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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 30.09.2009
Aktenzeichen: OVG 5 S 17.09
Rechtsgebiete: VwGO, PaßG, StAG


Vorschriften:

VwGO § 88
VwGO § 146
PaßG § 11
PaßG § 12
PaßG § 13
StAG § 3 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS

OVG 5 S 17.09

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Wahle, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Ehricke und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Raabe am 30. September 2009 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. Juni 2009 wird als unzulässig verworfen.

Der Antragsteller hat die Kosten der Beschwerde zu tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde ist unzulässig.

Gem. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde gem. § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO als unzulässig zu verwerfen. Nach dem klaren Wortlaut des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ist der danach erforderliche bestimmte Antrag eine unabdingbare Voraussetzung für die Zulässigkeit der Beschwerde. Mit dem Antrag soll das verfolgte Rechtsschutzziel unmissverständlich formuliert werden und verbindlich festgelegt werden, was nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts noch Gegenstand der Überprüfung des Beschwerdegerichts sein soll (vgl. VGH München, Beschluss vom 7. April 2003 - 10 CS 03.339 -, Juris Rn. 2 ff.).

Der Antragsteller erfüllt die dargelegten Voraussetzungen nicht, weil weder der Beschwerdeschriftsatz vom 9. Juli 2009 noch die Beschwerdebegründung vom 30. Juli 2009 einen Antrag enthalten. Das Erfordernis eines bestimmten Antrags ist auch nicht erfüllt, wenn man davon ausgehen wollte, dass ein ausdrücklicher Antrag dann entbehrlich ist, wenn sich aus dem Beschwerdevorbringen eindeutig erkennen lässt, in welchem Umfang und mit welchem Ziel die Entscheidung des Verwaltungsgerichts angefochten werden soll (vgl. dazu OVG Berlin, Beschluss vom 7. April 2005 - OVG 5 S 5.05 -, EA S. 2; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. April 2008 - OVG 5 S 1.08 -, EA S. 2; VGH Mannheim, Beschluss vom 1. Juli 2002 - 11 S 1293.02 -, Juris Rn. 3). Auch nach diesen Maßstäben ließe sich das Rechtsschutzziel nicht eindeutig ermitteln. Mit seinen Anträgen im erstinstanzlichen Verfahren begehrte der Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin, seinen Reisepass herauszugeben sowie die Feststellung der Nichtigkeit "der Verfügung v. 15. 01. 2009 über die Sicherstellung des Personalausweises". In seiner Beschwerdebegründung nimmt der Antragsteller auf diese Anträge keinen Bezug. Er greift die Annahme des Verwaltungsgerichts an, dass vorläufiger Rechtsschutz gem. § 123 VwGO nach dessen Abs. 5 gegen die Verfügung vom 15. Januar 2009 ausgeschlossen und deshalb ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO notwendig gewesen sei. Ferner wendet er ein, dass "Der Antrag" auch begründet sei, da nicht ersichtlich sei, dass die Antragsgegnerin die Beweiskraft der Ausweispapiere hinreichend in Zweifel gezogen habe. Zu der Begründung des Verwaltungsgerichts, warum von der im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemachten Nichtigkeit des Bescheides vom 15. Januar 2009 nicht auszugehen sei, verhält sich die Beschwerdebegründung nicht. Unter diesen Umständen ist dem Beschwerdevorbringen nicht zweifelsfrei zu entnehmen, ob der Antragsteller mit der Beschwerde ausschließlich die Herausgabe des Reisepasses verfolgt oder zusätzlich die Feststellung der Nichtigkeit der Verfügung vom 15. Januar 2009 bzgl. der Sicherstellung des Personalausweises. Auch sein an das Verwaltungsgericht gerichteter Schriftsatz vom 14. Juli 2009, in dem er vorsorglich zur Herausgabe des Passes "ausdrücklich gem. § 80 Abs. 5 VwGO" beantragt hat, die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid der Antragsgegnerin gerichteten Klage anzuordnen, bringt insoweit keine Klarheit. Soweit er mit Schriftsatz vom 14. September 2009 vorträgt, dass das Begehren, wie es in der ersten Instanz formuliert wurde, weiter verfolgt werde, ist die Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO nicht gewahrt.

Selbst wenn man darüber hinwegsehen und davon ausgehen würde, dass der Umfang des Rechtsschutzbegehrens rechtzeitig hinreichend deutlich gewesen sei, hätte die Beschwerde im Ergebnis keinen Erfolg. Bezüglich der erstinstanzlich begehrten Feststellung der Nichtigkeit des Bescheides vom 15. Januar 2009 fehlt in der Beschwerdebegründung schon jede Auseinandersetzung gem. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO mit den Gründen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, das darauf abgestellt hat, dass der Antragsteller weder Umstände vorgetragen hat, die für das Vorliegen der Voraussetzungen der Nichtigkeit gem. § 44 Abs. 1 oder 2 VwVfG sprechen könnten, noch solche ersichtlich sind.

In Bezug auf den erstinstanzlichen Antrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm seinen Reisepass auszuhändigen, ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Sicherstellungsverfügung vom 15. Januar 2009 ein belastender Verwaltungsakt ist, gegen den vorläufiger Rechtsschutz nicht gem. § 123 Abs. 1 VwGO, sondern gem. § 80 Abs. 5 VwGO zu beantragen ist (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO). Selbst unterstellt, der insoweit unstatthafte Antrag des Antragstellers wäre entgegen seinem ausdrücklichen Wortlaut als Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO zu behandeln (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17. Februar 2000 - 1 WB 10.00 -, Juris Rn. 2 ff.), hätte die Beschwerde im Ergebnis keinen Erfolg. Es ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Sicherstellung des Reisepasses das Interesse des Antragstellers, davon verschont zu bleiben, überwiegt (§ 80 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 14 PaßG).

Es bestehen keine Zweifel, dass die Sicherstellung des Reisepasses des Antragstellers rechtmäßig ist. Das Generalkonsulat der Bundesrepublik in Kaliningrad war entgegen der Auffassung des Antragstellers zuständig. Gem. § 19 Abs. 6 PaßG sind unter anderem die Paßbehörden, mithin auch die Auslandsvertretungen der Bundesrepublik (vgl. § 19 Abs. 2 PaßG), für die Sicherstellung zuständig. Ferner liegen die Voraussetzungen der §§ 13 Abs. 1 Nr. 3, 12 Abs. 1 i. V. m. § 11 Nr. 2 PaßG bezüglich des Reisepasses des Antragstellers vor, da dieser zur Staatsangehörigkeit die Eintragung "Deutsch" enthält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Eintragung unzutreffend ist. Die für die Sicherstellung erforderliche Annahme eines Einziehungsgrundes ist gerechtfertigt, wenn die Behörde bei Abwägung der ihr zur Verfügung stehenden Informationen keine vernünftigen Zweifel haben kann, dass der Einziehungsgrund vorliegt (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 22. November 1993 - 25 A 1143.92 -, Juris Rn. 21). Davon ist hier auszugehen. Es erscheint fraglich, ob die Auffassung des Antragstellers, er besitze die deutsche Staatsangehörigkeit, weil zum Zeitpunkt seiner Geburt (2_____) sein in Russland geborener Vater W_____ die deutsche Staatsangehörigkeit besessen habe, zutrifft. Gem. § 4 Abs. 1 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes (RuStAG) in der zum Zeitpunkt seiner Geburt geltenden Ursprungsfassung vom 22. Juli 1913 (RGBl., S. 583) erwarb zwar das eheliche Kind eines Deutschen durch Geburt die Staatsangehörigkeit seines Vaters. Es ist jedoch unklar, ob der Vater des Antragstellers zum damaligen Zeitpunkt die deutsche Staatsangehörigkeit besaß. Es ist zunächst wiederum ungewiss, ob dieser die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt erworben hatte. Dem angeblichen Großvater des Antragstellers väterlicherseits, E_____, ist am 7_____ und damit erst nach der Geburt des W_____ (1_____) ein deutscher Reisepass ausgestellt worden. Auf Grund welcher Umstände und insbesondere wann E_____ die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben könnte, ist derzeit nicht geklärt. Auch soweit der Antragsteller darauf hinweist, dass E_____ jedenfalls gem. § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 StAG deutscher Staatsangehöriger geworden sei, so dass auch W_____ gem. § 3 Abs. 2 Satz 4 StAG deutscher Staatsangehöriger geworden sein könnte, kann dem bereits deshalb nicht gefolgt werden, weil E_____ verstorben ist. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit gem. § 3 Abs. 2 StAG setzt jedoch voraus, dass der Betreffende noch im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift, am 28. August 2007, von den Behörden "als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist", die Behandlung als deutscher Staatsangehöriger also bis zu diesem Zeitpunkt angedauert hat (vgl. Beschluss des Senats vom 7. Mai 2009 - OVG 5 S 8.09 -, EA S. 3; VGH Mannheim, Beschluss vom 29. Mai 2008 - 13 S 1137.08 -, Juris Rn. 7).

Bereits vor dem oben geschilderten Hintergrund ist auch die Eintragung eines im Jahr "1935" geborenen "Wilgelm" im deutschen Reisepass des E_____ ohne Aussagekraft für die Frage der deutschen Staatsangehörigkeit des Vaters des Antragstellers. Dies gilt erst recht, da der Vater nach der vorgelegten Geburtsurkunde am 1_____ geboren sein soll, den Namen W_____ getragen haben und die obige Eintragung nach den Angaben des Antragstellers von einem Familienmitglied herrühren soll. Nach alledem gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Vater des Antragstellers seit 12 Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden sein und die deutsche Staatsangehörigkeit gem. § 3 Abs. 2 Satz 1 StAG erlangt haben könnte.

Auch der Umstand, dass dem Antragsteller am 22. Oktober 1998 ein bis zum 21. Oktober 2008 gültiger Staatsangehörigkeitsausweis ausgestellt worden ist, lässt die aufgeworfenen Zweifel bezüglich seiner deutschen Staatsangehörigkeit unberührt. Zum einen ist der Ausweis bereits auf Grund des Ablaufs seiner Gültigkeit ohne Bedeutung (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 3. November 1998 - BVerwG 9 C 18.97 -, Juris Rn. 16 m. w. Nachw.). Zum anderen wirkt ein Staatsangehörigkeitsausweis nach § 39 StAG a. F. i.V.m. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern über Urkunden in Staatsangehörigkeitssachen (StAUrkVwV) vom 18. Juni 1975 i.d.F. v. 24. September 1991 (GMBl. S. 741) weder rechtsbegründend noch bindet er andere Behörden; er ist lediglich ein Beweismittel, das eine - tatsächliche - Vermutung für das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit im Zeitpunkt der Ausstellung erzeugt. Auch dies gilt allerdings nur dann, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein anderer als der vermutete Sachverhalt ernsthaft in Betracht kommt (vgl. Bundesverwaltungsgericht, a. a. O.). Davon ist vorliegend entsprechend den obigen Ausführungen jedoch auszugehen. Es versteht sich schließlich von selbst, dass die deutsche Staatsangehörigkeit des Antragstellers auch nicht deshalb eindeutig gegeben ist, weil ihm - aufbauend auf den Staatsangehörigkeitsausweis - der streitgegenständliche Reisepass ausgestellt worden ist. Ein Reisepass ist im Übrigen nicht geeignet, im Zweifelsfall den Nachweis der deutschen Staatsangehörigkeit zu erbringen (OVG Berlin, Beschluss vom 7. April 2005 - OVG 5 S 5.05 -, EA S. 4 f. m. w. Nachw).

Der Antragsteller hat die deutsche Staatsangehörigkeit schließlich nicht gem. § 3 Abs. 2 Satz 1 StAG erlangt. Er ist nicht seit 12 Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden. Zwischen der Ausstellung des Staatsungehörigkeitsausweises am 22. Oktober 1998 (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 PaßG) und der Sicherstellung des Reisepasses des Antragstellers mit der angefochtenen Verfügung vom 15. Januar 2009 liegen weniger als 12 Jahre.

Es ist ferner nicht als ermessensfehlerhaft zu beanstanden, dass sich das Generalkonsulat bei seiner Entscheidung davon hat leiten lassen, dass dem Antragsteller oder seinen Familienangehörigen durch die Vorlage des Reisepasses Vorteile gewährt werden könnten, die ihm oder ihnen nicht zustehen, sofern er die deutsche Staatsangehörigkeit tatsächlich nicht besitzen sollte. Dies entspricht dem Schutzzweck des § 13 PaßG, einem Missbrauch des Ausweispapiers, welches mit seinen grundlegenden Eintragungen zur Person des Inhabers einen Vertrauenstatbestand und damit den Rechtsschein der Richtigkeit der Angaben schafft, entgegenzuwirken. Da dem Antragsteller unstreitig jederzeit ein Reiseausweis als Passersatz zur Rückkehr in die Bundesrepublik ausgestellt werden könnte, kann auch keine Rede davon sein, dass der angegriffene Bescheid nicht verhältnismäßig sei.

Im Ergebnis ist der Antragsteller auf die Notwendigkeit der Durchführung eines Verfahrens zu Feststellung der Staatsangehörigkeit zu verweisen, da es nicht Aufgabe der Auslandsvertretungen der Bundesrepublik ist, bei Zweifeln über die deutsche Staatsangehörigkeit diese nach eigenen Bewertungen im Passverfahren zu klären (stdg. Rspr. des Senats, vgl. etwa Beschlüsse vom 7. Mai 2009 - OVG 5 S 8.09 -, EA S. 3, vom 7. Juni 2007 - OVG 5 M 74.05 -, EA S. 3 und vom 6. April 2006 - OVG 5 N 34.04 -, EA S. 3).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 , § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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