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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 01.09.2006
Aktenzeichen: OVG 6 S 17.06
Rechtsgebiete: VwGO, SchulG, TKBG, SGB X


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80 Abs. 5 Satz 1
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 4
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
SchulG § 19 Abs. 6 Satz 8
SchulG § 19 Abs. 6 Satz 9
TKBG § 1 ff.
TKBG § 1 Abs. 1
TKBG § 1 Abs. 1 Satz 1
TKBG § 2
TKBG § 3
TKBG § 4 a
TKBG § 4 a Abs. 1
TKBG § 4 a Abs. 1 Nr. 2
TKBG § 4 a Abs. 5
TKBG § 6
TKBG § 7 Abs. 2
SGB X § 34
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 6 S 17.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 6. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schultz-Ewert, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Silberkuhl und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Jobs am 1. September 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. Juni 2006 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

1. Die Antragsteller begehren in dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruches gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 28. April 2006 über die Kostenbeteiligung für die ergänzende Betreuung ihrer Tochter vom 1. August 2005 bis zum 31. März 2006 an der Kronach-Grundschule anzuordnen. Die Tochter, die im Schuljahr 2005/2006 die 3. Jahrgangsstufe der Schule besuchte, hat im vorgenannten Zeitraum regelmäßig von 13.30 Uhr bis 16.00 Uhr eine angebotene Betreuung an der Schule in Anspruch genommen. Die Kronach-Grundschule ist seit dem 1. August 2004 in der 1. Jahrgangsstufe und seit dem 1. August 2005 in der 1. und 2. Jahrgangsstufe als eine Ganztagsgrundschule in gebundener Form organisiert, bei der an den Ganztagsangeboten Teilnahmepflicht für die Schülerinnen und Schüler besteht (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 6 und Abs. 3 SchulG i.d.F. vom 23. Juni 2005, GVBl. S. 333). Ab der 3. Jahrgangsstufe war die Kronach-Grundschule im Schuljahr 2005/2006 als Ganztagsangebot in offener Form organisiert, bei der die Teilnahme der Schülerinnen und Schüler an den Ganztagsangeboten freiwillig erfolgt (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 6 SchulG). Sie gehört in dieser Jahrgangsstufe organisatorisch zu den verlässlichen Halbtagsgrundschulen (vgl. § 19 Abs. 6 Satz 9 SchulG, § 4 a Abs. 1 Tagesbetreuungskostenbeteiligungsgesetz - TKBG - i.d.F. vom 23. Juni 2005, GVBl. S. 329). Das Verwaltungsgericht hat im Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO den Antrag, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs anzuordnen, abgelehnt, weil keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Kostenbeitragsbescheides bestünden.

2. Die gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes gerichtete Beschwerde der Antragsteller ist unbegründet. Die von den Antragstellern gemäß § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegten Gründe, die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur zu prüfen sind, rechtfertigen keine Änderung der angefochtenen Entscheidung.

a. Die Antragsteller rügen zunächst, das Verwaltungsgericht habe sich zu Unrecht zu einer Bewertung des Kostenbescheides als rechtmäßig "durchgerungen". Aus dem Formular der Kronach-Grundschule vom 26. April 2005 ergebe sich, dass die Betreuungszeit von 7.30 Uhr bis 16.00 Uhr kostenfrei sei. An ihrer undatierten (weiteren) Erklärung auf dem Formblatt "Ergänzende Betreuung an Grundschulen, Anpassung der Tagesbetreuung/Hort" (Bl. 10 des Verwaltungsvorgangs) über die Notwendigkeit einer ergänzenden Betreuung ihres Kindes von 13.00 Uhr bis 16.00 Uhr könnten die Antragsteller nicht festgehalten werden, weil zum Zeitpunkt der Abgabe dieser Erklärung davon die Rede gewesen sei, dass die Kronach-Grundschule eine verlässliche Halbtagsgrundschule sei und diese später in eine Ganztagsgrundschule in gebundener Form umgewandelt worden sei.

Diese Darlegungen rechtfertigen keine Änderung der angefochtenen Entscheidung.

Öffentliche Abgaben, zu denen die hier vom Antragsgegner erhobene Kostenbeteiligung nach § 19 Abs. 6 Satz 8 u. 9 SchulG i.V.m. § 1 ff. TKBG gehört, dürfen grundsätzlich nur nach Maßgabe des Gesetzes erhoben werden. Diese strikte rechtsstaatliche Bindung an das Gesetz (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG), ist im Abgabenrecht von besonderer und gesteigerter Bedeutung (vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1982 - 8 C 24.81 -, BVerwGE 64, 361 [363]). Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Abgabenerhebung hat zur Folge, dass die Heranziehung zu einer Abgabe nur zulässig ist, sofern und soweit sie durch das Gesetz angeordnet ist. Dies schließt umgekehrt grundsätzlich auch aus, dass der Abgabengläubiger oder sonstige Behörden mit dem Abgabenschuldner von der gesetzlichen Regelung abweichende Vereinbarungen treffen oder sie sonst über die Erhebung der Abgabe disponieren, sofern nicht das Gesetz dies ausnahmsweise gestattet.

Unter Anlegung dieses Grundsatzes bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass die Antragsteller zu der mit Bescheid vom 28. April 2006 erhobenen Kostenbeteiligung rechtmäßig herangezogen wurden. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass die Heranziehung durch die gesetzliche Grundlage in § 19 Abs. 6 Satz 8 SchulG i.V.m. §§ 1 bis 3, 4 a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 5 TKBG gedeckt ist. Die Teilnahme von Schülerinnen und Schülern an ergänzenden Betreuungsangeboten ist entgeltpflichtig (vgl. § 19 Abs. 6 Satz 8 SchulG). Die Kostenbeteiligung richtet sich nach dem Tagesbetreuungskostenbeteiligungsgesetz, wonach das Kind und seine Eltern sich nach Maßgabe des Gesetzes an den durchschnittlichen jährlichen Kosten insbesondere der ergänzenden Betreuung an Schulen zu beteiligen haben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 TKBG). Da die Kronach-Grundschule nach dem - von den Antragstellern nicht substanziiert angegriffenen - und durch entsprechende Unterlagen glaubhaft gemachten Vorbringen des Antragsgegners im Schuljahr 2005/2006 in der 3. Jahrgangsstufe (in der sich das Kind der Antragsteller befand), eine verlässliche Halbtagsgrundschule im Sinne von § 4 a Abs. 1 TKBG war, stellt das Betreuungsangebot in der Zeit von 13.30 Uhr bis 16.00 Uhr gemäß § 4 a Abs. 1 Nr. 2 TKBG eine (kostenpflichtige) ergänzende Betreuung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 TKBG dar. Aus der undatierten, von den Antragstellern unterschriebenen Erklärung auf dem Formblatt "Ergänzende Betreuung an Grundschulen, Anpassung der Tagesbetreuung/Hort" ergibt sich, dass die Antragsteller die ergänzende Betreuung nach dem Betreuungsmodul des § 4 a Abs. 1 Nr. 2 TKBG gewählt haben. Entgegen ihrem Vorbringen müssen die Antragsteller sich auch an dieser Erklärung festhalten lassen. Dies gilt schon deshalb, weil die Kronach-Grundschule in der betroffenen 3. Jahrgangsstufe damals, wie die Antragsteller nach ihrem Beschwerdevorbringen offenbar selbst angenommen haben, als verlässliche Halbtagsgrundschule organisiert war. Auch aus der Überschrift zu Ziffer 3.2 des Formblatts (ergänzende Betreuung zur VHG) wird deutlich, dass die Betreuung von 13.30 Uhr bis 16.00 Uhr nicht zu den entgeltfreien Angeboten gehört, bei denen Teilnahmepflicht der Schüler besteht.

An der Rechtmäßigkeit der Erhebung der Kostenbeteiligung nach Maßgabe des Gesetzes bestehen auch dann keine ernstlichen Zweifel, wenn man zu Gunsten der Antragsteller davon ausginge, dass die Kronach-Grundschule durch ihr offenbar auch den Antragstellern überreichtes Formular zur Ermittlung des Betreuungsbedarfes vom 26. April 2005 den (unzutreffenden) Eindruck erweckt hat, dass die Betreuung in der Grundschule in der Zeit von 7.30 Uhr bis 16.00 Uhr vollständig kostenfrei sei. Wie oben ausgeführt, kann die Schule nicht über die Erhebung dieser gesetzlichen Abgabe disponieren. Überdies hat das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt, dass sich dem Formular der Schule keine Zusicherung im Sinne von § 7 Abs. 2 TKBG i.V.m. § 34 SGB X dahingehend entnehmen lässt, dass für die Betreuung des Kindes an der Schule in der Zeit von 13.30 Uhr bis 16.00 Uhr keine Kostenbeteiligung erhoben werde. Eine derartige verbindliche eindeutige Erklärung der Schule ist dem Formular gerade nicht zu entnehmen. Ausweislich des Satzes 1 solle das Formular nur der Vorbereitung eines Vertrages und der Ermittlung der benötigten Erzieher dienen.

b) Auch das sinngemäße Vorbringen der Antragsteller, der Festsetzung der Kostenbeteiligung stehe entgegen, dass zwischen ihnen und dem Beklagten für den maßgeblichen Betreuungszeitraum kein Betreuungsvertrag geschlossen worden sei, aus dem die Kostenbeteiligung ersichtlich geworden sei, rechtfertigt keine Änderung der angegriffenen Entscheidung. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Kostenbescheides im Sinne von § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO, welche eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches gemäß § 80 Abs. 5 VwGO rechtfertigen würden, bestehen erst dann, wenn ein Erfolg des Rechtsmittels in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg (vgl. u.a. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. Januar 2006 - OVG 9 S 92.05 - veröffentlicht in Juris; OVG für das Land Brandenburg, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - 2 B 265/03 -, LKV 2004, S. 330 m.w.N.). Ein Erfolg des Widerspruches bzw. einer (noch zu erhebenden) Klage in der Hauptsache ist hier aber nicht wahrscheinlicher als deren Misserfolg, denn es ist hier nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ersichtlich, dass Voraussetzung für die Festsetzung der hier erhobenen Kostenbeteiligung der Abschluss eines Betreuungsvertrages zwischen dem Träger der Einrichtung und den Eltern ist, in dem die gesetzliche Pflicht, eine Kostenbeteiligung zu leisten (nochmals) vertraglich geregelt ist. Vielmehr dürfte es für die Entstehung der Abgabepflicht nach dem hier betroffenen gesetzlichen Abgabetatbestand ausreichen, dass das Kind das Betreuungsangebot der Schule in Anspruch nimmt bzw. genommen hat (vgl. so auch VG Berlin, Beschluss vom 8. August 2006 - 37 A 89.06 - m.w.N. betreffend die Rechtslage bis zur Gesetzesänderung vom 23. Juni 2005). Nach dem Tatbestand des § 19 Abs. 6 Satz 8 SchulG ist "die Teilnahme" an einem ergänzenden Betreuungsangebot entgeltpflichtig, was dafür spricht, dass die bloße Inanspruchnahme dieser Betreuungseinrichtung auch ohne Vertragsschluss ausreicht.

Auch § 1 Abs. 1 TKBG spricht von den Kosten der Betreuung in einer Tageseinrichtung, was zeigt, dass der Gesetzgeber durch die Ausgestaltung des konkreten Abgabetatbestandes die Finanzierungsverantwortlichkeit der Eltern bereits dann einfordert, wenn eine abgabepflichtige Betreuungsleistung in Anspruch genommen wird. Ebenso enthält § 4 a TKBG für die hier betroffene ergänzende Betreuung an verlässlichen Halbtagsschulen (vgl. zur Betreuung in den Ferien § 4 a Abs. 3 TKBG) keine Regelung, wonach die Festsetzung der Kostenbeteiligung konstitutiv den Abschluss eines Betreuungsvertrags voraussetzt, auch wenn der Betreuungsbeginn und die Betreuungszeiträume nach § 6 TKBG in der Regel vertraglich vereinbart werden sollen. Ferner muss die Wahl zwischen den in § 4 a Abs. 1 TKBG vorgesehenen Betreuungsmodulen nicht notwendig im Rahmen eines Vertrages erfolgen. Der vom Gesetz zwar grundsätzlich wohl vorgesehene Abschluss eines Betreuungsvertrages (vgl. auch § 19 Abs. 6 Satz 5 a.E. SchulG) dürfte danach jedenfalls nicht konstitutiv für die Entstehung der Kostenbeteiligungspflicht sein.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden in diesem Verfahren nicht erhoben. Es handelt sich um eine Streitigkeit über die Kostenbeteiligung für die Inanspruchnahme von Angeboten der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen, die unabhängig von der konkreten landesrechtlichen Ausgestaltung der Abgabe und dem schulpflichtigen Alter der Kinder ein Verfahren auf dem Sachgebiet der Jugendhilfe nach den Vorschriften des Achten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VIII), hier § 90 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 24 Abs. 2 SGB VIII darstellt. Für sie werden gemäß § 188 Satz 2 VwGO Gerichtskosten nicht erhoben (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Februar 2006 - OVG 6 N 9.06 - m.w.N.).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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