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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 08.08.2006
Aktenzeichen: OVG 9 L 27.06
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO, BGB, GKG Bbg, GemHV


Vorschriften:

VwGO § 167
VwGO § 169 Abs. 1
ZPO § 793
BGB § 226
GKG Bbg § 18 Abs. 1
GemHV § 29
Die Ermächtigung des § 29 Gemeindehaushaltsverordnung Bbg, von der Einziehung von Kleinbeträgen (unter zehn Euro) abzusehen, eröffnet für den Schuldner keinen Anspruch auf eine entsprechende Verfahrensweise.
OVG 9 L 27.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schmidt, den Richter am Oberverwaltungsgericht Bath und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Gaube am 8. August 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 26. April 2006 wird geändert.

Dem Vorsitzenden der zuständigen Kammer des Verwaltungsgerichts wird aufgegeben, die Zwangsvollstreckung gegen den Vollstreckungsschuldner aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 5. Juli 2005 - 3 K 1546/04 - sowie der Kosten des Vollstreckungsverfahrens in die beweglichen Sachen des Vollstreckungsschuldners zu betreiben. Die diesbezüglichen Vollstreckungsanordnungen sind vom Vorsitzenden der zuständigen Kammer des Verwaltungsgerichts nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Vollstreckungsschuldner.

Gründe:

Die Beschwerde des Vollstreckungsgläubigers ist begründet.

Die Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor, nachdem der Vollstreckungsschuldner die Nebenforderungen aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss nach Androhung der Vollstreckung mit Schreiben vom 19. September 2005 nicht fristgerecht vollständig gezahlt hat, mit Schreiben vom 17. Oktober und 18. November 2005 abermals gemahnt und zur Zahlung der ausstehenden Zinsen aufgefordert worden ist und der Vollstreckungsgläubiger daraufhin unter dem 20. Dezember 2005 eine Vollstreckunganordnung (fälschlich als Vollstreckungsandrohung bezeichnet, aber nach dem Inhalt eindeutig) erlassen hat, die auch ihrem Inhalt nach hinreichend bestimmt ist.

Rechtliche Hindernisse für die Vollstreckung bestehen nicht. Sie ergeben sich insbesondere nach aus § 18 Abs. 1 Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsordnung i.V.m. § 29 Gemeindehaushaltverordnung - GemHV -. Nach der letztgenannten Vorschrift, die auf Zweckverbände entsprechend anzuwenden ist, kann davon abgesehen werden, Ansprüche von weniger als 10 Euro geltend zu machen, es sei denn, dass die Einziehung aus grundsätzlichen Erwägungen geboten ist. Insoweit kann auf sich beruhen, ob mit Ansprüchen in diesem Sinne auch Restforderungen gemeint sind, wie sie hier Gegenstand der Vollstreckung sind. Die ursprüngliche Forderung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss war hier jedenfalls höher als unter zehn Euro, so dass sie nicht unter die Bestimmung fiel. Abgesehen davon eröffnet § 29 GemHV lediglich für die Gemeinde eine Ausnahme von dem grundsätzlich bestehenden Gebot der rechtszeitigen und vollständigen Einziehung des § 24 GemHV. Damit ist keine subjektive Rechtsposition des Schuldners verbunden; anderenfalls könnte dieser generell die Zahlung von Forderungen unter zehn Euro verweigern oder höhere Forderungen stets nur bis auf einen Restbetrag von unter zehn Euro ausgleichen, ohne mit einer Einziehung unter Zwang rechnen zu müssen. Offen bleiben kann auch, ob eine dahingehende Praxis der Gemeinde Bindungswirkungen zu erzeugen vermag. Zum einen spricht der Wortlaut für eine Einzelfallprüfung, ob grundsätzliche Erwägungen für eine Einziehung sprechen; zum anderen ist hier für eine entsprechende Bindung nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich.

Von einer unzulässigen Rechtsausübung (§ 226 BGB) kann entgegen dem angefochtenen Beschluss bei dem vorliegenden Vollstreckungsantrag keine Rede sein ungeachtet der damit vom Vollstreckungsgläubiger (nur) im Falle der Fruchtlosigkeit der Vollstreckung ferner begehrten Maßnahmen. Letztere implizieren nicht ohne weiteres eine Schikane. Dem Vollstreckungsschuldner musste die Verzinsungspflicht von 5 v.H. über dem Basiszinssatz seit dem 24. Mai 2005 aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss bekannt sein. Danach konnte er ermitteln, dass sich der Zinsbetrag, dessen Berechnung nicht zu beanstanden ist (ausgehend von einem Basiszinssatz bis 30. Juni 2005 in Höhe von 1,21 v.H. p.a. und ab 1. Juli 2005 in Höhe von 1,17 v.H p.a.: 0,0026 Euro/Tag), bis zum 30. September 2005 auf 0,34 Euro belief. Wenn er gleichwohl nur 15,41 Euro, d.h. nur 0,18 Euro Zinsen gezahlt hat, so musste ihm bewusst sein, dass die Forderung damit noch nicht ausgeglichen war und eine Vollstreckung wegen des verbleibenden Betrages drohte. Auf die Folge, dass eine Vollstreckung im Vergleich zur offenen Restforderung zu unvergleichlich höheren Kosten führen würde, ist der Schuldner vom Bevollmächtigten des Vollstreckungsgläubigers bereits im ersten Mahnschreiben vom 19. September 2005 hingewiesen worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach dem Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz eine Gebühr für Beschwerden der vorliegenden Art nur vorgesehen ist, soweit sie verworfen oder zurückgewiesen werden (KV Nr. 5502).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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