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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 30.09.2005
Aktenzeichen: OVG 6 S 50.05
Rechtsgebiete: VwGO, BAföG, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 67 Abs. 1
VwGO § 67 Abs. 1 Satz 1
BAföG § 7 Abs. 1
BAföG § 7 Abs. 2
BAföG § 7 Abs. 3
BAföG § 7 Abs. 3 Satz 1
BAföG § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
ZPO § 122
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS

OVG 6 S 50.05 OVG 6 M 95.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schultz-Ewert, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Silberkuhl und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Jobs am 30. September 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. Juli 2005 wird verworfen.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren zweiter Instanz wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. Juli 2005 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens zweiter Instanz.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht die sinngemäßen Anträge der Antragstellerin, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr für eine Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz zu gewähren und ihr Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu bewilligen, abgelehnt. Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen diese Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren zweiter Instanz.

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts ist - soweit in diesem der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt wird - unzulässig, weil sie nicht dem Vertretungserfordernis des § 67 Abs. 1 VwGO entspricht. Hierauf wurde die Antragstellerin mit gerichtlicher Verfügung vom 29. August 2005 hingewiesen. Ebenfalls enthält der Beschluss des Verwaltungsgerichts die zutreffende Rechtsmittelbelehrung, dass eine Beschwerde innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung unter Beachtung des beim Oberverwaltungsgericht bestehenden Vertretungszwanges einzulegen ist. Die von der Antragstellerin persönlich erhobene Beschwerde genügt diesen Anforderungen nicht.

2. Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine künftige - durch einen Prozessbevollmächtigten einzulegende - Beschwerde gegen die Sachentscheidung im Beschluss vom 14. Juli 2005 hat keinen Erfolg.

Der Senat geht zu Gunsten der Antragstellerin davon aus, dass diese mit ihrem im zweitinstanzlichen Verfahren gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe eine künftige Beschwerde (vgl. § 146 Abs. 1 und 4 VwGO) ankündigt, um im Fall der Gewährung von Prozesskostenhilfe durch den dann beigeordneten Rechtsanwalt einen wirksamen Antrag stellen zu können. Für diesen Prozesskostenhilfeantrag ist die Antragstellerin selbst postulationsfähig. Der nach § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO für einen Antrag im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht angeordnete Vertretungszwang gilt nicht für den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein künftiges Rechtsmittel (vgl. u.a. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. August 2005 - 6 N 82.05 - m.w.N.).

Der Antrag ist jedoch unbegründet, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO). Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung setzt unter anderem voraus, dass die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Die Bewertung des Verwaltungsgerichts (vgl. Entscheidungsabdruck S. 3), wonach die Antragstellerin, die im Sommersemester 2004 im 11. Fachsemester der Volkswirtschaftslehre eingeschrieben war, nach Abbruch ihres Hochschulstudiums (zu einem Zeitpunkt lange nach Beginn des 4. Fachsemesters) keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung für die Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin hat, weil jedenfalls die Voraussetzungen für eine Förderung des § 7 Abs. 3 BAföG nicht vorliegen, ist nicht zu beanstanden.

Hat der Auszubildende

1. aus wichtigem Grund oder

2. aus unabweisbarem Grund

die Ausbildung abgebrochen oder die Fachrichtung gewechselt, so wird nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG Ausbildungsförderung für eine andere Ausbildung geleistet; bei Auszubildenden an Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen gilt Nummer 1 nur bis zum Beginn des 4. Fachsemesters. Diese Regelung baut auf dem allgemeinen - auch in § 7 Abs.1 und 2 BAföG zum Ausdruck kommenden - Grundsatz auf, dass Ausbildungsförderung in der Regel nur für eine einzige Ausbildung bis zu derem berufsqualifizierenden Abschluss geleistet wird. Hat ein Auszubildender an einer Hochschule erst nach Beginn des 4. Fachsemesters seine Ausbildung abgebrochen oder die Fachrichtung gewechselt, folgt aus § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG, dass Ausbildungsförderung für eine andere Ausbildung nur geleistet wird, wenn für den Abbruch oder den Wechsel ein unabweisbarer Grund vorliegt (vgl. Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, § 7 Rdnr. 81). Bei dem Tatbestandsmerkmal "unabweisbarem Grund" handelt es sich um einen unbestimmten Gesetzesbegriff. Unter einem "unabweisbarem Grund" ist ein solcher Grund zu verstehen, der eine Wahl zwischen der Fortsetzung der bisherigen Ausbildung und ihrem Abbruch bzw. dem Überwechseln in eine andere Fachrichtung nicht zulässt (vgl. näher u.a. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2004 - 5 C 6.03 -, BVerwGE 120, 149; Ramsauer u.a., a.a.O., § 7 Rdnr. 81).

Die Antragstellerin hat unter Anwendung dieser Grundsätze voraussichtlich keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung für die von ihr angestrebte Ausbildung als pharmazeutisch-technische Assistentin. Die Antragstellerin, die ihre Ausbildung zur Diplom-Volkswirtin an der Universität Potsdam nach den von ihr nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts erst mehrere Jahre nach Beginn des 4. Fachsemesters abgebrochen hat, macht auch mit ihren Ausführungen im Rechtsmittelverfahren, welche das erstinstanzliche Vorbringen ergänzen, keine Gründe geltend, aus denen ersichtlich ist, dass für den Abbruch des Studiums der Volkswirtschaft ein unabweisbarer Grund im Sinne des § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG vorlag. Soweit die Antragstellerin vorträgt, sie sei zum Abbruch ihres Volkswirtschaftsstudiums "gezwungen" gewesen, weil "Veränderungen" immer dort begönnen, wo "Menschen anfangen, die Arbeits- und Lebensbedingungen" bewusst zu gestalten und so eine "echte Reformierung" der Zustände möglich sei, werden durch den hierdurch möglicherweise zum Ausdruck gebrachten Neigungswandel die Voraussetzungen für die Annahme eines unabweisbaren Grundes nicht dargetan. Jedenfalls nach Beginn des 4. Fachsemesters wird ein lediglich auf allgemeinen Erwägungen beruhender Neigungswandel den gesteigerten Anforderungen an das Vorliegen eines unabweisbaren Grundes auch im Hinblick auf einen sinnvollen Einsatz der steuerfinanzierten Fördermittel nach dem BAföG nicht gerecht (vgl. Ramsauer u.a., a.a.O., § 7 Rdnr. 83). Ebenso wenig stellt eine erhebliche Verschlechterung der Berufsperspektive einen unabweisbaren Grund für die Aufgabe der Ausbildung dar; dies gilt grundsätzlich so lange, wie für die angestrebte berufliche Qualifikation noch eine Betätigungsmöglichkeit besteht (vgl. Ramsauer, a.a.O., § 7 Rdnr. 83). Ein unabweisbarer Grund liegt ferner nicht bei einem auf mangelnder Qualifikation des Auszubildenden beruhenden Eignungsmangel vor. Das Gesetz rechnet es der Risikosphäre des Auszubildenden zu, innerhalb der ersten drei Semester der Hochschulausbildung selbst festzustellen, ob er den gestellten Anforderungen gewachsen ist oder nicht (vgl. Ramsauer, a.a.O., § 7 Rdnr. 83). Der Umstand, "auf Grund außergewöhnlicher Gründe" die erforderlichen Scheine für die Zulassung zur Vordiplom-Prüfung nicht erlangen zu können, vermag daher im fortgeschrittenen Stadium des Studiums im 11. Fachsemester keinen unabweisbaren Grund für den Abbruch des bisherigen Studiums zu begründen. Selbst wenn man - wie von der Antragstellerin ansatzweise angedeutet - berücksichtigt, dass finanzielle Gründe den Erwerb der für die Zulassung zur Vordiplom-Prüfung erforderlichen Scheine erschwert haben sollten, rechtfertigt dies nicht im oben genannten Sinne die Annahme, keine Wahlmöglichkeit zwischen der Fortsetzung des bisherigen Studiums und dem Überwechseln in eine andere Ausbildung zu haben, zumal es bei hinreichender Eignung auch einem neben dem Studium arbeitenden Auszubildenden möglich sein dürfte, innerhalb von 11 Fachsemestern die für die Zulassung zur V o r d i p l o m - Prüfung erforderlichen Scheine zu erwerben. Dass in dem persönlich-familiären Bereich der Antragstellerin Umstände vorliegen, die die Qualität eines unabweisbaren Grundes erlangen könnten, ist ebenfalls nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich.

Die Antragstellerin ist seit dem 1. März 2004 mit einem französischen Staats-angehörigen verheiratet und der Abbruch ihres Studiums steht auch nicht in einem engen zeitlichen Zusammenhang zu der bereits im Jahre 1999 erfolgten Abschiebung ihres vormaligen Ehemannes.

Auch soweit die Antragstellerin eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 3 GG und Art. 1 Abs. 1 GG sowie des Sozialstaatsprinzips durch die in dem angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichtes vorgenommene Auslegung und Anwendung des § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG rügt, vermag dies eine hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht zu begründen. Soweit sie geltend macht, das Gericht wisse nicht die "Verfassungsgrundsätze" für sie als "Schwarzafrikanerin" zu interpretieren, ist weder eine Benachteiligung der Antragstellerin wegen der Rasse (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG) noch eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) ersichtlich. Eine Ungleichbehandlung wegen ihrer Hautfarbe oder wegen der Zugehörigkeit zur Gruppe der Ausländer scheidet hier schon deshalb aus, weil die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung und Anwendung des § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG allein darauf abstellt, dass ein Auszubildender seine bisherige Ausbildung ohne unabweisbaren Grund abbricht, also auf Erwägungen, die für jeden Auszubildenden unabhängig von dessen Hautfarbe und Staatsangehörigkeit gelten. Anhaltspunkte für sonstige Verletzungen von (Grund-) Rechten hat die Antragstellerin ebenfalls nicht ansatzweise substanziiert vorgetragen. Insbesondere hat sie weder dargelegt, dass ein im Wortlaut des Grundgesetzes nicht ausdrücklich vorgesehener "allgemeiner subjektiver Anspruch auf Bildung" besteht, noch dass ein solcher Anspruch hier durch die Nichtgewährung von finanzieller Förderung zu einer "Zweitausbildung" verletzt sein könnte.

3. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dem Begehren der Antragstellerin aus den unter Ziffer 2 dieses Beschlusses ausgeführten Gründen zu Recht keine Aussicht auf Erfolg beigemessen (§ 166 VwGO, § 114 ZPO). Im Übrigen dürfte kein Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde bestehen. Da das Verfahren gerichtskostenfrei war (vgl. § 188 Satz 2 VwGO) und der Antragstellerin in erster Instanz Rechtsanwaltskosten nicht entstanden sind, fehlt es an Kosten, von denen sie im Nachhinein durch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 122 ZPO befreit werden könnte; die Beiordnung eines Rechtsanwalts kommt nach Beendigung der Instanz nicht in Betracht (vgl. u.a. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. August 2005 - 6 M 150.04 -).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 188 VwGO in diesem Verfahren auf dem Gebiet des Ausbildungsförderungsrechts nicht erhoben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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