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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 27.04.2006
Aktenzeichen: OVG 7 N 101.05
Rechtsgebiete: GFG 2000, VwGO
Vorschriften:
GFG 2000 § 16 | |
GFG 2000 § 16 Abs. 1 Nr. 1 | |
VwGO § 124 a Abs. 4 Satz 4 |
OVG 7 N 101.05
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 7. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Korbmacher sowie die Richterin am Oberverwaltungsgericht Merz und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Peters am 27. April 2006 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das ihm am 12. Februar 2003 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus wird abgelehnt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 56.193,72 € festgesetzt.
Gründe:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.
1. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Der Beklagte zeigt keine gewichtigen Gesichtspunkte auf, die für den Erfolg einer Berufung sprechen.
Das Verwaltungsgericht hat in der angegriffenen Entscheidung festgestellt, der Bescheid des Beklagten über die beantragte Bedarfszuweisung nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2000 - GFG 2000 - leide an einem Ermessensdefizit. Der Beklagte habe keine Erwägungen zur Bezuschussungsfähigkeit der pflichtigen Aufgaben der Klägerin angestellt (S. 6 des Urteilsabdrucks).
Die dagegen vorgebrachten Einwände greifen nicht durch. Alleiniger Maßstab für die Förderungswürdigkeit einer Gemeinde sei - so der Beklagte - allein, ob diese trotz sparsamster Wirtschaftsführung und trotz Ausschöpfung aller Einnahme-möglichkeiten über keinerlei Spielräume für ein Mindestmaß an Mitteln für freiwillige Aufgaben verfüge. Bei der Klägerin sei nach den Ansätzen ihres Haus-haltsplans 2000 ein solches Mindestmaß an finanziellen Mitteln für die Wahrnehmung freiwilliger Aufgaben vorhanden und infolgedessen eine Förderungswürdigkeit nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GFG 2000 nicht gegeben.
Zwischen den Beteiligten ist unstrittig, dass die Finanzmittel aus Bedarfszuweisungen nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GFG 2000 sowohl für pflichtige als auch für freiwillige Aufgaben zur Verfügung stehen. Aus diesem Umstand hat das Verwaltungsgericht abgeleitet, dass Anträge auf Bedarfszuweisungen unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu prüfen und zu bescheiden sind.
Dem Wortlaut des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GFG 2000 sind keinerlei Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass Bedarfszuweisungen nur bei einer gemeindlichen Finanznot im Bereich der freiwilligen Aufgaben zu gewähren seien. Auch der Hinweis des Beklagten auf die Begründung zum Gesetzentwurf zu § 16 GFG 2000 (LT-Drs 3/301, S. 19) führt zu keinem anderen Ergebnis. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich lediglich, dass die Mittel aus Bedarfszuweisungen insbesondere für die freiwillige Selbstverwaltung einzusetzen seien. Ein Ausschluss der Berücksichtigung des Finanzbedarfs für die Erfüllung pflichtiger Aufgaben ergibt sich daraus nicht und wird auch vom Beklagten nicht behauptet.
Das in der Gesetzesbegründung angeführte "Neulietzegöricke-Urteil" des Landesverfassungsgerichts Brandenburg (Urteil vom 16. September 1999 - VfGBbG 28/98 -, NVwZ-RR 2000, 129), auf das auch der Beklagte Bezug nimmt, steht dem gleichfalls nicht entgegen. Das Landesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung festgestellt, § 16 Gemeindefinanzierungsgesetz 1998 - GFG 1998 - sei in verfassungskonformer Weise dahin auszulegen, dass aus dem Ausgleichsfonds Gemeinden, soweit ihnen trotz sparsamster Wirtschaftsführung und Ausschöpfung aller Einnahmemöglichkeiten kein finanzieller Spielraum für ein Mindestmaß an freiwilliger Selbstverwaltung verbleibe, Unterstützung zu gewähren sei. Für diese Fälle sei die Gemeinde nicht zur Rückzahlung verpflichtet. § 16 GFG 1998 ist hinsichtlich seines Abs. 1 Nr. 1 wortgleich mit § 16 Abs. 1 Nr. 1 GFG 2000 (abgesehen von dem hier unbeachtlichen unterschiedlichen Gesamtbetrag der Bedarfszuweisungen im Ausgleichsfond der einzelnen Haushaltsjahre). Das Verfassungsgericht hat damit festgestellt, dass - gestützt auf die Selbstverwaltungsgarantie (Art. 97 Abs. 1 BbgVerf) - ein Anspruch auf Bedarfszuweisungen besteht, wenn nur so bei der einzelnen Gemeinde ein Mindestmaß an freiwilliger Selbstverwaltung gewährleistet werden kann. Das Verfassungsgericht hat damit jedoch nicht festgestellt, dass die Bedarfszuweisungen allein für die Sicherstellung freiwilliger Selbstverwaltung gewährt werden dürften. Entsprechend können auch für die Sicherstellung der Wahrnehmung pflichtiger Aufgaben Bedarfszuweisungen an die Gemeinden erfolgen. Dies unterliegt jedoch dem pflichtgemäßen Ermessen des Beklagten als bewirtschaftender Stelle (§ 30 Abs. 2 S. 1 GFG 2000). Hiervon ist das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen.
Aus dem Vorstehenden ist nicht ersichtlich, dass als Maßstab für die Förderungswürdigkeit einer Gemeinde ausschließlich auf deren Haushaltslage im Bereich der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben abgestellt werden dürfte. Entsprechendes ergibt sich auch nicht aus dem Zulassungsvorbringen des Beklagten, das im Übrigen keine weitergehenden Argumente enthält, die seine Auffassung stützen könnten.
Der Feststellung eines diesbezüglichen Ermessensdefizits kann der Beklagte schließlich nicht mit dem Einwand entgegentreten, er habe - wie dem Verwaltungsvorgang zu entnehmen sei - im Rahmen der Prüfung der Förderfähigkeit Erwägungen zur Zahlungsfähigkeit der Klägerin hinsichtlich der pflichtigen Aufgaben angestellt. Damit ist nicht dargetan, dass diese Erwägungen auch dem streitgegenständlichen Bescheid des Beklagten vom 1. September 2000 zugrunde gelegt worden sind. Aus der Bescheidbegründung, die sich nur mit dem Zuschussbedarf für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben beschäftigt, ergibt sich hierzu kein Anhalt.
2. Die Rechtssache weist nicht die in der Antragsbegründung vorgetragene grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) auf.
Zu einer den Anforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist es erforderlich, dass eine bisher weder höchstrichterlich noch obergerichtlich beantwortete konkrete und zugleich entscheidungserhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen und erläutert wird, warum sie im Interesse der Rechtssicherheit oder Rechtsfortbildung der Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf (st. Rspr. des Senats, vgl. u.a. Beschluss vom 22. März 2006 - OVG 7 N 100.05 -).
Die vom Beklagten aufgeworfene Frage,
ob er im Rahmen seiner Ermessensentscheidung bei Bedarfszuweisungen aus dem Ausgleichsfonds die Förderfähigkeit einer Kommune an den von ihr veranschlagten Ausgaben für freiwillige Aufgaben feststellen kann oder ob er verpflichtet ist, Erwägungen hinsichtlich der Erfüllung pflichtiger Aufgaben durch die zu fördernde Kommune anzustellen,
verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im obigen Sinne. Diese Frage bezieht sich auf die Auslegung von § 16 GFG 2000, weil allein diese Norm hier entscheidungserheblich ist. Indes handelt es sich dabei um inzwischen ausgelaufenes Recht. § 16 GFG 2000 war schon im Zeitpunkt der Stellung des Zulassungsantrages durch § 16 Gemeindefinanzierungsgesetz 2002/2003 - GFG 2002/2003 - (vom 18. Dezember 2001, GVBl. I, S. 306) abgelöst worden. Die Mittel des Ausgleichsfonds waren danach u. a. bestimmt für "1. Bedarfszuweisungen an Gemeinden und Landkreise einschließlich Zuweisungen zum Erhalt freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben ..., 3. Fonds für hoch verschuldete Gemeinden ...". Diese Regelung ist dann ersetzt worden durch § 16 Gemeindefinanzierungsgesetz 2004 - GFG 2004 - (vom 17. Dezember 2003, GVBl. I, S. 331), der seinerseits durch § 16 Brandenburgisches Finanzausgleichsgesetz - BbgFAG - vom 29. Juni 2004 (GVBl. I, S. 262) abgelöst wurde. Danach sind die Bedarfszuweisungsmittel des Ausgleichsfonds "insbesondere bestimmt für: 1. Schuldendiensthilfe hochverschuldeter Gemeinden, 2. Sicherstellung der Grundausstattung zur Wahrung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben, 3. ...".
Für die Annahme eines rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarfs ist angesichts dieser inzwischen erfolgten mehrfachen und inhaltlich divergierenden Neuregelungen kein Raum. Fragen zur Auslegung und Anwendung ausgelaufenen Rechts kommt regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil dieser Zulassungsgrund dazu dient, eine für die Zukunft maßgebliche Klärung herbeizuführen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Klärung noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist. Für das Vorliegen einer solchen Sachlage bedarf es der Darlegungen im Zulassungsantrag (st. Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts zum Revisionsrecht: vgl. u.a. Beschluss vom 26. Januar 2006 - 2 B 87/05 - sowie Beschluss vom 16. Mai 2001 - 2 B 19/01 - juris). Eine solche Darlegung ist hier nicht erfolgt, so dass ein Bedürfnis für eine obergerichtliche Klärung der aufgeworfenen Frage nicht dargetan ist.
Die vom Beklagten befürchtete Notwendigkeit einer Einzelfinanzprüfung und -zuweisung für jede Kommune bei Anwendung des § 16 GFG 2000 ist nicht erkennbar. Der Beklagte hat nicht dargetan, dass - mit Ausnahme des Falles der Klägerin - überhaupt noch Bedarfszuweisungsbescheide aufgrund von § 16 GFG 2000 streitbefangen sind. Die Verwaltungspraxis des Beklagten für die Folgejahre hat sich ohnehin an den oben aufgeführten Neuregelungen zu orientieren. Es ist nicht dargelegt, inwieweit das Urteil des Verwaltungsgerichts für die Anwendung dieser Neuregelungen Bedeutung haben soll.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 S. 1, § 14 Abs. 1 und Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (i.F.: GKG a.F.), das hier noch in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung anzuwenden ist (vgl. § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5. Mai 2004. BGBl. I S. 718).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a.F.).
Ende der Entscheidung
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