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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 13.06.2006
Aktenzeichen: OVG 4 S 2.06
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 4 S 2.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 4. Senat durch die Richter am Oberverwaltungsgericht Lehmkuhl und Bath und die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Hoock am 13. Juni 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 7. Februar 2006 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Nach dem im Beschwerdeverfahren maßgebenden Prüfungsstoff (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) hat das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die ausgeschriebene Stelle der Vizepräsidentin/des Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht so lange nicht zu besetzen, bis über ihren Widerspruch gegen die Auswahlentscheidung bestandskräftig entschieden ist, zu Recht abgelehnt. Die von der Beschwerde dargelegten und hier allein zu prüfenden Gründe rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.

1. Ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, die Auswahlentscheidung sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts schon deswegen rechtswidrig, weil die früheren dienstlichen Beurteilungen der beiden aktuell gleich beurteilten Bewerber nicht in den Eignungsvergleich einbezogen, sondern nur als "Hilfskriterien" gewürdigt worden seien. Die Erwägungen des Antragsgegners im Besetzungsvorschlag vom 31. August 2005 entsprechen inhaltlich den in der Rechtsprechung gestellten Anforderungen, so dass sich die hiervon abweichende Terminologie nicht auf die Auswahlentscheidung ausgewirkt haben kann.

Das Bundesverwaltungsgericht (NVwZ 2003, 1398 f. und 1397 f.; BVerwGE 118, 370, 377) geht allerdings davon aus, dass ältere Beurteilungen keine Hilfskriterien darstellen, für deren Heranziehung bei dienstrechtlichen Auswahlentscheidungen keine Rangfolge vorgegeben ist. Sie erbringen vielmehr unmittelbar Erkenntnisse über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Beurteilten und können namentlich dann bedeutsame Rückschlüsse und Prognosen über die künftige Bewährung in einem Beförderungsamt ermöglichen, wenn sie positive oder negative Aussagen über Charaktereigenschaften, Kenntnisse, Fähigkeiten, Verwendungen und Leistungen sowie deren voraussichtliche weitere Entwicklung enthalten. Derartige Äußerungen, insbesondere bei einer Gesamtwürdigung der vorhandenen dienstlichen Beurteilungen erkennbare positive oder negative Entwicklungstendenzen, können vor allem bei gleichwertigen aktuellen Beurteilungen von Bewerbern den Ausschlag geben. Ihre zusätzliche Berücksichtigung bei der Auswahl ist deswegen mit Blick auf Art. 33 Abs. 2 GG geboten, wenn - wie hier - eine Stichentscheidung unter zwei oder mehr aktuell im Wesentlichen gleich beurteilten Beamten (bzw. Richtern) zu treffen ist (BVerwG, a.a.O.).

Der Besetzungsvorschlag greift indessen jene sich aus früheren dienstlichen Beurteilungen ergebenden Aspekte auf. Er erörtert im Einzelnen die Leistungsentwicklung der Antragstellerin und des Beigeladenen in ihrem gegenwärtigen und dem vorangegangenen Amt und befasst sich ausführlich mit den für die ausgeschriebene Stelle einschlägigen früheren Verwendungen und den hierdurch erlangten Kenntnissen und Fähigkeiten. Die Auswahl zwischen den beiden aktuell gleich beurteilten Bewerbern ist maßgeblich auf eine Abwägung dieser Umstände gestützt.

Dass der Antragsgegner die in den Eignungsvergleich einzubeziehenden Erkenntnisse als Hilfskriterien bezeichnet hat, vermag einen Beurteilungs- oder Ermessensfehler nicht zu begründen. Dem höheren Gewicht der im Besetzungsvorschlag als "leistungs- und eignungsbezogene... Hilfskriterien" bezeichneten Aspekte gegenüber sonstigen "Hilfskriterien" (Dienstalter, Frauenförderung) trägt der Besetzungsvorschlag ausdrücklich Rechnung. Das Vorbringen der Antragstellerin, die Berücksichtigung früherer dienstlicher Beurteilungen im Rahmen des Eignungsvergleichs unterliege anderen rechtlichen Bindungen als bei einer Ermessensentscheidung, ist hier unergiebig. Der Antragsgegner hat sich nicht darauf beschränkt, die Gesamturteile zu berücksichtigen, sondern auch Erkenntnisse über den beruflichen Werdegang der Bewerber verwertet. Welche weiteren Aspekte der früheren dienstlichen Beurteilungen Bedeutung für das zu besetzende Amt haben könnten und deshalb in den Vergleich hätten einbezogen werden müssen, ist weder von der Antragstellerin konkret aufgezeigt noch sonst ersichtlich. Für die Annahme des Rechtsbehelfs, es sei offen, ob der Antragsgegner bei hinreichender Berücksichtigung der früheren Beurteilungen zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, fehlt es damit an einer tatsächlichen Grundlage.

2. Die Einwände der Antragstellerin hinsichtlich des Aspekts der Leistungsentwicklung überzeugen nicht. Die Würdigung des Verwaltungsgerichts, der Antragsgegner sei nicht von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen, ist nicht durchgreifend in Frage gestellt.

Soweit sich die Beschwerde mit dem Erreichen der Leistungsnote "hervorragend" in einem Amt der Besoldungsgruppe R 3 befasst und darauf hinweist, die Antragstellerin und der Beigeladene hätten diese Note jeweils 1 1/2 Jahre nach Übertragung des Amtes erhalten, trägt sie den Erwägungen des Besetzungsvorschlags nicht Rechnung. Dieser knüpft nicht an den Zeitpunkt der Beförderung, sondern daran, dass der Beigeladene nach weniger Dienstjahren und seit längerer Zeit mit "hervorragend" beurteilte Leistungen gezeigt hat. Die diesem Ansatz zugrunde liegenden Feststellungen zieht die Antragstellerin nicht in Zweifel.

Ebenfalls ohne Erfolg wendet sich der Rechtsbehelf gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, im Rahmen der Leistungsentwicklung sei eine Berücksichtigung der "Dienstlichen Beurteilung" des Bundesministeriums der Justiz vom 15. Juli 1993 nicht geboten gewesen. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei den nach einer Abordnung eines Richters erstellten Beurteilungen durch die Stelle, zu der die Abordnung erfolgt ist, um dienstliche Beurteilungen im Rechtssinne handelt. In dem aufgezeigten Zusammenhang des Besetzungsberichts, der auf den Aspekt der Kontinuität ("seit längerer Zeit") abstellt, war die Beurteilung des Bundesministeriums der Justiz jedenfalls deshalb nicht relevant, weil die Antragstellerin das damalige Leistungsniveau in den folgenden Beurteilungen nicht aufrechterhalten hat. Die anschließenden Personal- und Befähigungsnachweisungen des Präsidenten des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. Mai 1994 und 28. April 1997 sowie des Präsidenten des Landgerichts Potsdam vom 16. Januar 1998 schließen jeweils mit der zweitbesten Note "erheblich über dem Durchschnitt", zuletzt mit dem Zusatz "obere Grenze", ab. Eine kontinuierliche Bewertung mit "hervorragend" liegt, wie im Besetzungsvorschlag zutreffend ausgeführt, erst beginnend mit der Beurteilung durch den Präsidenten des Landgerichts Potsdam vom 25. August 1998 vor.

Die Wertung des Verwaltungsgerichts, der Antragsgegner habe die in unterschiedlichen Bundesländern erstellten Beurteilungen für vergleichbar halten dürfen, wird von der Beschwerde nicht erfolgreich angegriffen. Auf die von den Beteiligten kontrovers erörterte tatsächliche Frage, ob die Praxis im Land Nordrhein-Westfalen, das Gesamturteil in der ersten Beurteilung nach einer Beförderung abzusenken, von der des Landes Brandenburg abweicht, kommt es hier nicht an, da die Antragstellerin nicht nur in der ersten, sondern auch in den beiden folgenden Beurteilungen das (niedrigere) Gesamturteil "erheblich über den Anforderungen" erhalten hat und zudem die letzte dieser Beurteilungen im Land Brandenburg erstellt worden ist. Im Übrigen liegt auf der Hand, dass bei der Beurteilung von Beamten bzw. Richtern in einem Beförderungsamt regelmäßig der strengere Beurteilungsmaßstab dieses Amtes zugrunde zu legen ist.

Auch der weitere Einwand der Beschwerde, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht gebilligt, dass der Antragsgegner die Beurteilungen im Amt der Besoldungsgruppe R 1 unberücksichtigt gelassen habe, ist nicht berechtigt. Der unter 1. dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass der Dienstherr stets sämtliche aus früheren dienstlichen Beurteilungen zu gewinnenden Erkenntnisse in seine Auswahlerwägungen einbeziehen müsste. Die Berücksichtigung dieser Beurteilungen ist vielmehr daran geknüpft, dass sich ihnen bedeutsame Rückschlüsse und Prognosen über die künftige Bewährung in einem Beförderungsamt entnehmen lassen. Mit zunehmendem Alter der Beurteilungen verlieren diese Gesichtspunkte naturgemäß an Bedeutung. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich auf deutlich niedriger eingestufte Ämter beziehen, die nur wenige Gemeinsamkeiten mit den Anforderungen des angestrebten Amtes aufweisen. Die mehr als 15 bzw. 12 Jahre zurückliegenden Leistungen der Antragstellerin und des Beigeladenen im richterlichen Eingangsamt sind für die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle mit den spezifischen Anforderungen einer Leitungsfunktion ohne nennenswerte Relevanz, so dass der Antragsgegner davon absehen durfte, die damaligen Beurteilungen in den Eignungsvergleich einzubeziehen.

3. Ebenfalls ohne Erfolg wendet sich die Antragstellerin gegen die Erwägungen des angefochtenen Beschlusses zur Würdigung der bisherigen Tätigkeitsschwerpunkte der Bewerber im Besetzungsbericht. Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat der Antragsgegner nicht wesentliche Umstände außer Acht gelassen. Der Vortrag, der Richterwahlausschuss sei nicht unterrichtet worden, dass Präsident und Vizepräsident in der Justizverwaltung unterschiedliche Aufgaben wahrzunehmen hätten, geht schon deswegen fehl, weil die gerichtsinterne Aufgabenverteilung mit Ausnahme der Vertretungsfunktion nicht amtsbezogen gesetzlich fixiert ist und der Vizepräsident bzw. die Vizepräsidentin damit rechnen muss, über die umfassende, unter Umständen auch längerfristige Vertretung des Präsidenten im Verhinderungsfalle hinaus mit allen anfallenden Verwaltungsaufgaben konfrontiert zu werden. Dies gilt auch für den von der Antragstellerin hervorgehoben Komplex der Personalangelegenheiten. - Der weitere Vortrag, der Antragsgegner habe nicht berücksichtigt, dass die Antragstellerin nicht nur "weitaus umfangreichere und frischere Verwaltungserfahrungen als der Beigeladene" habe, sondern dass diese Erfahrungen "einen weitaus engeren Bezug zu den spezifischen Verwaltungsaufgaben des Vizepräsidenten" hätten als die des Beigeladenen, ist in der Beschwerde ohne konkrete Substanz. Die in Bezug genommenen erstinstanzlichen Schriftsätze gehen auf die Erwägungen des Besetzungsvorschlags, der Zeitpunkt und Umfang der ausgeübten Justizverwaltungstätigkeiten zutreffend aufführt und diese nach ihrer Relevanz für die ausgeschriebene Stelle gewichtet, nicht bzw. nicht überzeugend ein. Auf die gegenwärtige Aufgabenverteilung zwischen Präsident und Vizepräsident, auf die die Beschwerde abstellt, kommt es aus den dargelegten Gründen hier nicht an.

4. Soweit sich die Antragstellerin mit dem Erfordernis eines Gleichstellungsplanes befasst, überzeugt ihr Vorbringen schon im Ausgangspunkt nicht. Auf die vom Rechtsbehelf erörterte Frage, ob bei Fehlen der gesetzlichen Zielvorgaben eine rechtmäßige bzw. ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung zwischen zwei gleichermaßen geeigneten Bewerbern getroffen werden kann, kommt es hier nicht an, da der Antragsgegner in nicht zu beanstandender Weise (wie zuvor ausgeführt) davon ausgegangen ist, dass der Beigeladene nach Leistung und Eignung den Anforderungen des angestrebten Amtes besser entspricht als die Antragstellerin.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da dieser sich durch Stellen eines Antrags dem Risiko der Kostenpflicht (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) ausgesetzt hat. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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