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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 26.09.2006
Aktenzeichen: OVG 5 L 37.06
Rechtsgebiete: VwGO, BVerfGG
Vorschriften:
VwGO § 94 | |
VwGO § 94 Satz 1 | |
BVerfGG § 31 Abs. 2 Satz 1 | |
BVerfGG § 31 Abs. 2 Satz 2 | |
BVerfGG § 93 a Abs. 2 Buchstabe b |
OVG 5 L 37.06
In der Verwaltungsstreitsache
hat 5. Senat durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht ...., die Richterin am Oberverwaltungsgericht ....und den Richter am Oberverwaltungsgericht .....
am 26. September 2006 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 14. August 2006 hat keinen Erfolg. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Klägers bietet auch unter Berücksichtigung seiner Ausführungen aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 ZPO). Gegen die Aussetzung des Klageverfahrens analog § 94 VwGO durch das Verwaltungsgericht ist nichts zu erinnern.
Ist, wie das Bundesverfassungsgericht bereits 1953 entschieden hat, bei diesem eine Verfassungsbeschwerde gegen eine Norm anhängig, die durch das Prozessgericht zu prüfen ist, so handelt es aus Gründen der Prozessökonomie richtig, wenn es das bei ihm anhängige Verfahren aussetzt, da dadurch u. a. vermieden wird, dass auch das Prozessgericht neben dem Bundesverfassungsgericht die Frage der Verfassungsmäßigkeit der betreffenden Norm prüfen muss (Urteil vom 17. Dezember 1953 - 1 BvR 147 -, BVerfGE 3, 58, 74 f.).
Die von dem Kläger hiergegen erhobenen Einwendungen überzeugen nicht. Das von ihm geltend gemachte Prinzip des gesetzlichen Richters steht der Aussetzung nicht entgegen. Das Prozessgericht entzieht sich durch eine Aussetzung nicht der Pflicht zur Entscheidung über den anhängigen Rechtsstreit, sondern nutzt eine in der Rechtsprechung anerkannte (vgl. BVerfG, a. a. O.; BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 1997 - 8 B 255.97 -; BGH, Beschluss vom 25. März 1998 - VIII ZR 337.97 -; BFH, Urteil vom 7. Februar 1992 - III R 61.91 -, Beschluss vom 7. Februar 1992 - III B 24,25.91, III B 24.91, III B 25.91 -; jeweils Juris; VGH Mannheim, Beschluss vom 26. Mai 1998 - 14 S 812.98 -, VBlBW 1998, 338 f.; OVG Schleswig, Beschluss vom 10. September 2001 - 2 O 89.01 -, Juris Rn. 5) Möglichkeit der Ausgestaltung des Verfahrens. Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass bei einer Aussetzung mit Blick auf eine anhängige Verfassungsbeschwerde gegen eine entscheidungserhebliche Norm nicht über eine Vorfrage durch einen anderen "gesetzlichen Richter" im Sinne des Art. 101 GG entschieden werde. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, in denen im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit eines Gesetzes mit dem Grundgesetz erklärt wird, haben mit Gesetzeskraft gem. § 31 Abs. 2 Satz 1 und 2 BVerfGG Bindungswirkung für die Fachgerichte. Diese Bindungswirkung rechtfertigt neben den Gründen der Prozessökonomie die analoge Anwendung des § 94 Satz 1 VwGO. Soweit der Kläger im Übrigen in diesem Zusammenhang meint, eine Analogie erfordere auch die Möglichkeit der Einflussnahme auf das vorgreifliche Verfahren, ist nicht erkennbar, warum ihm diese in dem von ihm selbst eingeleiteten Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht gegeben sein sollte.
Die von dem Kläger angesprochene Verpflichtung der Gerichte, effektiven Rechtsschutz zu gewähren, steht der Aussetzung als solcher schon deshalb nicht entgegen, weil der Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes der Ausgestaltung durch das Prozessrecht zugänglich und bedürftig ist. Dafür, dass es vorliegend zu einer mit dem vorgenannten Grundsatz unvereinbaren Verzögerung des Rechtsstreits kommen würde, hat der Kläger keine konkreten Gründe vorgetragen
Der Kläger kann ferner nicht mit Erfolg geltend machen, eine Aussetzung sei nur deshalb unter den in § 94 Satz 1 VwGO genannten Voraussetzungen gerechtfertigt, weil lediglich dann sicher gestellt sei, dass über die vorgreifliche Frage entschieden werde, während das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung annehmen könne und damit nicht stets in der Sache entscheiden müsse. Nach § 94 Satz 1 VwGO muss zum Zeitpunkt der Aussetzung nicht gesichert sein, dass das vorgreifende Gericht oder die Verwaltungsbehörde eine Sachentscheidung treffen wird. Unabhängig davon kann auch die Nichtannahmeentscheidung des Bundesverfassungsgerichts insbesondere im Hinblick auf die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG rechtlichen Einfluss haben; bereits dies genügt für eine Aussetzung gem. § 94 Satz 1 VwGO (vgl. auch Kuntze, in: Bader/Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 3. Aufl. 2005, § 94 Rn. 3). Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht im Rahmen seines Ermessens, das das Beschwerdegericht zu beachten hat (OVG Schleswig, Beschluss vom 10. September 2001 - 2 O 89.01 -, Juris Rn. 6), berücksichtigt, dass eine wesentliche Verzögerung des Rechtsstreits dadurch, dass die Verfassungsbeschwerde noch nicht zur Entscheidung angenommen worden ist, nicht zu erwarten ist (S. 3, 3. Abs. des Entscheidungsabdrucks).
Schließlich sperrt Art. 100 GG nicht die analoge Anwendung des § 94 Satz 1 VwGO, da die Vorlagepflicht die Fälle betrifft, in denen das Gericht von der Ver-fassungswidrigkeit der anzuwendenden Norm überzeugt ist (vgl. statt vieler: BGH, Beschluss vom 25. März 1998 - VIII ZR 337.97 -, Juris Rn. 9 f.). Vorliegend hat das Verwaltungsgericht sich ausweislich der Gründe des angefochtenen Beschlusses noch keine abschließende Meinung über die Verfassungsmäßigkeit des Zustimmungsgesetzes gebildet (S. 3, 2. Abs. des Entscheidungsabdrucks). Insofern geht der Kläger auch zu Unrecht davon aus, das Verwaltungsgericht habe die Verfassungswidrigkeit des Zustimmungsgesetzes verneint und sei deshalb verpflichtet, das ausgesetzte Verfahren ohne Verzögerung fortzusetzen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Ende der Entscheidung
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