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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 17.06.2009
Aktenzeichen: OVG 6 B 7.07
Rechtsgebiete: GAD, UVG, SGB I, BErzGG, VwGO


Vorschriften:

GAD § 15
GAD § 15 Abs. 2
GAD § 15 Abs. 2 Satz 2
UVG § 1 Abs. 1
UVG § 1 Abs. 1 Nr. 2
UVG § 1 Abs. 2
SGB I § 30
SGB I § 30 Abs. 1
SGB I § 37
SGB I § 68 Nr. 14
BErzGG § 1 Abs. 2
VwGO § 60 Abs. 1
VwGO § 74
VwGO § 75
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

OVG 6 B 7.07

Verkündet am 17. Juni 2009

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 6. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schultz-Ewert, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Scheerhorn, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Oerke, die ehrenamtliche Richterin Kubiak und den ehrenamtlichen Richter Kümpel für Recht erkannt:

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG). Die Klägerin ist am 15. Juni 1993 geboren. Mit Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 5. April 2001 wurde die Ehe ihrer Eltern geschieden und das elterliche Sorgerecht auf die Mutter übertragen. Die Klägerin lebt bei ihrer Mutter, die Angestellte des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland ist. Diese war seit 1999 an der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Peking beschäftigt. Zum 3. Juli 2003 wurde sie an die Botschaft in Moskau versetzt, wo sie mit der Klägerin auf dem Botschaftsgelände wohnte. Eine Wohnung in Deutschland behielten die Klägerin und ihre Mutter während des Auslandsaufenthalts nicht bei. Ausweislich einer Anmeldebestätigung haben die Klägerin und ihre Mutter am 28. Februar 2005 eine Wohnung in Berlin bezogen.

Die Mutter der Klägerin beantragte unter dem 9. Januar 2003 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. In diesem Antrag gab sie an, dass die Klägerin von ihrem Vater keinen Unterhalt erhalte und sie sich in den letzten drei Monaten nicht um Unterhaltszahlungen des anderen Elternteils bemüht habe, weil dieser Sozialhilfeempfänger sei; für das Kind würden Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz sowie Auslandskinderzuschlag als Teil der Besoldung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes gezahlt.

Mit Bescheid vom 18. März 2003 lehnte der Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, dass ein Kind nur Anspruch auf Unterhaltsvorschuss habe, wenn es im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt habe; auf den dienstlichen Wohnsitz der Mutter komme es insoweit nicht an. Gegen diesen Bescheid legte eine Rechtsanwaltskanzlei mit am 1. April 2003 beim Beklagten eingegangenen Schreiben Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 1. April 2003 teilten die Rechtsanwälte mit, dass das Mandatsverhältnis beendet sei. Der Beklagte wies die Mutter der Klägerin mit Schreiben vom 8. April 2003 darauf hin, dass ein wirksam eingelegter Widerspruch mangels Vorlage der Vertretungsvollmacht der Rechtsanwälte bislang nicht nachgewiesen werden könne.

Die Mutter der Klägerin beantragte mit Schreiben vom 12. Juni 2003 erneut Unterhaltsvorschussleistungen und führte aus, dass nach dem Gesetz über den auswärtigen Dienst (GAD) Auslandstätige nicht schlechter gestellt werden dürften als Inlandbedienstete. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 28. Juli 2003 ab und führte zur Begründung aus, dass der Umzug nach Moskau, wo die Klägerin mit ihrer Mutter auf dem Botschaftsgelände wohne, eine rechtliche Neubewertung nicht erforderlich mache. § 15 Abs. 2 GAD verpflichte lediglich den Dienstherrn, also das Auswärtige Amt, dafür Sorge zu tragen, dass Beamten aus dem Auslandseinsatz keine Nachteile entstehen oder diese - soweit unvermeidbar - wenigstens einen angemessenen Ausgleich erfahren.

Den hiergegen am 8. August 2003 erhobenen Widerspruch, mit dem auch beantragt worden war, den Bescheid vom 18. März 2003 aufzuheben, wies der Beklagte mit Bescheid vom 27. Februar 2004 zurück. Zur Begründung führte er aus, dass der Anspruch nach dem Unterhaltsvorschussgesetz einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des alleinerziehenden Elternteils sowie des zu versorgenden Kindes im Geltungsbereich des Gesetzes voraussetze. Eine Entsenderegelung für Arbeitnehmer, die von ihrem Arbeitgeber ins Ausland entsandt werden, existiere im Unterhaltsvorschussgesetz nicht. Der Bescheid vom 18. März 2003 sei bestandskräftig geworden, da ein wirksam eingelegter Widerspruch mangels Vorlage einer Vertretungsvollmacht nicht nachgewiesen sei.

Die Prozessvertreter der Klägerin haben am 2. April 2004 namens ihrer Mutter Klage erhoben. Mit gerichtlicher Verfügung vom 26. April 2004 sind sie gebeten worden, zu prüfen, ob nicht die Tochter der seinerzeitigen Klägerin, vertreten durch diese, Anspruchsinhaberin sei. Daraufhin haben sie mit am 13. September 2004 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz die Klage "berichtigt" bzw. Klageänderung dahingehend erklärt, dass Klägerin nicht die Kindsmutter, sondern ihre Tochter ist.

Die Klägerin hat im Wesentlichen vorgetragen: Die Klage sei zulässig, auch soweit sie sich gegen den Bescheid vom 18. März 2003 richte. Dieser sei nicht bestandskräftig geworden, denn das Fehlen einer schriftlichen Vollmacht ändere nichts an der Tatsache, dass Widerspruch eingelegt worden sei. Die Klage sei auch begründet; die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 UVG für die Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen lägen vor. Die Auslandsaufenthalte seien nicht freiwillig erfolgt; ihre Mutter habe den Weisungen ihres Arbeitgebers Folge leisten müssen. Lebensmittelpunkt während ihrer Auslandsaufenthalte sei die jeweilige deutsche Botschaft gewesen. Zwar befinde sich das Botschaftsgelände nicht auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, allerdings seien die Angehörigen fremder diplomatischer und konsularischer Vertretungen nach den Vorschriften des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen "Exterritoriale" und unterlägen nicht dem Recht des Landes, in welchem sich die Vertretungen befänden; sie seien demnach dem Recht des Heimatstaates zuzuordnen. Sie dürfe auch nicht schlechter gestellt werden als die Kinder anderer Bediensteter des Bundesaußenministeriums, die nicht ins Ausland entsandt worden seien. Im Übrigen müsse die Entsenderegelung in § 1 Abs. 2 des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) entsprechend auf das Unterhaltsvorschussgesetz angewendet werden. Wenn man davon ausgehe, dass sie während ihres Auslandsaufenthaltes nicht unter den Geltungsbereich des Unterhaltsvorschussgesetzes gefallen sei, bestehe jedenfalls ein Anspruch gegenüber der Beigeladenen aus § 15 GAD.

Die Klägerin hatte zunächst schriftsätzlich beantragt, den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 18. März 2003 und 28. Juli 2003 und des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2004 zu verpflichten, ihr ab dem 9. Januar 2003 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zu bewilligen. Mit Bescheid vom 18. Juni 2007 hat der Beklagte Unterhaltsvorschuss für die Zeit vom 28. Februar 2005 bis 14. Juni 2005 bewilligt. Die Verfahrensbeteiligten haben insoweit den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide des Bezirksamts Mitte von Berlin vom 18. März 2003 und 28. Juli 2003, letzterer in Gestalt des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 27. Februar 2004 zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz ab Antragstellung am 9. Januar 2003 bis 27. Februar 2005 zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen: Der Ablehnungsbescheid vom 18. März 2003 sei bestandskräftig geworden, weil die für die Klägerin handelnden Rechtsanwälte ihre Bevollmächtigung nicht nachgewiesen hätten. Der Bescheid vom 28. Juli 2003 sei aus den darin genannten Gründen rechtmäßig. Maßgeblich für die Leistungsgewährung sei § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG. Zur Auslegung dieser Vorschrift sei § 30 SGB I heranzuziehen. Abweichungen davon wären nach § 37 SGB I möglich, im Unterhaltsvorschussgesetz indes nicht vorgesehen. Eine analoge Anwendung des § 1 Abs. 2 BErzGG auf das Unterhaltsvorschussgesetz verbiete sich im Hinblick auf die ausdrückliche Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG, der ausdrücklich auf das Leben des Anspruchsberechtigten im Geltungsbereich dieses Gesetzes abstelle. Die Klägerin habe sich selbst in einer Wohnung auf dem Gelände des Botschaftsgebäudes nicht im Geltungsbereich des Unterhaltsvorschussgesetzes befunden, denn das Missionsgebäude gehöre zum Staatsgebiet des Empfangsstaates; deshalb sei es verfehlt, anzunehmen, die Angehörigen von Auslandsvertretungen befänden sich mit Rücksicht auf ihre Exterritorialität noch im Entsendestaat. Das Gesetz über den Auswärtigen Dienst rechtfertige keine andere Beurteilung; gemäß § 15 Abs. 2 GAD solle die Mutter der Klägerin nur im Rahmen ihres Dienstverhältnisses nicht schlechter als Inlandbedienstete gestellt werden, was jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sei. Die Beigeladene hat vorgetragen: Ob der Klägerin der geltend gemachte Anspruch zustehe oder nicht, könne sie nicht beurteilen. Jedenfalls sei die Bundesrepublik Deutschland bzw. das Auswärtige Amt nicht gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 GAD zur Zahlung des Unterhaltsvorschusses verpflichtet. Auch Billigkeitserwägungen sprächen nicht dafür, denn die Beigeladene zahle an ihre ins Ausland entsandten Bediensteten nennenswerte Auslandbezüge und es gebe weitere Erstattungstatbestände für im Ausland tatsächlich anfallende zusätzliche Kosten, weshalb die Mutter der Klägerin gerade für den Zeitraum der dienstlich bedingten Auslandsaufenthalte leistungsfähiger gewesen sei als im Inland.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 27. August 2007 die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage gegen den Bescheid vom 18. März 2003 sei als Untätigkeitsklage zulässig, denn die fehlende Vorlage einer Vollmacht des damaligen Verfahrensbevollmächtigten führe nicht zur Unwirksamkeit des eingelegten Widerspruchs. Die Klage sei jedoch unbegründet, soweit das Verfahren nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden sei. Die allein streitige Tatbestandsvoraussetzung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG, wonach Unterhaltsvorschuss nur erhält, wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes lebt, habe die Klägerin in der Zeit, in der sie mit ihrer Mutter im Ausland gewohnt habe, nicht erfüllt. Die Beschränkung der Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen auf Personen, die ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet haben, sei nicht zu beanstanden, stelle insbesondere keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz dar, denn eine Differenzierung nach dem Territorialitätsprinzip sei sachgerecht. Das Unterhaltsvorschussgesetz weise insoweit auch keine planwidrige Gesetzeslücke auf, die durch eine analoge Anwendung anderer gesetzlicher Vorschriften geschlossen werden könne; vielmehr sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bewusst auf eine den Entsenderegelungen in anderen Sozialleistungsgesetzen entsprechende Bestimmung verzichtet habe. Eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung ergebe sich auch nicht daraus, dass die Mutter der Klägerin in ihrer aktiven Berufstätigkeit als Angehörige des Auswärtigen Dienstes ihren konkreten Einsatzort nicht habe beeinflussen können, denn sie habe Anspruch auf einen Auslandskinderzuschlag gehabt. Der Umstand, dass das Botschaftsgelände "exterritorial" sei, bedeute nicht, dass es zum Staatsgebiet des Entsendestaates gehöre. Die Frage, ob die Mutter der Klägerin nach § 15 Abs. 2 GAD von der Beigeladenen einen Nachteilsausgleich verlangen könne, sei nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Gegen das der Klägerin am 3. September 2007 zugestellte Urteil hat diese am 4. Oktober 2007 Berufung eingelegt. Mit ihrer innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist bei Gericht eingegangenen Begründung trägt sie vor: Sie habe einen Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen. Das reine Festhalten am Territorialitätsprinzip würde den allgemeinen Gleichheitssatz verletzen. Es liege eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Mitarbeitern des Auswärtigen Dienstes vor, die im Bundesgebiet arbeiten und solchen, die ins Ausland entsandt worden sind. Das Territorialitätsprinzip werde durch eine Leistungsgewährung nicht ausgehöhlt. Der Gesetzgeber habe ausschließen wollen, dass nicht beitragsgebundene Leistungen ins Ausland transferiert werden. Personen, die freiwillig ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Ausland gewählt haben, sollten nicht anspruchsberechtigt sein. Die Mutter der Klägerin sei jedoch verpflichtet gewesen, den Weisungen ihres Arbeitgebers zu folgen. Es sei von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen, denn der Gesetzgeber habe den kleinen Kreis Betroffener, zu dem die Klägerin gehöre, nicht vor Augen gehabt. Auch die Regelung im Bundeserziehungsgeldgesetz, welche ausdrücklich Personen berücksichtige, die wegen eines in Deutschland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses vorübergehend ins Ausland entsandt worden seien, spreche hierfür. Der Umstand, dass ihre Mutter Auslandskindergeld erhalten habe, stehe einem Anspruch auf Unterhaltsvorschuss nicht entgegen. Auch Kindergeldleistungen würden neben der Bewilligung eines Auslandskinderzuschlages erbracht. Im Übrigen habe der Auslandskinderzuschlag eine völlig andere Intention als der Unterhaltsvorschuss.

Die Klägerin hat die Klage zurückgenommen, soweit Unterhaltsvorschussleistungen für die Zeit vom 9. bis 27. Februar 2005 geltend gemacht wurden. Sie beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. August 2007 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide des Bezirksamts Mitte von Berlin vom 18. März 2003 und 28. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2004 zu verpflichten, der Klägerin Unterhaltsvorschussleistungen für die Zeit vom 9. Januar 2003 bis 9. Februar 2005 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Verfahrensbeteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (1 Band) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

I. Die Klage ist bereits unzulässig.

1. Die erstinstanzlich erklärte Änderung der Person der Klägerin stellt einen gewillkürten Parteiwechsel, der das Prozessrechtsverhältnis ändert, und damit eine Klageänderung dar (vgl. Ortloff/Riese in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Oktober 2008, § 91 Rdnr. 36 ff.). Diese ist wirksam, weil sich der Beklagte rügelos auf sie eingelassen und damit eingewilligt hat (§ 91 Abs. 1 und 2 VwGO).

2. Die geänderte Klage ist verfristet.

Auch soweit sie sich gegen den Bescheid vom 18. März 2003 richtet, ist die Klage fristgebunden, denn entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts liegt insoweit keine Untätigkeitsklage i.S.d. § 75 VwGO vor. Voraussetzung der Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage ist, dass die Erst- oder die Widerspruchsbehörde im Zeitpunkt der Klageerhebung sachlich noch nicht entschieden hat. Ein Bescheid, der den Antrag als unzulässig zurückweist, stellt aber eine Sachentscheidung dar (vgl. Dolde/Porsch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O. § 75 Rdnr. 5a). Der Beklagte hat in dem Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2004 ausgeführt, dass der Bescheid vom 18. März 2003 bestandskräftig geworden sei, weil ein wirksam eingelegter Widerspruch mangels Vorlage einer Vollmacht nicht habe festgestellt werden können. Dies stellt eine Entscheidung über den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch dar, zumal die Klägerin sich in der Begründung ihres nach Ergehen des Bescheides vom 28. Juli 2003 erhobenen Widerspruchs ausdrücklich auf den gegen den Bescheid vom 18. März 2003 erhobenen Widerspruch bezogen und beantragt hatte, diesen Bescheid aufzuheben. Die einmonatige Klagefrist des § 74 VwGO ist versäumt. Maßgeblich ist insoweit nicht der Zeitpunkt, in dem die Mutter der Klägerin Klage erhoben hat, entscheidend ist vielmehr der Zeitpunkt, zu dem die Klägerin in das Verfahren eingetreten ist, denn die Klagefrist muss grundsätzlich von der Person gewahrt werden, die den Verwaltungsakt anficht (vgl. Meissner in Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, a.a.O., § 74 Rdnr. 40). Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehene Widerspruchsbescheid wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich des hierüber gefertigten Empfangsbekenntnisses am 4. März 2004 zugestellt. Die Prozessbevollmächtigten haben aber erst mit am 13. September 2004 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz, mithin weit nach Ablauf der Klagefrist, die Klageänderung erklärt. Der Umstand, dass der Beklagte die Verfristung der Klage nicht gerügt, sondern sich zur Begründetheit der geänderten Klage eingelassen hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung, denn die Einhaltung der Klagefrist ist eine von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde nicht beantragt und kann ungeachtet der Frage, ob hier von einem unverschuldeten Fristversäumnis i.S.d. § 60 Abs. 1 VwGO auszugehen ist, auch nicht von Amts wegen gewährt werden, weil die Änderung der Klage nicht binnen zwei Wochen nach Kenntnis von dem Fehler erklärt wurde (§ 60 Abs. 2 Satz 3 und 4 VwGO). Das Verwaltungsgericht hatte bereits mit Verfügung vom 26. April 2004 die Prozessbevollmächtigten der Klägerin gebeten, zu prüfen, ob nicht diese, vertreten durch ihre Mutter, Anspruchs-inhaberin sei. Diese Verfügung hatte die Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich ihres Schriftsatzes vom 10. September 2004 auch erreicht. Sie hatten somit spätestens Ende April 2004 Kenntnis davon, dass sie für die falsche Person Klage erhoben hatten, haben aber erst im September 2004, mithin über vier Monate später, darauf reagiert.

II. Die Klage ist darüber hinaus unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen für den hier nur noch streitigen Zeitraum vom 9. Januar 2003 bis zum 9. Februar 2005. Die Voraussetzung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG in der - insoweit bis heute unveränderten - Fassung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 2) bzw. 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950), dass das anspruchsberechtigte Kind im Geltungsbereich dieses Gesetzes bei einem seiner Elternteile lebt, hat die Klägerin während ihrer Aufenthalte in Peking und Moskau nicht erfüllt.

Das Unterhaltsvorschussgesetz selbst enthält keine Definition des Begriffs des Lebens im Geltungsbereich dieses Gesetzes. Abzustellen ist insoweit auf die Vorschrift des § 30 Abs. 1 SGB I. Diese Vorschrift findet sich im Dritten Teil des Sozialgesetzbuches I, der gemeinsame Vorschriften für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuches enthält. Gemäß § 68 Nr. 14 SGB I gilt das Unterhaltsvorschussgesetz als besonderer Teil des Sozialgesetzbuches.

Nach § 30 Abs. 1 SGB I gelten die Vorschriften dieses Gesetzes für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben. Auf den dienstlichen Wohnsitz der Mutter der Klägerin kommt es insoweit nicht an; abzustellen ist lediglich auf die tatsächlichen Verhältnisse (vgl. Helmbrecht, UVG, 5. Aufl., § 1 Rdnr. 6; Hauck/Noftz: SGB I, Stand April 2009, § 30 Rdnr. 11, 15). Die Klägerin und ihre Mutter hatten unstreitig während ihrer Aufenthalte in Peking und Moskau keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland beibehalten.

1. Der Umstand, dass die Mutter der Klägerin bei der Botschaft in Peking bzw. Moskau beschäftigt war und jedenfalls in Moskau mit ihrer Tochter auf dem Botschaftsgelände gewohnt hat, rechtfertigt nicht die Annahme, dass sie sich im Geltungsbereich des Unterhaltsvorschussgesetzes aufgehalten hätten. Der rechtliche Status der Missionen ergibt sich aus den Regelungen des Wiener Übereinkommens vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen, dem die Bundesrepublik Deutschland mit Gesetz vom 6. August 1964 (BGBl. II S. 957) zugestimmt hat. Gemäß Art. 22 Abs. 1 dieses Übereinkommens sind die Räumlichkeiten der Mission unverletzlich und dürfen nur mit Zustimmung des Missionschefs von Vertretern des Empfangsstaates betreten werden; sie genießen Immunität von jeder Durchsuchung, Beschlagnahme, Pfändung oder Vollstreckung (Abs. 3 der Vorschrift). Dies bedeutet aber nicht, dass sie nicht zum Gebiet des Empfangsstaates gehören, sondern besagt lediglich, dass die Befugnisse der staatlichen Organe des Empfangsstaates Beschränkungen unterworfen sind (i. Erg. ebenso BSG, Urteil vom 11. Juli 1985 - 5b RJ 70/84, Juris). Etwas anderes kann auch den Regelungen über die persönliche Rechtsstellung der Botschaftsangehörigen nicht entnommen werden. Zwar genießen Mitglieder des Verwaltungs- und technischen Personals der Mission und die zu ihrem Haushalt gehörenden Familienmitglieder gemäß Art. 31 Abs. 1 i.V.m. Art. 37 Abs. 2 des Übereinkommens Immunität von der Straf-, Zivil- und Verwaltungsgerichtsbarkeit des Empfangsstaates, ohne von der Gerichtsbarkeit des Entsendestaates befreit zu sein (Art. 31 Abs. 4 des Übereinkommens). Auch diese Regelung fingiert aber nicht, dass Botschaftsangehörige sich für die Dauer ihres Auslandeinsatzes im Entsendestaat aufhalten, sondern schränkt lediglich die Möglichkeit ihrer gerichtlichen Verfolgung im Empfangsstaat ein.

2. Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG ist auch nicht etwa im Hinblick auf die Regelung des § 15 Abs. 2 GAD dahingehend auszulegen, dass die Kinder von alleinerziehenden, ins Ausland entsandten Angehörigen des Auswärtigen Dienstes so zu behandeln wären, als würden sie und ihr erziehender Elternteil sich im Inland aufhalten. Nach § 15 Abs. 2 GAD sorgt der Dienstherr dafür, dass dem Beamten und seinen Familienangehörigen aus dem Auslandseinsatz möglichst keine Nachteile entstehen; für unvermeidbare Belastungen gewährt er dem Beamten einen angemessenen Ausgleich. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Vorschrift auch auf Angestellte des Auswärtigen Amtes anwendbar ist. Jedenfalls enthält sie keine Regelung dahingehend, dass bestimmte Anspruchsnormen zu Gunsten der Beschäftigten des Auswärtigen Amtes bzw. ihrer Angehörigen erweiternd auszulegen sind, sondern sie begründet allenfalls einen Anspruch des Beschäftigten - nicht seiner Familienangehörigen - auf eine Ausgleichsleistung. Eine solche Leistung ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. 3. Entgegen der Auffassung der Klägerin enthält das Unterhaltsvorschussgesetz keine planwidrige Regelungslücke, die durch analoge Anwendung von Vorschriften aus anderen Gesetzen geschlossen werden könnte. § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG trifft eine Regelung für den hier vorliegenden Fall, dass das Kind eines alleinerziehenden, im Auswärtigen Dienst beschäftigten und im Ausland eingesetzten Elternteils einen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss geltend macht. Es spricht auch nichts dafür, dass der Gesetzgeber unbewusst die hier vorliegende Fallgestaltung keiner Sonderregelung zugeführt hat. Verschiedene Leistungsgesetze, etwa das Bundeserziehungsgeldgesetz (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 BErzGG) oder das Sozialgesetzbuch IV (vgl. § 4 Abs. 1 SGB IV) enthalten so genannte Entsenderegeln, denen zufolge Ansprüche nach dem jeweiligen Gesetz unter Umständen auch dann bestehen, wenn der Anspruchsinhaber im Rahmen seines in Deutschland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses vorübergehend ins Ausland entsandt ist. Dem gemäß ist davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber bewusst war, dass diesem Personenkreis ohne besondere Regelung kein Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen zusteht. Der Umstand, dass ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 8/1952) bei Erlass des Gesetzes von der Aufnahme einer Entsenderegelung nicht ausdrücklich Abstand genommen wurde, rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil eine Anknüpfung an das im Sozialrecht gemäß § 30 Abs. 1 SGB I grundsätzlich geltende Territorialitätsprinzip keiner näheren Begründung bedarf. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, spricht weiterhin gegen eine planwidrige Regelungslücke, dass der Gesetzgeber auch im Rahmen der zahlreichen Änderungen des Unterhaltsvorschussgesetzes keine entsprechende Regelung aufgenommen hat.

4. Die Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, soweit sie die Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen auf Personen beschränkt, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben. Nach Art. 3 Abs. 1 GG ist der Gesetzgeber verpflichtet, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Ihm verbleibt aber insbesondere im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit ein Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2004 - 1 BvL 4/97 -, BVerfGE 111, 160 m.w.N.). Die Grenzen dieses Spielraums sind allerdings überschritten, wenn die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen, und mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist, also die gesetzliche Differenzierung sich - sachbereichsbezogen - nicht auf einen vernünftigen Grund zurückführen lässt. Das ist auch dann der Fall, wenn eine Gruppe von Betroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Januar 1996 - 2 BvL 39/93 u. 40/93 -, BVerfGE 93, 386).

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, stellt eine Differenzierung nach dem Territorialitätsprinzip prinzipiell eine sachgerechte Unterscheidung dar. Es ist ein verfassungsrechtlich nicht zu beanstandendes Ziel nationaler Sozialpolitik, sozial relevante Tatbestände im eigenen Staatsgebiet zu formen und zu regeln (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 17. März 2008 - 1 BvR 96/06 -, Juris). Dem gemäß begegnet es grundsätzlich keinen Bedenken, wenn der Gesetzgeber verhindert, dass sozialrechtliche Leistungen, die - anders als Leistungen der Sozialversicherung - nicht auf Grund von zuvor geleisteten Beiträgen erbracht werden, ins Ausland gezahlt werden. Dies entspricht dem allgemeinen System des sozialen Leistungsrechts.

Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass ihre Mutter als Angehörige des Auswärtigen Dienstes nicht selbst über ihren Einsatzort entscheiden und eine Entsendung ins Ausland verhindern konnte. Bereits mit der Aufnahme einer Beschäftigung beim Auswärtigen Dienst hatte diese sich bereiterklärt, sich - mit den sich hieraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen - auch ins Ausland entsenden zu lassen.

Auch eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Klägerin mit Kindern von im Inland eingesetzten Mitarbeitern des Auswärtigen Dienstes ist nicht ersichtlich. Zweck des Unterhaltsvorschussgesetzes ist es, den Lebensunterhalt eines Kindes in einer besonderen, typischerweise schwierigen Lebens- und Erziehungssituation sicherzustellen und die besonderen, über die Unterhaltsleistung hinausgehenden Belastungen alleinerziehender Elternteile kleiner Kinder zu mildern, die sich bei Ausbleiben des vom anderen Elternteil geschuldeten Barunterhalts noch verschärfen (vgl. die Begründung zum Entwurf des Unterhaltssicherungsgesetzes, BT-Drs. 8/1952, S. 6). Ins Ausland entsandte Angehörige des Auswärtigen Dienstes erhalten aber, wie die Beigeladene erstinstanzlich ausgeführt hat, erhöhte Auslandsbezüge sowie Erstattungsleistungen für verschiedene durch den Auslandsaufenthalt anfallende Kosten; darüber hinaus steht ihnen, wie das Verwaltungsgericht dargelegt hat, Auslandskindergeld zu. Die im Ausland eingesetzten Dienstkräfte verfügen demnach über ein erheblich höheres Einkommen als im Inland tätige Kollegen und sind folglich deutlich eher in der Lage, ausbleibenden Barunterhalt zu kompensieren.

5. Angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts vermag auch der Umstand, dass u.U. vor dem Umzug der Bundesregierung nach Berlin in vergleichbaren Fällen Unterhaltsvorschussleistungen erbracht worden sind (so Helmbrecht a.a.O Rdnr. 6) keine andere Entscheidung zu rechtfertigen. III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 155 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren der Klägerin nicht aufzuerlegen, weil die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich somit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. Insbesondere ist nicht von einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache auszugehen, weil sich angesichts der Unzulässigkeit der Klage in einem Revisionsverfahren die Frage nicht stellen würde, ob Kindern, deren alleinerziehender Elternteil als Angehöriger des Auswärtigen Dienstes ins Ausland entsandt ist, Unterhaltsvorschussleistungen zustehen.

Ende der Entscheidung

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