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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 21.12.2005
Aktenzeichen: OVG 9 B 23.05
Rechtsgebiete: InsO, GrStG, BewG


Vorschriften:

InsO § 38
InsO § 41
InsO § 49
InsO § 52
InsO § 55
InsO § 80
InsO § 87
InsO § 190
AO § 38
AO § 251
GrStG § 2
GrStG § 9
GrStG § 12
GrStG § 16
GrStG § 17
GrStG § 18
GrStG § 28
BewG § 19
BewG § 21
BewG § 22
BewG § 23
Die Grundsteuer ist bei Insolvenzeröffnung mit dem gesamten Jahresbetrag Insolvenzforderung (begründeter Vermögensanspruch i.S.v. § 38 InsO).
OVG 9 B 23.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schmidt, den Richter am Oberverwaltungsgericht Bath, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Gaube und die ehrenamtlichen Richterinnen Garber-Bock und Geduhn für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der erste Absatz des angefochtenen Urteils wie folgt lautet:

"Der Grundabgabenbescheid des Beklagten vom 28.6.2001 zum Kassenzeichen 01.42430.8 in der Gestalt des Widerspruchs- und Änderungsbescheides zum Grundabgabenbescheid vom 12.9.2001 und 13.9.2001 wird insoweit aufgehoben, als mit ihm die Grundsteuer in Höhe von" 183, 92 DM "festgesetzt wurde."

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob es sich bei der mit den angefochtenen Bescheiden festgesetzten Grundsteuer um Insolvenzforderungen oder um Masseverbindlichkeiten handelt.

Über das Vermögen des (Insolvenz-) Schuldners E. A., wohnhaft in Eisenhüttenstadt, wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 13. September 2000 das Insolvenzverfahren eröffnet; zum Insolvenzverwalter wurde der Kläger ernannt. Der Schuldner ist zur Hälfte Eigentümer des in Eisenhüttenstadt gelegenen Grundstückes B. , Gemarkung Flur 4 Flurstück 148. Den betreffenden Miteigentumsanteil gab der Kläger am 29. November 2000 aus der Insolvenzmasse frei.

Mit Grundabgabenbescheid vom 28. Juni 2001 zog der Beklagte den Kläger für das vorgenannte Grundstück unter anderem zur Grundsteuer B für die Jahre 2000 und 2001 in Höhe von 1.132,56 DM heran. Dem gegen den Grundabgabenbescheid insgesamt eingelegten Widerspruch des Klägers gab der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. September 2001 insoweit statt, als die Festsetzung von Grundbesitzabgaben für das Jahr 2001 insgesamt aufgehoben und die Festsetzung für das Jahr 2000 nur insoweit aufrecht erhalten wurde, als Grundbesitzabgaben für die Zeit vom 13. September 2000 (Insolvenzeröffnung) bis zum 28. November 2000 (Tag vor der Freigabe des Miteigentumsanteils am Grundstück) geltend gemacht wurden. Der Widerspruch im Übrigen wurde zurückgewiesen. Entsprechend dem Widerspruchsbescheid wurden die Grundbesitzabgaben durch Änderungsbescheid vom 13. September 2001 neu berechnet und die für die Zeit vom 13. September 2000 bis zum 28. November 2000 zu entrichtende Grundsteuer auf 183,92 DM festgesetzt. Nach der Begründung des Widerspruchsbescheides ging der Beklagte davon aus, dass die für das Jahr 2000 angefallene Grundsteuer in einen Anteil bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens und einen weiteren Anteil für die Zeit danach aufzuteilen sei. Bis zur Insolvenzeröffnung sei die Grundsteuer Insolvenzforderung und beim Beklagten zur Tabelle anzumelden. Die auf die Zeit nach Insolvenzeröffnung bis zur Freigabe des Miteigentumsanteils am Grundstück entfallende Grundsteuer sei Masseverbindlichkeit, die durch an den Kläger zu richtenden Bescheid erhoben werden könne. Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben, die sich auf die Aufhebung der Bescheide, soweit die Erhebung von Grundsteuern aufrechterhalten wird, beschränkt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, die Grundsteuer entstehe als Jahressteuer nach dem Stichtagsprinzip schon bei Jahresbeginn in vollem Umfang. Danach sei sie Insolvenzforderung, weil sie im Sinne von § 38 InsO bei Insolvenzeröffnung auch insoweit begründet sei, als es um die Zeit zwischen Insolvenzeröffnung und Ende des Kalenderjahres gehe. Er hat beantragt,

den Grundabgabenbescheid des Beklagten vom 28. Juni 2001 zum Kassenzeichen 01.42430.8 in der Gestalt des Widerspruchs- und Änderungsbescheides zum Grundabgabenbescheid vom 12. September 2001 und 13. September 2001 insoweit aufzuheben, als mit ihm die Grundsteuer in Höhe von 94,03 Euro festgesetzt wurde,

ferner,

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte hat unter Aufrechterhaltung seines Rechtstandpunktes beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und sich dabei dem vom Kläger mit seiner Klagebegründung geltend gemachten Rechtsstandpunkt angeschlossen. Insoweit hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, bei der Grundsteuer für das Jahr 2000 handle es sich nicht nur bis zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung um eine Insolvenzforderung, sondern auch für die Zeit bis Jahresende. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei die Grundsteuerforderung als Jahressteuer nicht aufteilbar. Gemäß § 9 Abs. 2 Grundsteuergesetz entstehe sie mit Beginn des Kalenderjahres, für das die Steuer festzusetzen sei. In diesem Zeitpunkt sei der Tatbestand, an den das Gesetz für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis die Leistungspflicht knüpfe verwirklicht (§ 38 AO) und dem entsprechend auch die Steuerforderung als Vermögensanspruch im Sinne von § 38 InsO begründet. Bei Insolvenzeröffnung müsse deshalb die für das betreffende Jahr entstandene Grundsteuer insgesamt als Steuerforderung zur Tabelle angemeldet werden und dürfe auch nicht teilweise durch Bescheid gegen den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO könne die Grundsteuer erst im auf das Jahr der Insolvenzeröffnung folgenden Jahr sein. Für eine solche Betrachtung spreche auch die Regelung des § 22 Abs. 2 Nr. 4 Bewertungsgesetz, wonach bei einer tatsächlichen Änderung der Verhältnisse der der Grundsteuer zugrunde liegende Einheitswert erst auf den Beginn des Kalenderjahres fortgeschrieben werde, das der Änderung folge.

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung des Beklagten, mit der er seinen Rechtstandpunkt vertieft. Dazu trägt er vor, gerade der Charakter der Grundsteuer als Jahressteuer spreche für ihre Teilbarkeit. Insoweit sei auf eine Unterscheidung der Verhältnisse vor und nach der Insolvenzeröffnung abzustellen. Das insolvenzrechtliche Begründetsein einer Forderung decke sich nicht mit der steuerrechtlichen Beurteilung des Entstehens der Steuer. Für die Beurteilung, ob sich auf das Grundstück beziehende Steuerforderungen Masseverbindlichkeiten seien, komme es darauf an, von welchem Zeitpunkt der Insolvenzverwalter über das betreffende Grundstück verfügungsbefugt sei. Letzteres sei schon nach Insolvenzeröffnung der Fall. Von diesem Zeitpunkt habe es der Insolvenzverwalter durch die Möglichkeit einer Freigabe des Grundstückes in der Hand, sich von der Grundsteuer zu entlasten. Dementsprechend müsse er von diesem Zeitpunkt an bis zu einer etwaige Freigabe des Grundstückes für die volle Steuerforderung einstehen. Die Bewertung der anteiligen Grundsteuer nach Insolvenzeröffnung als Masseverbindlichkeit entspreche auch am ehesten den Grundsätzen der Abgabengleichheit und -gerechtigkeit, die verlangten, dass die Grundsteuern als Einnahmen der öffentlichen Hand möglichst weitgehend realisiert würden. Für die dargestellte Grundsteueraufteilung spreche ferner, dass die Insolvenz hinsichtlich der Frage der Verfügungsgewalt über das Grundstück Parallelen zum Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsverfahren aufweise. In jenen Verfahren erfolge von Gesetzes wegen eine Aufteilung der Grundsteuer im laufenden Jahr. Im Zwangsversteigerungsverfahren sei sie nach § 56 Satz 2 ZVG ab Zuschlag vom Ersteher zu zahlen; im Zwangsverwaltungsverfahren habe der Zwangsverwalter gemäß § 156 Abs. 1 ZVG ab Anordnungsbeschluss für die Grundsteuer aufzukommen. Hier werde erkennbar, dass der Gesetzgeber am Stichtagsprinzip der Grundsteuer nicht starr festhalte, sondern Durchbrechungen zulasse. Die Insolvenzordnung enthalte hinsichtlich einer Aufteilung der Grundsteuer im Jahr der Insolvenzeröffnung eine planwidrige Regelungslücke, die durch sachgerechte Auslegung zu schließen sei. Wolle man das anders sehen, müsste bei einer Freigabe des Grundstückes erst im Jahr nach Insolvenzeröffnung der Insolvenzverwalter nach dem Stichtagsprinzip die Masse mit der gesamten Jahressteuer belasten, obwohl er für die Zeit ab Freigabe nicht mehr Nutznießer des Grundstückes sei; eine solche Betrachtung verbiete sich aber und zeige ebenfalls, dass das Stichtagsprinzip nicht uneingeschränkt gelte.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der dazu eingereichten Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie auf die Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) - 4 L 680/01-, die das vorläufige Rechtschutzverfahren des Klägers betrifft, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht statt gegeben; umzustellen war der Tenor ausschließlich von Euro- auf DM-Beträge, da die angefochtenen Bescheide auf DM-Beträge lauten und nur insoweit aufgehoben werden können. Die mit dem Grundabgabenbescheid des Beklagten vom 28. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2001 und des Änderungsbescheides vom 13. September 2001 erfolgte Festsetzung von Grundsteuern ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Nach § 38 Insolvenzordnung (InsO) dient die Insolvenzmasse zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger). Gemäß § 174 Abs. 1 Satz 1 InsO haben die Insolvenzgläubiger die betreffenden Forderungen schriftlich beim Insolvenzverwalter (zur Tabelle, § 175 InsO) anzumelden. Das gilt auch für die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Sinne von § 38 InsO begründeten Steuerforderungen. Nach § 251 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) bleiben die Vorschriften u.a. der Insolvenzordnung von den Vorschriften der Abgabenordnung über die Vollstreckung von Steuerbescheiden unberührt, weshalb bei der Geltendmachung von Steuerforderungen die Vorschriften der Insolvenzordnung denen der Abgabenordnung vorgehen. Steuergläubiger, die nach den Voraussetzungen des § 38 InsO Insolvenzgläubiger sind, können ihre Forderungen nur wie auch die anderen Insolvenzgläubiger nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen (§ 87 InsO).

Letzteres gilt unbeschadet der Einschränkungen, die sich vor einer Befriedigung als Insolvenzgläubiger daraus ergeben können, dass -wie hier bis zur Freigabe des Grundstückes für den Beklagten- gemäß § 49 InsO ein Recht zur abgesonderten Befriedigung aus unbeweglichen Gegenständen des Schuldners besteht; nach § 12 Grundsteuergesetz (GrStG) ruht die Grundsteuer auf dem Steuergegenstand - hier dem Grundstück - als öffentliche Last. Gemäß § 52 InsO sind Gläubiger, die abgesonderte Befriedigung beanspruchen können, Insolvenzgläubiger, soweit der Schuldner ihnen auch persönlich haftet, sind indessen zur anteilsmäßigen Befriedigung aus der Insolvenzmasse nur berechtigt, soweit sie auf eine abgesonderte Befriedigung verzichten oder bei ihr ausgefallen sind. Letzteres ist vor einer Befriedigung aus der Insolvenzmasse nach Maßgabe des § 190 InsO nachzuweisen, berührt aber die hier nur umstrittene Qualifizierung der Forderung als eine solche im Sinne des § 38 InsO nicht.

Handelt es sich bei den betreffenden Forderungen um solche nach § 38 InsO, dürfen insoweit ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen der Beschränkungen, die sich aus der Insolvenz für eine Befriedigung der Forderungen ergeben, Steuerbescheide und sonstige Verwaltungsakte über Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis grundsätzlich nicht mehr ergehen (vgl. Hübschmann, Hepp, Spitaler (HHSp), AO, Stand: August 2005, Beermann, § 251 RNr. 405; BFH, Urteil vom 2. Juli 1997 - IR 11/97-, BFHE 183, 365, zur vergleichbaren Rechtslage nach der Konkursordnung). Ein gleichwohl mit Leistungsgebot erlassener Steuerbescheid ist rechtswidrig (FG Hamburg, Urteil vom 28. Januar 1982 - III 136/79 -, NVwZ 1982, 704; weitergehend BFH im vorzitierten Urteil, der von einer grundsätzlichen Unwirksamkeit des Bescheides ausgeht).

Im vorliegenden Fall war der Erlass der angefochtenen Bescheide über die Erhebung von Grundsteuern unzulässig, weil es sich bei der umstrittenen Grundsteuerforderung um einen Vermögensanspruch gegen den Schuldner handelt, der zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Sinne des § 38 InsO "begründet" war. Nicht handelt es sich, wie der Beklagte meint, um Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO, die durch Bescheid gegen den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden könnten.

Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. nur Urteil vom 17. Dezember 1998 - VII R 47/98 -, BFHE 188, 149), der der Senat sich anschließt, richtet sich die Beurteilung der Begründetheit einer Steuerforderung im Sinne des § 38 InsO nach den für die Zuordnung des Schuldnervermögens zur Insolvenzmasse maßgebenden - insolvenzrechtlichen - Grundsätzen und nicht nach den für die Entstehung von Ansprüchen aus den Steuerschuldverhältnis (§ 38 AO) zu beachtenden Maßgaben. Ein Vermögensanspruch kann dementsprechend nach § 38 InsO schon begründet sein, wenn der Sachverhalt im Einzelfall nicht ausreicht, alle Voraussetzungen zu erfüllen, von denen die Entstehung des maßgeblichen steuerschuldrechtlichen Anspruchs abhängt. In welchem Umfang für § 38 InsO auch die für einen steuerschuldrechtlichen Anspruch zu erfüllenden Voraussetzungen vorliegen müssen, richtet sich nach der Art des jeweiligen Steueranspruchs und der für seine Entstehung maßgeblichen Voraussetzungen. Abzustellen ist insoweit auf die für den Charakter des Anspruchs maßgebenden oder wesentlichen Voraussetzungen. Kommt es insoweit für die Begründung des Steueranspruchs auf bestimmte zivilrechtliche Vorgänge an, ist danach für die Feststellung, wann ein Steueranspruch im Sinne der insolvenzrechtlichen Vorschriften begründet ist, nicht notwendig auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem der steuerrechtliche Entstehungstatbestand verwirklicht ist, sondern auf den, in dem die zivilrechtlichen Grundlagen für die Entstehung des materiellen Steueranspruchs gelegt worden sind. Derartige Grundlagen können rechtsgeschäftlicher, aber auch tatsächlicher Natur sein (vgl. Beermann, a.a.O., mit Zitaten und unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BFH). Andererseits sind bestimmte steuererhebungstechnische Regelungen, nach denen die Steuer zu Beginn eines Erhebungszeitraumes vorweg entsteht beziehungsweise zu entrichten ist, für die insolvenzrechtliche Begründung des Anspruches nicht maßgeblich, wenn die Vorwegerhebung sich nicht mit den materiellen Merkmalen der Anspruchsentstehung deckt (vgl. BFH, Urteil vom 8. Juli 1997, - VII B 89/97 -, zitiert nach juris).

Nach diesen Grundsätzen wird zum Teil vertreten, dass die Grundsteuer im Jahr der Insolvenzeröffnung aufzuteilen sei in einen Anteil bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens, der Insolvenzforderung sei, und einen Anteil nach der Eröffnung, der Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sei. Obwohl steuerrechtlich die Grundsteuer nach § 9 Abs. 2 GrStG mit Beginn des Kalenderjahres entstehe und sich gemäß § 9 Abs. 1 GrStG nach den Verhältnissen in diesem Zeitpunkt richte, folge das Erfordernis der Aufteilung der Steuer daraus, dass es sich bei ihr nach § 27 Abs. 1 GrStG um eine "Jahressteuer" handle (vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, 2. Aufl. 1998, RNr. 23.53; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 5. Aufl. 2000, S. 234 f.; Schwarz, AO, Stand: Sept. 2005, § 251 RNr. 146). Ihrem materiellen Gehalt nach wird die Grundsteuer hiernach folglich als eine erst im Jahresablauf auf den vollen Steuerbetrag erstarkende Steuer verstanden. Diesem Ansatz ist indessen nicht zu folgen.

Charakterisiert wird die Grundsteuer durch ihre Eigenschaft als Objektsteuer, die an das Innehaben des Steuergegenstandes (Grundbesitz im Sinne des Bewertungsgesetzes - BewG -, § 2 GrStG) anknüpft und sich hinsichtlich der Verwirklichung des Steuertatbestandes (§ 38 AO) nach den Verhältnissen zu Beginn des Kalenderjahres, für das die Steuer festgesetzt wird (§ 9 Abs. 1 und 2 GrStG) nach dem so genannten Stichtagsprinzip richtet. Bemessungsgrundlage ist der Steuermessbetrag, der seinerseits auf dem Einheitswert nach dem Bewertungsgesetz im Veranlagungszeitpunkt (§ 16 Abs. 1, § 17 Abs. 3, § 18 Abs. 3 GrStG) aufbaut und grundsätzlich jeweils auf den Beginn eines bestimmten für die Bemessung maßgeblichen Kalenderjahres es abstellt. Entsprechendes gilt für die Feststellung der Einheitswerte (§ 21 BewG Hauptfeststellung, § 22 BewG Fortschreibungen, § 23 BewG Nachfeststellung). Prägend für den materiellrechtlichen Charakter der Steuer ist danach, dass sich Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse im laufenden Steuerjahr sowohl hinsichtlich der festzustellenden Art des Grundbesitzes (wirtschaftliche Einheit) als auch der Feststellung der Zurechnung der wirtschaftlichen Einheit zu einer bestimmten Person (§ 19 BewG) erst zu Beginn des der Änderung folgenden Kalender- (Steuer-) jahr auswirken können. Im Unterschied zu verschiedenen anderen Steuern ist sie nach Grund und Höhe nicht von bestimmten innerhalb des Veranlagungszeitraumes sich ereignenden oder ändernden Verhältnissen und Vorgängen abhängig. Die Prüfung, wann danach der Rechtsgrund für die Steuerforderung auf Grund des zivilrechtlichen Schuldrechtsorganismus gelegt worden ist, um auf diese Weise losgelöst von der steuerrechtlichen Betrachtung der Entstehung der Forderung festzustellen, wann der Vermögensanspruch im insolvenzrechtlichen Sinne begründet worden ist, (vgl. BFH, Urteil vom 17. Dezember 1998 - VII R 47/98 -, a.a.O.) versagt für die Grundsteuer jedenfalls insoweit, als es um eine nach den für die Steuerschuld maßgeblichen zivilrechtlichen Vorgängen differenzierende Betrachtung im Verlauf des Kalenderjahres der Insolvenzeröffnung gehen könnte. Je nach dem materiellen Anknüpfungspunkt für die Entstehung der Steuer kann es auch um einen anderen rechtlichen Ansatz gehen (vgl. Niedersächsisches FG, Urteil vom 15. August 2002 - 14 K 20/00 u. a.-, zitiert nach juris). Ist hier das Stichtagsprinzip der für die Entstehung und Bemessung der Steuer sowie die Zurechnung des Steuerobjektes maßgebliche materiellrechtlich bestimmende Grundsatz, ist danach auch der im Gesetz steuerrechtlich bestimmte Zeitpunkt für die Entstehung der Grundsteuer zugleich der für die insolvenzrechtliche Betrachtung maßgebliche Zeitpunkt (so auch die wohl überwiegende Meinung in der Literatur vgl. etwa Bringewat/Waza/Grawe, Insolvenzen und Steuern, 6. Aufl. 2004, S. 321; Braun, Bäuerle, Insolvenzordnung, 2002, § 55 RNr. 18; Uhlenbrock, Insolvenzordnung, 12. Aufl. 2003, § 38 RNr. 33; Tipke/Kruse, AO, Stand: März 2005, § 251 RNr. 75, alle m.w.N.).

Diese Bewertung steht auch mit dem Charakter der Grundsteuer als Jahressteuer, wonach das Kalenderjahr der Erhebungszeitraum ist, nicht im Widerspruch. Es liegt in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers eine Objektsteuer auch materiellrechtlich und nicht nur (wie das etwa bei der Kfz-Steuer der Fall ist, vgl. BFH, Urteil vom 8. Juli 1997, a.a.O.) erhebungstechnisch so auszugestalten, dass der Steuertatbestand zu Beginn des Jahres vollgültig verwirklicht wird. Auch wenn die Grundsteuer finanzwissenschaftlich damit zu rechtfertigen sein sollte, dass sie sich dazu eigne, leistungslose Wertsteigerungen abzuschöpfen, und dem Steuerpflichtigen eine Ertrag abwerfende Grundstücksnutzung nahe legen solle (vgl. zu den verschiedenen Rechtfertigungen der Grundsteuer, HHSp, a.a.O., Birk § 3 AO RNr. 220 ff.), zwingt das angesichts des dargestellten Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers weder materiellrechtlich noch gesetzestechnisch dazu, den Besteuerungsvorgang als Dauertatbestand aufzufassen. Soweit es in diesem Zusammenhang um die Frage gehen könnte, ob dem nach den Verhältnissen bei Jahresbeginn zu bestimmenden Steuerschuldner verfassungsrechtlich zugemutet werden kann, die Steuer als Jahressteuer in vollem Umfang auch dann zu tragen, wenn sich die für die Zurechnung maßgeblichen Umstände im Jahresverlauf (etwa bei einer Veräußerung des Grundstückes) verändern, ist diese Frage ohne Weiteres zu bejahen, wenn die Rechtfertigung der Grundsteuer in der Möglichkeit einer Wertabschöpfung bei Veräußerung des Grundstückes gesehen wird. Aber auch sonst bestünden gegen das Stichtagsprinzip bei der Zurechnung keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil die Freiheit besteht, die beim Steuerschuldner in vollem Umfang schon angefallene Jahressteuer im Wege vertraglicher Vereinbarung auf den Erwerber abzuwälzen.

Die Fälligkeitsregelung des § 28 Abs. 1 GrStG, wonach die Grundsteuer zu je einem Viertel ihres Jahresbetrages am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November fällig wird, zwingt ebenfalls nicht dazu, den Besteuerungsvorgang als einen Dauertatbestand zu bewerten. Die Fälligkeit der Forderung ist sowohl steuerrechtlich als auch insolvenzrechtlich von der Entstehung beziehungsweise Begründung der Steuerforderung zu trennen. Für die Frage der Begründung des Vermögensanspruches im Sinne von § 38 InsO ist die Fälligkeit der Forderung ohne Bedeutung, weil nach § 41 Abs. 1 InsO nicht fällige Forderungen als fällig gelten. Damit wird auch für solche Forderungen die Möglichkeit geschaffen, sie als zahlbar beim Insolvenzverwalter zur Tabelle anzumelden.

Das vorliegende Ergebnis wird durch das Vorbringen des Beklagten nicht beachtlich in Frage gestellt. Es gibt keinen Grundsatz, wonach Steuerforderungen in der Insolvenz vorrangig vor anderen Insolvenzforderungen zu behandeln wären oder wonach die einschlägigen Vorschriften danach auszulegen wären, dass Steuerforderungen möglichst weitgehend als Masseverbindlichkeiten zu bewerten wären. Eine solche Bewertung hätte in den Vorschriften der Insolvenzordnung ihren Niederschlag finden müssen, kann ihnen indessen nicht entnommen werden. Es führt deshalb auch nicht weiter, wenn der Beklagte hinsichtlich einer Qualifizierung der Grundsteuerschuld als Masseverbindlichkeit ab Insolvenzeröffnung Vergleiche mit den Vorschriften zur Steuerschuldnerschaft bei einer Zwangsversteigerung beziehungsweise Zwangsverwaltung des Grundstückes zieht, vorbehaltlich der Frage, ob es danach überhaupt zu einer Aufteilung der Jahressteuer kommt. Im Übrigen erhält der Grundsteuergläubiger im Verhältnis zu den (sonstigen) Insolvenzgläubigern schon auf Grund der Vorschriften des Grundsteuergesetzes eine weitergehende Sicherung seiner Forderung, da nach § 12 GrStG die Grundsteuer auf dem Steuergegenstand als öffentliche Last ruht und er gemäß § 49 InsO aus dem betreffenden unbeweglichen Vermögen abgesonderte Befriedigung suchen kann.

Soweit der Beklagte versucht, die Notwendigkeit einer Aufteilung der Jahresgrundsteuer dadurch aufzuzeigen, dass er es bei einer Freigabe des Grundstückes im Jahr nach der Insolvenzeröffnung für untragbar hält, wenn nach dem Stichtagsprinzip aus der Masse die Grundsteuer für das gesamte Jahr gezahlt werden müsse, obwohl der Masse die Nutznießung des Grundstückes nicht für das ganze Jahr zugekommen sei, rechtfertigt auch das keine andere Beurteilung. Wäre das so, wäre auch das als Resultat des Stichtagsprinzips hinzunehmen. Im Übrigen dürfte hier ein fehlerhaftes Verständnis der Maßgeblichkeit der Zurechnung des Steuergegenstandes nach den Verhältnissen bei Jahresbeginn und der daraus folgenden Steuerschuldnerschaft vorliegen. Der Insolvenzverwalter tritt hinsichtlich des zur Insolvenzmasse gehörenden, grundsteuerpflichtigen Grundstückes als Steuergegenstand mit seinem Verwaltungs- und Verfügungsrecht (§ 80 Abs. 1 InsO) nur so lange an die Stelle des Schuldners, als das Grundstück nicht freigegeben ist; nur so lange hat er hinsichtlich der Grundsteuer als Masseverbindlichkeit für den Insolvenzschuldner als Grundstückseigentümer die Position wie ein Steuerschuldner inne, möglicherweise auch nur die Stellung als Vollstreckungsschuldner (so FG München, Beschluss vom 31. Juli 1996 -1 V 334/96-, EFG 1997, 48, zur vergleichbaren Stellung des Konkursverwalters bei der Vermögenssteuer; Tipke/Kruse, a.a.O., § 251 RNr. 71). Ab Freigabe des Grundstückes tritt der Insolvenzschuldner jedenfalls in die Position des Steuerschuldners wieder ein und hat dementsprechend auch die bis dahin etwa noch nicht fällig gewesen Teile der Jahresgrundsteuerschuld zu tragen. Eine Änderung der Zurechnung des Steuergegenstandes liegt darin nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 710 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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