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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 02.03.2006
Aktenzeichen: OVG 8 N 53.04
Rechtsgebiete: BerlHG, PromO 1994, VwVfG, VwGO, GKG


Vorschriften:

BerlHG § 1 Abs. 2
BerlHG § 34 Abs. 8
BerlHG § 34 Abs. 8 Nr. 1, Alternat. 1
PromO 1994 § 3.1 Abs. 3 Satz 2 lit. d)
PromO 1994 § 3.1 Abs. 3 Satz 2 lit. g)
VwVfG § 48 Abs. 4 Satz 1
VwVfG § 48 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 1
VwGO § 114 Satz 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2
GKG § 47 Abs. 1
GKG § 47 Abs. 3
GKG § 52 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 8 N 53.04

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Xalter und die Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schrauder und Burchards am 2. März 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. Juni 2004 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung des akademischen Grades eines Doktors der Zahnmedizin, den ihm die H_____-Universität z_____ B_____ (HU) am 15. Mai 1998 verliehen hat.

Im Februar 1996 beantragte er unter Vorlage einer Dissertation mit dem Titel "Retrospektive Analyse von 154 Kieferzysten an der Medical University of Southern Afrika" die Eröffnung des Promotionsverfahrens an der Universität Ulm. Die Berichterstatter beurteilten die im Jahre 1995 fertiggestellte Dissertation mit "rite" und "cum laude"; der Kläger bestand die auf den 11. Juli 1996 anberaumte mündliche Prüfung jedoch nicht. Dies wurde ihm mit Schreiben vom 12. Juli 1996 mitgeteilt. Gleichzeitig wurde er darauf hingewiesen, dass die mündliche Prüfung auf Antrag innerhalb eines Jahres einmal wiederholt werden könne. In einem Schreiben ohne Datum, das beim Vorsitzenden des Promotionsausschusses am 30. Mai 1997 einging, nahm der Kläger von einer weiteren mündlichen Wiederholungsprüfung Abstand, zog seine Dissertation zurück und bat um Rückgabe der überlassenen Exemplare. Der Vorsitzende des Promotionsausschusses antwortete mit Schreiben vom 5. Juni 1997, dass er auf der Basis dieser freiwilligen Rücknahme des Promotionsgesuches das gesamte Verfahren als abgeschlossen betrachte; die eingesandten Dissertationsexemplare könnten als Aktenbestandteil nicht zurückgegeben werden.

Am 30. Mai 1997 beantragte der Kläger bei der Medizinischen Fakultät der HU die Eröffnung des Promotionsverfahrens zur Erlangung des akademischen Grades Dr. med. dent. Der vom Kläger unterzeichnete Antrag enthält die Erklärung:

"Die Arbeit wird erstmalig und nur an der H_____-Universität eingereicht."

In dem dem Antrag beigefügten und unterschriebenen Lebenslauf mit Datum vom 14. April 1997 gab der Kläger an:

"Juni 1996 Abbruch einer Dissertation mangels fehlender Betreuung.

Juli 1996 Neubeginn einer Dissertation bei Prof. Dr. S_____, C_____ Berlin."

Die dem Antrag beigefügte Dissertation führt den Titel "Häufigkeit und Lokalisation von Kieferzysten in einer afrikanischen Population".

Dem Kläger wurde nach Durchführung des Promotionsverfahrens am 15. Mai 1998 der akademische Grad verliehen.

Durch Schreiben der Universität Ulm vom 15. Dezember 1998 wurde darauf hingewiesen, dass eine nahezu identische Arbeit dort 1995 vorgelegt, die mündliche Promotionsprüfung aber nicht bestanden worden sei. Nach Anhörung des Klägers leitete der Promotionsausschuss das Verfahren zur Entziehung des Doktorgrades ein. Der Präsident der HU entzog dem Kläger mit Bescheid vom 16. August 2001 rückwirkend zum 15. Mai 1998 den akademischen Grad, weil er diesen durch Täuschung erworben habe. Die Angaben des Klägers im Lebenslauf wie auch hinsichtlich der beigefügten Versicherung an Eides Statt und die Erklärung, die Arbeit erstmalig und nur an der HU eingereicht zu haben, seien wissentlich falsch gewesen. Die in Berlin und Ulm eingereichten Arbeiten seien weitgehend identisch. Ein gescheiterter Promotionsversuch müsse vor Zulassung zur Promotion und bei der Begutachtung der Dissertation umfassend mitgeprüft werden. Wegen erheblicher wissenschaftlicher Unredlichkeit und im Hinblick auf das Ansehen der HU sei das Entziehungsermessen zu Ungunsten des Klägers auszuüben.

Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Berlin mit Urteil vom 21. Juni 2004 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Ein durch eine staatliche Hochschule verliehener akademischer Grad könne wieder entzogen werden, wenn sich nachträglich herausstelle, dass er durch Täuschung erworben worden sei. Die Angabe des Klägers in seinem Lebenslauf, im Juni 1996 die Dissertation in Ulm wegen fehlender Betreuung abgebrochen zu haben, sei objektiv falsch. Dem Kläger sei dies bewusst gewesen. Dennoch habe er den Promotionsausschuss, obwohl er nach der Promotionsordnung dazu verpflichtet gewesen sei, nicht darüber in Kenntnis gesetzt, dass er nicht eine Dissertation abgebrochen habe, sondern in einem anderen Promotionsverfahren nach Annahme einer weitgehend gleichen Dissertation in der mündlichen Prüfung gescheitert sei. Soweit sich der Kläger darauf berufe, in Übereinstimmung mit seinem Doktorvater (Prof. Dr. S.) gehandelt zu haben, rechtfertige dies keine andere Beurteilung. Zum einen sei nicht klar, ob er diesen zutreffend über den Stand des Ulmer Verfahrens informiert habe und zum anderen stünden die Verfahrenserfordernisse der Promotionsordnung nicht zur Disposition einzelner Hochschullehrer. Dem Kläger sei auch bewusst gewesen, dass seine Angabe, die Dissertation in Ulm mangels Betreuung abgebrochen zu haben, nur als Abbruch des schriftlichen Teils des Promotionsverfahrens zu verstehen gewesen sei. Die fehlende Erwähnung der nicht bestandenen mündlichen Promotionsprüfung belege seine Täuschungsabsicht. Dem Kläger sei der Unterschied zwischen "Dissertation" als schriftlicher wissenschaftlicher Arbeit und "Promotion" bekannt gewesen, da er eine solche Arbeit bereits in Ulm eingereicht und einen Promotionsversuch absolviert habe. Er habe auch nicht plausibel erklären können, warum er als Datum im Lebenslauf "Juni 1996" genannt habe, obwohl der Termin zur mündlichen Prüfung in Ulm erst der 11. Juli 1996 gewesen sei. Auch die Erklärung, es handele sich bei der wiederholten Angabe der Jahreszahl "1996" jeweils um einen Schreibfehler, es habe eigentlich "1997" heißen müssen, sei nicht nachvollziehbar, denn der Lebenslauf stamme vom 14. April 1997 und die bereits im Mai 1997 an der HU eingereichte Dissertation könne nicht im Juli 1997 bei Prof. Dr. S. begonnen worden sein. Das vom Kläger vermittelte Bild einer an der Universität Ulm begonnenen, sich noch in Bearbeitung befindenden Dissertation sei falsch. Auf dieser Täuschung beruhe der Erwerb des Doktorgrades, denn das Promotionsverfahren werde bei unzutreffenden Angaben zu früheren Promotionsversuchen nicht eröffnet. Bedeutungslos sei, ob der Promotionsausschuss bei Kenntnis des wahren Sachverhalts das Promotionsverfahren eröffnet hätte; nach den Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung sei dies allerdings unwahrscheinlich. Ein Ursachenzusammenhang zwischen Täuschung und Erwerb eines akademischen Grades sei gegeben, wenn der Promotionsausschuss das Verfahren nicht ohne weiteres eröffnet, sondern zunächst weitere Prüfungen angestellt und erst bei vollständiger Kenntnis der Sachlage über den Antrag entschieden hätte. Dies entspreche Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, die insbesondere der Wiederherstellung des mit der Verleihung des Doktorgrades einhergehenden Ansehens der Titelinhaber und der verleihenden Universität diene. Dieses Ansehen werde durch unlauteres Verhalten von erheblichem Gewicht beeinträchtigt. Der wissenschaftliche Ruf der Universität und der Wert des Doktorgrades sollten nicht dadurch entwertet werden, dass der Promovend nach einem erfolglosen Promotionsversuch sich ohne weiteres mit einer weitgehend identischen Arbeit so lange an anderer Stelle um seine Promotion bemühen könne, bis er sein Vorhaben letztendlich erfolgreich abgeschlossen habe. Die Entziehung des Doktorgrades scheitere auch nicht an der Überschreitung einer etwa einzuhaltenden Jahresfrist, denn die Täuschung sei arglistig gewesen. Die Beklagte habe schließlich das Entziehungsermessen erkannt und rechtsfehlerfrei zum Nachteil des Klägers ausgeübt. Sie habe die wiederstreitenden Interessen abgewogen und dabei dem öffentlichen Entziehungsinteresse wegen der schwerwiegenden Täuschungshandlung Vorrang einräumen dürfen.

Dagegen wendet sich der Kläger mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

Die geltend gemachten Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten und eines der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 5 VwGO), sind nicht gegeben.

Für den erstgenannten Zulassungsgrund sind zumindest gewichtige Gesichtspunkte erforderlich, die eine dem Kläger günstige Erfolgsprognose erlauben (vgl. Beschl. des Senats v. 19. August 1997 - OVG 8 SN 295.97 - NVwZ 1998, 197). Danach liegen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung erster Instanz dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird, wenn also ein Erfolg der Angriffe gegen die erstinstanzliche Entscheidung wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg (Senatsbeschl. v. 15. Juli 1999 - OVG 8 N 10.99 - und v. 29. Juli 1999 - OVG 8 N 33.99 -; HessVGH, Beschl. v. 1. September 2000 - 12 UZ 2783.00 - InfAuslR 2000, 497; vgl. auch Seibert, NVwZ 1999, 113 [115] mit zahlreichen Nachweisen). Das ist nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 34 Abs. 8 Nr. 1, Alternat. 1 des Gesetzes über die Hochschulen im Land Berlin - BerlHG - in der zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides vom 16. August 2001 maßgeblichen Fassung vom 17. November 1999 (GVBl. S 630), geändert durch Art. II des Gesetzes vom 31. Mai 2000 (GVBl. S. 342), vorliegen. Danach kann ein von einer staatlichen Hochschule gemäß § 1 Abs. 2 BerlHG verliehener akademischer Grad wieder entzogen werden, wenn sich nachträglich herausstellt, dass er durch Täuschung erworben worden ist.

Das angefochtene Urteil nimmt zu Recht an, dass die gemäß § 3.1 Abs. 3 Satz 2 lit d) PromO 1994 abzugebende Erklärung, die Dissertation "erstmalig und nur an der Humboldt-Universität eingereicht" zu haben, unrichtig ist. Denn die in Ulm eingereichte Dissertation ist, wie der mit dem Vergleich beider Arbeiten im Entziehungsverfahren beauftragte Prof. Dr. Schw. (Universität Tübingen) feststellte, mit der an der HU eingereichten Arbeit weitgehend identisch, die zweite Arbeit sei als "verbesserte Auflage" der ersten zu bezeichnen (gutachterliche Stellungnahme vom 21. September 1999).

Soweit der Kläger geltend macht, die an der HU vorgelegte Arbeit sei deshalb nicht im Wesentlichen mit der in Ulm bereits eingereichten Dissertation identisch, weil erstmals der in Berlin vorgelegten Arbeit ein wissenschaftlicher Wert beizumessen sei, lässt er außer Acht, dass die Ulmer Version dort bereits als für eine Promotion ausreichende wissenschaftliche Leistung bewertet wurde.

Das angefochtene Urteil geht auch zutreffend davon aus, dass der Kläger mit seiner Darstellung im Lebenslauf, eine Dissertation im Juni 1996 wegen fehlender Betreuung abgebrochen zu haben, den bei der Stellung des Antrages auf Eröffnung des Promotionsverfahrens anzugebenden früheren Promotionsversuch (§ 3.1 Abs. 3 Satz 2 lit. d PromO 1994) unzutreffend dargestellt bzw. verschwiegen hat. Denn er hat damit bei objektiver Betrachtungsweise den Eindruck vermittelt, vor der Eröffnung des Promotionsverfahrens, das an der Universität Ulm nicht anders als an der HU die vorherige Fertigstellung der Dissertation voraussetzt, um sie vorlegen zu können, die Bearbeitung wegen fehlender Betreuung eingestellt und in Berlin neu damit begonnen zu haben. In Wirklichkeit jedoch hatte der Kläger die Ulmer Dissertation bereits im Jahre 1995 fertiggestellt und mit der Folge eingereicht, dass das Promotionsverfahren dort eröffnet wurde.

Die Einlassung des Klägers, ihm sei der Unterschied zwischen Abbruch eines bereits eröffneten Promotionsverfahrens und Einstellung der Bearbeitung einer Dissertation nicht geläufig gewesen, ist unglaubhaft. Jedenfalls musste es sich ihm aufdrängen, auf die gescheiterte mündliche Promotionsprüfung in Ulm hinzuweisen. Die Beklagte hätte dann die dortigen Promotionsakten anfordern und sich auf diese Weise ein vollständiges Bild über den gescheiterten Promotionsversuch verschaffen können. Bestätigt wird die Täuschungsabsicht durch die unzutreffende Angabe des Monats Juni 1996 als Datum für den Abbruch des Ulmer Promotionsverfahrens. Denn das Promotionskolloquium, in dem der Kläger scheiterte, fand erst am 11. Juli 1996 statt. Da eine Wiederholungsmöglichkeit bestand, trat endgültiges Scheitern erst am 30. Mai 1997 bzw. 5. Juni 1997 ein, als der Kläger in der Sache erklärte, er verzichte auf eine weitere mündliche Prüfung in Ulm und der Vorsitzende des dortigen Prüfungsausschusses dies als Rücknahme des Promotionsgesuches und damit das gesamte Verfahren als abgeschlossen betrachtete, ohne dass der Kläger dem widersprochen hat.

Dass dem Kläger der Unterschied zwischen Abbruch einer Dissertation und Rücknahme eines Promotionsgesuchs nicht bekannt ist, ergibt sich nicht aus seinem bei der Universität Ulm am 30. Mai 1997 eingegangenen Schreiben ohne Datum. Seine Einlassung, es handele sich bei der wiederholt angegebenen Jahreszahl 1996 um ein Versehen, es müsse 1997 heißen, vermag, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat (Urteilsabdruck S. 12), ebenfalls nicht zu überzeugen. Auf die diesbezüglichen Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Soweit der Kläger meint, es liege keine Täuschung vor, weil er Prof. Dr. S., seinen Doktorvater, umfassend über den Ulmer Promotionsversuch informiert und dieser das in dem Schreiben vom 24. August 2004 bestätigt habe, ergeben sich daraus keine zulassungsrelevanten Richtigkeitszweifel. Maßgebend für die Willensbildung des Promotionsausschuses war der Inhalt der Promotionsakte, aus dem sich, wie ausgeführt, nicht ergibt, dass der Kläger versucht hat, an der Universität Ulm mit einer Dissertation zu promovieren, die im wesentlichen mit der an der HU vorgelegten Arbeit identisch ist, dass diese dort bereits angenommen wurde, der Kläger aber im Promotionskolloquium gescheitert ist. Dieses Wissen des Doktorvaters muss sich die Beklagte nicht zurechnen lassen, denn die Verfahrenserfordernisse der Promotionsordnung stehen nicht zur Disposition einzelner Hochschullehrer. Eine andere Beurteilung hätte allenfalls dann in Betracht kommen können, wenn Prof. Dr. S. den Promotionsausschuss über den früheren Promotionsversuch des Klägers umfassend mündlich informiert hätte. Das behauptet der Kläger indessen nicht. Dass der Promotionsauschuss nach einer solchen Information die Ulmer Promotionsakte nicht beigezogen hätte, erscheint zudem nahezu ausgeschlossen.

Zulassungsrelevante Zweifel an der Täuschung ergeben sich nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht angenommen hat, die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, von Amts wegen nachzuforschen, ob der Kläger nicht nur eine Dissertation mangels Betreuung abgebrochen, sondern bereits einen vergeblichen Promotionsversuch unternommen hat. Zwar gilt auch bei Hochschulprüfungen das Amtsermittlungsprinzip (§§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 VwVfG Bln i.V.m. § 24 VwVfG Bund). Dieses endet jedoch dort, wo die Mitwirkungsobliegenheit des Klägers beginnt. Danach oblag es zunächst ihm, wahrheitsgemäße Angaben zu dem früheren Promotionsversuch zu machen. Seine Darstellung zu Abbruch und Neubeginn einer Dissertation musste die Beklagte, da sie promotionsrechtlich irrelevant war, nicht zu weiteren Ermittlungen veranlassen. Dies gilt umso mehr, als der Lebenslauf keinen Anhaltspunkt für eine erfolgversprechende weitere Aufklärung bot, zumal da nicht mitgeteilt wurde, bei welcher Universität bzw. Hochschule die ursprünglich geplante, später angeblich abgebrochene Dissertation vorgelegt werden sollte.

Ernstliche Richtigkeitszweifel bestehen auch nicht an der Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Vergabe des Doktorgrades beruhe ursächlich auf der vom Kläger begangenen Täuschung. Für die Anerkennung der Ursächlichkeit einer arglistigen Täuschung genügt, dass die Hochschule den Bewerber ohne sie jedenfalls nicht alsbald zur Promotion zugelassen, sondern weitere Prüfungen und Erwägungen angestellt und erst auf dieser vollständigen Grundlage ihre Entscheidung getroffen hätte (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 29. Juli 1998 - 2 B 63.98 - zitiert nach juris, für eine durch Täuschung erschlichene Beamtenernennung). Dass die Beklagte den Kläger ohne weiteres zum Promotionsverfahren zugelassen hätte, wenn sie über den Promotionsversuch an der Universität Ulm informiert worden wäre, kann angesichts des Umstandes, dass der nach § 3.1 Abs. 3 Satz 2 lit. d) PromO 1994 vorzulegende Lebenslauf frühere Promotionsversuche enthalten muss, als ausgeschlossen angesehen werden. Dieses Erfordernis wäre sonst nicht als Eröffnungsvoraussetzung konzipiert worden. Gegen eine Zulassung ohne weitere Prüfung spricht auch die Erklärung des stellvertretenden Vorsitzenden des Promotionsausschusses in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, wonach das Promotionsverfahren bei wahrheitsgemäßen Angaben nicht eröffnet, sondern dem Kläger empfohlen worden wäre, zunächst die Wiederholungsprüfung in Ulm zu absolvieren, und bei deren Scheitern die Identität der Dissertationen geprüft und bei Bejahung eine Eröffnung des Verfahrens abgelehnt worden wäre.

Der daran geübten Kritik des Klägers ist kein Erfolg beschieden. Die Beklagte hätte das Verfahren nicht zwangsläufig eröffnen müssen, weil der Kläger in Ulm noch nicht endgültig gescheitert war und die im Ergebnis erfolgreiche Promotion belegt, dass die Dissertation den Anforderungen genügt. Der Kläger lässt außer Acht, dass der Erfolg der Promotion auf Täuschung beruht, deren Folgen gerade durch die Aberkennung des Grades beseitigt werden sollen. Auch soweit der Kläger eine Verkennung des Schutzzweckes der Vorschrift rügt, den er darin erblickt, es solle verhindert werden, dass ein gescheiterter Promovent seine Dissertation (völlig) unverändert an anderer Stelle vorlegt, vermag ihm der Senat nicht zu folgen. Es genügt vielmehr eine so weitgehende Identität, wie sie hier festgestellt worden ist, um die Erklärung nach § 3.1 Abs. 3 Satz 2 lit. g) PromO 1994 als unrichtig erscheinen zu lassen. Bei der vom Kläger befürworteten (großzügigen) Auslegung bestünde die Gefahr des "Promotionstourismus". Die hier in Rede stehende Voraussetzung für die Eröffnung des Promotionsverfahrens wäre praktisch bedeutungslos. Auch die Bewertung der Dissertation an der Universität in Ulm als ausreichend rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Zulassungsrelevante Richtigkeitszweifel sind auch nicht insoweit gegeben als das Verwaltungsgericht eine Anwendung des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG Bund erwogen und deshalb abgelehnt hat, weil es die Täuschung jedoch als arglistig i.S.v. § 48 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG Bund gewertet hat. Der dem angefochtenen Urteil zu Grunde gelegte Begriff der arglistigen Täuschung ist nicht zu beanstanden. Der Einwand des Klägers, Arglist sei nicht gegeben, weil er nicht bewusst die Unwahrheit gesagt, sondern sich lediglich "unscharf ausgedrückt" habe, überzeugt nicht. Dass der Kläger "Dissertation" und "Promotionsverfahren" und Daten lediglich verwechselt hat und von der "Unterscheidlichkeit der Arbeiten" ausging, ist, wie bereits ausgeführt, nicht glaubhaft. Wäre er tatsächlich davon ausgegangen, für das Promtionsverfahren an der HU eine andere Dissertation angefertigt zu haben, wäre das Verschweigen des Promotionsversuchs an der Universität Ulm nicht nachvollziehbar. Im Übrigen dürfte § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG Bund hier schon deshalb nicht zur Anwendung kommen, weil § 34 Abs. 8 BerlHG einen eigenständigen Entziehungstatbestand normiert, der eine Jahresfrist für die Entziehung nicht vorsieht.

Ernstlichen Richtigkeitszweifeln begegnet schließlich nicht die Bejahung der rechtsfehlerfreien Ausübung des Entziehungsermessens durch das Verwaltungsgericht. Die Beklagte hat zutreffend erkannt, dass eine Täuschung nicht zwangsläufig zur Entziehung des Doktorgrades führen muss, sondern in ihrem Ermessen steht. Dieses hat sie unter Abwägung der für und gegen eine rückwirkende Aberkennung sprechenden öffentlichen und privaten Interessen ausgeübt. Die möglicherweise schwerwiegenden beruflichen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Entziehung des Doktorgrades für den Kläger hat die Beklagte, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, bei der Abwägung berücksichtigt. Wenn sie dabei zu dem Ergebnis gelangte, dass in dem Verhalten des Klägers eine so erhebliche wissenschaftliche Unredlichkeit zu Tage trete, dass es das Ansehen der HU und der anderen Träger des Titels nicht gestatte, es bei der Verleihung des Doktorgrades zu belassen, so kann das im Hinblick auf die gemäß § 114 Satz 1 VwGO beschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit des Ermessens nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden.

Die Berufung kann auch nicht wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten zugelassen werden.

Nach der Rechtsprechung des Senats setzt der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eine solche qualifizierte Schwierigkeit der Rechtssache mit Auswirkung auf die Einschätzung der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung voraus, dass sie sich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht signifikant von dem Spektrum der in verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entscheidenden Streitfälle unterscheidet (Senatsbeschlüsse vom 26. September 1997 - OVG 8 N 26.97- vom 27. Februar 1998 - OVG 8 SN 421.97 - und vom 29. Juli 1999 - OVG 8 N 33.99 - ). Diese Anforderungen sind erfüllt, wenn aufgrund des Vorbringens zur Begründung des Zulassungsantrages keine Prognose über den Erfolg des Rechtsmittels getroffen werden kann, dieser vielmehr als offen bezeichnet werden muss (Seibert, DVBl. 1997, 932 [935 f.]; OVG Nds, NVwZ 1997, 1229; Kuhla/Hüttenbrink, DVBl. 1999, 898 [904]; Kuhla, DVBl. 2001, 172 [177 ff.]; Uechtritz, NVwZ 2000, 1217 [1219 f.]). Das ist hier nicht der Fall; die Berufung würde, wie sich aus den Ausführungen zum Zulassungsgrund ernstlicher Richtigkeitszweifel ergibt, voraussichtlich erfolglos bleiben.

Die Berufung kann schließlich nicht wegen eines Verfahrensfehlers zugelassen werden.

Das Verwaltungsgericht musste nicht Prof. Dr. S., den Doktorvater des Klägers, als Zeugen dazu vernehmen, ob der Kläger ihm den Promotionsversuch in Ulm wahrheitsgemäß geschildert hat. Die zeugenschaftliche Vernehmung des Doktorvaters hat der in der mündlichen Verhandlung anwaltlich vertretene Kläger nicht beantragt; sie hätte sich dem Verwaltungsgericht nicht von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 VwGO) aufdrängen müssen, zumal da eine zeugenschaftliche Vernehmung zu diesem Fragenkomplex auch in den vorbereitenden Schriftsätzen nicht angeregt wurde. Gegen die Bejahung eines Verfahrensfehlers spricht aber vor allem, dass es nach der insoweit maßgeblichen materiellrechtlichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts (Urteilsabdruck S. 12), die im Übrigen zutreffend ist, auf die Kenntnis des Doktorvaters allein nicht ankommt; entscheidend ist nur der Kenntnisstand des Promotionsausschusses, der sich mit dem Inhalt des Promotionsvorgangs deckt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und 3 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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