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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 20.02.2008
Aktenzeichen: OVG 6 B 6.06
Rechtsgebiete: UVG
Vorschriften:
UVG § 3 |
OVG 6 B 6.06
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Februar 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schultz-Ewert, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Scheerhorn, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Oerke und die ehrenamtlichen Richter Schreiber und Spielmann für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 1. November 2005 verkündete Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin geändert.
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Verfahrenskosten der ersten Instanz tragen die Kläger zu 5/17 und der Beklagte zu 12/17; die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger begehren weitere Leistungen nach dem Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfalleistungen - Unterhaltsvorschussgesetz - UVG.
Das Bezirksamt Spandau (Unterhaltsvorschusskasse) hatte den Klägern mit Bescheiden vom 15. September 1992 Unterhaltsvorschuss ab dem 27. Juli 1992 bewilligt. Den bis zum 30. September 1992 ausgezahlten Vorschuss erstattete der Vater der Kläger im Oktober 1992 bis auf 5 DM. Ab November 1992 bis einschließlich April 1996 zahlte er laufenden Kindesunterhalt auf ein Konto des für die Kläger als Amtspfleger (nunmehr Beistand) bestellten Jugendamtes. Dieses leitete die Zahlungen jedoch zunächst nicht (anteilig) an die Unterhaltsvorschusskasse weiter, so dass diese erst am 4. November 1993 von den Zahlungen des Vaters Kenntnis erhielt. Mit Bescheiden vom 23. November 1993 wurden die Unterhaltsvorschussleistungen zum 1. Januar 1994 eingestellt.
Ab 1. Mai 1996 bewilligte der Beklagte den Klägern erneut Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Mit Bescheiden vom 1. November 2000 wurden die Leistungen wegen Erreichens der Zahlungshöchstdauer nach § 3 UVG zum 26. November 2000 eingestellt. Hiergegen erhoben die Kläger Widerspruch mit der Begründung, dass Unterhaltsvorschuss erst ab Mai 1996 geleistet worden sei. Der Vater habe von Geburt der Kinder bis Mai 1996 regelmäßig Unterhalt gezahlt, zunächst bis Dezember 1993 auf ein Mündelkonto des Jugendamtes, das den Unterhalt an die Mutter weitergeleitet habe, danach sei der Unterhalt direkt an die Mutter gezahlt worden.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 17. Juni 2002 zurück, gegen den die Kläger am 16. Juli 2002 beim Verwaltungsgericht Klage erhoben haben. Während des Klageverfahrens hob der Beklagte die Bescheide des Jugendamts vom 1. November 2000 auf und bewilligte den Klägern vom 26. November 2000 bis 25. November 2001 weitere Unterhaltsvorschussleistungen. Zur Begründung führte er aus, dass im Jahr 1993 keine Leistungen bewilligt worden wären, wenn das Jugendamt der Unterhaltsvorschusskasse die seit dem 12. November 1992 eingegangenen Unterhaltszahlungen rechtzeitig mitgeteilt hätte. Aus diesem Grund seien die Vorschussleistungen vom 1. Januar bis 31. Dezember 1993 als nicht erfolgt anzusehen, so dass für 12 Monate noch Leistungen bewilligt werden könnten. Weitere Vorschussleistungen lehnte er ausdrücklich ab.
Die Kläger haben ihre Klagen auf Zahlung von Unterhaltsvorschuss für noch fünf Monate aufrecht erhalten und sinngemäß darauf verwiesen, dass sie im Zeitraum vom 27. Juli 1992 bis 31. Dezember 1992 zwar Unterhaltsvorschussleistungen erhalten hätten, diese seien jedoch wegen der gleichzeitig vom Vater erbrachten und an die Unterhaltsvorschusskasse weitergeleiteten Unterhaltszahlungen nicht auf die Zahlungshöchstdauer von 72 Monaten anzurechnen.
Mit Urteil vom 1. November 2005 hat das Verwaltungsgericht den Klagen teilweise stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, den Klägern für weitere zwei Monate Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Zeitraum November und Dezember 1992, in dem der Vater Unterhalt gezahlt habe, sei auf die in § 3 UVG festgelegte Höchstdauer nicht anzurechnen. Zwar sei die Praxis des Beklagten, zunächst Unterhaltseingänge für drei Monate abzuwarten, bevor die Vorschussleistung eingestellt werde, wegen der Prognoseentscheidung, ob die Unterhaltsleistung regelmäßig im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3 UVG erbracht werde, insofern nicht zu beanstanden. Die für die Zahlungshöchstdauer nach § 3 UVG maßgeblichen Zeiträume seien jedoch erst gegen Ende der Leistungserbringung exakt zu bestimmen. Auf diese nachträgliche Betrachtungsweise müsse abgestellt werden, denn andernfalls kämen Kinder, denen mehrfach Unterhaltsvorschuss gewährt werde, weil der barunterhaltsverpflichtete Elternteil nicht durchgängig zahle, nur in den Genuss einer geringeren Gesamtleistungsdauer gegenüber denjenigen, die durchgängig Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erhielten. Nur durch eine nachträgliche Bestimmung des regelmäßigen Zahlungsbeginns könne eine erhebliche Ungleichbehandlung der Berechtigten, deren Leistungsbezug - wie im Fall der Kläger - unterbrochen sei, sowie zufallsabhängige Entscheidungen nach § 3 UVG vermieden werden. Der Zeitraum vom 27. Juli bis 31. Oktober 1992 sei dagegen auf die Zahlungshöchstdauer anzurechnen, weil der Vater erst verspätet und für Oktober 1992 gar nicht gezahlt habe.
Der Beklagte wendet sich mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung gegen das Urteil, soweit er für zwei Monate zur weiteren Leistung von Unterhaltsvorschuss verpflichtet worden ist. Nach dem Wortlaut von § 3 UVG sei für die Berechung der Höchstdauer allein maßgeblich, ob - wie hier im November und Dezember 1992 - ein Unterhaltsvorschuss tatsächlich gezahlt worden sei.
Der Beklagte beantragt,
das am 1. November 2005 verkündete Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Kläger haben sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das angegriffene Urteil war zu ändern. Die Klagen waren insgesamt abzuweisen. Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Klägern für weitere zwei Monate Unterhaltsvorschuss zu gewähren.
Nach § 3 UVG werden Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz längstens für insgesamt 72 Monate gezahlt. Dieser Zeitraum ist hier ausgeschöpft, so dass die Kläger keine weiteren Vorschussleistungen beanspruchen können. Der Beklagte hat die im Berufungsverfahren noch streitbefangenen beiden Monate (November und Dezember 1992) zu Recht auf den in § 3 UVG genannten Zeitraum angerechnet. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene nachträgliche Betrachtungsweise, wonach die Monate, in denen der barunterhaltsverpflichtete Elternteil parallel zur Unterhaltsvorschussleistung Unterhalt zahlt, nicht auf die Leistungshöchstdauer anzurechnen sind, findet weder im Gesetz eine Stütze noch ist sie zum Ausgleich einer gesetzeswidrigen Ungleichbehandlung geboten.
Ausgehend vom Wortlaut des § 3 UVG hat eine Anrechung auf die Leistungshöchstdauer von 72 Monaten immer dann zu erfolgen, wenn Unterhaltsvorschuss gezahlt wird. Dass der Beklagte den Klägern im November und Dezember 1992 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz rechtmäßig bewilligt und ausgezahlt hat, hat das Verwaltungsgericht beanstandungsfrei festgestellt. Ob diese Leistungen der Unterhaltsvorschusskasse später erstattet oder ob der Unterhaltsvorschuss bei bereits einsetzender Unterhaltszahlung des familienfernen Elternteils noch für eine kurze Übergangszeit geleistet wird, ist für die Anrechnung von Leistungsmonaten nach § 3 UVG ohne Belang. Dies gilt nicht nur nach dem, allein auf die Zahlung abstellenden Wortlaut von § 3 UVG, sondern auch nach Sinn und Zweck des Gesetzes, die Leistung entweder als Vorschuss- oder als Ausfallleistung zu erbringen. Allein der Umstand, dass eine Zahlung des barunterhaltsverpflichteten Elternteils und damit eine Refinanzierung der Unterhaltsvorschussleistung erfolgt, lässt eine Zahlung im Sinne von § 3 UVG nicht entfallen.
Dadurch findet auch in den Fällen, in denen die Unterhaltsvorschussleistung wegen ein- und aussetzender Unterhaltszahlungen des familienfernen Elternteils periodisch (mehrfach) bewilligt wird, im Vergleich mit einer durchgängigen Leistung der Unterhaltsvorschusskasse keine gesetzeswidrige Verkürzung der in § 3 UVG bestimmten Höchstdauer statt; denn in beiden Fallkonstellationen wird dieser Zeitraum voll ausgeschöpft, wie der Fall der Kläger zeigt. Eine Unterschreitung des gesetzlichen Maximalanspruchs kann folglich nicht festgestellt werden. Würde man hingegen die Zeiträume, in denen die Unterhaltszahlung parallel zum (noch) bewilligten Unterhaltsvorschuss einsetzt, nachträglich von der Anrechung ausnehmen, so käme es in Fällen periodisch gewährter Vorschussleistungen zu einer Überschreitung der Leistungshöchstdauer, die - angesichts der beanstandungsfreien Verwaltungspraxis, erst nach der dritten Unterhaltszahlung von einer regelmäßigen Unterhaltszahlung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 3 UVG auszugehen - drei Monate je Bewilligungszeitraum betragen würde. Dass dieses Ergebnis nicht § 3 UVG entspricht, liegt auf der Hand. Solange die Regelmäßigkeit der Unterhaltszahlung nicht feststeht, wird der mit § 1 UVG verfolgte Zweck, die existenzielle und wirtschaftliche Unsicherheit der inkompletten Familie zu mildern, erreicht. Die Rechtmäßigkeit der Bewilligung von Unterhaltsvorschussleistungen wird durch die erst nach einem Zeitraum von drei Monaten mögliche Feststellung der Regelmäßigkeit von Unterhaltseingängen daher nicht rückwirkend beseitigt; die Rechtmäßigkeit der Bewilligung und Zahlung von Unterhaltsvorschuss entfällt vielmehr erst ab diesem Zeitpunkt.
Ob eine Anrechnung von gezahltem Unterhaltsvorschuss auch dann anzunehmen ist, wenn die Leistungen - wie hier ursprünglich im Jahre 1993 - trotz Wegfalls der Bewilligungsvoraussetzungen und damit rechtswidrig erfolgen, war nach Klaglosstellung nicht mehr Streitgegenstand, so dass der Senat über die Rechtsfolgen der verspäteten Mitteilung des Amtspflegers Ende 1993 von der bereits ab November 1992 einsetzenden Unterhaltszahlung des Vaters nicht mehr zu befinden hatte.
Auch der vom Senat bereits entschiedene Ausnahmefall, in dem die Unterhaltsvorschusskasse nach Aufhebung des Bewilligungsbescheids rechtsgrundlos geleistet hat und die erbrachten Leistungen vollständig zurückgeflossen sind (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2006 - OVG 6 B 11.05 -, bestätigt durch BVerwG, Urteil vom 05. Juli 2007 - 5 C 40.06 -, juris), so dass nicht (mehr) von einer Unterhaltsleistung im Sinne von § 3 UVG ausgegangen werden kann, liegt nicht vor.
Die Kostenentscheidung für das gemäß § 188 Satz 1 VwGO gerichtskostenfreie Verfahren folgt aus § 161 Abs. 2, § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.
Ende der Entscheidung
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