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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 26.08.2005
Aktenzeichen: OVG 6 N 82.05
Rechtsgebiete: VwGO, BSHG
Vorschriften:
VwGO § 67 Abs. 1 Satz 1 | |
VwGO § 84 Abs. 2 Nr. 2 | |
VwGO § 117 Abs. 2 | |
VwGO § 124 Abs. 2 | |
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 | |
VwGO § 124 a Abs. 4 | |
VwGO § 124 a Abs. 5 Satz 2 | |
VwGO § 166 | |
BSHG § 19 | |
BSHG § 20 | |
BSHG § 25 Abs. 1 | |
BSHG § 25 Abs. 1 Satz 1 | |
BSHG § 25 Abs. 1 Satz 2 |
OVG 6 N 82.05
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht , die Richterin am Oberverwaltungsgericht und den Richter am Oberverwaltungsgericht am 26. August 2005 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe:
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen noch zu stellenden Antrag auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. Juli 2003 hat keinen Erfolg.
Der Kläger führt der Sache nach eine ursprünglich als Untätigkeitsklage erhobene Klage unter Einbeziehung eines mittlerweile ergangenen Widerspruchsbescheides als Verpflichtungsklage fort, mit der er sinngemäß begehrt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 27. August 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 1999 zu verpflichten, ihm Hilfe zum Lebensunterhalt für den Zeitraum vom 1. September 1998 bis zum 25. Februar 1999 zu gewähren. Das Verwaltungsgericht hat durch Gerichtsbescheid vom 25. Juli 2003 die Klage abgewiesen. Mit dem vom Kläger selbst verfassten und an das Oberverwaltungsgericht gerichteten Schriftsatz vom 8. August 2003 beantragt dieser die Bewilligung von Prozesskostenhilfe "zur Einlegung der Beschwerde" gegen den Gerichtsbescheid.
Der Senat geht im Hinblick auf den anwaltlichen Vertretungszwang vor dem Oberverwaltungsgericht (§ 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO) davon aus, dass der Kläger mit diesem Schriftsatz bislang noch keinen Rechtsbehelf einlegen wollte, sondern den nach §§ 84 Abs. 2 Nr. 2, 124 a Abs. 4 VwGO statthaften Rechtsbehelf des Antrags auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid lediglich ankündigt, um im Fall der Gewährung von Prozesskostenhilfe durch den dann beigeordneten Rechtsanwalt einen wirksamen Antrag zu stellen. Für den Prozesskostenhilfeantrag selbst ist der Kläger postulationsfähig. Der nach § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO für einen Antrag im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht angeordnete Vertretungszwang gilt nicht für einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen angekündigten Antrag auf Zulassung der Berufung (vgl. u. a. OVG für das Land Brandenburg, Beschluss vom 1. April 1998 - 4 A 29.98 -, veröffentlicht in Juris m. w. N.).
Der Antrag ist unbegründet, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Klägers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. § 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO). Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichtes ist gemäß § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulassen, wenn - mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung (vgl. § 124 a Abs. 4 VwGO) - einer der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe dargelegt ist und vorliegt. Der vom Kläger beabsichtigte Antrag auf Zulassung der Berufung hat auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 8. August 2003 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil nicht ersichtlich ist, dass hier ein Zulassungsgrund vorliegt.
Soweit der Kläger geltend macht, er sei nicht vor der Entscheidung durch den Gerichtsbescheid angehört worden, insbesondere habe die erkennende Richterin ihn nicht gefragt, ob er ein Urteil oder einen Gerichtsbescheid "wolle", liegt kein Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) wegen einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) vor. Dies gilt hier jedenfalls deshalb, weil der Kläger ausweislich der Gerichtsakte mit gerichtlichem Schreiben vom 17. Dezember 1999 vor der Entscheidung durch Gerichtsbescheid hierzu gehört wurde. Dass nach dieser Anhörung der Berichterstatter des Verfahrens gewechselt hat, begründet keine erneute Pflicht des Gerichtes zur Anhörung. Anders als der Kläger wohl meint, ist die Zulässigkeit der Entscheidung durch Gerichtsbescheid auch nicht von dessen Zustimmung abhängig.
Soweit der Kläger darüber hinaus sinngemäß einen Verstoß gegen das Recht auf ein zügiges Verfahren vor Gericht (Art. 52 Abs. 4 Satz 1 Verfassung des Landes Brandenburg) wegen der Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens rügt, vermag dies nicht die Zulassung der Berufung zu rechtfertigen. Ein etwaiger Verstoß gegen den Anspruch auf ein zügiges Verfahren vor Gericht kann allenfalls dessen Feststellung (etwa durch das Landesverfassungsgericht), nicht aber die vom Kläger begehrte Aufhebung derjenigen gerichtlichen Entscheidung - hier des Gerichtsbescheides vom 25. Juli 2003 - zur Folge haben, die die Untätigkeit des Gerichtes beendet (vgl. VfGBbg, Beschlüsse vom 10. März 2005 - 52.04 - und vom 20. März 2003 - 108/02 -, LKV 2003, S. 427).
Dass hier einer der übrigen Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Der Kläger hat mit seinem sonstigen gegen die Einstellung der Hilfe zum Lebensunterhalt gerichteten Vorbringen in laienhafter Weise allenfalls den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sinngemäß angesprochen, doch sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Gerichtsbescheides nicht ersichtlich. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO will den Zugang zu einer inhaltlichen Überprüfung des angefochtenen Urteils bzw. Gerichtsbescheides in einem Berufungsverfahren in Fällen eröffnen, in denen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils weiterer Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist (vgl. u. a. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4.03 -, DVBl. 2004, S. 838). Dies ist hier nicht der Fall.
Nach § 25 Abs. 1 BSHG (i.d.F. des Gesetzes vom 23. Juli 1996, BGBl. I S. 1088) hat keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt, wer sich weigert, zumutbare Arbeit zu leisten oder zumutbaren Maßnahmen nach den §§ 19 und 20 nachzukommen. Das Verwaltungsgericht hat im Gerichtsbescheid vom 25. Juli 2003 zu Recht ausgeführt, dass der Kläger in dem streitbefangenen Zeitraum keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt hat, weil die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 BSHG vorliegen, also die Einstellung der Hilfe mit Bescheid vom 27. August 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 1999 rechtmäßig ist (vgl. auch OVG für das Land Brandenburg, Beschluss vom 25. Mai 1999 - 4 B 43/99 - im PKH-Verfahren). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit zunächst auf die zutreffenden Gründe des Gerichtsbescheides (EA S. 4 - 6) Bezug genommen (vgl. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend sei ausgeführt:
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht auch davon ausgegangen, dass der Kläger sich weigert, im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 BSHG zumutbare Arbeit zu leisten bzw. Maßnahmen nach § 19 BSHG nachzukommen. Soweit der Kläger hiergegen sinngemäß einwendet, das Arbeits- und das Sozialamt solle ihm Arbeit besorgen, er habe jedenfalls noch keine Arbeit bekommen, verkennt er, dass er gehalten ist, sich selbstständig um Arbeit zu bemühen. Eine Weigerung im Sinne von § 25 Abs. 1 BSHG kann nämlich auch darin liegen, dass ein Hilfesuchender, der sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat und für das Arbeitsamt erreichbar ist, es ablehnt, sich unabhängig von Bemühungen des Arbeitsamtes selbst auf dem ihm zugänglichen Arbeitsmarkt einen Arbeitsplatz zu suchen. Die Mitwirkung bei der Arbeitsvermittlung durch das Arbeitsamt ist nämlich nur eine Möglichkeit, sich Arbeit zu verschaffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1995 - 5 C 20.92 - BVerwGE 98, 203). Im Übrigen hat der Beklagte ihm in dem Projekt "Arbeit statt Sozialhilfe" eine - nach den nicht beanstandeten Ausführungen des Verwaltungsgerichtes - zumutbare Tätigkeit im Bereich der Grünanlagenpflege beim Christlichen Jugenddorfwerk in Seelow angeboten, die der Kläger nicht angenommen hat. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist überdies geklärt, dass "Arbeit" im Sinne von § 25 Abs. 1 BSHG auch die gemeinnützige und zusätzliche Arbeit (vgl. § 19 Abs. 2 BSHG) sein kann (vgl. näher BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1992 - 5 C 35.88 -, NVwZ 1993, S. 371), was auch durch die Verweisung im Wortlaut des § 25 Abs. 1 Satz 1 BSHG zum Ausdruck kommt.
Gründe die dafür sprechen könnten, dass der Beklagte mit seiner Entscheidung, die Hilfe zum Lebensunterhalt im streitbefangenen Zeitraum ganz einzustellen, das ihm auf der Rechtsfolgenseite nach § 25 Abs. 1 BSHG zukommende Ermessen über den Umfang der Kürzung der Hilfe ermessensfehlerhaft ausgeübt hat, sind weder vom Kläger vorgetragen noch sind solche sonst ersichtlich. Der Beklagte hat bereits mit bestandskräftigem Bescheid vom 28. Januar 1998 in einer ersten Stufe gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 BSHG die Hilfe um 25 v. H. des maßgebenden Regelsatzes gekürzt. Die im Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 1999 zum Ausdruck kommende Erwägung des Beklagten, wonach angesichts des Umstandes, dass der Kläger trotz dieser ersten Kürzung in der Folgezeit nicht bereit war, zumutbare Arbeit zu leisten, nunmehr die vollständige Einstellung der Hilfe gerechtfertigt sei, ist angesichts des der Regelung des § 25 Abs. 1 BSHG innewohnenden Zwecks, durch (zeitweilige) Leistungseinstellung das Selbsthilfestreben des Hilfesuchenden wiederherzustellen und zu fördern, nicht zu beanstanden. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Ermessensentscheidung über die Einstellung der Hilfe im streitbefangenen Zeitraum die familiären Verhältnisse des ledigen Klägers unzureichend berücksichtigt hat. Soweit der Kläger geltend macht, dass seine (Altersrente beziehende) Mutter ihn nicht freiwillig "über Wasser halte", verkennt er, dass die Leistungseinstellung nicht darauf zielt, dass er seinen Lebensunterhalt von seiner Mutter erhält, sondern, dass der Kläger seine Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhaltes einsetzt. Auch die Erwägung des Beklagten im Widerspruchsbescheid, wonach dem Kläger auch nach der Leistungseinstellung Arbeit im Projekt "Arbeit statt Sozialhilfe" angeboten worden sei, zeigt, dass sich der Beklagte bewusst ist, dass § 25 Abs. 1 BSHG keine bloße Sanktionsnorm ist und er den Kläger nicht völlig aus seiner Obhut entlassen darf. Es kann dabei angesichts der einschneidenden Folgen des Verlustes des Anspruches auf Lebensunterhalt gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 BSHG insbesondere angezeigt sein, in Abständen - etwa für die Zeit nach Ablauf des streitbefangenen Zeitraums - zu prüfen, ob der Hilfesuchende seine Weigerung, zumutbare gemeinnützige Arbeit zu leisten, geändert bzw. aufgegeben hat, sowie ob die vollständige Leistungseinstellung vor dem Hintergrund der Sicherung des Existenzminimums des Klägers noch ermessensfehlerfrei ist (vgl. zur Überprüfungspflicht u.a. OVG Greifswald, Beschluss vom 7. November 2002 - 1 M 152.02 - veröffentlicht in Juris).
Weil der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe damit mangels hinreichender Erfolgsaussicht abzulehnen war, kann der Senat offen lassen, ob der Antrag darüber hinaus abzulehnen war, weil der Kläger nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist des § 124 a Abs. 4 VwGO eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 117 Abs. 2 ZPO vorgelegt hat (vgl. dazu u. a. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1999 - 1 B 3.99, PKH 1.99, Buchholz 310 § 166 VwGO Nr. 38; OVG Berlin, Beschlüsse vom 26. Juli 2004 - 6 S 238.04 - und vom 27. Juni 2004 - 5 N 25.03 -).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Ende der Entscheidung
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