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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 03.05.2007
Aktenzeichen: OVG 5 B 13.05
Rechtsgebiete: StAG, StGB


Vorschriften:

StAG § 8 Abs. 1
StAG § 10 Abs. 1 Nr. 5
StAG § 12a Abs. 1 Satz 2
StGB § 63

Entscheidung wurde am 30.11.2007 korrigiert: die Rechtsgebiete und die Vorschriften wurden geändert, Stichworte, Sachgebiete und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
Die strafgerichtliche Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 63 StGB ist eine Verurteilung wegen einer Straftat im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG; sie schließt den Anspruch auf Einbürgerung aus.
OVG 5 B 13.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 03. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Wolnicki, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Ehricke, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dahm, die ehrenamtliche Richterin Köhler und den ehrenamtlichen Richter Lautemann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. Juli 2005 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der im März 1965 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er begehrt seine Einbürgerung.

Der Kläger lebte bis zu seinem vierten Lebensjahr bei seiner Großmutter in der Türkei, übersiedelte dann zu seinen in Berlin lebenden Eltern, konnte sich hier jedoch schon nicht in den Kindergarten einfügen und wurde deshalb zur Großmutter zurückgeschickt. Im Mai 1980 - nach sieben Jahren Schulbesuch in der Türkei - reiste er erneut in das Bundesgebiet zu seinen Eltern ein und besuchte noch für zwei Jahre die Schule, die er nach Abschluss der 9. Klasse verließ. Danach lebte er noch fünf weitere Jahre im Haushalt seiner Eltern, bis er wegen psychischer Auffälligkeiten wiederholt in Nervenkliniken eingewiesen werden musste. Im Zeitraum von 1987 bis 1989 wurden zahlreiche Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet, die sämtlich wegen Schuldunfähigkeit eingestellt wurden. Von Mai 1986 an stand der Kläger unter Pflegschaft, seit Dezember 1998 ist seine Mutter zur Betreuerin bestellt.

Nachdem der Kläger seine Eltern wegen deren Weigerung, ihm Geld zu geben, mit dem Tode bedroht und eine Krankenhausärztin durch einen Faustschlag in das Gesicht verletzt hatte, ordnete das Landgericht Berlin mit Urteil vom 12. Januar 1989 die Unterbringung des Klägers in einem psychiatrischen Krankenhaus an, setzte die Vollstreckung der Maßregel jedoch zur Bewährung aus. Seit Januar 1990 befindet sich der Kläger nach dem Widerruf der Bewährung ununterbrochen im Krankenhaus des Maßregelvollzugs.

Im April 1999 beantragte die Mutter des Klägers in ihrer Eigenschaft als Betreuerin dessen Einbürgerung. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2002 wies die Senatsverwaltung für Inneres darauf hin, dass die Anordnung von Maßregeln der Sicherung und Besserung das Begehen rechtswidriger strafbarer Handlungen voraussetze. Dies rechtfertige es, im Falle des Klägers von einer nach Maßgabe des § 88 AuslG zu berücksichtigenden Verurteilung "wegen" einer Straftat auszugehen. Mit Blick auf die zu treffende Ermessensentscheidung werde anheim gegeben, ein Gutachten über den derzeitigen Gesundheitszustand des Klägers einzureichen, das insbesondere zu der Frage Stellung nehmen solle, ob künftige Gewalttaten ausgeschlossen werden könnten.

Nachdem ein solches Gutachten nicht vorgelegt worden war, lehnte die Senatsverwaltung für Inneres den Einbürgerungsantrag mit Bescheid vom 30. Januar 2003 unter Wiederholung ihrer bereits mitgeteilten Rechtsauffassung zur strafrechtlichen Verurteilung ab. Ergänzend führte sie aus, dass mangels anderweitiger Anhaltspunkte eine Gefährdung der Allgemeinheit durch den Kläger auch weiterhin nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne. Die analog § 88 Abs. 1 Satz 2 AuslG zu treffende Ermessensentscheidung falle daher zu seinen Ungunsten aus. Eine Einbürgerung nach § 8 StAG sei wegen Fehlens der gesetzlichen Mindestvoraussetzungen und des erforderlichen öffentlichen Interesses an der Einbürgerung ausgeschlossen.

Die auf Verpflichtung zur Erteilung einer Einbürgerungszusicherung gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 12. Juli 2005 mit im wesentlichen folgender Begründung abgewiesen: Der Kläger erfülle die Voraussetzungen für eine Einbürgerung nicht, weil er - wenn auch ohne Schuldausspruch - wegen einer Straftat verurteilt worden sei. Eine Maßregel könne nur wegen der Begehung einer rechtswidrigen Tat und nur dann verhängt werden, wenn - wie hier - die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergebe, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei. In diesem Falle aber fehle es an der für eine Einbürgerung notwendigen Integration. Ob von der Verurteilung zu einer Maßregel in entsprechender Anwendung des § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG generell oder jedenfalls dann abgesehen werden könne, wenn ihre Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt sei, bedürfe keiner abschließenden Klärung. Denn im Falle des Klägers sei die Bewährung widerrufen worden. Auch habe der Beklagte von seinem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht, indem er darauf abgestellt habe, ob von dem Kläger weitere rechtswidrige Taten zu erwarten seien oder ob dies hinreichend sicher auszuschließen sei. Nach § 8 Abs. 1 StAG könne er ebenfalls nicht eingebürgert werden, da er aufgrund der von ihm begangenen rechtswidrigen Taten einen Ausweisungsgrund erfülle.

Mit der - wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache vom Verwaltungsgericht zugelassenen - Berufung hält der Kläger an seinem Standpunkt fest, dass der Begriff der Straftat eine Schuldfeststellung impliziere, an der es in seinem Fall fehle. Auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass er nicht nach § 8 Abs. 1 StAG eingebürgert werden könne, sei rechtsfehlerhaft, da ihn die Ausländerbehörde nicht nur nicht ausgewiesen, sondern ihm sogar eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. Juli 2005 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der Senatsverwaltung für Inneres vom 30. Januar 2003 zu verpflichten, ihm eine Einbürgerungszusicherung zu erteilen,

hilfsweise,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. Juli 2005 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der Senatsverwaltung für Inneres vom 30. Januar 2003 zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und merkt ergänzend an, dass die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom Februar 2007 vorgesehen habe, dass eine Einbürgerung auch dann ausgeschlossen sei, wenn gegen den Einbürgerungsbewerber eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden sei, wobei im Falle von Maßregeln nach §§ 61 Nr. 1 und 63 StGB kein Ermessen eröffnet sei.

Der Kläger ist im Juni 2006 auf Veranlassung der Strafvollstreckungskammer erneut begutachtet worden. Nach Auffassung des Gutachters Prof. Dr. hat sich zwar die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie bestätigt; von dem Kläger seien jedoch bei kontinuierlicher und konsequenter Fortsetzung der pharmakologischen Behandlung und Integration in eine "gut strukturierte Komplementäreinrichtung" aus forensisch-psychiatrischer Sicht künftig keine fremdaggressiven Gewalthandlungen mehr zu erwarten. Mit Beschluss vom 3. August 2006 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Berlin die Fortdauer der Unterbringung angeordnet, da zunächst eine geeignete betreute Wohngemeinschaft gefunden werden müsse.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten (ein Schnellhefter, ein Halbhefter) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Kläger hat weder einen Anspruch auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung noch auf erneute Entscheidung über seinen Einbürgerungsantrag (§ 113 Abs. 5 Sätze 1 und 2 VwGO).

1.

Dem geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung steht, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, § 10 Abs. 1 Nr. 5 des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1913 (RGBl. S. 583), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. März 2005 (BGBl. I S. 721) - StAG -, entgegen. Danach setzt die Einbürgerung unter anderem Straffreiheit voraus. Der Kläger ist jedoch wegen einer - wenngleich im Zustand der Schuldunfähigkeit begangenen - Straftat verurteilt worden.

Die negative Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 StAG umfasst nicht nur Verurteilungen zu Geld- und Freiheitsstrafen, sondern auch strafgerichtliche Urteile, die gemäß §§ 20, 63 StGB die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anordnen. Denn auch diese Urteile ergehen "wegen einer Straftat" (im Ergebnis ebenso VGH Mannheim, Urteil vom 10. November 2005 - 13 S 2223/04 -, InfAuslR 2006, 93 [94]; VGH München, Urteil vom 6. Dezember 2005 - 5 BV 04.1561 - juris, Rn. 16; VG Braunschweig, Urteil vom 1. September 2005 - 5 A 24/04 - BeckRS 2005 29727, S.6; Berlit in: Fritz/Vormeier/Berlit u.a., GK-StAR, Stand Juli 2006, § 10 StAG, Rn. 287/288; Makarov/von Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, Stand Juni 1998, § 85 AuslG, Rn. 47; a.A. VG Würzburg, Urteil vom 21. April 2004 - W 6 K 03.1130 -, InfAuslR 2004, 311 [312 f]). Für die Richtigkeit dieses Verständnisses spricht entgegen der Auffassung des Klägers schon die Terminologie, wie sie das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung und - nicht zuletzt - das Bundeszentralregistergesetz verwenden.

Gegenstand der strafgerichtlichen Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt (vgl. § 264 Abs. 1 StPO); die Schuld des Täters bildet (lediglich) die Grundlage für die Strafzumessung (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB in Verbindung mit § 267 Abs. 3 StPO). Das Strafgesetzbuch regelt aber nicht nur schuldbezogene Sanktionen, sondern auch weitere Rechtsfolgen, die unabhängig von einem Schuldvorwurf oder bei Schuldunfähigkeit angeordnet werden können. Zu ihnen gehören die Maßregeln der Besserung und Sicherung als präventive Reaktionen auf eine Straftat. Beide Arten staatlicher Sanktion haben mithin einen gemeinsamen unmittelbaren Bezugspunkt, nämlich die so genannte Anlasstat als Legitimationsgrund strafgerichtlicher Verurteilung: Die Strafe, weil die Umstände der Tat das Maß der Schuld und damit die Strafzumessung bestimmen, die Maßregel, weil die Tat nicht nur notwendige Voraussetzung für ihre Anordnung, sondern die tatsächlichen Feststellungen zum Tathergang, zur Genese und zum Nachverhalten wesentliche Grundlage für die Gefahrenprognose sind. Dem entspricht der notwendige Inhalt des Strafurteils, wie ihn § 267 StPO festlegt. Wird der Angeklagte verurteilt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, welche Tatsachen das Gericht als erwiesen angesehen hat und in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden worden sind (§ 267 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 StPO). Erkennt das Gericht auf Geld- und Freiheitsstrafe, so müssen die Umstände aufgeführt werden, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); lautet es dagegen - wie hier - auf Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung, so müssen die Urteilsgründe auch ergeben, weshalb die Maßregel angeordnet worden ist (§ 267 Abs. 6 Satz 1 StPO). In dem einen wie dem anderen Falle ist die Verurteilung, weil sie eine rechtswidrige Straftat zum Gegenstand hat, in das Bundeszentralregister einzutragen (vgl. § 4 Nr. 1 und 2 BZRG).

Die Richtigkeit dieses Verständnisses von dem Begriff "Verurteilung wegen einer Straftat" folgt auch aus dem Zweck der Vorschrift, wie er sich aus der Gesetzgebungsgeschichte in Verbindung mit den verfassungsrechtlichen Erfordernissen ergibt. Das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913 (RGBl. S. 583) - RuStAG - verlangte für eine Einbürgerung, dass der Ausländer einen "unbescholtenen Lebenswandel" geführt hat (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 RuStAG). Zweck der Vorschrift war es, "solche Personen vom Erwerb oder Wiedererwerb der Reichs- und Staatsangehörigkeit fernzuhalten, welche nach ihrem Lebenswandel für die Zukunft keine Gewähr für eine einwandfreie Führung bieten" (Preußisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 14. Juni 1917, PrOVGE 73, 311 [312]). In der nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland fortbestehenden Vorschrift sah noch im Jahre 1958 das Bundesverwaltungsgericht den Sinn, der Einbürgerungsbewerber müsse in seinem "Lebenswandel und in den sich daraus ergebenden charakterlichen Eigenschaften gewisse Mindestvoraussetzungen erfüllt haben und erfüllen" (Urteil vom 13. Februar 1958 - I C 140.56 -, BVerwGE 6, 186 [188]). Die rechtsstaatlich bedenkliche Unbestimmtheit dieser Voraussetzungen in einer bei der Beurteilung eines Lebenswandels nicht durch eine Meinungshegemonie zu kennzeichnenden pluralistischen Gesellschaft liegt auf der Hand. Der Gesetzgeber hat deshalb 1993 die Unbescholtenheit ersetzt durch Ausweisungstatbestände, die der Ausländer nicht erfüllt haben darf (s. hierzu Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 2. Auflage 1998, Anhang A, Seite 863, 868 Fußnote 3). Damit ist die ehemalige Unbescholtenheit auf den heute gültigen Kern reduziert, nämlich auf die Beachtung der strafrechtlich geschützten Rechtsgüter. Diese Wandelung ins Wesentliche und ins nachprüfbar Bestimmte hat zu der Wendung "nicht wegen einer Straftat verurteilt" geführt.

Zu den Konsequenzen dieser Wandelung gehört, dass bereits der objektive Verstoß, also strafrechtlich tatbestandsmäßiges und rechtswidriges Handeln, schwerwiegend genug ist, um die Einbürgerung grundsätzlich auszuschließen. Der Verstoß muss nicht zusätzlich verschuldet sein. Dieses Verständnis folgt dem Grundprinzip des Ordnungsrechts, Gefahren abzuwehren unabhängig davon, ob sie verschuldet oder unverschuldet entstanden sind (ebenso VGH München, Urteil vom 6. Dezember 2005 - 5 BV 04.1561 - juris, Rn. 16, 18 zu § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG). Auch das Staatsangehörigkeitsrecht gehört zum Ordnungsrecht. Im ordnungsrechtlichen Zusammenhang meint "Straftat" die Verwirklichung eines Straftatbestandes, was - wie ausgeführt - dem strafrechtlichen Begriffsverständnis entspricht.

Eine andere Auslegung folgt nicht daraus, dass die Vorschrift des § 12 a StAG, die das Außerbetrachtbleiben von minderschweren Verurteilungen vorsieht, Maßregeln der Besserung und Sicherung nicht erwähnt. Aus dem Schweigen des Gesetzgebers herzuleiten, dass nur schuldhaft begangene Straftaten einer Einbürgerung grundsätzlich entgegenstehen, während die Anordnung einer Maßregel mangels Schuld des Täters keine Verurteilung wegen einer Straftat sei und daher jeder Maßregel-Betroffene, der die weiteren Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt, seine Einbürgerung beanspruchen könnte, verbietet sich indes. Denn ein solches Verständnis würde zu einem den Normzweck verfehlenden Wertungswiderspruch - nämlich zur Einbürgerung auch von Personen, von denen unter Umständen schwerste Gefahren für die Allgemeinheit ausgehen - führen. Im Übrigen bietet eine entsprechende Anwendung von § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG hinreichende Differenzierungsmöglichkeiten, um dem Einzelfall gerecht zu werden (ebenso VGH München, Urteil vom 6. Dezember 2005, a.a.O., Rn. 22; Berlit a.a.O., § 12 a StAG, Rn. 45).

Nach § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG wird im Einzelfall entschieden, ob die Straftat außer Betracht bleiben kann, wenn der Ausländer "zu einer höheren Strafe verurteilt" worden ist. Bei der analogen Anwendung dieser Vorschrift darf allerdings nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus die Feststellung des Strafgerichts voraussetzt, dass von dem Täter "erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten" sind und er "deshalb für die Allgemeinheit gefährlich" ist. Der Zusammenhang mit der Zielrichtung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG, niemanden einzubürgern, der strafrechtlich geschützte Rechtsgüter gefährdet, spricht deshalb dafür, eine Ermessensentscheidung zugunsten des Einbürgerungsbewerbers erst dann in Betracht zu ziehen, wenn die angeordnete Unterbringung und eine etwaige Bewährungsfrist beendet sind. Das ist bei dem Kläger jedoch nicht der Fall, denn die Unterbringung im Krankenhaus des Maßregelvollzuges dauert nach dem zuletzt ergangenen Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 3. August 2006 ungeachtet des in der Tendenz positiven Gutachtens des Chefarztes Prof. Dr. Konrad vom 14. Juni 2006 fort.

Davon abgesehen ist bei der analogen Anwendung des § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG die gesetzgeberische Wertung zu beachten, dass die "höhere Strafe" sich zumindest innerhalb des Systems des § 12 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG halten muss, was aber nur für Strafen zutrifft, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden sind (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 28. Juli 2006 - OVG 5 M 24.06). Bei der Verurteilung zu einer Maßregel der Besserung und Sicherung wird dementsprechend vorauszusetzen sein, dass die Anordnung der Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt worden und nach Ablauf der Bewährungszeit erloschen sein muss. Sind diese Voraussetzungen - wie hier - nicht erfüllt, so spricht alles dafür, dass die Behördenentscheidung eine gebundene und nur dann rechtmäßig ist, wenn die Einbürgerung abgelehnt wird.

Wäre allerdings selbst in den Fällen Ermessen eröffnet, in denen der Maßregelvollzug noch andauert, wäre die vom Beklagten getroffene Entscheidung, den Einbürgerungsantrag abzulehnen, ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn er hat eine Ermessensentscheidung getroffen; sie wird auch den Anforderungen gerecht. Der Beklagte hat darauf abgestellt, dass nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden könne, dass der Kläger weitere Gewalttaten begehen werde. Die Erwägung, von einer Berücksichtigung der strafgerichtlichen Verurteilung nur im Falle einer günstigen Sozialprognose abzusehen, ist sachgerecht und nach den Maßstäben des § 114 Satz 1 VwGO nicht zu beanstanden. Aus dem nunmehr vorliegenden Gutachten von Prof. Dr. vom 14. Juni 2006 ergibt sich - wie vorsorglich anzumerken ist - nichts Günstigeres für den Kläger. Den umfangreichen Ausführungen des Gutachters ist zu entnehmen, dass die aggressiv fordernde Grundhaltung des Klägers, die seine Persönlichkeit schon im Zeitpunkt der Begehung der Straftaten prägte, zu ihrer Beherrschung einer dauerhaften und zuverlässigen Medikation bedarf. Das aber bedeutet, dass ein beachtliches Rückfallrisiko besteht, zumal dem Kläger trotz der Dauer seiner Unterbringung weiterhin die notwendige Krankheitseinsicht fehlen soll.

2.

Zutreffend hat die Vorinstanz dargelegt, dass auch eine Einbürgerung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG nicht in Betracht kommt, weil die rechtswidrigen Taten des Klägers den Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt haben. Sie sind, auch wenn sie nicht schuldhaft begangen worden sind und zu keiner Ausweisung geführt haben, nicht nur ein geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Mai 1994, BVerwGE 96, 86 [90]; Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Auflage 2005, § 8 StAG Rn. 29).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO. Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO - insbesondere nach Ergehen der Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. März 2007 - 5 C 31.05 und 5 C 33.05 - nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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