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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 02.04.2008
Aktenzeichen: OVG 5 S 64.07
Rechtsgebiete: VwGO, GÜG, AMG, ApoG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5 Satz 1
GÜG § 3
GÜG § 29 Abs. 2
GÜG § 29 Abs. 4
AMG § 5
AMG § 5 Abs. 1
ApoG § 4 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 5 S 64.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Wolnicki und die Richter am Oberverwaltungsgericht Dahm und Dr. Raabe am 2. April 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 20. Juni 2007 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 27 500 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen den Widerruf seiner Apothekenbetriebserlaubnis, den der Antragsgegner mit Bescheid vom 26. Januar 2007 gegen ihn unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ausgesprochen hat. Über die gegen den Bescheid erhobene Klage - VG 14 A 24.07 - ist noch nicht entschieden. Den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat das Verwaltungsgericht Berlin mit Beschluss vom 20. Juni 2007, dem Antragsteller zugestellt am 4. September 2007, zurückgewiesen. Auf die Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.

Mit seiner Beschwerde gegen diesen Beschluss trägt der Antragsteller vor: Sein Interesse an der Aussetzung der Vollziehung des Widerrufs überwiege das öffentliche Vollziehungsinteresse. Der Widerruf greife in seine Berufsausübungsfreiheit ein und bedrohe ihn existenziell. Demgegenüber sei das öffentliche Vollziehungsinteresse von nachgeordneter Bedeutung. Das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass er von März 2005 bis August 2007 unbeanstandet seine Apotheke geführt und sich dabei aus eigenem Entschluss gesetzeskonform verhalten habe. Im März 2005 sei das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren noch nicht eingeleitet gewesen. Während dieses Ermittlungsverfahrens habe er sich sodann kooperativ gezeigt, nichts verschwiegen und auch alle Unterlagen bereitwillig herausgegeben. Er habe auch nicht, wie ihm vom Verwaltungsgericht unterstellt werde, den Namen des T_____, eines der Angeklagten aus dem Großverfahren vor der Staatsanwaltschaft Görlitz, verheimlicht. Als er seine Angaben gegenüber der Polizei gemacht habe, habe er den Namen der Person, die das Rezept eingelöst habe, nicht gewusst. Vor dem Verwaltungsgericht habe er den Namen deshalb nennen können, weil er in der Zwischenzeit das Rezept eingesehen habe.

Bei der Abgabe des Ephedrins sei er von der Zulässigkeit fest überzeugt gewesen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte habe ihm auf seine telefonische Anfrage wegen eines Rezepts über 1 kg Ephedrin mitgeteilt, dass er dies abgeben könne, da er die Substanz nicht verarbeite. Er sei auch davon überzeugt gewesen, dass T_____ zutreffend angegeben habe, er wolle das Ephedrin für dermatologische Zwecke einsetzen. Er habe aber keine Ephedrin-Mengen mehr abgegeben, nachdem ihm die Firma C_____ am 25. April 2007 mitgeteilt habe, dass das Ephedrin nur bei zuvor eingeholter Endverbleibserklärung ausgeliefert werden könne. Er habe seine Entscheidung, Ephedrin ohne Endverbleibserklärung nicht mehr abzugeben, nicht unter dem Druck des strafrechtlichen Verfahrens oder des Verwaltungsverfahrens, sondern aus eigenem Antrieb getroffen. Deshalb sei die Annahme des Verwaltungsgerichts unrichtig, er würde sich während des Hauptsacheverfahrens nicht mit Sicherheit rechtstreu verhalten.

Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht seine Aussage, er habe im Anschluss an die Vorlage des Rezeptes vom 3. Mai 2005 mit dem Arzt E_____ telefoniert, um sich über die Richtigkeit der Verschreibung zu versichern, als Schutzbehauptung gewertet. Hierbei habe das Verwaltungsgericht nicht das große Interesse des Arztes E_____ berücksichtigt, nicht als Aussteller dieses Rezeptes festgestellt zu werden. Denn durch die Ausstellung des Rezeptes falle in dem bereits eingeleiteten Strafverfahren ein Verdacht auf ihn. Schließlich sei der Beschuldigte T_____ am 3. Mai 2005, dem Tag, an dem das Rezept ausgestellt worden sei, in der Praxis des Arztes E_____ behandelt worden. Die einseitige Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts sei nicht gerechtfertigt. Er - der Antragsteller - habe das Ephedrin jeweils nur auf Rezept abgegeben und auch vor der Abgabe auf das Rezept des Arztes E_____ mit diesem telefoniert. In die Rauschmittelherstellung sei er weder eingebunden noch habe er davon gewusst oder dieses geahnt. Er sei zwar über die Vorschrift des GÜG nicht ausreichend informiert gewesen und bedauere dies zutiefst. Dies reiche aber für einen Widerruf der Apothekenbetriebserlaubnis nicht aus. Deshalb sei die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wiederherzustellen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Bei der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffenden Interessenabwägung hat das Verwaltungsgericht zu Recht dem öffentlichen Interesse an der Gesundheit der Bevölkerung und damit an der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Apothekenbetriebserlaubnis höheres Gewicht beigemessen als dem Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung. Hierbei ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der angefochtene Bescheid offensichtlich rechtmäßig sei und es nicht hingenommen werden könne, dass er erst nach Ausschöpfung des Rechtswegs durchgesetzt werde. Die Würdigung des Senats kommt zum gleichen Ergebnis.

Der Antragsteller bestreitet selbst nicht den zu Grunde gelegten Sachverhalt, nämlich den Erwerb von mindestens 24 kg Ephedrinhydrochlorid und dessen Veräußerung in der Zeit zwischen Juli 2004 und März 2005 in Lieferungen von 1 bis 2 kg an T_____, einen der Angeklagten in einem Großverfahren der Staatsanwaltschaft Görlitz. Ephedrin und die Salze dieses Stoffes sind aufgeführt in der Verordnung (EWG) Nr. 3677/90 des Rates vom 13. Dezember 1990 über Maßnahmen gegen die Abzweigung bestimmter Stoffe zur unerlaubten Herstellung von Suchtstoffen und psychotropen Substanzen (Amtsblatt EG Nr. L 357 S. 1) und gehört zu den Grundstoffen im Sinne des "Gesetzes zur Überwachung des Verkehrs mit Grundstoffen, die für die unerlaubte Herstellung von Betäubungsmitteln missbraucht werden können" - Grundstoffüberwachungsgesetz (GÜG) - vom 7. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2835). Als Apotheker hatte der Antragsteller § 3 GÜG zu beachten, wonach es verboten ist, solche Grundstoffe zu erwerben und zu veräußern, wenn sie zur unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln verwendet werden sollen. Verwendungsnachweise hatte der Antragsteller bei seinen Veräußerungen nicht eingeholt und hatte daher objektiv dem unerlaubten Gebrauch Vorschub geleistet. Inwiefern dies zur Herstellung von Betäubungsmitteln geführt hat - die Staatsanwaltschaft Görlitz geht davon aus, dass der Stoff nach Tschechien verbracht und dort in illegalen Laboren zur "Partydroge" Crystal umgewandelt wurde -, bedarf keiner Feststellung, da nach § 29 Abs. 2 und 4 GÜG auch der Versuch und die fahrlässige Begehung eines Verstoßes gegen § 3 GÜG mit Strafe bedroht sind.

Die vom Verwaltungsgericht dargelegten und nachvollziehbaren Gründe dafür, dass dem Antragsteller bei seinen Verstößen gegen § 3 GÜG bedingter Vorsatz, zumindest aber Fahrlässigkeit zur Last fällt, sind im Beschwerdeverfahren nicht ausgeräumt. Gegen die angebliche Absicht des Käufers, den Stoff zur äußerlichen Behandlung der Haut zu verwenden, spricht nach wie vor, dass eine dermatologische Verwendung des Stoffes in der Fachliteratur nicht bekannt ist. Gegenteiliges hat der Antragsteller nicht einmal behauptet. Hinzu kommt, dass das Ephedrin nicht in Form eines mit Beipackzettel versehenen Fertigarzneimittels veräußert wurde, sodass der Apotheker zunächst sich selbst hatte vergewissern und sodann den - vermeintlichen - Patienten hatte unterrichten müssen, welche Wirkungen und Gefahren von der Chemikalie ausgehen. Für den Antragsteller waren - wovon das Verwaltungsgericht unwidersprochen ausgeht - Informationen über die Eignung von Ephedrinhydrochlorid zur Herstellung von Methamphetamin problemlos zugänglich. Hiernach erscheint es so gut wie ausgeschlossen, dass der Antragsteller die tatsächlich beabsichtigte Verwendung des Stoffes nicht gekannt oder zumindest für wahrscheinlich erachtet hat. Die - nur behaupteten - telefonischen Bestätigungen von Ärzten, sie hätten die Ephedrin-Rezepte ausgestellt, könnten daran nichts ändern. Dasselbe gilt für die - auch nur behauptete - telefonische Nachfrage beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte.

Ebenfalls im Beschwerdeverfahren nicht widerlegt hat der Antragsteller die Ausführungen des Verwaltungsgerichts über den von ihm begangenen Verstoß gegen § 5 des Arzneimittelgesetzes (AMG). Nach § 5 Abs. 1 AMG ist es verboten, bedenkliche Arzneimittel in den Verkehr zu bringen. Bedenklich sind nach näherer Maßgabe von Absatz 2 der Vorschrift Arzneimittel, bei denen der begründete Verdacht besteht, dass sie schädliche Wirkungen haben, die über ein vertretbares Maß hinausgehen. Die Bedenklichkeit des vom Antragsteller jeweils in Kilogramm-Mengen veräußerten Ephedrinhydrochlorid hat das Verwaltungsgericht damit bejaht, dass eine zuverlässige Dosierung im medizinisch vertretbaren 20-mg-Bereich bei den Kilogramm-Lieferungen des kristallinen Pulvers nicht sicherzustellen sei und dass die tödliche Dosis für einen Erwachsenen im Falle oraler Aufnahme bei 1 bis 2 Gramm liege. Dem hat der Antragsteller nichts entgegensetzen können.

Die Verstöße gegen § 3 GÜG und § 5 AMG sind schwerwiegend und schließen - zumal sie mehr als dutzendfach wiederholt worden sind - die für den Betrieb einer Apotheke erforderliche Zuverlässigkeit aus. Damit ist eine der Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke (s. § 2 Abs. 1 Nr. 4 Apothekengesetz - ApoG) nachträglich weggefallen. Bei dieser Sachlage verpflichtet § 4 Abs. 2 Satz 1 ApoG zum Widerruf der Erlaubnis.

Angesichts der Schwere und der Wiederholung der Verstöße reichen die im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Argumente des Antragstellers nicht aus, um zumindest für die Dauer von Rechtsbehelfsverfahren davon ausgehen zu können, dass er sich in jeder Hinsicht als zuverlässiger Apotheker erweisen würde. Die unbeanstandete Führung der Apotheke von März 2005 bis August 2007 trägt dafür ebenso wenig bei wie die mutmaßlich ebenfalls unbeanstandete Führung seit Erhalt der Apothekenbetriebserlaubnis im Jahre 1973. Seine Kooperation während der staatsanwaltlichen Ermittlungen hat Bedeutung für das Strafverfahren und mag bei der Entscheidungsfindung des Strafgerichts eine Rolle spielen, begründet aber keine Zuverlässigkeit im Sinne des Apothekenrechts. Soweit er nach Kenntnis vom Erfordernis einer Endverbleibserklärung Ephedrin nicht mehr wie zuvor veräußert hat, hat er nur von einer Fortsetzung seiner Rechtsverstöße - bei nunmehr erhöhtem Risiko der Aufdeckung - abgesehen. Bei dieser Sachlage kommt es auf eine nähere Aufklärung seiner Telefonate mit E_____ und auf Art und Maß seiner Einbindung in die Rauschmittelherstellung nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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