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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 05.10.2007
Aktenzeichen: OVG 5 S 30.07
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80 a
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 5 S 30.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat am 5. Oktober 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 19. September 2006 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Antragstellerin.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung u.a. die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen; das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe (Satz 6 der Vorschrift). Auf der danach für den Senat maßgeblichen Grundlage der Darlegungen der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung sowie deren ergänzenden Ausführungen im Erörterungstermin vom 27. September 2007 besteht für eine Änderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts kein Anlass.

Der Senat lässt offen, ob dem Widerspruch der Antragstellerin vom 18. August 2006 und einer ggf. nachfolgenden Klage gegen die von dem Antragsgegner erteilten Ausnahmegenehmigungen vom 20. Juli 2006 überwiegende Erfolgsaussichten zukämen. Insbesondere kann offen bleiben, ob das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass es bereits an einer Antragsbefugnis der Antragstellerin fehle, woran mit Blick auf die u.a. zwischen den Hauptbeteiligten des vorliegenden Verfahrens geschlossene "Öffentlich-rechtliche Vereinbarung" aus dem Jahre 1996 Zweifel angebracht sind. Die diesbezüglichen Rechtsfragen müssen indessen dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Die im Rahmen der Entscheidung nach §§ 80 a, 80 Abs. 5 VwGO hiernach unabhängig von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache anzustellende Interessenabwägung lässt jedenfalls nicht erkennen, dass das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der vorerwähnten Ausnahmegenehmigungen überwiegt. Belange der Antragstellerin, die eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gebieten würden, sind weder schriftsätzlich noch im Erörterungstermin vom 27. September 2007 deutlich geworden. Hierzu im Einzelnen:

Soweit die Antragstellerin zunächst auf naturschutzrechtliche Gesichtspunkte hinweist, vermag dies - auch unabhängig von der Frage, inwieweit sie derartige Belange überhaupt für sich geltend machen kann - ihrem Anliegen auch in der Sache kein durchgreifendes Gewicht zu vermitteln. Dass die Befahrung der Gemeindeverbindungsstraße zwischen Birkholz und Lanz mit Kiestransporten in dem zugelassenen Umfang zu einer nachhaltigen Veränderung von Natur und Landschaft im hier interessierenden Bereich führen würde, vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Genehmigungen sind befristet bis zum 30. November 2007; eine etwaige Verlängerung der Genehmigungen ist, wie die Beteiligten in dem Erörterungstermin vom 27. September 2007 übereinstimmend ausgeführt haben, derzeit nicht beabsichtigt. Ferner sind die Genehmigungen eingeschränkt dahin, dass die fragliche Gemeindeverbindungsstraße nur in einer Richtung mit Kiestransporten befahrbar sein soll, und dies auch nur in einem Umfang von 150 Befahrungen pro Tag, und zwar auch nur in der Zeit von 6 bis 18 Uhr. Demgegenüber stellt die Sanierung des Deichabschnitts am "Bösen Ort", der die fraglichen Ausnahmegenehmigungen im Ergebnis dienen, ihrerseits gerade einen für die Belange des Naturschutzes sprechenden Gesichtspunkt dar. Wie dem vom Landesumweltamt Brandenburg hergereichten "Planfeststellungsbeschluss für den X. BA der Sanierung des rechten Elbedeiches: Deichrückverlegung Wustrow-Lenzen von Deich-km 41,200 bis Deich-km 48,389" vom 11. Februar 2005 zu entnehmen ist, soll die Errichtung des neuen Hochwasserschutzdeiches "Kernstück" des Naturschutzgroßprojektes "Lenzener Elbtalaue" sein (vgl. S. 22 des Beschlusses). Zielstellung dieses Naturschutzgroßprojektes sei u.a. die Wiederherstellung einer von fließgewässerdynamischen Prozessen geprägten natürlichen Auenlandschaft u.a. durch die Deichrückverlegung und u.a. die Wiederherstellung auetypischer Lebensräume (a.a.O. des Beschlusses). In diesem Zusammenhang ist auch im vorgenannten Erörterungstermin nicht deutlich geworden, welcher schützenswerte Belang der Antragstellerin, der im Rahmen der hier vorzunehmenden Interessenabwägung von durchgreifendem Gewicht sein könnte, infolge eines etwaigen Verstoßes des Antragsgegners gegen die "Öffentlich-Rechtliche Vereinbarung" aus dem Jahre 1996 in die Interessenabwägung einzustellen sein sollte. Die Vereinbarung dient, wie deren Präambel zu entnehmen ist, ebenfalls Belangen des Natur- und Landschaftsschutzes. Dass die vorübergehende Freigabe der fraglichen Gemeindeverbindungsstraße bei der Antragstellerin, wie sie es im Erörterungstermin ausgeführt hat, zu "Verwirrung" geführt haben mag, nachdem ihr seinerzeit offenbar eine Beschränkung der fraglichen Straße auf Fahrzeuge bis 2,8 Tonnen abgehandelt worden ist, ist ebenfalls kein Gesichtspunkt, der hier zu einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 18. August 2006 führen kann. Soweit die Antragstellerin ferner eine Beschädigung der - im Übrigen nur bis zur Grenze der Gemeinde Karstädt zu ihrem Gebiet gehörenden - Gemeindeverbindungsstraße fürchtet, vermag dem ebenfalls kein überwiegendes Gewicht zuzukommen. Abgesehen davon, dass Schäden ausweislich der gutachterlichen Besichtigung durch den Sachverständigen Wegener vom 8. August 2006 jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt nicht aufgetreten waren, hat das Landesumweltamt Brandenburg als Vorhabenträger der hier inmitten stehenden Deichbaumaßnahmen u.a. gegenüber der Antragstellerin mit Schreiben vom 12. Februar 2006 "garantiert", "dass die genutzte Trasse zum Abschluss der Transportleistungen in einem tadellosen Zustand wiederhergestellt wird". Soweit die Antragstellerin dazu im Erörterungstermin vom 27. September 2007 geltend gemacht hat, eine Beschädigung der Straße durch die Kiestransporte werde sich im Streitfalle möglicherweise nicht beweisen lassen, folgt der Senat dem nicht. Abgesehen davon, dass sich ein solcher Beweis unproblematisch durch ein entsprechendes Sachverständigengutachten führen ließe, ist noch nicht einmal ersichtlich, dass es zu einem solchen Streitfalle überhaupt kommen würde. Soweit nach Maßgabe des Vorbringens der Antragstellerin im Weiteren einzustellen wäre, dass es bei der Durchfahrung der Ortsdurchfahrt Birkholz zu Gefährdungen des Fußgängerverkehrs kommen könnte, ist zu berücksichtigen, dass der Ort Birkholz nicht zur Antragstellerin, sondern zur Gemeinde Karstädt gehört. Unabhängig davon ist dem Fußgängerverkehr im Bereich der Ortsdurchfahrt Birkholz dadurch Rechnung getragen, dass dort ausweislich der streitigen Ausnahmegenehmigungen eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h einzuhalten ist. Soweit die Antragstellerin in dem Erörterungstermin vom 27. September 2007 schließlich die Befürchtung geäußert hat, die fragliche Gemeindeverbindungsstraße werde möglicherweise auch in zukünftigen Fällen, etwa bei der Durchführung des Baues der Autobahn A 14 zwischen Magdeburg und Schwerin, gegen ihren Willen in Anspruch genommen, vermag auch dies im vorliegenden Verfahren nicht zu ihren Gunsten durchzugreifen, weil eine Berücksichtigung ihrer schützenswerten Interessen in dem dann gegebenenfalls durchzuführenden Verwaltungsverfahren zu erfolgen hat.

Demgegenüber sind die mit der Erteilung der Ausnahmegenehmigung verfolgten Belange von durchgreifendem Gewicht, so dass das Vollzugsinteresse überwiegt. Die Ausnahmegenehmigungen dienen der Errichtung des Hochwasserschutzdeiches nach Maßgabe des vorstehend genannten Planfeststellungsbeschlusses vom 11. Februar 2005 an der Deichbaustelle Lenzen-Wustrow ("Böser Ort"). Wie in den Genehmigungen ausgeführt ist, dient der Hochwasserschutz dem Allgemeinwohl. Durch den in der Sanierung befindlichen Deichabschnitt der Elbe am "Bösen Ort" würden danach etwa 3.800 Einwohner und ca. 50 km² Fläche mit den entsprechenden Nutztierbeständen sowie Sach- und Vermögenswerten vor der direkten Überflutung bei einem Elbehochwasser geschützt. Aus den Erfahrungen der Elbehochwässer vom August 2002, Januar 2003 sowie April 2006 sei festzustellen, dass sowohl die Dauer als auch die Scheitelhöhe eines Hochwasserereignisses grundsätzlich nicht vorhersehbar und vergleichbar seien. Somit bestehe jederzeit die Gefahr, dass vergleichbare Hochwässer auftreten könnten, die ohne die rechtliche Fertigstellung der Deichbaumaßnahmen zu erheblichen Schäden an Leib, Gesundheit und Eigentum führen könnten. Die Inanspruchnahme der Gemeindeverbindungsstraße zwischen Birkholz und Lanz stellt auch die für die Allgemeinheit verträglichste Lösung dar. Wie dem im Erörterungstermin hergereichten Kartenmaterial zu entnehmen ist, würde eine alternative Streckenführung insbesondere durch mehr Ortschaften verlaufen als die jetzige, mit den Ausnahmegenehmigungen eröffnete Streckenführung. Die bei Mankmuß beginnende Streckenführung würde vor Erreichen der Ortschaft Lanz durch die Orte Mesekow, Nebelin, Laaslich und Lenzersilge verlaufen, während jetzt lediglich die Ortschaft Birkholz in Anspruch genommen wird. Damit wäre jedenfalls eine weit höhere Belästigung von Einwohnern bzw. Anliegern verbunden als bei der jetzigen Streckenführung, ganz abgesehen davon, dass der Vertreter des Antragsgegners im Erörterungstermin unwidersprochen gelassen ausgeführt hat, dass sich bei Mesekow eine Brücke befinde, die eine Tonnagebegrenzung von 24 Tonnen aufweise, was schon für sich ein Passieren der beladen ca. 40 Tonnen wiegenden Kiestransporter unmöglich machen würde.

Hiernach muss die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ausnahmegenehmigungen Bestand haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG; wegen der Höhe folgt der Senat der erstinstanzlichen Wertfestsetzung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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