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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 18.08.2005
Aktenzeichen: OVG 7 B 24.05
Rechtsgebiete: AuslG, AufenthG, VwGO


Vorschriften:

AuslG § 17 Abs. 2 Nr. 3
AuslG § 17 Abs. 4
AuslG § 20 Abs. 3
AufenthG § 2 Abs. 3
AufenthG § 2 Abs. 4,
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1
AufenthG § 29 Abs. 1 Nr. 2
AufenthG § 32 Abs. 3
AufenthG § 104 Abs. 3
VwGO § 113 Abs. 5
1. In Fällen, in denen der Visumsantrag noch unter der Geltung des Ausländergesetzes gestellt worden ist und das nachzugswillige Kind zum Zeitpunkt der Antragstellung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, richtet sich die Erteilung eines Visums zum Kindernachzug nach § 32 Abs. 3 AufenthG.

2. Die Übergangsregelung des § 104 Abs. 3 AufenthG ist mangels einer klarstellenden Regelung durch den Gesetzgeber wortlautgetreu anzuwenden mit der Folge, dass der 1. Januar 2005 nur für den erforderlichen rechtmäßigen Aufenthalt des Ausländers, zu dem der Nachzug begehrt wird, sowie insoweit bedeutsam ist, als die nachzugswilligen Kinder vor diesem Zeitpunkt geboren sein müssen.


OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG Im Namen des Volkes URTEIL

OVG 7 B 24.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat auf die mündliche Verhandlung vom Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. durch die Richterinnen am Oberverwaltungsgericht und, den Richter am Oberverwaltungsgericht, die ehrenamtliche Richterin und den ehrenamtlichen Richter für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist türkische Staatsangehörige und begehrt die Erteilung eines Visums zum Nachzug zu ihrem in Mannheim lebenden Vater.

Die Ehe der Eltern der 17 Jahre alten Klägerin wurde 1994 in der Türkei geschieden. Ihrer Mutter wurde das Sorgerecht für sie, ihrem Vater das für die beiden älteren Brüder übertragen.

1997 heiratete der Vater der Klägerin erneut eine türkische Staatsangehörige, reiste im Rahmen des Ehegattennachzugs in die Bundesrepublik Deutschland ein und erhielt hier eine Aufenthaltserlaubnis, die mehrmals verlängert wurde. Auch diese Ehe wurde zwischenzeitlich geschieden. Seit Mitte 2003 ist der Vater der Klägerin im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Er steht seit 1999 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis bei der I. GmbH und ist seit Dezember 2002 mit seiner Lebensgefährtin Mieter einer 96 qm großen 3-Zimmer-Wohnung, die er mit ihr und ihren beiden erwachsenen Kindern bewohnt.

Am 2. September 2003 beantragte die damals 15-jährige Klägerin, ihr ein Visum zum Nachzug zu ihrem Vater zu erteilen. Sie legte ein Urteil des Amtsgerichts Denizli vom 29. August 2003 vor, mit dem der am gleichen Tag erhobenen Klage ihres Vaters auf Sorgerechtsübertragung in öffentlicher Sitzung nach Vernehmung von Zeugen, Auswertung des Akteninhalts und Anhörung der Mutter der Klägerin, die ihr Einverständnis erklärte, mit der Begründung stattgegeben wurde, die Mutter habe ihre Pflichten dem Kind gegenüber nicht ausreichend erfüllt, das Kind hart behandelt und sei für dessen Lebensunterhalt nicht in ausreichendem Maß aufgekommen.

Die Beigeladene verweigerte die Zustimmung zur Visumserteilung. Mit Bescheid des Generalkonsulats in Izmir vom 15. Dezember 2003 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung hat sie zusammengefasst ausgeführt, in der Abwägung der persönlichen und familiären Interessen mit den integrations- und einwanderungspolitischen Belangen der Bundesrepublik Deutschland werde das in § 20 Abs. 3 AuslG eröffnete Ermessen dahin ausgeübt, den Familiennachzug nicht zuzulassen.

Die Klägerin hat gegen den Bescheid vom 15. Dezember 2003 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, sie habe bei ihrer Großmutter väterlicherseits bis zu deren Tod gelebt und sei von ihr erzogen worden. Danach habe ihre Mutter sie versorgt, die aber aufgrund einer psychischen Erkrankung dazu nicht mehr in der Lage und auch nicht willens sei, sich um sie zu kümmern. Zwischen ihrem Vater und ihr bestünden regelmäßige Besuchskontakte, die auch im Bundesgebiet ausgeübt würden. Derzeit lebe sie mit einem verheirateten Bruder, dessen Ehefrau und Kind sowie einem weiteren Bruder und dessen Verlobter in sehr beengten Verhältnissen. Ihre Mutter lebe nicht mit ihnen zusammen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid des Generalkonsulats der Beklagten vom 15. Dezember 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr ein Visum zur Familienzusammenführung mit ihrem Vater zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, die Entscheidung des Generalkonsulats sei nach Abwägung der maßgeblichen Umstände ermessensfehlerfrei ergangen und das Wohl der Klägerin gebiete es nicht, ihr den Nachzug zu gestatten. Sie habe ihre gesamte schulische Ausbildung in der Türkei erhalten und es erscheine zweifelhaft, ob sie in der Lage sein werde, ohne jede Deutschkenntnisse ihre Schulausbildung in Deutschland weiterzuführen. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin sich bisher nur besuchsweise in der Bundesrepublik aufgehalten habe, mithin mit den hiesigen Verhältnissen nicht vertraut, in der Türkei aber fest verwurzelt sei. Angesichts dieser Umstände könne allein die Tatsache, dass ihr Vater für sie personensorgeberechtigt sei, nicht zur Gestattung des Nachzugs führen. Eine besondere Härte liege ebenfalls nicht vor.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie hat geltend gemacht, dass die Klägerin ihre Prägung in der Türkei erfahren habe und nur zwei Mal, 2001 und 2002, in den Schulferien zu Besuch bei ihrem Vater gewesen sei. Mit Ausnahme des Vaters lebten sämtliche Familienangehörige, insbesondere die Geschwister der Klägerin, in der Türkei. Aufgrund dieser Tatsachen könne unter Beachtung der dortigen Familienstrukturen nicht von einem Betreuungsnotstand ausgegangen werden, zumal die Klägerin als Jugendliche im Alter von knapp 16 1/2 Jahren üblicherweise keiner umfangreichen Betreuung mehr bedürfe. Auch sei zu keinem Zeitpunkt nachgewiesen, dass ihre Mutter nicht mehr in der Lage sei, sich um sie zu kümmern.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 10. Februar 2005 stattgegeben. Der Klägerin stehe nunmehr ein Anspruch nach §§ 6 Abs. 4 Satz 2, 32 Abs. 3 AufenthG auf Erteilung des begehrten Visums zu, obwohl der den Antrag ablehnende Bescheid noch zur Zeit der Geltung des Ausländergesetzes ergangen sei. Das Begehren der Klägerin sei nach der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gültigen Rechtslage zu beurteilen. Dies ergebe sich im Umkehrschluss aus § 104 Abs. 1 und 3 AufenthG, der ausnahmsweise die Anwendung des Ausländergesetzes anordne, mithin im Übrigen für die Entscheidung über Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels von der Anwendung des neuen Rechts ausgehe. Im Übrigen sei es auch bisher bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich insoweit auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung angekommen, als es um die Frage gegangen sei, ob schon aus Rechtsgründen eine Erlaubnis erteilt oder versagt werden müsse. Daran habe sich nichts geändert. Die Voraussetzungen der §§ 6 Abs. 4 Satz 2, 32 Abs. 3 AufenthG seien erfüllt. Der Vater der Klägerin besitze eine Niederlassungserlaubnis, weil die ihm erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis als Niederlassungserlaubnis fortgelte. Er sei auch für die noch nicht volljährige Klägerin allein personensorgeberechtigt. Das Urteil vom 29. August 2003 zur Übertragung des Sorgerechts von der Mutter auf den Vater sei auch im Hinblick auf den ordre-public-Vorbehalt anzuerkennen. Dass die Klägerin derzeit das 16. Lebensjahr vollendet habe, sei unschädlich, weil es für die Einhaltung der gesetzlich vorgesehenen Altersgrenze für den Kindernachzug auf den Zeitpunkt der Beantragung des Visums ankomme. Zu diesem Zeitpunkt sei sie noch nicht 16 Jahre alt gewesen. Die Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Antragstellung sei für die §§ 20 Abs. 3 Satz 1, 23 Abs. 1 Nr. 2 AuslG in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt. Das dafür tragende Argument, dass der mit der Altersgrenze verfolgte Zweck weitgehend verfehlt würde, wenn trotz rechtzeitig gestellten Antrags der dem Minderjährigen zukommende Schutz aufgrund Zeitablaufs entfiele, gelte auch für § 32 AufenthG, zumal dieser die Rechtsstellung minderjähriger lediger Kinder von Ausländern gegenüber dem früheren Recht stärke. Ebenso wenig überzeuge das von der Beklagten angeführte Argument, die der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Grunde liegende Erwägung greife nicht, wenn ein Antragsteller schon vor dem 1. Januar 2005 16 Jahre alt gewesen sei, weil ihm dann keine durch rechtzeitige Antragstellung zunächst gewährte Rechtsstellung durch Zeitablauf entzogen worden sei, da es einen zu wahrenden Rechtsanspruch erst seit dem 1. Januar 2005 geben könnte. Für die Frage, zu welchem Zeitpunkt Nachzugswillige das 16. Lebensjahr i.S.v. § 32 Abs. 3 AufenthG noch nicht vollendet haben dürfen, komme es nicht auf einzelne Personen oder darauf an, ob diese einen Anspruch durch die Norm erlangt hätten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts richte sich die Einhaltung der Altersgrenze als eines von mehreren Merkmalen vielmehr generell nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Antragstellung, um zu verhindern, dass der Zeitablauf negativ klare Verhältnisse schaffe. § 104 Abs. 3 AufenthG führe zu keinem anderen Ergebnis. Der Klägerin stehe danach ein Anspruch auf Erteilung des Visums zu, da auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen der §§ 5, 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erfüllt seien.

Zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend, dass im Fall der Klägerin gemäß § 104 Abs. 3 AufenthG § 20 AuslG anzuwenden sei, weil die Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes ihr keine günstigere Rechtsposition gewährten. Die Klägerin habe gemäß § 32 Abs. 3 AufenthG keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, da sie am 1. Januar 2005 bereits das 16. Lebensjahr vollendet habe. Sie habe auch keinen Anspruch nach § 32 Abs. 2 AufenthG, eine besondere Härte i.S.v. § 32 Abs. 4 AufenthG liege gleichfalls nicht vor. Dies habe gemäß § 104 Abs. 3 AufenthG zur Folge, dass § 20 AuslG Anwendung finden müsse. Die von ihr - der Beklagten - auf der Grundlage von § 20 AuslG getroffene ablehnende Entscheidung sei ermessensfehlerfrei. Das vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum für die Altersgrenze nachzugswilliger ausländischer Kinder maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung sei mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, da der Klägerin durch Zeitablauf keine Rechtsposition entzogen werde. Weder zum Zeitpunkt der Antragstellung noch zum Zeitpunkt der Vollendung ihres 16. Lebensjahres habe sie einen zu wahrenden Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gehabt, im Gegenteil, sie würde durch Zeitablauf erst in eine solche und damit bessere Rechtsposition hineinwachsen. Dies zu ermöglichen sei aber gerade nicht Ziel des Schutzgedankens des Bundesverwaltungsgerichts. Dies ergebe sich auch daraus, dass durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt sei, dass die in §§ 20, 17 AuslG aufgestellten Anforderungen aus Gründen der gesetzlichen Systematik und im Hinblick auf den Schutzzweck der gesetzlichen Regelung noch vor Erreichen der jeweiligen Altersgrenze erfüllt sein müssten. Bei der Feststellung der günstigeren Rechtsposition nach § 104 Abs. 3 AufenthG sei im Rahmen der Prüfung des § 20 AuslG hinsichtlich des Alters unverändert auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen. Die Prüfung von § 32 AufenthG habe hingegen auf der Grundlage der Fiktion zu erfolgen, welche Rechtsposition die Klägerin hätte, wenn sie am 1. Januar 2005 einen neuen Visumsantrag zum Kindernachzug stellen würde. Anderenfalls würde § 32 Abs. 3 AufenthG eine faktische Rückwirkung zukommen, die der Gesetzgeber ausweislich des Wortlauts von § 104 Abs. 3 AufenthG gerade nicht habe anordnen wollen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. Februar 2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zu Recht gehe das Verwaltungsgericht davon aus, dass ihr nach den §§ 6 Abs. 4 Satz 2, 32 Abs. 3 AufenthG ein Anspruch auf Visumserteilung zustehe. Die Ausführungen der Beklagten zu der Übergangsvorschrift des § 104 AufenthG stünden in eindeutigem Widerspruch zu dem Regelungsgehalt, den der Gesetzgeber der Norm gegeben habe, sowie zu der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und entbehrten einer gesetzlichen Grundlage. Im Übrigen könne sie - die Klägerin - sowohl nach § 32 Abs. 4 AufenthG die Erteilung eines Visums beanspruchen, weil aufgrund der familiären Situation ein Härtefall vorliege, als auch nach den Vorschriften des Ausländergesetzes.

Die Beigeladene hat sich den Ausführungen der Beklagten in vollem Umfang angeschlossen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen. Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (2 Halbhefter Bl. 1 - 15 und 1 - 11) sowie die Verwaltungsvorgänge der Beigeladenen (1 Hefter Bl. 1 - 75 betreffend die Klägerin; 1 Hefter Bl. 1 - 181 betreffend den Vater der Klägerin) haben vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.

Die auf die Verpflichtung zur Erteilung eines Visums zum Kindernachzug gerichtete Klage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid des Generalkonsulats der Beklagten in Izmir vom 15. Dezember 2003 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Sie hat einen Anspruch darauf, dass ihr das begehrte Visum zum Nachzug zu ihrem in Mannheim lebenden Vater erteilt wird.

I. Rechtsgrundlage für die Erteilung eines Visums zum Kindernachzug an die Klägerin ist § 32 Abs. 3 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950), zuletzt geändert durch Gesetz zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes und weiterer Gesetze vom 14. März 2005 (BGBl. I S. 721). Die Klägerin hat ihren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in der Form des Visums zwar bereits im September 2003, also vor In-Kraft-Treten des Aufenthaltsgesetzes, gestellt. Gleichwohl ist das neue Recht anzuwenden, da sie im Wege der Verpflichtungsklage die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung erstrebt. Bei einem derartigen Begehren ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen, soweit es um die Frage geht, ob schon aus Rechtsgründen eine Erlaubnis erteilt oder versagt werden muss (vgl. u.a. Urteil vom 16. Juni 2004, InfAuslR 2004, 427).

1. Danach kann sich die Klägerin auf die am 1. Januar 2005 in Kraft getretene Regelung des § 32 Abs. 3 2. Alt. AufenthG berufen, die dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers nunmehr einen Rechtsanspruch auf Kindernachzug gewährt, wenn die in der Vorschrift genannten - insbesondere die altersmäßigen - Voraussetzungen (vgl. dazu II.) und die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen (vgl. dazu III.) erfüllt sind. Dem Regelungsgehalt dieser Norm oder anderer Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes ist nicht zu entnehmen, dass im Hinblick auf "Altfälle" wie den der Klägerin, in denen der Visumsantrag unter der Geltung des Ausländergesetzes gestellt worden ist, von einem früheren maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt auszugehen ist. Entsprechendes ergibt sich insbesondere nicht aus der Übergangsregelung des § 104 Abs. 3 AufenthG.

Nach dieser Vorschrift gilt bei Ausländern, die sich vor dem 1. Januar 2005 rechtmäßig in Deutschland aufhalten, hinsichtlich der vor diesem Zeitpunkt geborenen Kinder für den Nachzug § 20 AuslG in der zuletzt gültigen Fassung, es sei denn, das Aufenthaltsgesetz gewährt eine günstigere Rechtsstellung. Im Rahmen der danach vom Gesetzgeber angeordneten vergleichenden Betrachtung ist - entgegen der Auffassung der Beklagten (ebenso: VG Berlin, Urteil vom 11. April 2005 - VG 14 V 35.03 -) - nicht darauf abzustellen, welche Rechtsstellung das nachzugswillige Kind nach dem Aufenthaltsgesetz hätte, wenn es am 1. Januar 2005 einen neuen Visumsantrag stellen würde. Unabhängig davon, dass Bezugspunkt des gebotenen Normvergleichs nur der streitgegenständliche Visumsantrag und nicht ein fiktiver Antrag sein kann, findet diese Ansicht weder eine Stütze im Wortlaut von § 104 Abs. 3 AufenthG, noch liefern Sinn und Zweck der Vorschrift unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte Anhaltspunkte für eine solche Auslegung. Hintergrund der in § 104 Abs. 3 AufenthG getroffenen Regelung war die ursprünglich im Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 15/420, S. 15) in § 32 Abs. 3 AufenthG vorgesehene Herabsetzung des Kindernachzugsalters von 16 Jahren auf 12 Jahre. Auf die damit verbundene gravierende Rechtsänderung für die Kinder bereits rechtmäßig in Deutschland lebender Ausländer hätten sich die Betroffenen in ihrer Lebensplanung nicht einstellen können. Aus diesem Grund sollte durch eine weite Übergangsregelung, die alle vor In-Kraft-Treten des Gesetzes geborenen Kinder erfasst, die Anwendung des alten Rechts mit der höheren Nachzugsgrenze als günstigere Regelung ermöglicht werden, um den familienbezogenen Belangen hinreichend Rechnung zu tragen (vgl. Begründung zu § 104 Abs. 3 AufenthG, BT-Drs. 15/420, S. 100). Die Beratungen im Vermittlungsausschuss führten indes zu einer Heraufsetzung der Altersgrenze entsprechend der bereits im Ausländergesetz bestimmten Rechtslage. Ungeachtet dessen ist die Übergangsregelung des § 104 Abs. 3 AufenthG entsprechend der Entwurfsfassung Gesetz geworden mit der Folge, dass der ursprünglich mit ihr verfolgte Zweck nicht mit dem Inhalt der nunmehr geltenden Vorschrift des § 32 Abs. 3 AufenthG korrespondiert. Anhaltspunkte dafür, dass im Rahmen der Übergangsregelung auf die Rechtsstellung des nachzugswilligen Kindes im Falle eines fiktiven Antrags nach § 32 Abs. 3 AufenthG abzustellen wäre, ergeben sich aus dieser Entstehungsgeschichte nicht. Mangels einer klarstellenden Regelung durch den Gesetzgeber ist der 1. Januar 2005 bei der gebotenen wortlautgetreuen Anwendung von § 104 Abs. 3 AufenthG vielmehr nur für den erforderlichen rechtmäßigen Aufenthalt des Ausländers, zu dem der Nachzug begehrt wird, sowie insoweit bedeutsam, als die nachzugswilligen Kinder vor diesem Zeitpunkt geboren sein müssen.

Etwas anderes ergibt sich in den Fällen, in denen - wie hier - der Visumsantrag noch unter der Geltung des Ausländergesetzes gestellt worden ist, auch nicht aus § 104 Abs. 4 AufenthG (a.A. VG Berlin, a.a.O.). Die Tatsache, dass der Gesetzgeber für Asylverfahren im Bereich des Familienasyls für die Einhaltung der Altersgrenze von Kindern ausdrücklich den vor dem 1. Januar 2005 liegenden Zeitpunkt der (Asyl-) Antragstellung für maßgeblich erklärt hat, rechtfertigt es nicht, § 104 Abs. 3 AufenthG im Wege eines Umkehrschlusses dahin auszulegen, dass für die Frage, ob das Aufenthaltsgesetz eine günstigere Rechtsstellung gewährt, auf einen fiktiven, am 1. Januar 2005 gestellten Visumsantrag abzustellen ist. Während der Gesetzgeber den Umstand, dass die Ergebnisse der bisher geltenden Rechtslage für den Bereich des Familienabschiebungsschutzes allgemein als unbillige Härte empfunden wurden, zum Anlass für eine Rechtsänderung und eine entsprechende Übergangsregelung genommen hat (vgl. Begründung zu § 104 Abs. 4 AufenthG, BT-Drs. 15/420, S. 100), hat er in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Antragstellung für die Einhaltung der Altersgrenze im Rahmen des Kindernachzugs in § 104 Abs. 3 AufenthG gerade keine davon abweichende Regelung getroffen, obwohl den minderjährigen ledigen Kindern von Ausländern in § 32 Abs. 3 AufenthG nunmehr ein Rechtsanspruch auf Nachzug eingeräumt wird.

Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass das Aufenthaltsgesetz in noch nicht abschließend entschiedenen Fällen des Kindernachzugs faktisch auch Geltung für vor dem 1. Januar 2005 liegende Zeiträume entfaltet (a.A. VG Berlin, a.a.O.). Dies ist die übliche Folge des allgemeinen prozessrechtlichen Grundsatzes zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt bei Verpflichtungsklagen, wenn der Gesetzgeber - wie hier - keine anders lautende Übergangsregelung getroffen hat. Das Gleiche gilt, soweit diejenigen Antragsteller, über deren Anträge aufgrund einer langen Verfahrensdauer noch nicht abschließend entschieden worden ist, durch den zwischenzeitlichen Eintritt der Rechtsänderung besser gestellt werden.

Ebenso wenig rechtfertigt allein die den Regelungen zum Kindernachzug allgemein zu Grunde liegende Intention des Gesetzgebers, aus Integrationsgesichtspunkten Kindern nur bis zu einer bestimmten Altersgrenze einen Nachzugsanspruch einzuräumen, eine andere Beurteilung. Auch auf der Grundlage des bisher geltenden Ausländergesetzes (§ 20 Abs. 3 AuslG) konnte es bei längerem Streit über die Rechtmäßigkeit der ablehnenden Ermessensentscheidung oder der Erfüllung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen letztlich zum Nachzug von Kindern kommen, die bei ihrer Einreise das 16. Lebensjahr schon vollendet hatten. Im Übrigen ergibt sich in den Fällen des § 32 Abs. 3 AufenthG in gewissem Umfang dadurch eine den Nachzug begrenzende Wirkung, dass die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen (§ 29 Abs. 1 Nr. 2, § 5 AufenthG) spätestens bei Vollendung des 16. Lebensjahres vorgelegen haben müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 1998, InfAuslR 1998, 382).

Schließlich kommt es in diesem Zusammenhang nicht auf die von der Beklagten angeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Antragstellung für die Einhaltung der Altersgrenze im Rahmen des Kindernachzugs an (vgl. dazu VG Berlin, Urteil vom 11. April 2005, a.a.O., und vom 19. Januar 2005 - VG 27 V 58.04 -), weil die diesbezüglichen Entscheidungen sich nicht zu der Frage der maßgeblichen Rechtsgrundlage verhalten, sondern lediglich die Anforderungen an das Vorliegen einer von mehreren Tatbestandsvoraussetzungen der einschlägigen Norm betreffen.

2. Die Neuregelung des § 32 Abs. 3 AufenthG kommt der Klägerin nach alledem bei der gebotenen wortlautgetreuen Anwendung des § 104 Abs. 3 AufenthG zugute. Die danach für eine "Meistbegünstigung" aufgestellten Voraussetzungen sind erfüllt.

Bezogen auf den am 2. September 2003 gestellten Antrag auf Erteilung eines Visums gewährt das Aufenthaltsgesetz der 1988 geborenen Klägerin, deren Vater seit 1997 über einen rechtmäßigen Aufenthalt verfügt, eine günstigere Rechtsstellung. Während nach § 20 Abs. 3 Satz 1 AuslG über den Visumsantrag nach Ermessen entschieden wurde, wenn - wie hier - die Eltern des nachzugswilligen Kindes geschieden waren, besteht nach § 32 Abs. 3 AufenthG ein Rechtsanspruch auf Erteilung des Visums, soweit der Nachzug zu dem allein personensorgeberechtigten Elternteil erfolgen soll.

Einer weitergehenden Prüfung bedarf es nicht. Insbesondere ist dem Wortlaut des § 104 Abs. 3 AufenthG nicht zu entnehmen, dass allein für die Feststellung der maßgeblichen Rechtsgrundlage eine komplette einzelfallbezogene Prüfung des Visumsantrags anhand der alten und neuen Rechtslage erforderlich wäre, die unter Umständen eine weitere tatsächliche Aufklärung voraussetzen würde.

Die Frage, ob das Aufenthaltsgesetz eine günstigere Rechtsstellung gewährt, ist durch einen abstrakten Vergleich der nach dem Ausländergesetz und dem Aufenthaltsgesetz jeweils in Betracht kommenden Normen zu beantworten. Dabei ist die Vorschrift des Ausländergesetzes, die für den dem jeweiligen streitgegenständlichen Visumsantrag zu Grunde liegenden konkreten Lebenssachverhalt einschlägig ist, mit der ihr entsprechenden Regelung des Aufenthaltsgesetzes zu vergleichen.

II. Die in § 32 Abs. 3 2. Alt. AufenthG für den Nachzug der Klägerin zu ihrem Vater genannten Voraussetzungen liegen vor. Danach ist dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers, welches das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der allein personensorgebe-rechtigte Elternteil eine Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis besitzt.

1. Die Klägerin erfüllt die altersmäßige Voraussetzung. Dem steht nicht entgegen, dass sie inzwischen 17 Jahre alt ist, weil sie zum Zeitpunkt der Beantragung des streitgegenständlichen Visums das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.

Maßgeblich für die Einhaltung der Altersgrenze ist nach ständiger Recht-sprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 20 Abs. 2 Nr. 2 AuslG der Zeitpunkt der Antragstellung (vgl. u.a. Urteil vom 18. November 1997, InfAuslR 1998, 161). Die Vorschrift verfolgte den Zweck, Kindern unter 16 Jahren die Herstellung der Familieneinheit im Bundesgebiet zu ermöglichen. Stellte man auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder der Widerspruchs-entscheidung ab, würde der mit der Altersgrenze verfolgte Zweck weitgehend verfehlt, weil - trotz rechtzeitig gestellten Antrags - der dem Minderjährigen zukommende Schutz vielfach aufgrund des Zeitablaufs entfiele. Insbesondere könnte das Kind, das wegen einer rechtswidrigen Ablehnung seines Antrags den Rechtsweg beschreiten muss, dadurch seinen Anspruch verlieren (BVerwG, a.a.O.).

Diese allgemeinen Erwägungen gelten auch im Rahmen des § 32 Abs. 3 AufenthG, der ebenso wie die entsprechenden Vorschriften des Ausländergesetzes den Zweck verfolgt, Kindern unter 16 Jahren die Herstellung der Familieneinheit im Bundesgebiet zu ermöglichen. Dessen Regelungsgehalt ist ebenso wenig etwas Gegenteiliges zu entnehmen wie anderen Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes. Dass für das maßgebende Lebensalter entgegen der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung auf eine späteren Zeitpunkt abzustellen wäre, ergibt sich insbesondere nicht aus der Übergangsregelung in § 104 Abs. 3 AufenthG. Diese Norm trifft weder nach dem Wortlaut noch nach ihrem vorstehend dargelegten Sinn und Zweck eine Aussage zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Einhaltung der Altersgrenze. Sie regelt vielmehr allein die Frage, welche Rechtsgrundlage in den in § 104 Abs. 3 AufenthG genannten Fällen des Kindernachzugs anzuwenden ist. Bei der Altersgrenze handelt es sich jedoch um eine von mehreren Tatbestandsvoraussetzungen der danach als einschlägig erachteten Rechtsgrundlage.

2. Ausweislich des Urteils des Amtsgerichts Denizli vom 29. August 2003 hat der Vater der Klägerin das alleinige Sorgerecht für sie. Das Urteil ist anzuerkennen, da keiner der in § 328 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 ZPO genannten Ausschlussgründe vorliegt, insbesondere die Voraussetzungen von § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht erfüllt sind. Ein Verstoß gegen den ordre-public (vgl. zu den Voraussetzungen Heldrich, in: Palandt, BGB, 64. Aufl. 2005, Rnr. 4 zu Art. 6 EGBGB) ist aus den zutreffenden Erwägungen der erstinstanzlichen Entscheidung (UA S. 5), auf die insoweit Bezug genommen wird, nicht gegeben.

Die dem Vater der Klägerin im Juni 2003 erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis gilt gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als Niederlassungserlaubnis fort.

III. Schließlich erfüllt die Klägerin auch die generell für den Familiennachzug zu Ausländern geltenden (§ 29 Abs. 1 AufenthG) sowie die sonstigen allgemeinen Voraussetzungen (§ 5 AufenthG) für die Erteilung eines Aufenthaltstitels.

1. Sowohl bei der Vollendung ihres 16. Lebensjahres (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 30. April 1998, a.a.O.) im Februar 2004 als auch zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung stand bzw. steht für den Nachzug der Klägerin ausreichender Wohnraum zur Verfügung (§ 17 Abs. 4 AuslG, § 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG), weil die 3-Zimmer-Wohnung, die ihr Vater seit Dezember 2002 mit seiner Lebensgefährtin und ihren beiden erwachsenen Kindern bewohnt, mit 96 qm eine ausreichende Wohnfläche aufweist.

Der Begriff des ausreichenden Wohnraums im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist in § 2 Abs. 4 AufenthG näher bestimmt. Danach darf nicht mehr gefordert werden, als für die Unterbringung eines Wohnungssuchenden in einer öffentlich geförderten Sozialmietwohnung genügt (Satz 1, Obergrenze). Dies bedeutet, dass Wohnraum, der nach der Anzahl der Räume oder der Wohnfläche dem Wohnraum entspricht, der einer Familie nach den wohnungsrechtlichen Vorschriften überlassen werden dürfte, stets als ausreichend anzusehen ist. Nicht ausreichend ist der Wohnraum, wenn er den auch für Deutsche geltenden Rechtsvorschriften hinsichtlich Beschaffenheit und Belegung nicht genügt (Satz 2, Untergrenze), was sich - soweit vorhanden - nach den landesrechtlichen Vorschriften der Wohnungsaufsichtsgesetze richtet. Daraus ergibt sich, dass eine Bestimmung des Begriffs "ausreichend" allein anhand der genannten objektiven Kriterien zu erfolgen hat (vgl. zu dem inhaltsgleichen § 17 Abs. 4 AuslG: Gemeinschaftskommentar zum Ausländerrecht - GK-AuslR -, Stand September 2004, Rnr. 98; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Juni 2005, Rnr. 41; Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl. 1999, Rnr. 18) und eine wertende Auslegung nach anderen Gesichtspunkten, z.B. einzelfallbezogenen Erwägungen, subjektiven Bedürfnissen oder dem Alter der Bewohner (Ausnahme: § 2 Abs. 4 Satz 3 AufenthG), nicht zulässig ist (vgl. GK-AuslR, a.a.O., Rnr. 99, 101; Hailbronner, a.a.O.; Renner, a.a.O.).

Die Wohnung des Vaters der Klägerin genügt zwar nicht den von § 2 Abs. 4 Satz 1 AufenthG in Bezug genommenen wohnungsrechtlichen Anforderungen, weil sie weder über fünf Räume verfügt noch eine Wohnfläche von 105 qm aufweist (vgl. § 5 WoBindG i.V.m. § 27 Abs. 4 WoFG i.V.m. Nr. 5.3.1 WoBindG-VwV für Baden-Württemberg, abgedruckt bei Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Wohnungsbaurecht, Band 3.1, WoBindG § 5 Anm. 4, Seite 48). Dennoch ist ausreichender Wohnraum nachgewiesen, weil die Wohnung mit einer Größe von 96 qm nicht die in § 2 Abs. 4 Satz 2 AufenthG festgelegte Grenze unterschreitet. Zwar fehlen für Baden-Württemberg entsprechende wohnungsaufsichtsrechtliche Bestimmungen, als Richtschnur für eine noch mögliche Belegung der Wohnung und damit für das Mindestmaß an ausreichendem Wohnraum können aber - soweit vorhanden - die in anderen Bundesländern festgelegten Werte herangezogen werden (vgl. GK-AuslR, a.a.O., § 17 AuslG Rnr. 104). So ist für jede Person bzw. jede Person über sechs Jahren in Hessen und Berlin eine Mindestwohnfläche von 9 qm und in Bayern von 10 qm erforderlich. Mit 96 qm für fünf Personen übersteigt die Wohnung des Vaters der Klägerin diese geforderten Mindestgrößen deutlich. Insoweit kann sowohl offen bleiben, ob geringfügige Unterschreitungen dieser Werte unschädlich wären (vgl. GK-AuslR, a.a.O., § 17 AuslG Rnr. 107; Renner, a.a.O., § 17 AuslG Rnr. 20), als auch, ob eine Wohnungsgröße als ausreichend anzusehen wäre, die gerade noch an einer polizeirechtlichen Eingriffsschwelle liegt (so im Ergebnis OVG Berlin, Urteil vom 24. September 2002 - OVG 8 B 3.02 -, juris). Ebenso wenig kommt es vorliegend auf die Auffassung des 2. Senats des Oberverwaltungsgerichts Berlin an, nach der für jede Person ein Zimmer erforderlich ist (Beschluss vom 4. März 2004 - 2 S 14.04 -), da sie auf dem hier nicht einschlägigen Berliner Belegungsbindungsgesetz beruht.

2. Der Lebensunterhalt ist gleichfalls gesichert, und zwar sowohl bei der Vollendung des 16. Lebensjahres der Klägerin im Februar 2004 als auch zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung (§ 17 Abs. 2 Nr. 3 AuslG, § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG).

a) Der im Februar 2004 noch geltende und daher für diesen Zeitpunkt maßgebliche § 17 Abs. 2 Nr. 3 1. HS AuslG verlangt, dass der Lebensunterhalt des Familienangehörigen aus eigener Erwerbstätigkeit des Ausländers, aus eigenem Vermögen oder sonstigen eigenen Mitteln gesichert ist. Dies setzt eine wirtschaftliche Existenzgrundlage voraus, die ein Leben ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel ermöglicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. November 1996, InfAuslR 1997, 156). Die Feststellung dieser Voraussetzung erfordert einen Vergleich des voraussichtlichen Unterhaltsbedarfs mit dem tatsächlich zur Verfügung stehenden Einkommen (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 4. März 2004, a.a.O.).

Die Klägerin und ihr Vater hätten im Februar 2004 ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel über eine ausreichende wirtschaftliche Existenzgrundlage verfügt. Einem Unterhaltsbedarf der zweiköpfigen Familie in Höhe von 1 020,70 EUR (aa)) standen Nettoeinnahmen des Vaters der Klägerin in Höhe von 1 684,95 EUR (bb)) gegenüber.

aa) Der Unterhaltsbedarf setzt sich aus der Summe der auf die Familie entfallenden sozialhilferechtlichen Regelsätze, den Kosten der Unterkunft sowie den Krankenversicherungsbeiträgen für die Familie zuzüglich einer Pauschale für unregelmäßig entstehenden Bedarf in Höhe von 20 % des jeweiligen Regelsatzes zusammen (OVG Berlin, Urteil vom 24. September 2002, a.a.O.). Zu der für die Berechnung des Unterhaltsbedarfs maßgeblichen Familie gehören die Nachzugswilligen sowie der bereits im Bundesgebiet mit einem Aufenthaltstitel lebende Ausländer (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Januar 2001, InfAuslR 2001, 330) und weitere Personen, die diesem gegenüber unterhaltsberechtigt sind (OVG Hamburg, Beschluss vom 19. November 1993 - Bs VII 199/92 -, juris).

Nachdem der Vater der Klägerin die Unterhaltsansprüche seiner geschiedenen Frau bis November 2003 ausgeglichen hat, ist der Unterhaltsbedarf für ihn und die Klägerin zu bestimmen.

Der Mindestbetrag, in dessen Höhe eigene Mittel im Februar 2004 zur Verfügung stehen mussten, entspricht der Summe der auf die Klägerin und ihren Vater entfallenden Regelsätze und beläuft sich gemäß §§ 22, 12 BSHG i.V.m. § 1 Abs. 1 Regelsatzverordnung i.V.m. den baden-württembergischen Ausfüh-rungsbestimmungen (vgl. Mitteilung der Beigeladenen vom 15. August 2005, Streitakte Bl. 116) auf (297 + 267 EUR =) 564 EUR. Zu dieser Summe sind die laufenden Leistungen für die Unterkunft hinzuzurechnen, da sie in den sozial-hilferechtlichen Regelsätzen nicht enthalten sind (vgl. § 3 Abs. 1 Regelsatz-verordnung). Vorliegend sind 343,90 EUR zu berücksichtigen, weil ausweislich des vorgelegten Mietvertrags die Miete 687,80 EUR beträgt, es sich um eine Warmmiete handelt, die unverändert bleibt, und die Hälfte des Mietbetrags von der Lebensgefährtin des Vaters der Klägerin als gleichberechtigter Mitmieterin getragen wird. Die grundsätzlich zu berücksichtigenden Aufwendungen für die Krankenversicherung des Vaters der Klägerin sind hier nicht anzusetzen, da sie nicht von diesem nach der Auszahlung des Lohns abgeführt werden müssen, sondern ausweislich der vorgelegten Gehaltsnachweise bereits durch den Arbeitgeber vom Lohn abgezogen werden. Für den Krankenversicherungsschutz der Klägerin fallen keine zusätzlichen Kosten an, weil sie nach der von ihr eingereichten Mitteilung der Krankenkasse ihres Vaters kostenfrei bei diesem mitversichert werden kann. Schließlich ist in die Ermittlung des Unterhaltsbedarfs die o.a. Pauschale von 20 % des jeweiligen Regelsatzes für die Familienmitglieder in Höhe von (20 % von 564 EUR =) 112,80 EUR einzustellen.

bb) Dem so ermittelten Unterhaltsbedarf standen in ausreichendem Maße eigene Mittel des Vaters der Klägerin in Gestalt seines Nettolohns zuzüglich des ihm im Fall des Nachzugs der Klägerin zustehenden Kindergeldes (vgl. dazu OVG Berlin, Urteil vom 24. September 2002, a.a.O., und Beschluss vom 4. März 2004, a.a.O.) gegenüber.

Für Februar 2004 ist ein Einkommen in Höhe von netto 1 530,95 EUR zu Grunde zu legen. Dies ergibt sich aus der in der vorgelegten Lohnabrechnung für September 2004 enthaltenen Verdienstbescheinigung, der sich das Gesamt-Netto-Einkommen für die Monate Januar bis September 2004 entnehmen lässt, und dem daraus gebildeten Durchschnittswert. Dabei kann offen bleiben, ob diese Vorgehensweise zwingend ist und wie viele Monate ggf. in eine solche Durchschnittsermittlung einzustellen sind. In jedem Fall ist diese Art der Einkommensberechnung im Hinblick darauf zulässig, dass die eigenständige Sicherung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage der Familienangehörigen in der Bundesrepublik Deutschland eine gewisse Verlässlichkeit des Mittelzuflusses erfordert (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 4. März 2004, a.a.O.) und dies eine prognostische Einschätzung der dauerhaften Einkünfte verlangt, der eine gewisse Pauschalierung eigen ist (vgl. OVG Berlin, Urteil vom 24. September 2002, a.a.O.). Dies gilt insbesondere, wenn - wie hier - eine Tätigkeit auf Stundenlohnbasis mit folglich schwankenden Monatslöhnen ausgeübt wird. Dem so ermittelten Einkommen ist noch das Kindergeld in Höhe von 154 EUR hinzuzurechnen.

b) Für das seit dem 1. Januar 2005 geltende Aufenthaltsgesetz bestimmt § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, dass der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert ist, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Die Feststellung dieser Voraussetzung erfordert auch nach neuem Recht einen Vergleich des voraussichtlichen Unterhaltsbedarfs mit dem tatsächlich zur Verfügung stehenden Einkommen.

Die Klägerin und ihr Vater würden auch jetzt im Falle des Nachzugs der Klägerin ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel über eine ausreichende wirtschaftliche Existenzgrundlage verfügen.

aa) Maßgebend für die aktuelle Bedarfsermittlung ist das am 1. Januar 2005 in Kraft getretene Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - SGB II - vom 29. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2954), weil sich die Möglichkeit des Vaters der Klägerin, öffentliche Leistungen in Anspruch zu nehmen, nach diesem Gesetz richtet (vgl. §§ 7 bis 10 SGB II), das den Umfang von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für erwerbsfähige Hilfebedürftige bestimmt (vgl. § 19 SGB II). Der danach erforderliche Mindestbetrag, in dessen Höhe eigene Mittel zur Verfügung stehen müssen, entspricht der Summe der auf die Klägerin und ihren Vater entfallenden Regelsätze, die 276 und 345 EUR betragen (§ 20 Abs. 2 SGB II) und sich nach den Ermittlungen des Senats nicht verändert haben (vgl. § 20 Abs. 4 SGB II). Zu dieser Summe (621 EUR) sind die laufenden Leistungen für die Unterkunft hinzuzurechnen, da sie in den Regelsätzen nicht enthalten sind (vgl. §§ 20 Abs. 1, 22 Abs. 1 Satz 1 SBG II). Vorliegend sind dafür aus den oben unter a) aa) dargestellten Gründen 343,90 EUR zu berücksichtigen. Hinzu kommen die vom Vater der Klägerin zu leistenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, die sich ausweislich der eingereichten Verdienstbescheinigung auf durchschnittlich 69,41 EUR belaufen. Aufwendungen für die Krankenversicherung der Klägerin fallen aus den unter a) aa) angeführten Gründen nicht an. Der bisher nach der Rechtsprechung für nötig erachtete Zuschlag in Höhe von 20 % auf die Regelsätze entfällt im Hinblick auf die Neukonzeption der Regelsätze in § 28 SGB XII (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 10. März 2005 - OVG 2 M 70.04 -) auch bei der Berechnung der nach dem SGB II zu gewährenden Leistungen, weil für die Bemessung der Regelsätze die Regelungen im SGB XII einschließlich der Regelsatzverordnung einschlägig sind, die das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit erlässt (vgl. § 20 Abs. 4 SGB II sowie amtliche Begründung zu § 20 SGB II, BT-Drucks. 15/1516).

bb) Dem so ermittelten Unterhaltsbedarf in Höhe von 1 034,31 EUR stehen in ausreichendem Maße eigene Mittel des Vaters der Klägerin gegenüber.

Für das sozialhilferechtlich zu berücksichtigende Einkommen ist dabei nach der in der vorgelegten Lohnabrechnung für Juni 2005 enthaltenen Verdienstbe-scheinigung, der sich das Gesamt-Brutto-Einkommen für die Monate Januar bis Juni 2005 entnehmen lässt, von einem durchschnittlichen Brutto-Einkommen in Höhe von 1 613,46 EUR auszugehen. Davon abzusetzen sind zunächst die in § 11 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB II genannten Steuern und Pflichtbeträge (insgesamt 225,71 EUR). Darüber hinaus ist für die in § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II genannten Beiträge derzeit ein Pauschalbetrag in Höhe von 30 EUR in Abzug zu bringen (vgl. § 3 Nr. 1 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung - Alg II-V - vom 20. Oktober 2004, BGBl. I S. 2622). Weiter sind gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben abzuziehen, deren Höhe noch nach den Maßgaben von § 3 Nr. 3 a) Alg II-V zu berechnen ist und vorliegend unter Berücksichtigung einer Wegstrecke von 9 km zwischen dem Wohnort und der Arbeitsstätte des Vaters der Klägerin einen Betrag in Höhe von 15,88 EUR ausmacht.

Ob das so ermittelte, sozialhilferechtlich zu berücksichtigende Einkommen in Höhe von 1 341,87 EUR gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 6 SGB II zusätzlich um die in § 30 SGB II geregelten Freibeträge bei Erwerbstätigkeit zu mindern ist (verneinend zu der gleich gelagerten Vorschrift von § 82 Abs. 3 SBG XII: Funke-Kaiser, in: Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz - GK-AufenthG -, Band 1, Stand August 2005, § 2 Rnr. 46), bedarf vorliegend keiner abschließen-den Entscheidung, weshalb insbesondere offen bleiben kann, ob die mit den o.a. Vorschriften des SGB II verfolgte Zielsetzung (vgl. dazu Zeitler, in: Mergler/Zink, a.a.O., § 30 Rnr. 2, sowie Funke-Kaiser, a.a.O.) im Hinblick auf die in § 2 Abs. 3 AufenthG getroffene Regelung uneingeschränkt auf den Bereich des Ausländerrechts übertragbar ist. Auch bei Berücksichtigung der gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 6 SGB II i.V.m. § 30 SGB II in der derzeit geltenden Fassung abzusetzenden Freibeträge, deren Berechnung sich nach § 3 Nr. 2 AlG II-V richtet, ergäbe sich hier nämlich nach Maßgabe des von Zeitler in Mergler/Zink, (a.a.O.), Rnr. 9 zu § 30 unter 4. d), angeführten Berechnungsbeispiels ein Gesamtfreibetrag in Höhe von 249,51 EUR, sodass sich das zu berücksichtigende Einkommen auf insgesamt 1 092,36 EUR belaufen würde. Hinzu kommt das Kindergeld in Höhe von 154 EUR (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 2 AufenthG).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen der Beklagten aufzuerlegen, da die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko nicht ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 709 Satz 1 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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