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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 14.06.2006
Aktenzeichen: OVG 9 M 81.05
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO
Vorschriften:
VwGO § 92 Abs. 1 | |
VwGO § 166 | |
ZPO § 114 | |
ZPO § 269 Abs. 3 S 1 |
OVG 9 M 81.05
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 9. Senat durch ... am 14. Juni 2006 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 2. November 2005 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers gegen die erstinstanzliche Versagung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die nachträgliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das nach Rücknahme der Klage mit Beschluss vom 22. August 2005 eingestellte Verfahren im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Prozesskostenhilfe wird grundsätzlich nur für die beabsichtigte Rechtsverfolgung (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO) und damit für die Zukunft bewilligt. Maßgeblich für die Frage, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, ist allerdings nicht der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, sondern derjenige der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs (BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 2003 - 1 B 386.02 -, Buchholz 310 § 166 VwGO Nr. 39 S. 2 f.). Daher kann Prozesskostenhilfe ausnahmsweise auch noch nach dem Abschluss des Verfahrens vor dem Gericht des betreffenden Rechtszuges bewilligt werden, wenn der Antrag während des Verfahrens gestellt, aber nicht beschieden worden ist und der Antragsteller mit seinem Antrag bereits alles für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe Erforderliche getan hat (BVerwG, Beschluss vom 3. März 1998 - 1 PKH 3.98 -, zit. nach juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Juni 2006 - OVG 12 M 28.05 -; OVG Bbg, Beschlüsse vom 28. Juni 2005 - 2 E 43/04 - BA S. 3, und vom 8. November 2001 - 4 E 80/01 - NVwZ-RR 2002, 789; ThürOVG, Beschluss vom 3. Dezember 1997 - 3 ZO 619/95 - NVwZ 1998, 866, OVG Berlin, Beschluss vom 5. März 1998 - 8 M 9/98 -, NVwZ 1998, 650; ). Dies gilt jedoch grundsätzlich nicht für den Fall der Klagerücknahme (OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 26. August 2005 - 8 M 41.05 - und OVG Berlin, Beschluss vom 10. März 2005 - 2 M 4.05 - BA S. 3; OVG für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 28. Oktober 2003 - 3 O 27/03 -, NVwZ-RR 2004, 460; OVG Koblenz, Beschluss vom 25. August 1988 - 13 E 23/88 - DÖV 1989, 36; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 166 Rn. 48). Die Klagerücknahme lässt nämlich gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO die Anhängigkeit der Klage rückwirkend entfallen, so dass es in sachlicher und zeitlicher Hinsicht an einem Anknüpfungspunkt für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe fehlt.
Offen bleiben kann, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Ausnahmen von diesem Grundsatz unter Billigkeitsgesichtspunkten anzuerkennen sind (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. April 2002 - 11 S 119/02 -, VBlBW 2002, 529 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 166 Rn. 14). Der Kläger, der um Prozesskostenhilfe nachgesucht hat, kann nämlich regelmäßig mit der Klagerücknahme zuwarten, bis über den Prozesskostenhilfeantrag entschieden ist (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 10. März 2005, a.a.O.; OVG für das Land Schleswig-Holstein, a.a.O., ferner OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 3. Juni 2005 - 1 O 55/05 - NordÖR 2005, 442). Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - die Klagerücknahme Bestandteil einer gütlichen Streitbeilegung ist. Eine Ausnahme kann allenfalls erwogen werden, wenn der Kläger zuvor auf die Entscheidungsreife seines Prozesskostenhilfeantrages hingewiesen hat, das Gericht aber über den Antrag gleichwohl nicht entschieden hat und zureichende Gründe dafür vorhanden sind, warum ein weiteres Zuwarten mit der Klagerücknahme für den Kläger nicht mehr zumutbar war. Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor. Der anwaltlich vertretene Kläger hat weder vor Abschluss der außergerichtlichen Vereinbarung noch vor der Klagerücknahme die Entscheidung über seinen Prozesskostenhilfeantrag bei dem Gericht angemahnt, sondern die Klage sogleich im Hinblick auf die außergerichtliche Einigung mit dem Beklagten zurückgenommen und damit die Erledigung des Prozesskostenhilfeantrages herbeigeführt. Keine Bedeutung kann allerdings dem Gesichtspunkt beigemessen werden, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zwangsläufig zu Lasten der Staatskasse gehen würde. Wäre im vorliegenden Fall vor der Klagerücknahme über den Prozesskostenhilfeantrag entschieden worden, hätte das Verwaltungsgericht, wie die Begründung des angefochtenen Beschlusses erkennen lässt, dem Antrag mutmaßlich entsprochen und es ist nichts dafür erkennbar, dass eine solche Entscheidung dem Kläger die Option einer außergerichtlichen Einigung mit dem Beklagten mit gleicher Kostenregelung genommen hätte. Missbilligt die Rechtsordnung in diesem Falle das Ergebnis einer Belastung der Staatskasse nicht, könnte im Falle einer rückwirkenden Bewilligung von Prozesskostenhilfe nichts anderes gelten. Entscheidend für die Frage nach einer rückwirkenden Bewilligung kann also nur sein, ob die bedürftige Partei alles Erforderliche und ihr Zumutbare getan hat, um vor einer nach den Umständen nicht weiter aufschiebbaren Klagerücknahme eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag herbeizuführen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es wegen der gesetzlich bestimmten Festgebühr nicht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Ende der Entscheidung
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