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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 28.10.2005
Aktenzeichen: OVG 5 N 45.05
Rechtsgebiete: VwGO, VwVfG, FlHG


Vorschriften:

VwGO § 60
VwGO § 70 Abs. 1
VwGO § 70 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 4
VwGO § 124 a Abs. 4 Satz 4
VwGO § 134 Abs. 2
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1
VwVfG § 44 Abs. 1
VwVfG § 48
VwVfG § 49
VwVfG § 51
VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1
VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 2
VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 3
FlHG § 24
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 5 N 45.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Wolnicki, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Ehricke und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Raabe am 28. Oktober 2005 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 29. Oktober 2002 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 80.049,14 EUR (156.562,50 DM) festgesetzt.

Gründe:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen auf der Grundlage der Ausführungen der Klägerin (§ 124 a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO nicht.

a) Der Einwand der Klägerin, die angefochtenen Gebührenbescheide seien wegen des unstreitigen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht als nichtig anzusehen, verfängt nicht. Der Geltungsvorrang des Gemeinschaftsrechts führt keineswegs dazu, dass jeder Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht einen Nichtigkeitsgrund im Sinne von § 44 Abs. 1 VwVfG darstellt. Insbesondere führt der vom Verwaltungsgericht festgestellte Verstoß nicht zur Nichtigkeit der Bescheide bezüglich der Gebührenfestsetzungen für die Fleischbeschau. Die gemeinschaftsrechtliche Unzulässigkeit der Höhe der festgesetzten Gebühren für Untersuchungen der erwähnten Art hat lediglich die Rechtswidrigkeit der entsprechenden Festsetzungen zur Folge (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28. Februar 2000 - BVerwG 1 B 78.99 -, Juris; allgemein zur regelmäßig nicht anzunehmenden Nichtigkeitsfolge bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11. Mai 2000 - BVerwG 11 B 26.00 -, Juris; zur Rechtswidrigkeit einer gesonderten Gebühr für die Trichinenuntersuchung neben der Gemeinschaftsgebühr für die Untersuchung von Fleisch: Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 9. Oktober 2002 - BVerwG 3 C 17. 02 -, Juris, und vom 14. Oktober 2002 - BVerwG 3 C 16.02 -, Juris; OVG Münster, Beschluss vom 18. März 2004 - 9 A 3308/02 -, Juris).

Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 29. April 1999 - Rs. C 224/97 - (Erich Ciola ./. Land Vorarlberg). In dieser Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof nicht den Grundsatz aufgestellt, dass ein gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßender Verwaltungsakt zwingend als (nach nationalem Recht) nichtig anzusehen wäre. Er hat vielmehr ausdrücklich festgestellt, dass der von ihm beschiedene Rechtsstreit "nicht das rechtliche Schicksal des Verwaltungsaktes ... selbst, sondern die Frage betrifft, ob ein solcher Verwaltungsakt im Rahmen der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Sanktion, die wegen der Nichtbeachtung einer sich aus ihm ergebenden Verpflichtung verhängt wurde, deshalb unangewendet bleiben muss, weil er mit dem Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs unvereinbar ist" (Nr. 25 der Gründe). Mit der Bejahung dieser Frage (Nr. 34 der Gründe) hat der Europäische Gerichtshof lediglich seine Rechtsprechung fortgeführt, wonach gemeinschaftsrechtswidrige Regelungen des nationalen Rechts nicht als Rechtsgrundlage für eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung herangezogen werden dürfen (vgl. Nr. 29-33 der Gründe). Für die hier maßgebliche Frage des rechtlichen Schicksals einer im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht stehenden Gebührenfestsetzung, d.h. die Frage, ob diese "nur" als rechtswidrig oder weitergehend sogar als nichtig zu bewerten ist, lassen sich dem genannten Urteil hingegen keine aussagekräftigen Anhaltspunkte entnehmen (OVG Münster, Beschluss vom 18. März 2004 - 9 A 3308/02 -, Juris; im Ergebnis ebenso VGH Kassel, Urteil vom 18. August 1999 - 5 UE 2660/98 -, Juris).

b) Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dem Erfolg der Anfechtungsklage gegen die Gebührenbescheide stehe zwingend der Umstand entgegen, dass das Vorverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Ein etwaiger Verstoß des innerstaatlichen Verwaltungsakts gegen Gemeinschaftsrecht entbindet den Betroffenen nicht von der Pflicht, nach nationalem Recht vorgesehene Fristen für die Rechtsverfolgung einzuhalten. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung auf diesem Gebiet Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten. Diese Verfahren dürfen allerdings nicht ungünstiger gestaltet werden als bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Äquivalenzgrundsatz), und sie dürfen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität) (stdg. Rspr des EuGH: vgl. Urteile vom 14. Dezember 1976 - Rs 25/76 -, NJW 1977, 495 f.; vom 2. Februar 1988 - Rs. C- 309/85 - Barra ./. Belgischer Staat und Stadt Lüttich; aus jüngere Zeit: Urteil vom 9. Dezember 2003 - Rs. C - 129/00 - Kommission ./. Italien, EuZW 2004, 151, 153; siehe ferner aus der deutschen Rtspr.: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. August 1977 - BVerwG VII C 71/74 -, NJW 1978, 508; Beschluss vom 4. Oktober 1999 - BVerwG 1B 55/99 -, Juris, mit Hinweis auf EuGH vom 2. Dezember 1997 - Rs. C-188/95 - Fantask S/A u. a. ./. Industriministeriet, NVwZ 1998, 833; VGH München, Beschluss vom 14. Februar 2002 - 4 ZB 01.67 -, NVwZ-RR 2002, S. 807; OVG Berlin, Beschluss vom 13. Oktober 1997 - 5 SN 275.97 -). Ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Gemeinschaftsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, ist unter Berücksichtigung der Stellung der jeweiligen Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen (EuGH, Urteil vom 14. Dezember 1995 - Rs. C-312/93 - Peterbroeck u. a. ./. Belgischer Staat).

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall bestehen keine Zweifel, dass die Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO zu beachten war (vgl. dazu Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 4. Oktober 1999 - BVerwG 1 B 55/99 -, Juris; VGH München, Beschluss vom 14. Februar 2002 - 4 ZB 01.67 -, NVwZ-RR 2002, S. 807; VGH Kassel, Urteil vom 18. August 1999 - 5 UE 2660/98 -, m. w. Nachw., Juris; OVG Berlin, Beschlüsse vom 13. Oktober 1997 - 5 SN 275.97 - und 1. Juli 1998 - 5 N 4.98 -; siehe auch BFH, Urteil vom 21. März 1996 - XI R 36/95 -, Juris und BVerfG, Beschluss vom 23. Dezember 1996 - 2 BvR 1335/96 -, Juris). Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die dort geregelte Frist nur gilt, wenn der Betroffene darüber ordnungsgemäß belehrt worden ist, was er wo in welcher Form und innerhalb welcher Frist tun muss, wenn er gegen den Bescheid vorgehen will (§§ 70 Abs. 2, 58 VwGO). Eine Begründung seines Widerspruchs muss er nicht innerhalb der Widerspruchsfrist einreichen, sondern kann später dartun, aus welchen Gründen er den Bescheid für rechtswidrig hält. Auch wenn der Betroffene die Widerspruchsfrist versäumt hat, bleibt nicht in jedem Fall der verspätet erhobene Widerspruch unzulässig, sondern der Betroffene erlangt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn er nach Maßgabe von § 70 Abs. 2 i. V. m. § 60 VwGO glaubhaft macht, dass er ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. § 51 VwVfG gibt ihm zudem einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens bei Vorliegen eines der in § 51 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 VwVfG geregelten Wiederaufnahmegründe. Schließlich gewähren die §§ 48, 49 VwVfG einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Rücknahme bzw. den Widerruf eines bestandskräftigen Verwaltungsakts.

Weder aus den zahlreichen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes, die von der Klägerin angeführt werden, noch aus den von ihr wiedergegebenen Ausführungen des Generalanwalts oder aus ihrem sonstigen Vorbringen ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass ihr gleichwohl durch die Notwendigkeit der Einhaltung der Widerspruchsfrist die Durchsetzung von Rechten aus dem Gemeinschaftsrecht übermäßig erschwert oder unmöglich gemacht wurde. § 24 des Fleischhygienegesetzes (FlHG) wies zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Bescheide auf das Gemeinschaftsrecht als Maßstab der Gebührenerhebung hin. Die Klägerin war unter diesen Umständen nicht gehindert, gegen die Gebührenbescheide rechtzeitig Widerspruch einzulegen und sich auf einen Verstoß des Landesrechts gegen Bundes- oder Gemeinschaftsrecht zu berufen (siehe entsprechend Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 4. Oktober 1999 - BVerwG 1 B 55/99 -, Juris). Die Klägerin wurde in der Rechtsbehelfsbelehrung auf die Notwendigkeit der Einhaltung der Widerspruchsfrist hingewiesen. In anderen gleich gelagerten Fällen hat sie innerhalb der Widerspruchsfrist Widerspruch eingelegt (vgl. Verfahren der Klägerin zu OVG 5 N 47.05). Dies bestätigt, dass die Vorschriften über die Widerspruchsfrist dem erfolgreichen Geltendmachen von Rechten aus dem Gemeinschaftsrecht nicht im Wege standen.

c) Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung ergeben sich auch nicht aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Februar 2000 (2 BvR 1210/98, Juris). Da das Gemeinschaftsrecht keinen Rechtssatz enthält, nach dem eine Behörde sich nicht auf den Ablauf nationaler Verfahrensfristen berufen kann, folgt aus dem vom Bundesverfassungsgericht als verfassungskonform bestätigten Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht, dass der Ablauf der Widerspruchsfrist unbeachtlich ist.

Die weiteren Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts betreffen die Anforderungen an die Auslegung und Anwendung von § 48 VwVfG bei der Rückforderung von gemeinschaftswidrig geleisteten staatlichen Beihilfen. Darum geht es vorliegend nicht (vgl. entsprechend VGH München, Beschluss vom 14. Februar 2002 - 4 ZB 01.167 -, NVwZ-RR 2002, S. 807 f.). Streitgegenstand ist nicht die erfolgte Rücknahme eines bestandskräftigen Beihilfebescheides durch den Beklagten.

2. Die Rechtssache weist ferner keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf.

a) Die Beantwortung der nach Vorstellung der Klägerin dem Europäischen Gerichtshof vorzulegenden Frage, ob ein nach Ablauf der Widerspruchsfrist bestandskräftig gewordener Verwaltungsakt, der gegen gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen zur Anhebung der EG-Pauschalen nach Art. 2 Abs. 2 der Entscheidung 88/404/EWG verstößt, angewendet werden kann, bereitet keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass bei der Durchführung von Gemeinschaftsrecht - soweit diesem nicht spezielle Regelungen zu entnehmen sind - die formellen und materiellen Bestimmungen des nationalen Rechts zur Anwendung kommen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschlüsse 11. Mai 2000 - BVerwG 11 B 26.00 -, Juris; vom 15. April 1994 - BVerwG 3 B 23.94 -, Juris unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 27. Mai 1993 - Rs C-290/91 -). Insofern beantwortet sich auch die Frage, ob ein auf nationales Recht gestützter Verwaltungsakt infolge des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nichtig ist, nach § 44 Abs. 1 VwVfG bzw. den gleichlautenden Vorschriften der Bundesländer. Wie bereits ausgeführt (s. o. zu 1. a) ergibt sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 29. April 1999 - Rs. C 224/97 - (Erich Ciola ./. Land Vorarlberg) nichts anderes. Wann die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 VwVfG gegeben sind, ist, soweit dies abstrakt und verallgemeinerungsfähig möglich ist, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ebenfalls geklärt (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. Oktober 1997 - BVerwG 8 C 1.96 - mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerwG und des BFH). Danach ist im Sinne des § 44 Abs. 1 VwVfG ein Fehler (nur) dann besonders schwerwiegend und der diesbezügliche Verwaltungsakt von daher nichtig, wenn der Fehler den davon betroffenen Verwaltungsakt als schlechterdings unerträglich erscheinen läßt, d. h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar ist. Nichtigkeit eines Verwaltungsakts ist nicht schon deswegen anzunehmen, weil er einer gesetzlichen Grundlage entbehrt oder die in Frage kommenden Rechtsvorschriften unrichtig angewendet worden sind. Der schwerwiegende Fehler des Verwaltungsakts muss für einen verständigen Bürger offensichtlich sein. Nichtigkeit eines Verwaltungsakts ist daher nur anzunehmen, wenn die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so erheblichem Maße verletzt werden, dass von niemanden erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (vgl. BVerwG a. a. O.).

Die Anwendung dieser Grundsätze wirft im vorliegenden Fall ebenfalls keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten auf. Es ist entsprechend der bereits zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts höchstrichterlich geklärt, dass die gemeinschaftsrechtliche Unzulässigkeit der Höhe der festgesetzten Gebühren für Fleischuntersuchungen der in Frage stehenden Art lediglich die Rechtswidrigkeit der entsprechenden Festsetzungen zur Folge hat (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28. Februar 2000 - BVerwG 1 B 78.99 -, Juris).

b) Keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wirft entsprechend den obigen Ausführungen ( s. o. unter 1. b) auch die von der Klägerin gestellte Frage auf, ob ein Mitgliedsstaat oder seine nachgeordneten Hoheitsträger zur Erstattung gemeinschaftswidrig erhobener Gebührenbeträge verpflichtet sind, die sie entgegen der Vorschrift von Art. 2 Abs. 1 der Entscheidung 88/408/EWG (EG-Pauschalgebühren) in deren Geltungszeitraum vom 1. Januar 1991 bis zum 31. Dezember 1993 erhoben haben, wenn sie diesen Gemeinschaftsrechtsakt weder bis zum Ablauf seiner Umsetzungsfrist am 31. Dezember 1990 noch bis zu seinem Außerkrafttreten am 30. Juni 1997 ordnungsgemäß und vollständig in das nationale Recht bzw. das Landesrecht des Bundeslandes Brandenburg transformiert haben. Es ist höchstrichterlich geklärt, dass das Gemeinschaftsrecht es vor einer Harmonisierung von Bestimmungen über Verfahrensgrundsätze nur dann verbietet, einem Bürger, der vor einem innerstaatlichen Gericht die Entscheidung einer innerstaatlichen Stelle wegen des Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht anficht, den Ablauf der im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Fristen für die Rechtsverfolgung entgegenzuhalten, wenn dadurch die Durchsetzung von Rechten aus dem Gemeinschaftsrecht übermäßig erschwert oder unmöglich gemacht wäre (stdg. Rspr des EuGH: vgl. Urteile vom 14. Dezember 1976 - Rs 25/76 -, NJW 1977, 495 f.; vom 2. Februar 1988 - RS. C- 309/85 - Barra ./. Belgischer Staat und Stadt Lüttich; aus jüngerer Zeit Urteil vom 9. Dezember 2003 - C - 129/00 - Kommission ./. Italien, EuZW 2004, 151, 153; siehe ferner aus der deutschen Rspr.: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. August 1977 - BVerwG VII C 71/74 -, NJW 1978, 508; Beschluss vom 4. Oktober 1999 - 1B 55/99 -, Juris, mit Hinweis auf EuGH vom 2. Dezember 1997 - RS. C-188/95 - Fantask S/A u. a. ./. Industriministeriet, NVwZ 1998, 833; VGH München, Beschluss vom 14. Februar 2002 - 4 ZB 01.67 -, NVwZ-RR 2002, S. 807; OVG Berlin, Beschluss vom 13. Oktober 1997 - 5 SN 275.97 -). Entsprechend dem bereits oben Ausgeführten (s. o. 1. b) bereitet die Anwendung dieser Grundsätze keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten. Nach deren Maßgabe beantwortet sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auch die Frage der Erstattungspflicht eines Mitgliedstaates bei der Erhebung gemeinschaftswidrig erhobener Gebührenbeträge (siehe EuGH, Urteil vom 14. Dezember 1976 - Rs 25/76 -, NJW 1977, 495 f.).

c) Soweit die Klägerin schließlich die Frage aufwirft, ob der Mitgliedsstaat oder seine nachgeordneten Hoheitsträger rückwirkend noch von den Bestimmungen nach Art. 2 Abs. 2 i. V. m. dem Anhang Nr. 2 der Entscheidung 88/408/EWG für die Anhebung der EG-Pauschalen zu Lasten des Gemeinschaftsbürgers Gebrauch machen können, obwohl dieser Gemeinschaftsrechtsakt bis zum Ablauf seiner Umsetzungsfrist am 31. Dezember 1990 und auch bis zu seinem Außerkrafttreten am 1. Januar 1994 nicht ordnungsgemäß und vollständig in das Landesrecht des Landes Brandenburg umgesetzt worden ist, mangelt es bereits an den Darlegungsanforderungen für den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Denn sie hat nicht dargelegt, dass diese Frage im vorliegenden Verfahren erheblich ist und der Beklagte rückwirkend noch von den Bestimmungen nach Art. 2 Abs. 2 i. V. m. dem Anhang Nr. 2 der Entscheidung 88/408/EWG für die Anhebung der EG-Pauschalen zu ihren Lasten Gebrauch gemacht hat. Unabhängig davon stellt sich diese Frage unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen (s. o. zu 1.) im Ergebnis nicht.

3. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist ebenfalls nicht gegeben. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für das erstrebte Rechtsmittelverfahren erhebliche Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit oder Fortbildung des Rechts obergerichtlicher Klärung bedarf (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21. März 1995 - BVerwG 1 B 211.94 -). Eine solche Rechtsfrage zeigt die Antragsschrift nicht auf. Die im Zulassungsantrag aufgeworfenen Fragen zum Vorrang des Gemeinschaftsrechts, zur Nichtigkeit von Verwaltungsakten und zur Angemessenheit der Widerspruchsfrist sind nach den vorstehenden Ausführungen zu den Zulassungsgründen des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO hinreichend geklärt. Auch soweit die Klägerin geltend macht, dass das Verwaltungsgericht die Verpflichtung zur Zulassung der Sprungrevison missachtet habe, da es die grundsätzliche Bedeutung der Sache verkannt habe, führt dies nicht zur Zulassung der Berufung. Abgesehen davon, dass diese Rüge kein im Rahmen von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erhebliches Vorbringen darstellt, sind die Voraussetzungen, unter denen einer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung i. S. v. §§ 134 Abs. 2, 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zukommt, höchstrichterlich geklärt (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21. März 1995 - BVerwG 1 B 211.94 -). Dass das Verwaltungsgericht diese Voraussetzungen verkannt hat, ist mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen des Senats zu verneinen.

4. Schließlich ist die Berufung nicht wegen Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen. Eine Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn ein inhaltlich bestimmter, die angefochtene Entscheidung tragender abstrakter Rechtssatz benannt wird, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Vorschrift widersprochen hat. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von in der Rechtsprechung der genannten Gerichte aufgestellten Rechtssätzen genügt nicht den Zulässigkeitserfordernissen einer Divergenzrüge (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.07 -, DÖV 1998, S. 117 f.). Die Klägerin hat bereits keinen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz gem. § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, mit dem das Verwaltungsgericht einem in einer der von ihr aufgeführten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Beschlüsse vom 17. Februar 2000 - 2 BvR 1210/98 - , Juris und 9. Januar 2001 - 1 BvR 1036/99 -, Juris) oder des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 28. Februar 2000 - BVerwG 1 B 78/99 -, Juris und Urteil vom 29. August 1996 - BVerwG 3 C 7/95 -, Juris) aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Vorschrift widersprochen hätte.

Abgesehen davon steht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch nicht in Widerspruch zu den aufgeführten Entscheidungen. Wie bereits ausgeführt, betraf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Februar 2000 (-2 BvR 1210/98 -) die Anforderungen an die Auslegung und Anwendung von § 48 VwVfG bei der Rückforderung von gemeinschaftswidrig geleisteten staatlichen Beihilfen, um die es vorliegend nicht geht. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Januar 2001 (- 1 BvR 1036/99 -, Juris) bezog sich auf einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wegen einer Verkennung der Vorlagepflicht an den Europäischen Gerichtshof. Es ist nicht ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht einem tragenden Rechtssatz dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts widersprochen hat, mithin andere Voraussetzungen der Verpflichtung zur Vorlage an den Europäischen Gerichts angenommen hat und einen anderen Maßstab an Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angelegt hat als das Bundesverfassungsgericht. Soweit die Klägerin eine Abweichung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts von der von ihr zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darin sieht, dass die Gebühren für die Fleischuntersuchung ungeachtet der fehlenden Umsetzung auf Grund von § 24 Abs. 2 FlHG in Höhe der EG-Pauschalgebühren nach Art. 2 Abs. 1 der Entscheidung 88/4087 EWG festzusetzen waren, ist schließlich darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht auf der Annahme beruht, dass die Festsetzung der Gebühren rechtmäßig war. 5. Da sich - wie dargelegt - die im vorliegenden Fall entscheidungserheblichen Fragen gemeinschaftsrechtlicher Art ohne weiteres auf Grund der vorliegenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes beantworten lassen, besteht weder Verpflichtung noch Anlass, dem Antrag der Klägerin zu folgen, dem Europäischen Gerichtshof gem. Art. 234 EG die von ihr formulierten Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.

6. Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2005 im Hinblick auf die geltend gemachte Änderung der Rechtslage vorgetragenen Argumente waren nicht zu berücksichtigen. Ob die Berufung nach der Sach- und Rechtslage im hierfür maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zuzulassen ist, hat das Oberverwaltungsgericht stets nur im Rahmen der rechtzeitig innerhalb der Frist des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegten Gründe zu beurteilen. Ist nach Ablauf dieser Frist eine Rechtsänderung eingetreten, kann ein Antragsteller nicht mit Blick auf diese erstmals neue Zulassungsgründe geltend machen; die Rechtsänderung muss in diesem Fall unberücksichtigt bleiben (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 15. Dezember 2003 - BVerwG 7 AV 2/03 -, Juris).

Auch durch den ebenfalls noch mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2005 erfolgten Hinweis der Klägerin auf die Einleitung von zwei Vorabentscheidungsverfahren durch das Bundesverwaltungsgericht (Beschlüsse vom 7. Juli 2004 zu 6 C 23.03 und 6 C 24.03) werden die Voraussetzungen der Zulassung der Berufung nicht erfüllt. Die Vorlagebeschlüsse beziehen sich - wie schon das Urteil des EuGH vom 13. Januar 2004 (Rechtssache C-453/00, Kühne & Heitz NV ./. Productschap voor Pluimvee en Eieren ) - auf die Verpflichtung der Behörde zur Rücknahme bzw. Aufhebung eines Verwaltungsakts nach Eintritt seiner Bestandskraft. Darum geht es vorliegend nicht.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 und Abs. 2, § 14 Abs. 1 und Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (i.F.: GKG a.F.), das hier noch in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung anzuwenden war (vgl. § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5. Mai 2004. BGBl. I S. 718). Es wurde unter Berücksichtigung der vor dem Verwaltungsgericht gestellten Anträge zu 1. und 2. die Summe der in den Gebührenbescheiden festgesetzten Beiträge und die bezifferte Geldleistung zugrundegelegt. Der vor dem Verwaltungsgericht gestellte Antrag zu 3. wurde gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG a. F. nicht gesondert berücksichtigt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a.F.).

Ende der Entscheidung

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