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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 30.09.2005
Aktenzeichen: OVG 6 L 96.05
Rechtsgebiete: AG-BSHG, SGG, BSHG, SGB XII


Vorschriften:

AG-BSHG § 2 Abs. 2
AG-BSHG § 4 Abs. 2
AG-BSHG § 4 a
AG-BSHG § 4 a Abs. 1
AG-BSHG § 4 b
AG-BSHG § 4 c
SGG § 51 Abs. 1 Nr. 6 a
BSHG § 39 Abs. 1
BSHG § 100 Abs. 1 Nr. 1
BSHG § 100 Abs. 1 Nr. 5
SGB XII §§ 106 ff
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS

OVG 6 L 96.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schultz-Ewert, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Silberkuhl und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Jobs am 30. September 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beklagten gegen den Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 30. Juni 2005 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten der Beschwerde.

Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

Das Verwaltungsgericht Potsdam hat durch den angefochtenen Beschluss den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und das auf Kostenerstattung nach § 4 Abs. 2 Bbg AG-BSHG gerichtete Klageverfahren an das örtlich zuständige Sozialgericht verwiesen. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde des Beklagten ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat das am 13. Juni 2005 anhängig gemachte Klageverfahren mit Recht als Streitigkeit angesehen, die der Sache nach gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6 a SGG den Sozialgerichten zugewiesen ist. Nach dieser seit dem 1. Januar 2005 geltenden Bestimmung sind für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialhilfe die Sozialgerichte zuständig. Die vom Beklagten gegen die Zuordnung des vorliegenden Streits als Angelegenheit der Sozialhilfe erhobenen Einwände überzeugen nicht. Es handelt sich um einen Anspruch des örtlichen Trägers der Sozialhilfe gegen den überörtlichen Träger auf Erstattung von Aufwendungen der Hilfe in besonderen Lebenslagen für in § 39 Abs. 1 BSHG genannte Personen, die gemäß § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG dem überörtlichen Träger obliegt, jedoch im Land Brandenburg gemäß § 2 Abs. 2 AG-BSHG vom örtlichen Träger der Sozialhilfe als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung wahrgenommen wird. Zum Ausgleich der Kosten, die dem örtlichen Träger durch diese Übertragung der sachlichen Zuständigkeit entstehen, hat gemäß § 4 Abs. 2 i.V.m. § 4 a Abs. 1 AG-BSHG das beklagte Landesamt für Soziales und Versorgung dem Kläger die angemessenen und notwendigen Aufwendungen nach Maßgabe der §§ 4 a bis 4 c AG-BSHG zu erstatten. Das bedeutet, dass es sich um eine sozialhilferechtliche Erstattungsstreitigkeit handelt.

Anders als der Beklagte meint, lässt sich den Motiven zur Einführung des § 51 Abs. 1 Nr. 6 a SGG Gegenteiliges nicht entnehmen. Da die Übertragung der Sozialhilfeangelegenheiten auf die Sozialgerichtsbarkeit auf einer Empfehlung des Vermittlungsausschusses beruht (BT-Drs. 15/2260 S. 7), fehlt es an veröffentlichten Gründen für diese Entscheidung. Die Mutmaßungen, die der Beklagte unter Heranziehung früherer Äußerungen des Bundesrats anstellt, finden daher in den Motiven keine Grundlage und überzeugen nicht.

Zu den Sozialhilfeangelegenheiten gehören nicht nur die Ansprüche der Hilfesuchenden, sondern auch Erstattungsansprüche für einem Hilfesuchenden erbrachte Sozialhilfe zwischen verschiedenen Trägern dieser Hilfeart. Das gesteht auch der Beklagte für die Erstattungsansprüche nach §§ 106 ff SGB XII zu. Er beschränkt den Begriff der Sozialhilfeangelegenheit jedoch zu Unrecht auf solche bundesrechtlich geregelten Ansprüche. Allein die Ansiedlung des hier streitbefangenen Erstattungsanspruchs im Landesrecht rechtfertigt es nicht, den Charakter des Anspruchs als Sozialhilfeangelegenheit zu verneinen. Dem Wortlaut des § 51 Abs. 1 Nr. 6 a SGG lässt sich nicht entnehmen, dass Erstattungsansprüche nur dann Sozialhilfeangelegenheiten sein können, wenn sie unmittelbar in den bundesrechtlichen Vorschriften des SGB XII geregelt sind, oder noch aus den erstattungsrechtlichen Vorschriften des Bundesozialhilfegesetzes herrühren (so auch zum NdsAGBSHG OVG Lüneburg, Beschluss vom 21. Juni 2005, NVwZ 2005, 1097).

Es liegt hier nicht - wie der Beklagte ausführt - eine Angelegenheit des allgemeinen kommunalen Finanzausgleichs vor, denn es handelt sich nicht um eine allgemeine Streitigkeit im Sinne von Art. 97 Abs. 3 Verf Bbg und auch nicht um eine solche zu den allgemeinen Regeln des Finanzausgleichs nach Art. 99 Satz 2 und 3 Verf Bbg oder zu dem für das jeweilige Haushaltsjahr geltenden Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Brandenburg an die Gemeinden und Landkreise (GFG 2002/2003 vom 18. Dezember 2001, GVBl. I S. 306; GFG 2004 vom 17. Dezember 2003, GVBl.I S. 331), sondern um die Erstattung von Aufwendungen, die in einem konkreten Sozialhilfefall aus dem Bereich des § 100 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 5 BSHG angefallen sind und deren Ausgleich im Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz geregelt ist. Dass der Schwerpunkt im Sozialhilfebereich liegt, folgt auch daraus, dass es für den Erstattungsanspruch gemäß § 4 Abs. 2 AG-BSHG auf die Angemessenheit und Notwendigkeit der vom kommunalen Träger getätigten Aufwendungen ankommt. Gerade um die sozialhilferechtliche Notwendigkeit der Aufwendungen ist im konkreten Fall bereits im Rahmen des Vorverfahrens gestritten worden (zur Prüfung der Berechtigung der geleisteten Sozialhilfe im Rahmen eines Erstattungsverfahrens nach § 4 Abs. 2 AG-BSHG, vgl. OVG Brandenburg, Beschluss vom 11. April 2005 - 4 A 846/03.Z = 7 K 129/99 - Potsdam). Es wäre auch aus diesem Grunde widersinnig, wenn nur die Klage des Hilfesuchenden auf eine der in § 100 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 5 BSHG genannten Leistungen seit dem 1. Januar 2005 als Sozialhilfeangelegenheit bei dem Sozialgericht anhängig gemacht werden müsste, der entsprechende Erstattungsstreit jedoch weiterhin in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte fiele.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedurfte es wegen der Regelung über die Festgebühr nach Ziffer 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) nicht.

Die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht nach § 152 Abs. 1 VwGO, § 17 a Abs. 4 Satz 4 und 5 GVG ist nicht zugelassen worden, weil Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder eine Abweichung von Entscheidungen eines obersten Gerichtshofs des Bundes oder des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes nicht ersichtlich sind. Dieser Beschluss ist daher gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, § 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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