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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 22.02.2007
Aktenzeichen: OVG 60 PV 9.06
Rechtsgebiete: PersVG, BPersVG, RVG


Vorschriften:

PersVG § 87 Nr. 1
PersVG § 88 Nr. 1
BPersVG § 75
BPersVG § 75 Abs. 1 Nr. 1
BPersVG § 76
BPersVG § 77 Abs. 2 Nr. 1
BPersVG § 77 Abs. 2 Nr. 2
RVG § 23 Abs. 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 60 PV 9.06

In der Personalvertretungssache

hat der 60. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Berlin - aufgrund der Sitzung vom 22. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Wolnicki sowie die ehrenamtliche Richterin Bittner und die ehrenamtlichen Richter Czarski, Hundt und Butkereit beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Gegenstandswert wird auf 4 000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob Anträge auf Reduzierung der Arbeitszeit beteiligungspflichtig sind.

Nach ständiger jahrelanger Praxis des Beteiligten hatte dieser bis Ende 2004 dem Personalrat Anträge auf Reduzierung der Arbeitszeit zur Mitbestimmung vorgelegt, und zwar nach §§ 87 Nr. 1, 88 Nr. 1 PersVG (Mitbestimmung bei "Einstellungen").

Mit Schreiben vom 15. Dezember 2004 an den Antragsteller teilte der Beteiligte diesem mit, er halte an dieser Auffassung nicht mehr fest. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stelle die Vereinbarung von Altersteilzeit keine Einstellung im Sinne der entsprechenden Regelungen des Bundespersonalvertretungsgesetzes dar, weil es an einer danach erforderlichen Verfestigung der Eingliederung des Arbeitnehmers in die Dienststelle fehle.

Hiergegen hat der Antragsteller am 26. Januar 2005 das Verwaltungsgericht angerufen und beantragt festzustellen, dass der Beteiligte dadurch, dass er ihm die Anträge von Beamten und Angestellten auf Reduzierung der Arbeitszeit nicht zur Mitbestimmung vorgelegt habe, seine Rechte aus §§ 87 Nr. 1, 88 Nr. 1 PersVG verletzt habe. Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 16. März 2006 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - insbesondere nach Maßgabe des Beschlusses vom 12. Juni 2001 (6 P 11.00) - fehle es bei einer Reduzierung der Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten an einer Eingliederung bzw. Verfestigung der Eingliederung in die Dienststelle. Auch ein möglicher kollektiver Bezug - durch mittelbare Auswirkungen auf die übrigen Beschäftigten - ändere daran nichts, weil immer ein bestimmter Mitbestimmungstatbestand erfüllt sein müsse, woran es hier fehle.

Dagegen richtet sich die rechtzeitig erhobene und begründete Beschwerde des Antragstellers. Er macht im Einzelnen geltend: Sollte man dem Personalrat bei den Ersteinstellungen bzw. Ersteingliederungen ein Mitbestimmungsrecht zubilligen, nicht aber bei einer späteren erheblichen Änderung der Arbeitszeit, liefe dies dem Kontrollzweck zuwider. Ausgehend von dem Schutzzweck des hier interessierenden Mitbestimmungstatbestandes sei die Personalvertretung dann erneut zu beteiligen, wenn sich die Umstände der Beschäftigung grundlegend änderten. Sowohl bei einer nicht nur vorübergehend geringfügigen Aufstockung eines Teilzeitarbeitsverhältnisses wie auch bei einer nicht nur vorübergehenden geringfügigen Reduzierung eines Vollzeitarbeitsverhältnisses bzw. Teilzeitarbeitsverhältnisses seien die Belange der schon beschäftigten Dienstkräfte wie bei der Ersteinstellung tangiert. Aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Umwandlung eines Vollzeitarbeitsverhältnisses in ein Teilzeitarbeitsverhältnis nach dem Altersteilzeitgesetz sei nicht der Schluss zu ziehen, dass außerhalb der Regelungen des Altersteilzeitgesetzes die Umwandlung eines Vollzeitarbeitsverhältnisses in ein Teilzeitverhältnis nicht der Mitbestimmung des Personalrats unterliege.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16. März 2006 zu ändern und festzustellen, dass der Beteiligte dadurch, dass er Anträge von Beamten und Angestellten auf Reduzierung der Arbeitszeit nicht zur Mitbestimmung vorgelegt hat, das Mitbestimmungsrecht nach §§ 87 Nr. 1 und 88 Nr. 1 PersVG verletzt hat.

Die Beteiligte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie tritt dem Beschwerdevorbringen im Einzelnen entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers aus §§ 87 Nr. 1, 88 Nr. 1 PersVG dadurch, dass der Beteiligte ihm Anträge auf Reduzierung der Arbeitszeit nicht zur Mitbestimmung vorgelegt hat bzw. vorlegt, nicht verletzt worden ist bzw. wird. Insoweit wird zunächst auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, denen sich der Senat anschließt (§ 91 Abs. 2 PersVG i.V.m. § 87 Abs. 2 und 69 Abs. 2 ArbGG); hinsichtlich der Beschwerde ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass die darin aufgeworfenen Fragen mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere durch den Beschluss vom 12. Juni 2001 (6 P 11.00), als geklärt betrachtet werden können. In dem genannten Beschluss hat das Bundesverwaltungsgericht im Einzelnen ausgeführt, dass die Umwandlung eines Vollzeitarbeitsverhältnisses in ein Teilzeitarbeitsverhältnis nach dem Altersteilzeitgesetz keine mitbestimmungspflichtige Einstellung nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG darstellt. Im Einzelnen heißt es in dem Beschluss u.a. wie folgt:

"1. ... Einstellung ist die Eingliederung des Arbeitnehmers in die Dienststelle, die regelmäßig durch den Abschluss eines Arbeitsvertrages und die tatsächliche Aufnahme der vorgesehenen Tätigkeit bewirkt wird (Beschluss vom 23. März 1999 - BVerwG 6 P 10.97 - BVerwGE 108, 347, 348 f. = PersV 2000, 89). Eine erstmalige oder erneute Eingliederung liegt nicht vor, wenn ein älterer Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis bei reduzierter Arbeitszeit fortsetzt. Namentlich erfasst der Einstellungsbegriff in § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG nicht die einzelnen Modalitäten des Arbeitsverhältnisses, so dass deren spätere Änderung - unbeschadet des Eingreifens spezieller Mitbestimmungstatbestände (...) - ebenfalls nicht mitbestimmungspflichtig ist (vgl. zur Befristung von Arbeitsverträgen und zur Teilzeitbeschäftigung: Beschluss vom 12. August 1983 - BVerwG 6 P 29.79 - PersV 1985, 246; Beschluss vom 17. August 1989 - BVerwG 6 P 11.87 - BVerwGE 82, 288, 292 = PersV 1990, 226; Beschluss vom 14. November 1989 - BVerwG 6 P 4.87 - PersV 1990, 234).

2. Freilich hat der Senat bestimmte personelle Maßnahmen trotz vorangegangener Erst-Eingliederung als mitbestimmungspflichtige Einstellung gewertet, so die Verlängerung eines Zeitarbeitsvertrages (Beschluss vom 13. Februar 1979 - BVerwG 6 P 48.78 - BVerwGE 57, 280 = PersV 1980, 236), die Umwandlung eines befristeten in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis (Beschluss vom 1. Februar 1989 - BVerwG 6 P 2.86 - PersV 1989, 354), die Umwandlung eines Teilzeitbeschäftigungsverhältnisses in ein Vollzeitbeschäftigungsverhältnis (Beschluss vom 2. Juni 1993 - BVerwG 6 P 3.92 - PersV 1994, 126) und die nicht nur vorübergehende und geringfügige Aufstockung einer Teilzeitbeschäftigung (Beschluss vom 23. März 1999 a.a.O. S. 350 ff.). Den genannten Vorgängen gemeinsam ist die - bezogen auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses oder den Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit - Verfestigung der Eingliederung des Arbeitnehmers in die Dienststelle. Der Zusammenhang mit dem Wortlaut des Mitbestimmungstatbestandes nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG ist damit noch gewahrt. Dies ist jedoch bei der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Reduzierung der Arbeitszeit anders. Hier kann von einer Eingliederung - und sei es auch nur im Sinne ihrer Verstärkung - nicht mehr gesprochen werden.

3. Der Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG kann entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht allein unter Rückgriff auf diejenigen Überlegungen bejaht werden, die den Senat in den zitierten Entscheidungen zu einer weiten Auslegung des Einstellungsbegriffs veranlasst haben. Für den Senat war jeweils wesentlich, dass sich bei den genannten Änderungen des Arbeitsverhältnisses die Frage nach möglichen Zustimmungsverweigerungsgründen gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BPersVG neu und möglicherweise unter anderen Gesichtspunkten stellt (vgl. zuletzt Beschluss vom 23. März 1999 a.a.O. S. 349). Diese dem Schutzzweck des Mitbestimmungstatbestandes namentlich mit Blick auf eine etwaige neue Auswahlsituation Rechnung tragende Erwägung vermag in Fällen, in denen sich der Zusammenhang mit dem Einstellungsbegriff auf die oben beschriebene Weise noch herstellen lässt, die extensive Auslegung des Mitbestimmungstatbestandes nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG zu rechtfertigen. Sie kann indes nicht dazu dienen, die Mitbestimmungspflichtigkeit in personellen Angelegenheiten vom Wortlaut des Mitbestimmungstatbestandes vollständig zu lösen und nach Art einer Generalklausel in allen Fällen zu bejahen, in denen Rechtsverstöße oder Missachtungen des Benachteiligungsverbots im Sinne von § 77 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BPersVG abstrakt zu besorgen sind. Dies ließe sich mit dem Wortlaut von § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG nicht vereinbaren. Es widerspräche auch der Systematik der Mitbestimmungskataloge nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz und würde damit dem Willen des Gesetzgebers nicht gerecht.

Der Bundesgesetzgeber hat in den §§ 75, 76 BPersVG diejenigen Tatbestände, in denen dem Personalrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht, abschließend aufgeführt. Er hat sich daher weder für ein System entschieden, in welchem das Mitbestimmungsrecht aus einer abstrakt formulierten Generalklausel hergeleitet wird, noch für ein solches, in welchem konkreten Mitbestimmungstatbeständen lediglich die Funktion von Regelbeispielen zukommt. Das geschlossene System konkreter Mitbestimmungstatbestände, welches der Bundesgesetzgeber für die Personalvertretungen im Bundesdienst stattdessen vorgezogen hat, hindert nicht die restriktive oder extensive Auslegung eines Mitbestimmungstatbestandes je nach Sachzusammenhang und damit verfolgtem Sinn und Zweck. Es verbietet jedoch, aus dem Sinn und Zweck einzelner normierter Mitbestimmungsrechte neue Tatbestände zu entwickeln, die im Gesetzeswortlaut nicht mehr angelegt sind (BVerwG, Beschluss vom 12. Juni 2001 - BVerwG 6 P 11.00 -, Die Personalvertretung 2002, S. 93 f., Hervorhebung durch den Senat).

Mit diesen Ausführungen sind die in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen hinreichend beantwortet. Die Ausführungen gelten entsprechend auch für die hier inmitten stehenden Anträge auf Reduzierung der Arbeitszeit, nachdem es insoweit ebenfalls an einer Verfestigung der Eingliederung des Arbeitnehmers in die Dienststelle fehlt und vorliegendenfalls auch sonst nicht ersichtlich wäre, dass sich die Frage nach möglichen Zustimmungsverweigerungsgründen neu bzw. unter anderen Gesichtspunkten stellen würde.

Die Rechtsbeschwerde war mangels Zulassungsgrundes nicht zu eröffnen.

Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG.

Ende der Entscheidung

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