ wird von seinem Amt entbunden.

Gründe:

Der Antrag der Präsidentin des Verwaltungsgerichts Berlin nach § 24 Abs. 3 Satz 1 VwGO, den ehrenamtlichen Richter gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 2 VwGO von seinem Amt zu entbinden, ist begründet. Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, wonach der ehrenamtliche Richter seine Amtspflichten gröblich verletzt haben muss, sind erfüllt.

Der ehrenamtliche Richter hat, wie er in seinem Schreiben vom 12. Dezember 2007 an die Präsidentin des Verwaltungsgerichts einräumt, gegenüber dem Verwaltungsgericht nicht mitgeteilt, dass er seit 1. April 2005 nicht mehr bei seinem früheren Arbeitgeber beschäftigt ist. Aufgrund der von diesem Arbeitgeber am 17. Dezember 2004 ausgestellten Verdienstausfallbescheinigung hat der ehrenamtliche Richter gemäß einer Berechnung des Verwaltungsgerichts für die Teilnahme an mündlichen Verhandlungen vom 15. November 2005, 17. Mai 2006 und 28. November 2006 ihm nicht zustehende Entschädigungen in Höhe von insgesamt 599,60 Euro vereinnahmt, nachdem er jeweils auf einem Formular wahrheitswidrig erklärt hatte, dass gegenüber seinem letzten Antrag keine Veränderungen eingetreten seien. Mit Datum vom 21. November 2007 hat er zudem eine vermeintlich von seinem ehemaligen Arbeitgeber, in Wirklichkeit - und nach seinem eigenen Eingeständnis - aber von dem ehrenamtlichen Richter selbst ausgefüllte "Bescheinigung" über seinen aktuellen Verdienstausfall erstellt und bei dem Verwaltungsgericht eingereicht.

Durch dieses Verhalten hat der ehrenamtliche Richter seine Amtspflichten verletzt. Die von § 24 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Bezug genommenen Amtspflichten eines ehrenamtlichen Richters beziehen sich auf das ehrenamtlich ausgeübte Richteramt und stehen in innerem Zusammenhang mit ihm. Soweit ein Verhalten keinen solchen Zusammenhang aufweist, aber mit einer (mutmaßlichen) Straftat in Zusammenhang steht, ist es gemäß §§ 24 Abs. 1 Nr. 1, 21 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VwGO beachtlich, wenn aufgrund einer vorsätzlichen Tat eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten erfolgt ist oder Anklage wegen einer Tat erhoben wurde, die den Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter zur Folge haben kann (vgl. hierzu im Einzelnen OVG Lüneburg, Beschluss vom 31. Oktober 1984 - 2 OVG E 22.84 -, OVGE Münster/Lüneburg 18, 358). Die näheren Voraussetzungen jener Vorschriften können indes dahin stehen, denn das im vorliegenden Fall zu würdigende Verhalten weist einen unmittelbaren Bezug zum Richteramt des ehrenamtlichen Richters auf und ist daher (schon) nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 VwGO beachtlich. Mit dem gesetzlichen Recht auf Entschädigung (vgl. § 32 VwGO) korrespondiert eine Amtspflicht, die korrekte Berechnung der Entschädigung zu ermöglichen. Diese Amtspflicht hat der Kläger durch seine wahrheitswidrige Angabe in dem Formular "Erklärung bei Verdienstausfall", wonach gegenüber seinem letzten Antrag keine Veränderungen eingetreten seien, sowie durch die Einreichung einer von ihm erfundenen Verdienstausfallbescheinigung verletzt. Hierdurch war das Verwaltungsgericht nicht imstande, die Entschädigung korrekt zu berechnen, und hat eine Überzahlung vorgenommen.

Die Verletzung der sich aus § 32 VwGO ergebenden Amtspflicht ist gröblich, weil sie sowohl nach der Intensität der einzelnen Handlung - besonders was die Einreichung einer erfundenen Verdienstausfallbescheinigung angeht, mit der der ehrenamtliche Richter eine erhebliche, auf Verschaffung rechtswidriger Vorteile zum Nachteil der Landeskasse gerichtete Energie bewies - als auch nach deren Häufigkeit - in Bezug auf die dreimalige Abgabe falscher Formularerklärungen - schwerwiegend ist (vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., 2006, § 24 Rn. 5) und die Ungeeignetheit des ehrenamtlichen Richters für sein Amt belegt (vgl. zur gröblichen Verletzung der Amtspflichten auch Senatsbeschluss vom 29. Juni 2007 - OVG 4 E 5.07 -).

Der ehrenamtliche Richter wurde vor der Entscheidung des Senats gemäß § 24 Abs. 3 Satz 2 VwGO angehört.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 24 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

Ende der Entscheidung

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