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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 19.06.2007
Aktenzeichen: OVG 5 B 12.06
Rechtsgebiete: StAG, AsylVfG, SGB I
Vorschriften:
StAG § 8 | |
StAG § 10 | |
StAG § 10 Abs. 1 Satz 1 | |
StAG § 12 b Abs. 2 | |
AsylVfG § 55 Abs. 3 | |
SGB I § 30 Abs. 3 Satz 2 |
OVG 5 B 12.06
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 5. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Wolnicki, die Richter am Oberverwaltungsgericht Dahm und Dr. Raabe sowie die ehrenamtliche Richterin Miethe und den ehrenamtlichen Richter Scharfschwerdt
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger, ein am 31. Juli 1932 geborener iranischer Staatsangehöriger, begehrt seine Einbürgerung. Er hielt sich erstmals von 1953 bis 1970 in der Bundesrepublik auf. Während dieser Zeit schloss er sein Medizinstudium ab, promovierte, erhielt seine Facharztanerkennung als Kinderarzt und war als Assistenzarzt tätig. Nach der Promotion am 14. Mai 1970 kehrte er am 1. Juni des gleichen Jahres in seine Heimat zurück. Mitte Dezember 2001 reiste er mit einem Touristenvisum nach Deutschland und wurde auf seinen Antrag vom Januar 2002 im März 2002 als Asylberechtigter anerkannt.
Seinen Einbürgerungsantrag vom 13. September 2004 lehnte das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg mit Bescheid vom 15. November 2005 ab, da sein rechtmäßiger Inlandsaufenthalt nicht von der erforderlichen Dauer sei. Seine Aufenthaltszeiten von 1953 bis 1970 in Deutschland seien nicht im Einbürgerungsverfahren zu berücksichtigen, da nicht festgestellt werde könne, dass er damals seinen gewöhnlichen und rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland gehabt habe. Die dagegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht Berlin mit Urteil vom 10. Mai 2006 abgewiesen, da der Kläger nicht über einen mindestens achtjährigen rechtmäßigen und gewöhnlichen Inlandsaufenthalt verfüge. Seine Einbürgerung käme auch mit Blick auf seine Voraufenthaltszeiten in Deutschland von 1953 bis 1970 nicht in Betracht. Da die Entscheidung über die Anrechnung seiner Voraufenthaltszeiten im Ermessen stehe, dürfe er nach Nr. II des Schlussprotokolls zum Niederlassungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien vom 17. Februar 1929 nur mit der - vorliegend fehlenden - Zustimmung des Irans eingebürgert werden.
Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend, Nr. II des genannten Schlussprotokolls sei nicht einschlägig, weil ein Ermessen nur hinsichtlich der Frage der Anrechnung des Voraufenthalts bestehe, er nach einer Anrechnung des Voraufenthalts jedoch einen Einbürgerungsanspruch habe. Es sei zudem zweifelhaft, ob die Bundesrepublik an Nr. II des Schlussprotokolls überhaupt gebunden sei und welche Rechtsqualität das Protokoll habe. Es sei auch auf den Entwurf des Ratifikationsgesetzes vom 23. Februar 1996 hinzuweisen, nach dem der im Niederlassungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien vorgesehene Zustimmungsvorbehalt aufgehoben werde. Das für die Aufhebung erforderliche Einverständnis des iranischen Parlaments liege zwar nicht vor, gleichwohl seien insoweit Tatsachen geschaffen worden, die für die Auslegung des Abkommens bedeutsam seien. Da die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Auslegung von Nr. II des Schlussprotokolls, die das Verwaltungsgericht herangezogen habe, 18 Jahre alt sei, sei auch zweifelhaft, ob sie noch heute für die Auslegung maßgeblich sei. Es seien zumindest die sich aus Art. 34 der Genfer Flüchtlingskonvention - GK -ergebenden völkerrechtlichen Verpflichtungen zu beachten. Selbst wenn man dem Verwaltungsgericht im Grundsatz folgen wolle, habe es jedenfalls verkannt, dass vorliegend die Voraussetzungen für eine Ermessensreduzierung auf Null bzgl. der Anrechnung der Voraufenthaltszeiten vorliegen würden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. Mai 2006 zu ändern, den Bescheid des Bezirksamts Tempelhof-Schöneberg von Berlin vom 15. November 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihn einzubürgern,
hilfsweise, die Revision zuzulassen. Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er meint, die früheren Aufenthaltszeiten des Klägers in Deutschland seien nicht anrechenbar. Es sei bereits nicht feststellbar, ob sein früherer Aufenthalt in Deutschland rechtmäßig gewesen sei. Er habe damals auch nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt, da er sich lediglich zu Ausbildungszwecken hier aufgehalten habe. Entsprechend den Ausführungen des Verwaltungsgerichts sperre zudem Nr. II des Schlussprotokolls zum Niederlassungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien die Einbürgerung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf seine Einbürgerung noch auf eine erneute Entscheidung über seinen Einbürgerungsantrag (§ 113 Abs. 5 Sätze 1 und 2 VwGO).
Der Kläger ist nicht gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1913 (RGBl. S. 583), zuletzt geändert mit Gesetz vom 14. März 2005 (BGBl. I S. 721) - StAG -, einzubürgern. Danach setzt die Einbürgerung u.a. voraus, dass der Ausländer seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Daran fehlt es vorliegend. Der Kläger verfügt seit knapp fünfeinhalb Jahren über einen rechtmäßigen und gewöhnlichen Inlandsaufenthalt. Auf Grund der unanfechtbaren Asylanerkennung wird ihm die Zeit seines Aufenthalts seit der Stellung seines Asylantrags im Januar 2002 gem. § 55 Abs. 3 AsylVfG angerechnet.
Eine Anrechnung der Voraufenthaltszeiten des Klägers von 1953 bis 1970 in Deutschland gem. § 12 b Abs. 2 StAG scheidet aus. Ein Voraufenthalt kann hiernach bis zu fünf Jahren auf die für die Einbürgerung erforderliche Aufenthaltsdauer angerechnet werden, wenn der Ausländer sich aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund länger als sechs Monate im Ausland aufgehalten hat. Anrechnungsfähig ist die frühere Aufenthaltszeit jedoch nur dann, wenn es eine Zeit rechtmäßigen und gewöhnlichen Aufenthalts gewesen ist (Berlit, in: Fritz/Vormeier/Berlit/Marx/Schuhen, GK-StAR, Stand: April 2007, § 12 b StAG Rn. 61), da die rechtlichen Anforderungen an den Voraufenthalt nicht geringer sein können als die an den der Einbürgerung unmittelbar vorangehenden Inlandsaufenthalt.
Vorliegend ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger innerhalb der Zeit von 1953 bis 1970 rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland begründet hatte. Für den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass dieser im Wesentlichen dasselbe besage wie der Begriff "dauernder Aufenthalt" i. S. d. Ausführungsgesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. August 1961 zur Verminderung der Staatenlosigkeit und zu dem Übereinkommen vom 13. September 1973 zur Verringerung der Fälle von Staatenlosigkeit - Gesetz zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 29. Juni 1977 (BGBl. I S. 1101) - AG-StMindÜbk -. Es hat hinsichtlich dieses Begriffs an die Legaldefinition in § 30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) und die dazu ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts angeknüpft (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25. November 2004 - BVerwG 1 B 24.04 -, Juris Rn. 3; Urteil vom 18. November 2004 - BVerwG 1 C 31.03 -, E 122, 199, 202 f. je m. w. Nachw.). Danach hat ein Ausländer seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, wenn er nicht nur vorübergehend, sondern auf unabsehbare Zeit hier lebt, so dass eine Beendigung des Aufenthalts ungewiss ist (Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 18. November 2004 - BVerwG 1 C 31.03 -, E 122, 199, 202 f.; vom 23. Februar 1993 - BVerwG 1 C 45.90 -, E 92, 116, 123). Diese Rechtsprechung gilt gleichermaßen für § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG (VG Stuttgart, Urteil vom 13. Dezember 2005 - 11 K 3725.04 -, Juris Rn. 24 ff. mit Hinweis auf VGH Mannheim, Urteil vom 11. Mai 2005 - 13 S 536.04 -).
Der Aufenthalt des Klägers während der Zeit von 1953 bis 1970 war auf einen vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland angelegt. Er ist 1953 offensichtlich zu Ausbildungszwecken nach Deutschland gereist, um hier seine Ausbildung als Mediziner zu absolvieren und danach in den Iran zurückzukehren. Er hat hier zunächst sein Studium beendet. Auch wenn er nach Abschluss seines Studiums in Deutschland als Arzt gearbeitet hat, ist nicht davon auszugehen, dass er mit Blick auf diese Tätigkeit auf unabsehbare Zeit hier hat leben wollen. Sein sich an das Studium anschließender Aufenthalt war bis zu dessen Beendigung dadurch gekennzeichnet, dass der Kläger seine Ausbildung als Arzt vervollständigt hat. Nach seinen eigenen Angaben unter Ziffer 7. des Antrags auf Einbürgerung hat er seine Tätigkeiten als Medizinalassistent vom 1. Dezember 1960 bis zum 30. August 1962 und als Assistenzarzt vom 1. September 1962 bis zum 16. Oktober 1969 zu Ausbildungszwecken absolviert. Der von ihm verfolgte Ausbildungs- und Aufenthaltszweck war nach der Anerkennung als Facharzt für Kinderkrankheiten am 13. Januar 1967 offensichtlich mit der Promotion am 14. Mai 1970 erreicht, da der Kläger unmittelbar im Anschluss daran bereits am 1. Juni 1970 in den Iran zurückgekehrt ist. Soweit er in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, er sei in den Iran zurückgereist, um die Familie seines verstorbenen Bruders zu unterstützen, widerlegt dies nicht die sich aus den obigen Umständen abzuleitende Vermutung, sein Aufenthalt in Deutschland sei nicht auf Dauer angelegt gewesen. Die insbesondere in der damaligen Zeit genutzte Möglichkeit ausländischer Arbeitnehmer, in Deutschland zu arbeiten, um ihre Familien im Heimatland zu unterstützen, begründet hinreichende Zweifel, dass ausschließlich die Absicht oder die Notwendigkeit, Familienangehörigen im Iran zu helfen, die Rückkehr des Klägers in seine Heimat veranlasst hätte. Keiner Entscheidung bedarf unter den gegebenen Umständen, ob es auch für einen nur vorübergehenden Aufenthalt des Klägers in Deutschland spricht, dass dieser sich - und dies war in der mündlichen Verhandlung unstreitig - seine Rentenversicherungsbeiträge auf Grund eines am 12. September 1966 gestellten Antrags hat auszahlen lassen, obwohl er nach dem Widerspruchsbescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 13. September 2002 lediglich für die Zeit vom 1. August 1964 bis zum 30. Juni 1965 die Pflichtversicherungsgrenze überschritten hatte.
Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers unterstellen wollte, er habe innerhalb der Zeit von 1953 bis 1970 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt, wäre nicht davon auszugehen, dass er rechtmäßig über einen Daueraufenthalt verfügt hat. Die Rechtmäßigkeit des Daueraufenthalts setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der Parallelvorschrift des Art. 2 Satz 1 AG-StlMindÜbk mit Blick auf die unterschiedlichen Legalisierungstatbestände voraus, dass sie sich auf den dauernden Aufenthalt bezieht, ihn abdeckt. Nicht die bloße Anwesenheit, sondern ein etwaiger Daueraufenthalt muss rechtmäßig sein. In Fällen eines genehmigungsbedürftigen Aufenthalts wird daher vorausgesetzt, dass die Aufenthaltsgenehmigung für einen dauernden, nicht bloß für einen vorübergehenden Zweck erteilt worden ist (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23. Februar 1993 - BVerwG 1 C 45.90 -, E 92, 116, 127). Es ist auch insoweit kein Grund ersichtlich, der im Rahmen von § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG eine abweichende Auslegung geböte (ebenso VGH München, Urteil vom 14. April 2005 - 5 BV 03.3089 -, Juris Rn. 20; OVG Lüneburg, Beschluss vom 10. Januar 2007 - 13 PA 356.06 -, Juris Rn. 2). Vorliegend gibt es freilich keine Anhaltspunkte für die Annahme, dem Kläger sei eine Genehmigung für einen dauernden Aufenthalt erteilt worden. Dagegen spricht vielmehr, dass er sich während seines gesamten Voraufenthalts zu Ausbildungszwecken in Deutschland aufgehalten hat (s. o.), so dass sein Aufenthalt mit Blick auf diesen befristeten Aufenthaltsgrund erlaubt worden sein dürfte. Auch nach den im Verwaltungsverfahren eingereichten Genehmigungen zur Ausübung des ärztlichen Berufes sind ihm in der Zeit von 1962 bis 1965 nur für jeweils kurze Zeit gültige fremdenpolizeiliche Aufenthaltserlaubnisse erteilt worden, die die Dauer eines Jahres nicht überschritten haben. Selbst nach der Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung ist davon auszugehen, dass die ihm erteilten Genehmigungen über die Dauer eines Jahres nie hinausgegangen sind. Er hat darauf hingewiesen, dass der Iran damals seine Ausweispapiere immer nur für maximal ein Jahr verlängert habe und die Dauer der Aufenthaltsgenehmigung an die Gültigkeit seiner Papiere geknüpft war. Die bloße Länge des Aufenthalts des Klägers in Deutschland, insbesondere nach Abschluss des Studiums, rechtfertigt vor dem geschilderten Hintergrund nicht die Annahme, der Kläger habe während seines Voraufenthalts in Deutschland eine Genehmigung für einen dauernden Aufenthalt erhalten.
Sofern es nach der Einbürgerungspraxis der überwiegenden Zahl der Bundesländer entsprechend dem klägerischen Vorbringen in der mündlichen Verhandlung für einen gewöhnlichen und rechtmäßigen Aufenthalt i. S. v. §§ 10 Abs. 1 Satz 1, 12 b Abs. 2 StAG genügen sollte, dass sich ein Einbürgerungsbewerber - vor der Modernisierung des Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrechts - zu Ausbildungszwecken mit einer insoweit beschränkten Aufenthaltsgenehmigung (vgl. § 28 AuslG) in Deutschland aufgehalten hat (vgl. dazu Erlass vom 18. April 2004 für das Land Nordrhein-Westfalen zur Anrechnung von Aufenthaltszeiten als "rechtmäßiger und gewöhnlicher" Aufenthalt i. S. d. § 85 Abs. 1 Satz 1 AuslG, abgedruckt in: GK-StAR, Stand: April 2007, VII -2-K- zu § 10), könnte der Kläger daraus nichts für sich herleiten, da nicht die Verwaltungspraxis das geltende Recht bestimmt, sondern die Verwaltung an dieses gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 GG). Der die beschriebene Verwaltungspraxis eventuell erklärende Umstand, dass die früher zu beachtenden entwicklungspolitischen Belange (Rückkehr des in Deutschland ausgebildeten Studenten in sein Herkunftsland) wegen der gewandelten deutschen Interessenlage im Verlauf der Modernisierung des Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrechts aufgegeben worden sind (vgl. § 16 Abs. 4 AufenthG) und für Hochqualifizierte unter bestimmten Voraussetzungen von Anfang an eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden kann (vgl. § 19 AufenthG), rechtfertigt es nicht, einen früheren, einer anderen Rechtslage unterliegenden Inlandsaufenthalt eines Einbürgerungsbewerbers hypothetisch nach Maßgabe der gegenwärtigen Gegebenheiten für einen solchen Aufenthalt im Bundesgebiet zu beurteilen.
Selbst wenn die Voraussetzungen des § 12 b Abs. 2 StAG für die Anrechnung des Voraufenthalts des Klägers in Deutschland vorliegen würden, wäre die Klage abzuweisen, weil seiner Einbürgerung entsprechend den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts das zwingende Einbürgerungshindernis der Nr. II des Schlussprotokolls (SchlPr) zum Niederlassungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien vom 17. Februar 1929 (RGBl. 1930 II S. 1002, 1006; Bek. vom 15. August 1955, BGBl. II S. 829) entgegensteht. In dieser Bestimmung haben sich die Regierungen der beiden vertragsschließenden Staaten verpflichtet, keinen Angehörigen des anderen Staates ohne vorherige Zustimmung seiner Regierung einzubürgern. Die Vorschrift ist innerstaatlich geltendes Recht (Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 27. September 1988 - BVerwG 1 C 52.87 -, E 80, 233, 235 ff.; - BVerwG 1 C 41.87 -, E 80, 249, 151; - BVerwG 1 C 20.88 -, Juris Rn. 22) und gilt auch für asylberechtigte Einbürgerungsbewerber (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27. September 1988 - BVerwG 1 C 20. 88 -, Juris Rn. 23 ff.). Der von dem Kläger zitierte Art. 34 Satz 1 GK verdrängt das Zustimmungserfordernis von Nr. II SchlPr ebenfalls nicht (Bundesverwaltungsgericht, a. a. O., Juris Rn. 28 f.).
Das Zustimmungserfordernis der Nr. II SchlPr ist vorliegend auch einschlägig. Die Vertragsvorschrift bezieht sich auf solche Einbürgerungen, die der Dispositionsbefugnis der Exekutive unterliegen (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27. September 1988 - BVerwG 1 C 41.87 -, E 249, 252 ff.). Die Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts, die diese Auslegung stützen, überzeugen ungeachtet des von dem Kläger geltend gemachten Alters dieser Rechtsprechung. Sie beruhen zusammengefasst auf der einleuchtenden Annahme, dass die Vertragspflichten von Nr. II SchlPr einen Rechtsbereich erfassen sollten, innerhalb dessen eine Regierung ohne weiteres in der Lage ist, ein bestimmtes Handeln zu versprechen. Das von dem Kläger genannte Ratifikationsgesetz vom 23. Februar 1996 (BGBl. 1997 II, S. 2) vermag den Inhalt der Vertragsvorschrift ebenfalls nicht zu verändern. Der Bundestag hat mit dem Ratifikationsgesetz der durch Notenwechsel vom 28. März 1995 und 1. Mai 1995 mit dem Iran vereinbarten Aufhebung von Nr. II Schlpr zugestimmt. Für die Gültigkeit dieser Vereinbarung fehlt jedoch die erforderliche Zustimmung des iranischen Parlaments (vgl. dazu Note des Irans vom 1. Mai 1995, BGBl. 1997, II S. 3; Silagi, StAZ 1998, 40). Eine nach Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages getroffene nicht wirksame Übereinkunft zwischen der Bundesrepublik und ihrem Vertragspartner über die Aufhebung einer Vertragsbestimmung kann wegen der fortbestehenden Bindung der Bundesrepublik an den völkerrechtlichen Vertrag innerstaatlich nicht für dessen Auslegung beachtlich sein.
Die für Nr. II SchlPr maßgebende Dispositionsbefugnis ist vorliegend gegeben. Sie liegt nicht nur vor, wenn die gesetzliche Regelung, die die unmittelbare Grundlage der Entscheidung der Behörde über die Einbürgerung bildet, ein Einbürgerungsermessen eröffnet, sondern auch dann, wenn Ermessen im Vorfeld bzgl. der Erfüllung einzelner Tatbestandsmerkmale des Einbürgerungstatbestandes des § 10 StAG, der einen Einbürgerungsanspruch regelt, besteht (ebenso OVG Hamburg, Urteil vom 9. Juni 1997 - Bf III 73.96 -, Juris Rn. 45 ff.; a. A. Berlit, a. a. O., § 10 Rn. 39 ff.). Dies gilt zumindest dann, wenn die Ermessensentscheidung nicht isoliert zu treffen ist und das Ermessen bzgl. der Erfüllung des Tatbestandsmerkmals ausschließlich mit Blick auf die Anforderungen des Einbürgerungstatbestandes auszuüben ist. Diese Voraussetzung ist in Bezug auf das Anrechnungsermessen des § 12 b Abs. 2 StAG zu bejahen. Die Entscheidung über die Anrechnung des Voraufenthalts gem. § 12 b Abs. 2 StAG ist integraler Bestandteil der einheitlichen Entscheidung über einen Einbürgerungsantrag (Berlit, a. a. O., § 12 b Rn. 71). Maßstab für die Ermessensentscheidung ist, ob und in welchem Umfang früheren Inlandsaufenthalten ungeachtet der Unterbrechung integrierende Wirkung beigemessen werden kann (Berlit, a. a. O., § 12 b Rn. 66). Aufgrund des geschilderten Zusammenhangs zwischen der Entscheidung über die Anrechnung der Voraufenthaltszeiten und der Einbürgerung unterliegt diese ungeachtet der rechtstechnischen Ausgestaltung des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG als Anspruchsnorm der Dispositionsbefugnis der Behörde.
Die Dispositionsbefugnis besteht vorliegend auch mit Blick auf die Dauer des Voraufenthalts des Klägers in Deutschland. Eine dem entgegenstehende Reduzierung des Anrechnungsermessens auf Null ist entsprechend den Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht gegeben. Da zwischen der Rückkehr des Klägers nach Deutschland und seinem Voraufenthalt - abgesehen von einem halbjährigen Aufenthalt in Deutschland - mehr als 30 Jahre liegen, ist die Behörde nicht gezwungen, seinen Voraufenthalt gem. § 12 b Abs. 2 StAG anzurechnen.
Einer Einbürgerung des Klägers gem. § 8 StAG steht mit Blick auf das dort eröffnete Ermessen das Zustimmungserfordernis von Nr. II Schlpr entgegen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.
Ende der Entscheidung
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