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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 14.11.2007
Aktenzeichen: OVG 4 N 14.06
Rechtsgebiete: VwGO, BBesG, 2. BesÜV
Vorschriften:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 | |
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2 | |
BBesG § 73 | |
2. BesÜV § 2 Abs. 1 |
OVG 4 N 14.06
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Buchheister, den Richter am Oberverwaltungsgericht Lehmkuhl und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Hoock am 14. November 2007 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Berlin vom 15. Dezember 2005 wird abgelehnt.
Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger.
Der Streitwert wird in Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. Februar 2006 für die erste Rechtsstufe auf 6.404,16 EUR und für die zweite Rechtsstufe auf 6.468,25 EUR festgesetzt.
Gründe:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Darlegungen des Klägers, auf die sich die Prüfung des Oberverwaltungsgerichts beschränkt (vgl. § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO), rechtfertigen eine Zulassung der Berufung nicht.
Aus den Darlegungen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Gemessen an den geltend gemachten Aspekten hat das Verwaltungsgericht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit richtig entschieden, dass dem Kläger ein (vom ihm ab dem 1. Januar 2000 geltend gemachter) Anspruch auf Dienstbezüge ohne eine Absenkung nach Maßgabe der 2. Besoldungs-Übergangsverordnung - 2. BesÜV - nicht zusteht.
Insoweit kommt es nicht darauf an, ob - wie vom Kläger geltend gemacht - die seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des § 73 BBesG (Beschluss vom 12. Februar 2003 - 2 BvL 3/00 - juris) ergangenen Änderungen des § 73 BBesG und der 2. BesÜV (Verlängerung der Verordnungsermächtigung bis zum 31. Dezember 2009, weitere schrittweise Anhebung des Vomhundertsatzes, vgl. BBVAnpG 2003/2004 vom 10. September 2003, BGBl. I S. 1798) die Bindungswirkung der Verfassungsgerichtsentscheidung zumindest - wie der Kläger meint (Ziffer 1.a. der Zulassungsgründe) - ab dem Jahr 2005 haben entfallen lassen, so dass sie einer erneuten Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht (mehr) entgegenstünde. Die Gesetzesänderungen stellen jedenfalls keine neuen Umstände dar, die zu einer nochmaligen Vorlage an das Bundesverfassungsgericht Anlass geben könnten. Es handelt sich insoweit lediglich um die Fortführung der bisherigen Vorgehensweise des Gesetzgebers, die ursprünglich bis zum 30. September 1992 befristete Verordnungsermächtigung in § 73 BBesG sukzessive zu verlängern (vgl. im Einzelnen die Darstellung bei BVerfG, a.a.O., Rn. 6 ff.). Gleiches gilt für die schrittweise Anpassung des Vomhundertsatzes in § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV, der 1991 zunächst bei 60 vom Hundert lag und in der Folgezeit immer weiter angehoben worden ist (vgl. auch insoweit BVerfG, a.a.O., Rn. 11 ff.). Hieraus ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers (Ziffer 1.b.aa. der Zulassungsgründe) nichts für die Annahme, die niedrigere Besoldung der Beamten im Beitrittsgebiet gemäß § 73 BBesG und der 2. BesÜV gerate nunmehr in Konflikt mit dem Grundgesetz. Insbesondere lässt sich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Februar 2003 solches nicht entnehmen. Die Frage, ab wann die unterschiedliche Besoldung ihre Rechtfertigung verliert und folglich gleichheitswidrig wird, hängt zunächst ab von der Fortdauer oder der Nivellierung der vom Bundesverfassungsgericht als Rechtfertigung erkannten Unterschiede der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse im Beitrittsgebiet und im bisherigen Bundesgebiet. Dass sich diese Verhältnisse gegenüber den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts grundlegend geändert hätten, wird nicht dargelegt. Daneben ergibt sich eine gegebenenfalls schon vor der (völligen) Angleichung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse zum Tragen kommende zeitliche Begrenzung der unterschiedlichen Besoldung durch den Charakter des § 73 BBesG als Übergangsregelung, die nicht beliebig verlängerbar ist und nicht in ein spezielles Bundesbesoldungsgesetz "Ost" bzw. eine dauerhafte Aufrechterhaltung zweier unterschiedlich bemessener Besoldungen in Ost und West umschlagen darf (BVerfG, a.a.O., Rn. 113 ff.). Diese Grenze ist ersichtlich nicht schon deshalb erreicht, weil der Gesetzgeber seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die bisherige Vorgehensweise einer sukzessiven Verlängerung der Verordnungsermächtigung und einer schrittweisen Anhebung der Besoldung im Beitrittsgebiet weiterverfolgt hat. Dass diese Anhebung in den ersten Jahren nach der deutschen Wiedervereinigung in relativ kurzer Zeit in stärkerem Maße erfolgt ist, während die Anhebungen in den letzten Jahren relativ gesehen niedriger ausgefallen sind, wie der Kläger geltend macht, besagt noch nichts darüber, dass die unterschiedliche Besoldung in eine dauerhafte Aufrechterhaltung zweier unterschiedlich bemessener Besoldungen in Ost und West umgeschlagen wäre. Diese relative Verlangsamung der Anpassung der Bezüge ergab sich im Übrigen auch schon vor den letzten Erhöhungen durch das BBVAnpG 2003/2004, ohne dass das Bundesverfassungsgericht diesen Umstand zum Anlass genommen hätte, hieraus auf eine gegenwärtige oder auch nur sich alsbald abzeichnende Verfassungswidrigkeit zu schließen.
Die weiteren Einwände des Klägers (1.b.bb der Zulassungsbegründung), mit denen er auf eine besondere Situation im Land Berlin abstellt, wonach fiskalische Aspekte einer abgesenkten Besoldung nur eine unterordnete Bedeutung hätten (weil anders als im übrigen Beitrittsgebiet nur ein geringer Anteil der Beamten eine abgesenkte Besoldung erhielte), begründen ebenfalls keine ernstlichen Zweifel. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich die Rechtfertigung der unterschiedlichen Besoldung nicht allein aus rein fiskalischen Interessen, also dem Bemühen, Ausgaben möglichst zu sparen, ergibt, sondern nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus den unterschiedlichen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen im Beitrittsgebiet und dem bisherigen Bundesgebiet. Hierzu hat es zusammenfassend ausgeführt (a.a.O., Rn. 109):
Nach alledem lassen sich die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und deren Entwicklung im Beitrittsgebiet noch hinreichend aussagekräftig als allen neuen Ländern - und gerade ihnen - gemeinsame Folge des Transformationsprozesses erklären. Trotz der regionalen Unterschiede innerhalb des Beitrittsgebietes und der weitgehend angenäherten Lebenshaltungskosten zwischen Ost und West ist eine generalisierende und typisierende Betrachtung der neuen Länder in besoldungsrechtlicher Hinsicht noch sachlich vertretbar. Die schwache Finanzkraft der neuen Länder stellt als Folge und Ausdruck der gesamtwirtschaftlichen Situation einen wirtschaftspolitisch noch plausiblen und besoldungsrechtlich noch hinreichend sachgerechten Grund dafür dar, dass Beamte, Richter und Soldaten übergangsweise noch immer geringer besoldet werden.
Es kommt hiernach nicht entscheidend und erst recht nicht allein darauf an, in welchem Umfang sich durch die abgesenkte Besoldung für den Haushalt einer Körperschaft im Beitrittsgebiet Einsparungen ergeben, sondern allgemein auf die unterschiedlichen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse zwischen dem Beitrittsgebiet und dem bisherigen Bundesgebiet. Dass im Übrigen der Hinweis des Klägers auf den verhältnismäßig geringen Anteil an Beamten mit abgesenkter Besoldung im Land Berlin keine Sondersituation Berlins bezeichnet, zeigt sich ohne weiteres daran, dass die gleiche Situation für den Bereich des Bundes besteht, dessen Beamte ebenfalls - verfassungsrechtlich beanstandungsfrei (vgl. BVerfG, a.a.O:, Rn. 91) - von der Absenkung der Besoldung im Beitrittsgebiet betroffen sind.
Die bloße Behauptung des Klägers, das Bundesverfassungsgericht habe sich mit der (vermeintlichen) Sondersituation Berlins nicht befasst, ist in dieser Form unsubstantiiert. Sie trifft im Übrigen nicht zu, wie bereits der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin festgestellt hat (Urteil vom 16. März 2004 - OVG 4 B 11.02 - juris Rn. 20). Aus dieser Rechtsprechung, auf die sich das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil stützt, ergibt sich ferner, dass sich die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse des Ostteils der Stadt bzw. Berlins insgesamt von denjenigen des bisherigen Bundesgebietes unterscheiden (etwa hinsichtlich des Bruttoinlandsproduktes, der Steuerdeckungsquote, der Arbeitslosenquote, des allgemeinen Preis- und Lohnniveaus und der sozialversicherungsrechtlichen Bemessungsgrenzen). Der Kläger zeigt keine Aspekte auf, die die (fortdauernde) Tragfähigkeit dieser Erwägungen in Zweifel ziehen. Soweit er auf erstinstanzlichen Vortrag verweist, der sich mit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts auseinandersetzt, genügt dies nicht den Darlegungsanforderungen. Die dortige Kritik geht im Übrigen auf die Untersuchung der verschiedenen Kenngrößen zur Ermittlung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin (a.a.O. Rn. 25 ff.) nicht näher ein.
Der Einwand zur Haushaltslage Berlins greift ebenfalls nicht durch. Die prekäre Haushaltslage des Landes ist offensichtlich und wird auch vom Kläger nicht in Abrede gestellt. Sein Rechtsstandpunkt, dass es hierauf bzw. einen Vergleich mit der Leistungsfähigkeit der alten Bundesländer nicht ankomme, entscheidend sei vielmehr, dass eine Ungleichbehandlung im Land Berlin bestehe, obwohl (abgesehen von der Finanzlage) alle sonstigen rechtlichen Gesichtspunkte für eine Gleichbehandlung sprechen würden, berücksichtigt nicht den vom Bundesverfassungsgericht angewandten Maßstab. Es kommt hiernach für die Rechtfertigung der durch § 73 BBesG übergangsweise bewirkten Ungleichbehandlung auf die unterschiedlichen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse im Beitrittsgebiet und dem bisherigen Bundesgebiet an und nicht darauf, ob im Bereich eines Dienstherrn je nach Dienstort zum Teil nur eine abgesenkte Besoldung gewährt wird (was sich für Berlin nicht anders darstellt als für den Bereich des Bundes). Die vom Kläger noch angesprochene Vergütung der Arbeiter und Angestellten im Land Berlin besagt nichts über die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 73 BBesG.
Die Rechtssache weist auf der Grundlage der Zulassungsbegründung (dort Ziffer 2.) keine besonderen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, die die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderten. Die Einwände des Klägers lassen sich vielmehr ohne weiteres im Zulassungsverfahren ausräumen (s.o.).
Der Rechtssache kommt auf der Grundlage der Zulassungsbegründung (dort Ziffer 3.) schließlich keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Kläger formuliert schon keine konkrete Rechtsfrage, sondern verweist insoweit nur auf die durch seine vorangegangenen Ausführungen "zur Prüfung gestellten Rechtsfragen" und seine erstinstanzliche Auseinandersetzung mit dem vg. Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin. Das genügt nicht zur Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Auch jene Ausführungen sind im Übrigen nicht geeignet, einen weiteren Klärungsbedarf aufzuzeigen. Die entscheidungserheblichen Fragen sind auch für das Land Berlin durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Die Kernthese des Klägers, das Bundesverfassungsgericht habe die Sondersituation Berlins nicht behandelt oder nicht (hinreichend) gewürdigt, führt in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht weiter, weil sich daraus - selbst wenn sie zutreffen würde - mit Blick auf die Bindungswirkung der verfassungsgerichtlichen Entscheidung nichts ableiten ließe. Außerdem ergibt sich aus den vom Kläger angeführten Umständen keine relevante Sondersituation Berlins noch hat das Bundesverfassungsgericht bei seiner Betrachtung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse im Beitrittsgebiet Berlin unberücksichtigt gelassen (s.o.). Entscheidend war für das Bundesverfassungsgericht, dass eine generalisierende und typisierende Betrachtung in besoldungsrechtlicher Hinsicht trotz der regionalen Unterschiede innerhalb des Beitrittsgebietes und der weitgehend angenäherten Lebenshaltungskosten zwischen Ost und West noch sachlich vertretbar ist (a.a.O., Rn. 109).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und entspricht dem Zweijahresbetrag der Differenz zwischen der Besoldung (Endgrundgehalt A 12 nebst ruhegehaltfähiger Zulagen) nach dem Bundesbesoldungsgesetz und der 2. BesÜV zum Zeitpunkt der Einleitung der Instanz (vgl. zur Streitwertpraxis des Senats Beschluss vom 16. November 2006 - OVG 4 L 16.06 - sowie Beschluss vom 11. Oktober 2007 - OVG 4 L 29.07 -). Die erstinstanzliche Festsetzung war entsprechend zu ändern.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Ende der Entscheidung
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