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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 17.02.2006
Aktenzeichen: OVG 8 N 61.04
Rechtsgebiete: VwVfG, PrivSchulG


Vorschriften:

VwVfG § 1 Abs. 1
VwVfG § 49 Abs. 2 Nr. 1, 2. Alternative
PrivSchulG § 9 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 8 N 61.04

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Xalter und die Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schrauder und Weber am 17. Februar 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. Juni 2004 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin, die als Rechtsnachfolgerin eine im Jahre 1961/62 errichtete, seit 1986 als Ergänzungsschule staatlich anerkannte Berufsfachschule für eine zweijährige schulische Aus- und Weiterbildung von Kosmetikerinnen betreibt, wendet sich gegen den Widerruf der ihr mit Bescheid vom 12. Juli 1999 unter dem Vorbehalt des Widerrufs verliehenen Eigenschaft einer anerkannten Ergänzungsschule sowie der ihr erteilten Genehmigung, die Berufsbezeichnung ihrer Absolventinnen mit dem Zusatz "staatlich anerkannt" zu versehen.

Die staatliche Anerkennung war der Klägerin und schon früher ihrer Rechtsvorgängerin zuteil geworden, weil es in Berlin bisher keine staatliche Schule für die Ausbildung von Kosmetikerinnen gab und auch im privaten Bereich keine zweijährige, den Anforderungen einer Berufsschule genügende Ausbildung angeboten wurde. Der Beklagten bejahte damals einen Bedarf an qualifizierter Ausbildung zur Kosmetikerin; er wollte vermeiden, dass Berliner Interessenten sich an entsprechenden, als private Ergänzungschulen in anderen Bundesländern anerkannten Schulen ausbilden ließen, wenn sie einen staatlichen Abschluss wünschten.

Nachdem die Verordnung über die Berufsausbildung zum Kosmetiker/zur Kosmetikerin vom 9. Januar 2002 - KosmVO - (BGBl. I S. 417), die eine dreijährige Ausbildung im dualen System vorsieht, erlassen worden war, widerrief der Beklagte mit Bescheid vom 24. März 2003 mit Wirkung vom 1. August 2003 die Anerkennung als private Ergänzungsschule sowie die Genehmigung, den Absolventen des Bildungsgangs "Kosmetik" Zeugnisse zu erteilen, die die erworbene Berufsbezeichnung mit dem Zusatz "staatlich anerkannt" versehen, weil kein öffentliches Interesse an der vermittelten Ausbildung mehr bestehe. Das öffentliche Interesse an der Durchführung der schulischen Ausbildung durch die Klägerin unter Zugrundelegung anderer Ausbildungsvoraussetzungen sei entfallen, da die berufliche Ausbildung nunmehr im öffentlich getragenen Schulwesen vorgesehen sei und entsprechend der Ausbildungsordnung durchgeführt werde. Der Klägerin sei auch künftig gestattet, die schulische Ausbildung abweichend von der bundesrechtlichen Ausbildungsordnung zu vermitteln. Sie könne auch beantragen, ihre Schule als Ersatzschule für die Berufsschule im dualen System anzuerkennen.

Die Klägerin hat dagegen Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 21. Juni 2004 mit im Wesentlichen folgender Begründung abgewiesen hat:

Der Widerrufsbescheid finde seine Rechtsgrundlage in § 49 Abs. 2 Nr. 1, 2. Alternative VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG Bln. Von dem ihm zustehenden Widerrufsermessen habe der Beklagte rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht, indem er zutreffend das Weiterbestehen eines öffentlichen Interesses (§ 9 a PrivSchulG) an der der Klägerin verliehenen Anerkennung verneint habe. Als unbestimmter Rechtsbegriff unterliege dieses Interesse uneingeschränkter gerichtlicher Überprüfung. Aus der Entstehungsgeschichte des § 9 a PrivSchulG, der vor allem aus berlinpolitischen Gründen im Jahre 1984 Eingang in das Privatschulgesetz gefunden habe, ergebe sich, dass damit der damaligen Situation der Kosmetiker-Ausbildung habe Rechnung getragen werden sollen, die ausschließlich an privaten Ergänzungsschulen vermittelt worden sei. Da es in einigen anderen Bundesländern die Möglichkeit gegeben habe, den Abschluss des staatlich anerkannten bzw. geprüften Kosmetikers zu erwerben, habe mit der Einführung der Anerkennung von Ergänzungsschulen in Berlin die Attraktivität Berlins als Stadt der Ausbildung erhöht und zugleich verhindert werden sollen, dass Auszubildende Berlin verlassen. Das berlinpolitisch zu verstehende öffentliche Interesse an der Anerkennung der Klägerin sei durch die zum 1. August 2003 eingeführte Berufsausbildung zum Kosmetiker/zur Kosmetikerin im dualen System entfallen. Der Beitrag der Klägerin zur Bildungsvielfalt rechtfertige nicht die staatliche Anerkennung und die damit verbundene Heraushebung ihrer Schule. Der Verordnungsgeber dürfe durch die staatliche Anerkennung einer Berufsausbildung das Spektrum vorhandener staatlicher Ausbildung ändern und damit zugleich Einfluss auf das öffentliche Interesse i.S.v. § 9 a PrivschulG nehmen. Der Staat sei nicht verpflichtet, neben einem von ihm bereitgestellten Bildungssystem eine bislang bestehende, von einem privaten Träger organisierte ähnliche Ausbildung staatlich anzuerkennen. Soweit die Klägerin dem entgegenhalte, es sei nicht geklärt, ob und inwieweit sich das duale System zur Ausbildung als Kosmetiker/Kosmetikerin eigne, welche Positionen sich auf dem Arbeítsmarkt für Absolventen dieses Ausbildungssystems ergäben und ob es genügend betriebliche Ausbildungsplätze gebe, sei dem Gesetzgeber ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum bei der Beurteilung der Realisierbarkeit und des Erfolges seines Ausbildungssystems zuzubilligen. Das öffentliche Interesse sei auch nicht deshalb weiter zu bejahen, weil das gleichzeitige Bestehen beider Ausbildungssysteme sinnvoll sei. Die Klägerin berufe sich insoweit in der Sache auf die verfassungsrechtlich garantierte Privatschulfreiheit, die aber keine Privilegierung nach § 9 a PrivSchulG rechtfertige. Das in dieser Regelung angesprochene öffentliche Interesse sei nicht mit dem Interesse am Bestehen eines breit gefächerten Privatschulwesens identisch; gemeint sei vielmehr ein besonderes, gerade an der durch die Ausbildung an der konkreten Ergänzungsschule vermitteltes öffentliches Interesse, das über das hinausgehe, das generell am Bestand von privaten Ergänzungsschulen bestehe.

Die Klägerin hat die Zulassung der Berufung beantragt.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

Der allein geltende gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht gegeben.

Für diesen Zulassungsgrund sind zumindest gewichtige Gesichtspunkte erforderlich, die eine der Klägerin günstige Erfolgsprognose erlauben (vgl. Beschl. des Senats v. 19. August 1997 - OVG 8 SN 295.97 - NVwZ 1998, 197). Danach liegen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung erster Instanz dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird, wenn also ein Erfolg der Angriffe gegen die erstinstanzliche Entscheidung wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg (Senatsbeschl. v. 15. Juli 1999 - OVG 8 N 10.99 - und v. 29. Juli 1999 - OVG 8 N 33.99 -; HessVGH, Beschl. v. 1. September 2000 - 12 UZ 2783.00 - InfAuslR 2000, 497; vgl. auch Seibert, NVwZ 1999, 113 [115] mit zahlreichen Nachweisen). Das ist nicht der Fall.

Die Rüge der Klägerin, die Konkretisierung des öffentlichen Interesses an der Anerkennung ihrer Berufsfachschule sei nicht in vollem Umfang erfolgt, der entscheidungserhebliche Sachverhalt sei unzureichend festgestellt worden, greift nicht durch. Die Klägerin trägt vor, die gesetzliche Einbeziehung der Ausbildung zum Kosmetiker/zur Kosmetikerin in das duale Ausbildungssystem sei nicht geeignet, das öffentliche Interesse zu wahren, das der staatlichen Anerkennung ihrer Schule zugrunde liege, weil zu wenig Ausbildungsbetriebe vorhanden seien, es stünden berlinweit lediglich 30 Ausbildungsplätze zur Verfügung, während die beiden Berufsfachschulen über 120 belegte Schülerplätze jährlich verfügten. Hieraus ergeben sich keine zulassungsrelevanten Zweifel. Es trifft zwar zu, dass für die Anerkennung der in der zweijährigen Berufsfachschule der Klägerin angebotenen Ausbildung für Kosmetikerinnen das öffentliche Interesse maßgeblich war, Ausbildungswillige durch ein entsprechendes Berliner Ausbildungsangebot in der Stadt zu halten. Dieses Interesse ist aber entfallen, weil seit dem 1. August 2003 der Ausbildungsberuf Kosmetiker/Kosmetikerin staatlich anerkannt ist (§§ 1, 10 KosmVO). Ausbildungswillige können nunmehr in Berlin die Ausbildung zu diesem staatlich anerkannten Beruf absolvieren. Die Ausbildungsdauer (drei Jahre, § 2 KosmVO), die Ausbildungsinhalte (§§ 4 und 5 KosmVO i.V.m. der Anlage "Ausbildungsplan für die Berufsausbildung zum Kosmetiker/zur Kosmetikerin") sind - anders als früher - ebenso geregelt wie die Eingliederung dieser Ausbildung in das duale Ausbildungssystem der Bundesrepublik Deutschland, das durch die Verbindung zwischen praktisch-betrieblicher und theoretisch-schulischer Ausbildung in der staatlichen Berufsfachschule geprägt ist. Die Befürchtung der Klägerin, es stünden wegen knapper betrieblicher Ausbildungskapazitäten nur 30 Ausbildungsplätze zur Verfügung, während die beiden Berufsfachschulen über 120 ständig besetzte Schülerplätze verfügten, berücksichtigt nicht, dass vor dem 1. August 2003 solche Ausbildungplätze nicht nachgefragt und daher auch nicht angeboten wurden, dass sich die staatlich geregelte Ausbildung erst in der Aufbauphase befindet und die Handwerkskammer Maßnahmen getroffen hat, um das Ausbildungsplatzangebot zu steigern. So berichtet die Klägerin selbst von einem an Friseurbetriebe gerichteten Aufruf der Kammer, Lehrstellen für Kosmetikerinnen zu schaffen. Dass das Lehrstellenangebot auch in Zukunft so knapp bleibt und so wenig ausbaufähig ist, dass Ausbildungswillige auf das schulische Angebot von staatlich anerkannten Ergänzungsschulen außerhalb Berlins zurückgreifen müssen, wenn sie Wert auf die staatliche Anerkennung ihrer Ausbildung legen, kann daher keineswegs als gewiss angesehen werden. Ebensowenig kann wegen der bundesweiten Geltung der Verordnung über die Berufsausbildung zum Kosmetiker/zur Kosmetikerin mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass staatlich anerkannte Berufsfachschulen in anderen Bundesländern ihren Status unverändert beibehalten können. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht (Urteilsabdruck S. 11/12) in diesem Kontext zu Recht darauf hingewiesen, dass dem Verordnungsgeber bei der Einrichtung der dualen Berufsausbildung zum Kosmetiker/zur Kosmetikerin ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Beurteilung der Realisierbarkeit und des Erfolgs dieses Ausbildungssystems zusteht. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass dessen rechtliche Grenzen überschritten sind.

Soweit die Klägerin die "Festlegung der Kosmetikausbildung nur auf das duale System" rügt, vermag der Senat daraus ebenfalls keine zulassungsrelevanten Zweifel herzuleiten. Eine solche Festlegung gibt es nicht, denn es ist der Klägerin unbenommen, ihre spezielle Form der Ausbildung zur Kosmetikerin weiterhin anzubieten. Gegen die ihr durch die Aufnahme der Ausbildung zum Kosmetiker/zur Kosmetikerin in das duale Bildungssystem erwachsenen Konkurrenz wird die Klägerin jedoch nicht durch die verfassungsrechtlich garantierte Privatschulfreiheit des Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG geschützt. Staatlichen Schutz und Fürsorge können nur private Ersatzschulen i.S.v. Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG beanspruchen. Dies hat das Verwaltungsgericht eingehend und zutreffend ausgeführt, so dass zur Vermeidung von Wiederholungen darauf Bezug genommen werden kann. Der Klägerin ist es auch unbenommen, ihre Schule als Ersatzschule für die staatliche Berufsschule zu konzipieren, wenn sie sich davon nach Einführung der dualen Ausbildung auf dem Feld der Kosmetikerausbildung mehr Erfolg verspricht als von der Beibehaltung ihrer bisherigen rein schulischen Ausbildung zur Kosmetikerin.

Zulassungsrelevante Richtigkeitszweifel am Wegfall des öffentlichen Interesses an der staatlichen Anerkennung der von der Klägerin betriebenen Ausbildungsstätte für Kosmetikerinnen ergeben sich schließlich nicht daraus, dass ihrer Ansicht nach allein diese ein nach Quantität und Qualität der Ausbildungsinhalte ausreichendes Ausbildungsniveau bietet. Eines ins einzelne gehenden Vergleichs der Stundentafel der Klägerin mit etwa der Brandenburger Berufsfachschulverordnung Kosmetiker/Kosmetikerin nach BBiG, namentlich des Theoriestundenvolumens, bedarf es dazu nicht. Die staatlich regulierte Ausbildung kann namentlich nicht wegen eines vermeintlichen Defizits an Theoriestunden gegenüber der von der Klägerin angebotenen Ausbildung als geringwertig und deshalb unzureichend qualifiziert werden. Dass das dreijährige staatliche Ausbildungsangebot einen stärkeren Praxisbezug hat als die nur zweijährige rein schulische Ausbildung der Klägerin, insbesondere der praktische Teil in entsprechenden ausbildungsgeeigneten Betrieben stattfinden soll, stellt seine Ausbildungsgeeignetheit nicht grundsätzlich in Frage. Bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Verordnung über die Berufsausbildung zum Kosmetiker/zur Kosmetikerin steht dem Verordnungsgeber zudem ein weiter, gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu. Dass dessen Grenzen hier bereits überschritten sein könnten, weil das staatliche Ausbildungsangebot offensichtlich keine für den in erster Linie praktische Fähigkeiten erfordernden Beruf der Kosmetikerin/des Kosmetikers qualitativ ausreichende Ausbildung vermittelte, hat die Klägerin nicht dargelegt. An eine solche Darlegung sind aber schon deshalb erhebliche Anforderungen zu stellen, weil das in Deutschland vorherrschende duale Ausbildungssystem bei vergleichbaren Berufsgruppen eine durchaus qualitativ hochwertige Ausbildung vermitteln kann. - Die Auffassung der Klägerin, nur bei einer zweijährigen schulischen Ausbildung sei eine europaweite Anerkennung gewährleistet, ist nicht nachvollziehbar dargelegt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und 3 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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