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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 21.12.2006
Aktenzeichen: OVG 8 N 59.06
Rechtsgebiete: StARegG, BVFG, AufenthG, AuslG, AAV, StAG


Vorschriften:

StARegG § 7
StARegG § 7 Abs. 2
BVFG § 11 Satz 1 Nr. 5
BVFG § 15
BVFG § 15 Abs. 1 Satz 1 n.F.
BVFG § 15 Abs. 5 Satz 1
BVFG §§ 26 ff.
BVFG § 100 Abs. 1
AufenthG § 2 Abs. 1
AufenthG § 38
AufenthG § 38 Abs. 2
AuslG § 1 Abs. 2
AAV § 2
AAV § 3
AAV § 4
AAV § 5
AAV § 6
AAV § 7
AAV § 8
AAV § 10
StAG § 13
StAG §§ 17 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 8 N 59.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Fitzner-Steinmann, den Richter am Oberverwaltungsgericht Burchards und den Richter am Verwaltungsgericht Kirkes am 21. Dezember 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. März 2006 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts unterliegt nicht den von dem Kläger erhobenen ernstlichen Richtigkeitszweifeln (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Kläger zeigt hinsichtlich des von ihm nunmehr noch geltend gemachten Anspruchs auf ein Einreisevisum, "um sich als ŽAusländerŽ in Deutschland aufzuhalten", keine gewichtigen Gesichtspunkte auf, die für den Erfolg einer Berufung sprechen. Zwar ist dem Kläger im Ansatz zu folgen, dass der Anspruch auf Einreise mit einem Visum rechtlich - grundsätzlich - nicht von dem Aufenthaltsrecht (eines Ausländers) getrennt werden kann. Er lässt jedoch nicht erkennen, weshalb ihm ein solches Aufenthaltsrecht zustehen könnte.

a) Soweit der Kläger annimmt, dass er auf Grund des ihm unter dem 24. Juni 1993 erteilten Ausweises "A" als "Aussiedler" einen "unverlierbaren" Anspruch darauf erworben habe, als Ausländer erneut in das Bundesgebiet einzureisen, unterliegt er einem Rechtsirrtum.

Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf den bis zum 31. Juli 1999 geltenden § 7 StARegG zutreffend ausgeführt, der Kläger habe seine durch den Aufnahmebescheid i.V.m. dem Registrierschein im Jahre 1992 begründete Eigenschaft als "Statusdeutscher" i.S.v. Art. 116 Abs. 1 GG durch die im Oktober 1993 erfolgte freiwillige Ausreise nach Russland verloren und müsse zur Wiederbegründung der Eigenschaft als "Statusdeutscher" ein neues förmliches Aufnahmeverfahren nach §§ 26 ff. BVFG betreiben. Die hiernach vorab erforderliche Aufnahme könne nicht durch ein Visum ersetzt werden, da der Aufnahmebescheid aus dem Jahr 1992 kein Aufenthaltstitel sei und den zur Einreise erforderlichen Sichtvermerk nicht ersetze. Diese Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts stellt der Kläger selbst ausdrücklich nicht in Frage.

Der auf § 100 Abs. 1 BVFG i.V.m. §§ 11 Satz 1 Nr. 5, 15 Abs. 5 Satz 1 BVFG (letztere Vorschrift in der bis zum 31. Dezember 1992 geltenden Fassung) gestützte Einwand des Klägers, der die deutsche Staatsangehörigkeit unbestritten nie erlangt hat, aus der Verbindlichkeit des ihm 1993 als Heimatvertriebener erteilten Ausweises "A" für alle Behörden folge, dass er als "Aussiedler" zu behandeln sei, hat keinen Erfolg. Abgesehen davon, dass der Kläger sich hiermit zu seiner selbst vorgebrachten Auffassung in Widerspruch setzt, wonach er die Erwerbsvoraussetzungen nach Art. 116 Abs. 1 GG neu schaffen müsse, verkennt er, dass er dadurch, dass er seine Eigenschaft als "Statusdeutscher" nach der Vorschrift des § 7 Abs. 2 StARegG, die bis zum 31. Juli 1999 galt, im Jahre 1993 von Gesetzes wegen durch die freiwillige dauerhafte Verlegung seines Wohnsitzes nach Russland wieder verloren hat (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. März 2006 - OVG 7 N 11.05 -; Renner, in Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl. 2005, Rzn. 3 und 9 zu § 7 StARegG), als Ausländer i.S.v. § 2 Abs. 1 AufenthG anzusehen ist und hierfür die Aussiedlereigenschaft ohne Bedeutung ist. Auf Grund der dauerhaften Ausreise des Klägers bedarf es für eine neuerliche Einreise als "Statusdeutscher" i.S.v. Art. 116 Abs. 1 GG - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat und auch der Kläger erkennt - der vorherigen Durchführung eines Aufnahmeverfahrens nach §§ 26 ff. BVFG, ohne dass unmittelbar schon aus der Eigenschaft des Klägers als Aussiedler ein Recht zur Einreise und damit auf Erteilung des begehrten Visums folgte (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O., m.w.N.). Da die Bescheinigung nach § 15 BVFG keine konstitutive Wirkung hat(te), sondern - lediglich - die Aussiedlereigenschaft bei der Einreise (im Wege des Aufnahmeverfahrens) bestätigt(e) (vgl. Peters, Statusbescheinigungen über die Spätaussiedlereigenschaft, NVwZ 2003, 179, 180), kann die im Falle des Klägers getroffene Feststellung wegen des auf Grund von § 7 Abs. 2 StARegG eingetretenen Rechtsverlusts keine Rechtswirkung für das neuerliche Einreisebegehren des Klägers mehr haben. Die dauerhafte Wohnsitznahme des Klägers in Russland hat bewirkt, dass er unabhängig davon, ob er als (Spät-)Aussiedler anzusehen ist oder nicht, ohne Aufnahmeverfahren ausländerrechtlich seitdem als Ausländer i.S.v. § 1 Abs. 2 AuslG (jetzt § 2 Abs. 1 AufenthG) zu behandeln ist.

Die von dem Kläger herangezogene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 19. Juni 2001, NVwZ-RR 2002, 145 f.) führt zu nichts anderem. Das dort - aus Sicht des Klägers - "wie selbstverständlich" vorausgesetzte Recht eines (Spät-)Aussiedlers, sich in Deutschland aufzuhalten, und die von dem Bundesverwaltungsgericht angesprochene Bindungswirkung der Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG (n.F.) beruhen ersichtlich auf einem Sachverhalt, bei dem die betroffene Person mit einem Aufnahmebescheid nach Deutschland eingereist ist und sich hier seitdem dauerhaft aufgehalten hat; so verhält es sich im Falle des Klägers infolge seiner dauerhaften Wohnsitznahme in Russland und des hiermit einhergegangenen Rechtsverlusts nach § 7 Abs. 2 StARegG indes nicht.

Schließlich vermögen die Hinweise des Klägers auf die nach dem Fremdrentengesetz in Betracht kommenden Ansprüche keine ernstlichen Richtigkeitszweifel an dem angegriffenen Urteil zu begründen. Sie setzen nach dem eigenen Vorbringen des Klägers für den Fall eines Deutschen i.S.v. Art. 116 Abs. 1 GG voraus, dass sich der Rentenanspruchsberechtigte in Deutschland aufhält (§ 1 lit. b FRG), bzw. für den Fall eines Spätaussiedlers, dass eine entsprechende Anerkennung vorliegt (§ 1 lit. b FGR). Es ist bereits dargelegt und von dem Kläger selbst eingeräumt worden, dass er zur (Wieder-)Begründung seines StatusŽ nach Art. 116 Abs. 1 GG erneut ein Aufnahmeverfahren durchlaufen muss.

b) Ernstliche Richtigkeitszweifel zeigt der Kläger auch nicht mit der Rüge auf, das Verwaltungsgericht hätte ihn als ehemaligen Deutschen i.S.v. § 38 Abs. 2 AufenthG behandeln müssen.

Das Verwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt, der Kläger könne sich auf § 38 AufenthG nicht berufen, weil er die deutsche Staatsangehörigkeit nicht besessen habe. Soweit der Kläger demgegenüber geltend macht, das Aufenthaltsgesetz unterscheide - im Gegensatz zum Staatsangehörigkeitsrecht - nach § 2 Abs. 1 AufenthG nur zwischen Ausländern und Deutschen, zu welchen auch die "Statusdeutschen" i.S.v. Art. 116 GG gehörten, so dass ein früherer "Statusdeutscher" ungeachtet seiner (früheren) Staatsangehörigkeit zugleich ein ehemaliger Deutscher i.S.v. § 38 Abs. 2 AufenthG sei, geht er fehl.

Die Entstehungsgeschichte des § 38 Abs. 2 AufenthG, der in den bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Vorschriften des damaligen Ausländergesetzes keine Entsprechung fand, belegt die Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass es auf eine frühere deutsche Staatsangehörigkeit ankommt, um Ansprüche aus der Vorschrift herzuleiten. Die Vorschrift orientiert sich an der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Regelung in § 10 Arbeitsaufenthaltsverordnung (AAV) und ergänzt mit Blick auf eine Lücke zum Einbürgerungsrecht (§ 13 StAG) für einen ehemaligen Deutschen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland die Möglichkeit, eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten (BT-Drs. 15/420 S. 84 f.). § 10 AAV wiederum sah vor, dass deutschen Volkszugehörigen, die einen Aufnahmebescheid nach dem Bundesvertriebenengesetz besitzen, sowie ehemaligen Deutschen und Kindern ß^1ehemaliger Deutscher, sofern sie über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen, abweichend von den §§ 2 bis 8 AAV eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt werden konnte. Die Arbeitsaufenthalteverordnung unterschied folglich zwischen deutschen Volkszugehörigen, die im Besitz eines Aufnahmebescheides waren, einerseits und ehemaligen Deutschen andererseits. Ehemalige Deutsche i.S.d. § 10 AAV waren darum allein ehemalige deutsche Staatsangehörige, nicht aber ehemalige "Statusdeutsche". § 38 Abs. 2 AufenthG soll mithin nur ehemalige deutsche Staatsangehörige begünstigen (so auch Peters in Huber, Handbuch des Ausländer- und Asylrechts, Stand 15. Mai 2006, 100 B, Rzn. 1, 3, 12 zu § 38 AufenthG). Zweck der Regelung in § 38 Abs. 2 AufenthG ist es, dem nach § 13 StAG staatsangehörigkeitsrechtlich begünstigten Personenkreis einen (sonstigen) aufenthaltsrechtlichen Status gewähren zu können; der Begriff des ehemaligen Deutschen in § 38 Abs. 2 AufenthG unterscheidet sich folglich nicht von jenem in § 13 StAG.

Soweit Renner (Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, Rz. 5 zu § 38 AufenthG), auf den sich der Kläger bezieht, meint, auf "Statusdeutsche", die ihre Rechtsstellung auf Grund analoger Anwendung einer der Vorschriften der §§ 17 ff. StAG (früher §§ 17 ff. RuStAG) eingebüßt hätten, sei § 38 AufenthG entsprechend anzuwenden, setzt er sich zum einen mit seiner zutreffenden Erwägung in Widerspruch, dass das Staatsangehörigkeitsrecht bestimme, wer (u.a. für § 38 Abs. 2 AufenthG) als ehemaliger Deutscher anzusehen ist. Zum anderen übersieht er die aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift ersichtliche Einschränkung des Begriffs des ehemaligen Deutschen, der den ehemaligen "Statusdeutschen" gerade nicht mitumfasst. Darüber hinaus ist für Fälle der hier gegebenen Art im Zusammenhang mit der seit dem 1. Januar 2005 geltenden Neuregelung in § 38 Abs. 2 AufenthG keine Übergangsvorschrift geschaffen worden, nach der aus einem früheren Aufnahmeverfahren erlangte Rechte später auch für den Fall hergeleitet werden könnten, dass die in dem Aufnahmeverfahren erlangten Rechte fortgefallen sind. Wegen der bewussten Anknüpfung an § 10 AAV, womit auch an die Unterscheidung zwischen deutschen Volkszugehörigen mit Aufnahmebescheid und ehemaligen deutschen Staatsangehörigen angeknüpft worden ist, besteht zudem keine (unbeabsichtigte) Regelungslücke.

2. Danach sind zugleich die Voraussetzungen des von dem Kläger im Hinblick auf die Anwendung des § 38 AufenthG sowie die Frage, ob ein (Spät-) Aussiedler einen von der Statuseigenschaft nach Art. 116 Abs. 1 GG unabhängigen Aufenthaltsstatus als Ausländer in Deutschland haben kann, weiter geltend gemachten Zulassungsgrundes der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) nicht erfüllt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn auf Grund des Vorbringens zur Begründung des Zulassungsantrages keine Prognose über den Erfolg des Rechtsmittels getroffen werden könnte, dieser vielmehr als offen bezeichnet werden müsste (Beschluss des Senats vom 23. August 2006 - OVG 8 N 76.05 - m.w.N.). Hier würde die Berufung aber voraussichtlich erfolglos bleiben, wie sich aus den Ausführungen zum Zulassungsgrund ernstlicher Richtigkeitszweifel ergibt.

Besondere rechtliche Schwierigkeiten der vorliegenden Rechtssache ergeben sich schließlich nicht aus der von dem Kläger herangezogenen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 16. Juni 2005 (InfAuslR 2005, 349 f.), wonach Art. 8 EMRK auch gebietet, im Wege positiver Maßnahmen für die Rechte Betroffener Sorge zu tragen. Jener Entscheidung lag ein gänzlich anderer Sachverhalt als hier zugrunde, nämlich die Verweigerung eines Aufenthaltstitels in dem Land, in welchem die dortigen Beschwerdeführer über 16 Jahre ununterbrochen gelebt hatten und in dem sie über starke persönliche, soziale und wirtschaftliche Kontakte verfügten. Hiermit ist der vorliegende Fall schon angesichts des nur etwa 10-monatigen Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet nicht vergleichbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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