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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 09.05.2006
Aktenzeichen: OVG 8 L 19.06
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 52
VwGO § 52 Nr. 3 Satz 2
VwGO § 53 Abs. 1 Nr. 3
VwGO § 53 Abs. 3 Satz 1
VwGO § 64
ZPO § 62 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 8 L 19.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Fitzner-Steinmann und die Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schrauder und Weber am 9. Mai 2006 beschlossen:

Tenor:

Als örtlich zuständiges Gericht wird das Verwaltungsgericht Cottbus bestimmt.

Gründe:

I.

Die Kläger, denen mit Zuwendungsbescheid vom 21. März 2000 i. d. F. des Änderungsbescheides vom 11. April 2000 für die Errichtung und den Betrieb einer Betriebsstätte des Bootsbaugewerbes eine Zuwendung in Höhe von 288 164,10 € (entspricht 563 600 DM) bewilligt wurde, wenden sich mit ihrer beim Verwaltungsgericht Potsdam erhobenen Anfechtungsklage gegen den Widerrufs- und Leistungsbescheid der Beklagten vom 22. Juni 2004 in der Gestalt deren Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2004, mit dem diese den Zuwendungsbescheid widerrief und den ausgezahlten Zuwendungsbetrag zurückforderte.

Das Verwaltungsgericht Potsdam hat mit Beschluss vom 23. Februar 2006 den Rechtsstreit gemäß § 53 Abs. 3 Satz 1 VwGO zur Bestimmung des zuständigen Gerichts mit im Wesentlichen folgender Begründung vorgelegt:

Es liege ein Fall des § 53 Abs. 1 Nr. 3 VwGO vor. Der Gerichtsstand richte sich nach § 52 VwGO. Danach komme sowohl das Verwaltungsgericht Potsdam als auch das Verwaltungsgericht Cottbus als örtlich zuständig in Betracht. Denn es handele sich um eine Anfechtungsklage gegen den Bescheid einer Behörde, deren Zuständigkeit sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstrecke. In einem solchen Fall sei das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Beschwerte seinen Sitz oder Wohnsitz habe. Hier hätten die Klägerin zu 2. und der frühere Kläger zu 3. zum maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung ihren Wohnsitz im Bezirk des Verwaltungsgerichts Cottbus, die Klägerin zu 1. ihren Sitz im Zuständigkeitsbereich des Verwaltungsgerichts Potsdam gehabt. Die während des gerichtlichen Verfahrens infolge der Insolvenz des Klägers zu 3. eingetretenen prozessualen Änderungen rechtfertigten keine andere Beurteilung.

II.

Über die Vorlage kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 53 Abs. 3 Satz 2 VwGO). Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

Die Vorlage ist zulässig und begründet.

Die Voraussetzungen des § 53 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 1 Nr. 3 VwGO für eine Bestimmung des örtlich zuständigen Verwaltungsgerichts durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg als das im Rechtszug höhere Gericht sind gegeben. Danach kann jedes mit dem Rechtsstreit befasste Gericht das im Rechtszug höhere Gericht oder das Bundesverwaltungsgericht anrufen, wenn der Gerichtsstand sich nach § 52 VwGO bestimmt und verschiedene Gerichte in Betracht kommen.

Gemeinsames im Rechtszug übergeordnetes Gericht ist das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg; das Bundesverwaltungsgericht könnte nur dann angerufen werden, wenn die Zuständigkeit von Verwaltungsgerichten verschiedener Bundesländer gegeben oder die Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts ausgeschlossen wäre (BVerwG, Beschl. v. 2. April 1993 - 7 ER 400.93 - DÖV 1993, 665 u. Beschl. v. 7. Mai 1996 - 2 AV 1.95 - NVwZ 1996, 998). Beides ist hier nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat angesichts der landesweiten Zuständigkeit der Beklagten für die Wirtschaftsförderung zutreffend erkannt, dass sich die erstinstanzliche Zuständigkeit nach § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO bestimmt, so dass es auf den Gerichtsbezirk ankommt, in dem der Beschwerte seinen Sitz oder Wohnsitz hat. Für die Kläger zu 2. und 3. ergibt sich nach den bei Klageerhebung maßgeblichen Umständen, deren etwaige nachträgliche Änderung für die örtliche Zuständigkeit ohne Belang wäre (§§ 83 VwGO, 17 Abs. 1 Satz 1 GVG), die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Cottbus, da sie ihren Wohnsitz im Landkreis Dahme-Spreewald haben und hatten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 BbgVwGG). Die Klägerin zu 1. hatte hingegen ihren Geschäftssitz im Landkreis Ostprignitz-Ruppin, mithin im Zuständigkeitsbezirk des Verwaltungsgerichts Potsdam (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 BbgVwGG).

Das Bundesverwaltungsgericht verlangt in solchen Fällen zusätzlich, dass zwischen den Klägern eine notwendige Streitgenossenschaft i.S.v. § 64 VwGO i.V.m. § 62 Abs. 1 ZPO gegeben ist (BVerwG, Beschl. v. 14. Mai 1992 - 4 ER 403.91 - Buchholz 310 § 53 VwGO Nr. 18 und v. 7. Mai 1996, a. a. O.; a. A. OVG NW, Beschl. v. 4. Januar 1995 - 5 F 30.94 - zitiert nach juris: einfache Streitgenossenschaft genügt), denn nur dann kommt eine Lösung des Kompetenzkonfliktes durch Abtrennung und teilweise Verweisung nicht in Betracht. Es genügt allerdings, dass die Annahme einer notwendigen Streitgenossenschaft zumindest nicht fern liegt, denn es ist nicht Sinn eines Verfahrens zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit eines Gerichts, schwierige Rechtsfragen, die ggf. im eigentlichen Verfahren zu klären sind, abschließend zu entscheiden (BVerwG, Beschl. v. 14. Mai 1992, a. a. O.). So liegt der Fall hier, denn die Kläger zu 2. und 3. waren gleichzeitig persönlich haftende Gesellschafter des gemeinsam betriebenen Bootsbauunternehmens, für das die Förderung bewilligt wurde. Die Zuwendung wird von ihnen persönlich und als Gesellschafter der GbR zurückgefordert.

Sinn der auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhenden Norm des § 53 Abs. 1 Nr. 3 VwGO ist es, den Klägern zu ermöglichen, als Streitgenossen einen Rechtsstreit vor ein und demselben Gericht zu führen. Die einheitliche Verfahrenszuständigkeit ist in Fällen dieser Art prozessökonomisch sinnvoll und wünschenswert, weil sie einer mehrfachen Inanspruchnahme der Gerichte wegen ein und desselben Sachverhaltes vorbeugt, der Entstehung von Mehrkosten entgegenwirkt und divergierende Entscheidungen vermeidet (BVerwG, a. a. O.). Dieser Zweck ist hier zu wahren.

Als das örtlich zuständige Verwaltungsgericht ist nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung gesetzlicher Wertungen das Verwaltungsgericht Cottbus zu bestimmen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 1. Oktober 1992 - 4 ER 404.92 - Tz 19, zitiert nach juris; v. 14. Mai 1992 u. v. 7. Mai 1996, jeweils a. a. O.). Nicht ausschlaggebend ist, dass die Klage gemäß der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Widerspruchsbescheides beim Verwaltungsgericht Potsdam erhoben wurde. Zweck der Regelung des § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO, der bei gerichtsbezirksübergreifender behördlicher Zuständigkeit nicht auf den Sitz der Behörde, sondern den Sitz oder Wohnsitz des Beschwerten abstellt, ist es zu vermeiden, dass sich Streitigkeiten bei nur einem Gericht konzentrieren, das für den Sitz einer Behörde mit weiträumigem Wirkungsbereich zuständig ist (so zutreffend Bier in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 52 Rn. 12 und OVG Nds, Beschl. v. 9. Juni 1995 - 8 P 2267.95 - zitiert nach juris). Hier kommt hinzu, dass die Kläger zu 2. und 3. als alleinige Gesellschafter der GbR materiellrechtlich mit dieser identisch sind und dass das von ihnen bisher innegehabte Bootsbauunternehmen seinen Betrieb nach den dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden behördlichen Feststellungen eingestellt hat. - Dass über das Vermögen des Klägers zu 3. mit Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 21. Juli 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet und der in Berlin ansässige Rechtsanwalt M. als Insolvenzverwalter bestellt wurde, ist, wie auch das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, für die Bestimmung des örtlich zuständigen Verwaltungsgerichts unerheblich (§§ 83 VwGO, 17 Abs. 1 Satz 1 GVG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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