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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 29.06.2007
Aktenzeichen: OVG 4 N 100.05
Rechtsgebiete: VwGO, LBG
Vorschriften:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 | |
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3 | |
LBG § 79 a.F. | |
LBG § 79 Abs. 2 n.F. | |
LBG § 79 Abs. 3 | |
LBG § 79 Abs. 4 a.F. | |
LBG § 79 Abs. 4 Satz 1 a.F. | |
LBG § 79 Abs. 5 a.F. | |
LBG § 79 Abs. 5 Satz 1 a.F. | |
LBG § 79 Abs. 5 Satz 2 a.F. |
OVG 4 N 100.05
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Buchheister, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Hoock und den Richter am Verwaltungsgericht Schaefer am 29. Juni 2007 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 18. März 2005 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 21.031,34 EUR festgesetzt.
Gründe:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO sind auf der für den Senat allein maßgeblichen Grundlage der Darlegungen in der Zulassungsbegründung (vgl. § 124 a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht gegeben.
1. Mit den vom Kläger angeführten Gründen sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht aufgezeigt. Gemessen an den geltend gemachten Aspekten hat das Verwaltungsgericht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit richtig entschieden. Es ist nach dem Prüfungsstoff des Senats zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger keinen Anspruch auf (die mit Bescheid der Beklagten vom 14. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2003 abgelehnte) Auszahlung bzw. Nachzahlung ungekürzter Dienstbezüge für die Zeit vom 1. Dezember 2001 bis 15. Februar 2003 hat.
a) Der Einwand des Klägers, der vorläufige Einbehalt der Dienstbezüge (seit Dezember 2001) habe sich mit seiner Zurruhesetzung (mit Bescheid des Beklagten vom 24. Februar 2004) nicht in einen endgültigen Einbehalt umgewandelt, weil die eine solche Umwandlung regelnde Vorschrift des § 79 Abs. 4 und 5 LBG a.F. mit Wirkung vom 16. Februar 2003 aufgehoben worden sei und daher in allen nach diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Zurruhesetzungsverfahren, auch wenn sie vorher begonnen hätten, Dienstbezüge erst mit Zugang des Zurruhesetzungsbescheides einbehalten werden dürften (2.a der Zulassungsbegründung), vermag die erstinstanzliche Argumentation nicht zu erschüttern. Das Verwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt (S. 5 f. des Urteilsabdruckes), die Aufhebung der Absätze 3 bis 5 des § 79 LBG a.F. mit dem Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher und haushaltsrechtlicher Vorschriften vom 10. Februar 2003 (GVBl. S. 63) habe keine Pflicht zur Nachzahlung der bis zur Aufhebung der genannten Absätze einbehaltenen Dienstbezüge begründet, weil § 79 Abs. 4 LBG a.F. für die Vergangenheit weiterhin gültig geblieben sei. Da das Änderungsgesetz keine Regelung für den Umgang mit laufenden Zurruhesetzungsverfahren enthalte, bleibe es bei der Grundregel, dass die frühere Gesetzesfassung bis zu ihrem Außerkrafttreten Anwendung finde und die Neufassung ab ihrem Inkrafttreten ausschließlich anzuwenden sei. Diese Begründung vermag der Kläger mit seinem pauschalen Vorbringen, dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, eine Vorschrift ersatz- und übergangslos abzuschaffen, um sie hernach als Grundsatz oder Rechtsgedanken unverändert anwenden zu lassen, bzw. der Gesetzgeber hätte angesichts nahe liegender laufender Zurruhesetzungsverfahren mit Sicherheit eine Übergangsregelung geschaffen, wenn die alten Verfahren nicht dem neuen Recht hätten unterstellt werden sollen, nicht in Frage zu stellen. Nach Artikel XIII § 2 des genannten Änderungsgesetzes trat das Gesetz am Tage nach der Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin, hier also am 16. Februar 2003, in Kraft. Erst ab diesem Zeitpunkt galt daher für den Einbehalt von Dienstbezügen bei Zurruhesetzungsverfahren die neue Regelung des § 79 Abs. 2 LBG n.F. Dass die neue Regelung rückwirkend auf bereits vor diesem Zeitpunkt einbehaltene Dienstbezüge angewendet werden sollte, ergibt sich weder aus dem Gesetz, insbesondere den Übergangsbestimmungen des Artikels XII, noch aus den Gesetzesmaterialien. Dort heißt es vielmehr, die Regelung über die Einbehaltung der das Ruhegehalt übersteigenden Besoldung entspreche der bisherigen Regelung und betreffe nur die Fälle, in denen wegen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs ein Anspruch auf Besoldung weiter bestehen würde (Abg.-Drs. 15/897 S. 7 f. zu Nr. 15). Dafür, dass die vor dem 16. Februar 2003 während eines Zurruhesetzungsverfahrens einbehaltenen Dienstbezüge auch nach der Gesetzesänderung nach dem bis dahin geltenden Recht zu beurteilen sind, sprechen auch Sinn und Zweck der vorläufigen Einbehaltung. § 79 Abs. 4 Satz 1 LBG a.F. diente der Prävention eines Missbrauchs der rechtsverteidigenden Einwendungen gegen die Mitteilung, dass die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit beabsichtigt ist. Diese Einwendungen waren insoweit verfahrenserheblich, als danach die Entscheidung über die Einstellung oder Fortführung des Zwangspensionierungsverfahrens getroffen werden musste und für den Fall der Fortführung das Ermittlungsverfahren mit der Schlussanhörung, dem Abschlussbericht und der Schlussentscheidung betrieben wurde. Die Vorschrift wollte verhindern, dass Einwendungen nur deshalb erhoben werden, um das Verfahren zu verzögern und damit möglichst lange die höhere Aktivbesoldung zu erhalten. Ein Beamter, dessen Einwendungen sich im Ergebnis wegen bestehender Dienstunfähigkeit als unberechtigt erwiesen haben, sollte über einen längeren Zeitraum finanziell nicht besser gestellt werden als ein Beamter, der bei ebenfalls bestehender Dienstunfähigkeit keine Einwendungen erhoben hat und deshalb frühzeitiger in den Ruhestand versetzt werden konnte (vgl. zum Vorstehenden BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 1997 - 2 C 3.97 - Juris Rn. 20 zur sachgleichen Regelung in § 44 Abs. 4 BBG a.F.). Der Zweck des § 79 Abs. 4 Satz 1 LBG a.F. würde unterlaufen, wenn allein die Umstellung des Zurruhesetzungsverfahrens auf ein neues, weniger förmliches Verfahren dazu führen würde, die bis zur Umstellung einbehaltenen Dienstbezüge wieder auszubezahlen. Hierfür fehlt auch in den Gesetzesmaterialien jeder Anhalt. Vor diesem Hintergrund führt auch der vom Kläger in diesem Zusammenhang angeführte Gleichbehandlungsgrundsatz nicht weiter. Dass nach neuem Recht der Einbehalt der Dienstbezüge erst an die Mitteilung der Zurruhesetzung und nicht wie bisher schon an die Mitteilung der Verfahrensfortführung anknüpft, beruht gerade auf der Umstellung des Zurruhesetzungsverfahrens und damit auf einem sachlichen Grund.
b) Der weitere Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht habe den Abhilfebescheid vom 21. Januar 2003 fehlerhaft gewürdigt, weil die Beklagte hiermit das Zurruhesetzungsverfahren eingestellt und ein völlig neues Verfahren eingeleitet habe (2.b der Zulassungsbegründung), zeigt keine Richtigkeitszweifel auf. Das Verwaltungsgericht hat insoweit tragend darauf abgestellt, dass nach dem bei Erlass des Abhilfebescheides geltenden § 79 Abs. 5 Satz 2 LBG a.F. die einbehaltenen Bezüge (nur) nachzuzahlen waren, wenn die Dienstfähigkeit des Beamten festgestellt und das Zurruhesetzungsverfahren eingestellt worden sei, und diese Voraussetzungen mit dem Abhilfebescheid nicht eingetreten seien (S. 5 des Urteilsabdruckes). Der Kläger hat bereits den rechtlichen Ansatz des Verwaltungsgerichts nur teilweise und damit nicht ausreichend angegriffen, weil sich seine Ausführungen auf die Frage beschränken, ob die Beklagte mit dem Abhilfebescheid das bisherige förmliche Verfahren fortgeführt oder ein "völlig neues" Verfahren begonnen hat. § 79 Abs. 5 Satz 1 LBG a.F. bestimmt jedoch als Voraussetzung dafür, das Verfahren "einzustellen" und die einbehaltenen Dienstbezüge nachzuzahlen, die Feststellung der Dienstfähigkeit, die weder mit dem Abhilfebescheid noch sonst erfolgt ist. Im Übrigen ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte mit dem Abhilfebescheid nicht das Zurruhesetzungsverfahren als solches eingestellt hat, sondern lediglich einem vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmangel Rechnung tragen und das Zurruhesetzungsverfahren in einen früheren Stand zurückversetzen wollte (vgl. zu der Möglichkeit der Fortführung eines früheren Zurruhesetzungsverfahrens OVG Berlin, Beschluss vom 21. Februar 2000 - 4 SN 12.00 - S. 2 f. des Beschlussabdruckes). Im Tenor und in der Begründung des genannten Bescheides heißt es ausdrücklich, das Ermittlungsverfahren werde gemäß § 79 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 LBG "wieder aufgenommen bzw. fortgeführt". Aus dem im Verwaltungsvorgang befindlichen Vermerk zu dem genannten Bescheid ergibt sich, dass mit dem Abhilfebescheid - hierauf hat bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen, ohne dass der Kläger dies angegriffen hätte - allein das Prozessrisiko hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmangels (der Untersuchungsführer sei von der Wahrnehmung der Aufgaben eines Untersuchungsführers gesetzlich ausgeschlossen) minimiert und vorsorglich ein neuer Untersuchungsführer bestellt werden sollte; dieser sollte in den Stand des Untersuchungsverfahrens eintreten.
c) Soweit der Kläger rügt, die Entscheidung der Beklagten vom 30. Oktober 2001, das förmliche Ermittlungsverfahren wieder aufzunehmen bzw. fortzuführen, sei fehlerhaft gewesen, weil sie nicht erkennbar von der Überzeugung einer weiter gegebenen Dienstunfähigkeit getragen gewesen sei, sowie die Schwerbehindertenvertretung und das Integrationsamt hieran nicht beteiligt worden seien (2.c der Zulassungsbegründung), sind Richtigkeitszweifel ebenfalls nicht aufgezeigt. Das Vorbringen ist für die tragende Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung unerheblich. Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf ungekürzte Dienstbezüge im hier streitigen Zeitraum verneint, weil es § 79 Abs. 4 LBG a.F. für anwendbar gehalten sowie darüber hinaus angenommen hat, dass die Voraussetzungen für eine Nachzahlungspflicht nach § 79 Abs. 5 Satz 2 LBG a.F. nicht vorlägen, weil es an einer Feststellung der Dienstfähigkeit des Klägers fehle. Diese Argumentation vermag eine etwaige Fehlerhaftigkeit der Entscheidung der Beklagten, das Zurruhesetzungsverfahren wieder aufzunehmen bzw. in einem früheren Stand fortzuführen, nicht in Frage zu stellen. Die von § 79 Abs. 4 Satz 1 LBG a.F. vorgesehene vorläufige Rechtsfolge hängt nicht von der formellen oder materiellen Richtigkeit der Entscheidung über die Fortführung ab, sondern tritt unmittelbar kraft Gesetzes ein (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 C 26.89 - BVerwGE 88, 332, 336). Der Anhörungspflicht des Vertrauensmannes der Schwerbehinderten und der Hauptfürsorgestelle kann der Dienstherr im Übrigen bis zum Ausspruch der Zurruhesetzung selbst genügen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Februar 1988 - 2 CB 53.87 - Juris Rn. 1). Aus der vom Kläger genannten Fundstelle ergibt sich nichts Abweichendes. Nach dem Gang der Dinge kann auch nicht ernsthaft angenommen werden, dass die Fortführung des Verfahrens nicht mehr von der Annahme der Dienstunfähigkeit des Klägers getragen war.
2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund liegt nur vor, wenn in der Rechtssache eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Frage aufgeworfen wird, deren Beantwortung in einem künftigen Berufungsverfahren zur Wahrung der Einheitlichkeit oder zur Fortentwicklung des Rechts geboten ist. Das ist hier nicht der Fall. Die vom Kläger für grundsätzlich gehaltene Frage, "wie mit den nach § 79 Abs. 4 Satz 1 LBG a.F. vorläufig einbehaltenen Dienstbezügen zu verfahren ist, wenn das gemäß § 79 Abs. 4 Satz 2 LBG a.F. eingeleitete Ermittlungsverfahren zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung noch nicht beendet war", lässt sich nach dem Vorstehenden beantworten, ohne dass es eines Berufungsverfahrens bedarf. Außerdem betrifft die Frage ausgelaufenes Recht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG (streitiger Differenzbetrag des gezahlten Ruhegehalts zu den vom Kläger begehrten vollen Dienstbezügen).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Ende der Entscheidung
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