Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 21.08.2008
Aktenzeichen: OVG 4 S 26.08
Rechtsgebiete: LKrO, VwGO


Vorschriften:

LKrO § 59 Abs. 1
VwGO § 67 Abs. 4 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 4 S 26.08

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 4. Senat durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Lehmkuhl, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Blumenberg und den Richter am Verwaltungsgericht Rüsch am 21. August 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 10. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Streitwert wird für die zweite und - insoweit unter Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 10. Juli 2008 - für die erste Rechtsstufe auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt eine Änderung des angefochtenen Beschlusses nicht.

Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur die dargelegten Gründe. Auf der Grundlage des hiernach durch den Beschwerdevortrag begrenzten Prüfungsstoffs hat das Verwaltungsgericht dem Antragsgegner zu Recht einstweilen untersagt, die Stelle des Beigeordneten für Finanzen, wirtschaftliche Beteiligungen, öffentliche Sicherheit und Ordnung bis zu einer erneuten Auswahlentscheidung mit dem Beigeladenen zu besetzen.

Die Beschwerde des Antragsgegners hat nicht schon deshalb Erfolg, weil der Antragsteller (und Beschwerdegegner) sich im Beschwerdeverfahren nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lässt. Zwar ist eine solche Vertretung durch § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO in der durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2840) geänderten, seit 1. Juli 2008 geltenden Fassung für jeden Beteiligten vorgeschrieben, während bisher eine Vertretung nur erforderlich war, soweit der jeweilige Beteiligte einen Antrag stellte. Die Neufassung des Gesetzes diente jedoch offenbar lediglich der redaktionellen Anpassung an andere Verfahrensordnungen, ohne dass damit eine Änderung des Prozessrechts in der Sache verbunden sein sollte (vgl. BR-Drucks. 623/06, S. 214 ff.). Stellt der Rechtsmittelgegner im Rechtsmittelverfahren - wie hier der Antragsteller - keinen Sachantrag, ist eine Vertretung durch Prozessbevollmächtigte (weiterhin) nicht erforderlich. Denn das unzulässige oder unbegründete Rechtsmittel ist von Amts wegen abzulehnen (vgl. Jörg Schmidt in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 67 Rn. 1 zur bisher geltenden Fassung des Gesetzes). Auch die fehlende Vertretung des keinen Sachantrag stellenden Beigeladenen ist (wie bisher) prozessual folgenlos.

Der Antragsgegner stellt den (zutreffenden) rechtlichen Ansatzpunkt des Verwaltungsgerichts nicht in Frage, dass konkurrierenden Bewerbern um das im Beamtenverhältnis auf Zeit zu verleihende Amt eines Beigeordneten ein Bewerbungsverfahrensanspruch dem Grunde nach zusteht (ebenso OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. Januar 2008 - 5 ME 491.07 -, juris Rn. 21; OVG Weimar, Beschluss vom 30. März 2007 - 2 EO 729.06 -, juris Rn. 39; offen gelassen vom OVG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 21. März 1996 - 2 B 2.96 -, LKV 1997, 173; a.A. OLG Rostock, Urteil vom 8. Juni 2000 - 1 U 179.98 -, juris Rn. 62 ff.), dass der durch Art. 33 Abs. 2 GG, § 12 Abs. 1 LBG verbürgte Grundsatz der Bestenauslese jedoch im Hinblick auf die Besonderheiten des Amtes eines Beigeordneten im kommunalen politischen Raum eingeschränkt ist; auch die Auswahlentscheidung ist deshalb nur eingeschränkt überprüfbar. Deshalb unterliegt, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, weder der Wahlvorschlag des Landrats noch die Wahlentscheidung des Kreistags einer inhaltlichen Überprüfung. Auch muss die Auswahlentscheidung, anders als sonst im Beamtenrecht, nicht begründet werden. Dies führt aber nicht dazu, dass die Auswahl des Beigeordneten gänzlich losgelöst vom Grundsatz der Bestenauslese durchgeführt werden dürfte (ebenso OVG Lüneburg, a.a.O.; OVG Weimar, a.a.O. Rn. 41).

Angesichts der Beschränkung des Bewerbungsverfahrensanspruchs im Hinblick auf das Ergebnis der Auswahlentscheidung ist es, wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend hervorgehoben hat, von besonderer Bedeutung, dass der gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 LKrO zur Wahlentscheidung berufene Kreistag über hinreichende Informationen verfügt, um beurteilen zu können, ob der Kandidatenvorschlag des Landrats dem Prinzip der Bestenauslese gerecht wird. Dies setzt voraus, dass der Kreistag über die maßgeblichen Informationen auch zu den Mitbewerbern des vorgeschlagenen Kandidaten verfügt, insbesondere zu deren fachlicher Qualifikation und beruflichem Werdegang. Führt der Landrat, wie hier, zunächst Bewerbungsgespräche mit den Kandidaten durch, muss auch das wesentliche Ergebnis dieser Gespräche dem Kreistag zugänglich gemacht werden, auch im Hinblick auf die bei manchen Bewerbern offenbar erst bei dieser Gelegenheit ermittelte Mitgliedschaft in einer politischen Partei. Daran fehlt es hier. Die Beschlussvorlage vom 30. Januar 2008 enthält insoweit lediglich die Information, dass es sechs Bewerbungen gegeben habe, dass mit fünf Bewerbern Vorstellungsgespräche geführt worden seien und dass die nach der Landkreisordnung erforderliche Eignung bei mehreren Bewerbern gegeben sei. Darüber hinaus enthält die Beschlussvorlage nur Angaben dazu, warum der Beigeladene nach Auffassung des Landrats der am besten geeignete Bewerber für die Stelle des Beigeordneten ist. Da diese Begründung lediglich das Ergebnis des Eignungsvergleichs aus Sicht des Landrats mitteilt, nicht aber (vergleichend) die fachliche und persönliche Qualifikation des Beigeladenen derjenigen der Mitbewerber gegenüberstellt, ist die Beschlussvorlage auch nicht mittelbar geeignet, den Mitgliedern des Kreistags eine eigene Eignungseinschätzung zu ermöglichen. Es genügt entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht, dass die Mitglieder des Kreistags aufgrund der Angaben in der Beschlussvorlage (bzw. wegen persönlicher Erfahrungen mit dem Beigeladenen) in der Lage waren, die Eignung des Beigeladenen für das Amt des Beigeordneten festzustellen. Vielmehr hätten sie in die Lage versetzt werden müssen, zu beurteilen, ob der vom Landrat vorgeschlagene Bewerber nicht nur geeignet, sondern - im Sinne des Prinzips der Bestenauslese - am besten für das Amt des Beigeordneten geeignet war (im Ergebnis ebenso Herrmann, LKV 2006, 535, 538).

Dass der Kreistag - anders als in anderen Bundesländern - in Brandenburg bei der Wahl des Beigeordneten kein eigenes Vorschlags- oder Auswahlrecht hat, wie die Beschwerde geltend macht, ist insoweit unerheblich. Denn ungeachtet dessen steht dem Kreistag nach § 59 Abs. 1 Satz 1 LKrO die Entscheidungskompetenz (auch) darüber zu, ob der Kandidatenvorschlag des Landrats dem Prinzip der Bestenauslese gerecht wird. Nur wenn die Mitglieder des Kreistags über genügende Informationen über die Mitbewerber des vorgeschlagenen Kandidaten verfügen, können sie entscheiden, ob sie einem Kandidatenvorschlag, der - wie hier - die zum Teil erheblich höhere fachliche Qualifikation von Mitbewerbern gegenüber der besonderen persönlichen Eignung des Beigeladenen zurückstellt, folgen wollen.

Der Einwand der Beschwerde, der Landrat habe in der Sitzung des Kreisausschusses vom 30. Januar 2008 Auskunft über die Zusammensetzung des Bewerberkreises gegeben, wobei auf Anfrage einzelner Fraktionen auch Gesichtspunkte der Erfahrung und der fachlichen Eignung anderer Bewerber zur Sprache gekommen seien, stellt die Erwägung des Verwaltungsgerichts, der Kreistag als Wahlgremium habe nicht über die entsprechenden Informationen verfügt, nicht in Frage. Denn der Kreisausschuss hat nach § 48 Abs. 1 Satz 3 LKrO insoweit (nur) die Aufgabe, die Beschlüsse des Kreistages vorzubereiten. Auch waren die dort gegebenen Informationen über die Mitbewerber nach der Sitzungsniederschrift vom 30. Januar 2008 ähnlich allgemeiner Art wie die in der Beschlussvorlage für den Kreistag vom selben Tage. Das darin unterbreitete Angebot an die Mitglieder des Kreistags, Einsicht in die Bewerberunterlagen zu nehmen, ersetzt die notwendige Information des Kreistags nicht. Denn dieses - nach Angaben des Antragsgegners teilweise auch wahrgenommene - Angebot stellt nicht in hinreichendem Maße sicher, dass dem Kreistag als Wahlgremium die für seine Wahlentscheidung notwendigen Informationen tatsächlich vorlagen.

Soweit der Antragsgegner mit der Beschwerde vorträgt, kein Kreistagsmitglied habe die Angaben des Landrats in der Sitzung des Kreisausschusses vom 30. Januar 2008 oder die Angaben zum Kandidatenvorschlag in der Beschlussvorlage vom 30. Januar 2008 bezweifelt oder bemängelt, trifft dies ausweislich der Sitzungsniederschriften vom 30. Januar 2008 (Kreisausschuss) und 13. Februar 2008 (Kreistag) nicht zu. Danach haben mehrere Mitglieder des Kreistags den Kandidatenvorschlag des Landrats in Zweifel gezogen und das Auswahlverfahren kritisiert. Im Übrigen hat der Landrat offenbar auch in diesen Gremien die (unzutreffende) Rechtsauffassung vertreten, der Kreistag habe nur darüber zu befinden, ob der vorgeschlagene Kandidat für das Amt geeignet ist, und nicht darüber, ob er (auch) aus Sicht des Kreistags am besten geeignet ist.

Der Einwand, gegen die Vorlage einer "Bewerberübersicht" im Kreistag spreche, dass einzelne Bewerber im Vorstellungsgespräch darauf hingewiesen hätten, sie wollten vor einer Bekanntgabe ihrer Bewerbung informiert werden, um diese im Falle des ausbleibenden Erfolgs zurücknehmen zu können, verfängt nicht. Abgesehen davon, dass ein solcher Hinweis den vorliegenden Bewerbungsunterlagen nicht zu entnehmen ist, ließe sich diesen Bedenken in der Weise begegnen, dass die Daten der betreffenden Bewerber in der Übersicht anonymisiert werden. Alternativ könnten diese Bewerber nach einer entsprechenden Mitteilung, dass sie nicht vorgeschlagen seien, mit ihrem Einverständnis von der Bewerberliste gestrichen werden. Der von der Beschwerde genannte Fall des kommunalen Wahlbeamten einer anderen Körperschaft zielt ohnehin nur auf einen der fünf Mitbewerber des Beigeladenen.

Anders als die Beschwerde meint, kann sich der Antragsteller auf die unzureichende Information der Mitglieder des Kreistags berufen. Dadurch wird der Antragsteller nicht im Sinne einer Popularklage in die Lage versetzt, eine (nur) objektive Verletzung der kommunalverfassungsrechtlichen Informationspflicht zu rügen. Das subjektive Recht des Antragstellers folgt vielmehr - wie dargestellt - aus seinem Bewerbungsverfahrensanspruch.

Schließlich greift die Beschwerde auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Auswahl des Antragstellers im Rahmen einer erneuten Entscheidung erscheine nicht unmöglich, weil sie nicht aus Rechtsgründen ausgeschlossen sei, nicht mit Erfolg an. Zwar ist der Beschwerde zuzugeben, dass der Antragsteller durch die Absage des Bewerbungsgesprächs die Aussichten seiner Bewerbung im Rahmen des Auswahlverfahrens nicht befördert hat. Es ist jedoch zumindest unklar, ob die (relativ knappe) Mehrheit zugunsten des Beigeladenen erneut zustande kommen wird, wenn dem Kreistag vollständige Informationen über die Mitbewerber vorliegen. Spekulativ ist die Antwort auf die Frage, wie der (neue) Landrat und der Kreistag bei einer möglichen Ablehnung dieses (ersten) Kandidatenvorschlages reagieren würden. Jedenfalls lässt sich nicht ausschließen, dass der Antragsteller vorgeschlagen und gewählt wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG. Entsprechend der ständigen Praxis des Senats ist der Streitwert in Konkurrentenstreitigkeiten schon im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit dem vollen Auffangwert anzusetzen; die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung war entsprechend zu ändern (§ 63 Abs. 3 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück