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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 28.02.2008
Aktenzeichen: OVG 9 N 57.07
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 86 Abs. 1
VwGO § 98
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 a Abs. 4 Satz 4
ZPO § 444
ZPO §§ 485 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 9 N 57.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Kipp, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Riese und den Richter am Finanzgericht Dr. Beck am 28. Februar 2008 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das ihr am 18. Juni 2007 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt die Klägerin.

Der Streitwert wird für die erste Instanz - insoweit unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts - und das Berufungszulassungsverfahren auf je 2 425,75 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist nicht begründet.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nach dem allein maßgeblichen Zulassungsvorbringen nicht gegeben.

Das Verwaltungsgericht hat die Auffassung vertreten, dass von der Richtigkeit des gemessenen und dem angefochtenen Abrechnungsbescheid zu Grunde gelegten Wasserverbrauchs auszugehen sei, da die Prüfung des Wasserzählers durch die staatlich anerkannte Prüfstelle für Messgeräte für Wasser bei der Firma Z keinerlei Beanstandungen ergeben habe. Der Beweis des ersten Anscheins spreche für eine zutreffende Wasserverbrauchsmessung, wenn bei einer Prüfung der Wasseruhr durch eine staatliche Prüfstelle deren Fehlerfreiheit festgestellt werde. Vorliegend habe die Befundprüfung ausweislich der Feststellung der staatlichen Prüfstelle, dass das Zählwerk in Ordnung sei, auch eine innere Befundprüfung umfasst, weil anderenfalls diese Feststellung nicht hätte getroffen werden können. Da kein Grund für die Annahme bestehe, dass die innere Beschaffenheitsprüfung nicht den technischen Richtlinien der Physikalisch-technischen Bundesanstalt für Messgeräte für Wasser (TR-W 19), Stand 05/90, Punkt 2.2.2.3., entsprochen habe, sei das schlichte Anzweifeln der Richtigkeit des Prüfergebnisses durch die Klägerin unbeachtlich gewesen.

Die von dem Verwaltungsgericht angenommene Richtigkeit der Anzeige der Messeinrichtung wird nicht durch den Einwand der Klägerin in Frage gestellt, die Prüfunterlagen ließen nicht erkennen, ob eine innere Befundprüfung erfolgt sei. Nach den Regelungen der TR-W 19 umfasst die Befundprüfung von Messgeräten für Wasser durch staatlich anerkannte Prüfstellen im Regelfall neben einer äußeren auch eine innere Beschaffenheitsprüfung, die keine ausdrückliche Angabe in dem Prüfschein erfordert. Einer Angabe im Prüfschein bedarf vielmehr nur ein ausnahmsweiser Verzicht auf eine innere Beschaffenheitsprüfung (TR-W 19, Punkt 2.2.2.), so dass insoweit das Schweigen des Prüfscheins die Begründung des Verwaltungsgerichts nicht in Zweifel zu ziehen vermag.

Die Rüge der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe es als unbeachtlich angesehen, dass der gemessene Verbrauch von ca. 1 100 cbm in einem Zeitraum von 240 Tagen in nicht erklärbarer Weise von der durchschnittlichen Jahresverbrauchsmenge der Klägerin in Höhe von ca. 5 cbm abweiche, greift nicht durch. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts hat die Klägerin die Funktionstüchtigkeit des Wasserzählers nicht durch ihre Behauptung eines unrealistisch hohen Wasserverbrauchs auf ihrem Grundstück erschüttern können, da die gemessene Wassermenge bei einem offen stehenden Endverbraucher oder einem unbemerkten Rohrbruch hinter dem Wasserzähler rasch erreicht werde. Diese Würdigung durch das Verwaltungsgericht ist nicht zu beanstanden. Angesichts des Prüfergebnisses der von der Klägerin selbst beantragten Befundprüfung konnte das Verwaltungsgericht nach dem Beweis der ersten Anscheins die fehlerfreie Funktion des Wasserzählers und damit die Richtigkeit des Messergebnisses unterstellen, ohne von sich aus nach § 86 Abs. 1 VwGO der Frage nachgehen oder Beweis darüber erheben zu müssen, ob der gemessene höhere Verbrauch durch Verhaltens- oder Zustandsänderungen im Einflussbereich der Klägerin bestätigt wird (vgl. hierzu Dawin in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand September 2007, § 86 Rndr. 98). Für die Gebührenpflichtigkeit ist es unerheblich, wozu das Wasser verwendet worden ist. So gehört auch Wasser, das durch einen Rohrbruch hinter dem Wasserzähler verloren gegangen ist, zum maßstabsgemäß bezogenen Wasser und ist damit gebührenpflichtig (vgl. zur Abwasserabgabe für "ungenutztes" Wasser bei einem Rohrbruch Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 27. November 2003 - 23 B 03.2369 -, BayVBl 2004, 375). Vor diesem Hintergrund vermag die Klägerin die von dem Verwaltungsgericht angenommene Richtigkeit des gemessenen Wasserverbrauchs nicht mit ihrem Zulassungsvorbringen in Frage zu stellen, dass dieser von der durchschnittlichen Jahresverbrauchsmenge erheblich abweiche und der Klägerin, die das Wochenendgrundstück "nicht nur einmal im Jahr" betrete, aufgefallen wäre. Vielmehr hätte es dazu eines auf den maßgeblichen Abrechnungszeitraum bezogenen konkreten Vortrags der Klägerin zum Umfang der Wasserentnahme, zum Zustand der hinter dem Wasserzähler liegenden Rohrleitungen sowie zum Kreis der möglichen Nutzer bedurft, um hieraus auf einen von der Klägerin behaupteten geringeren Verbrauch im Abrechnungszeitraum schließen zu können. Soweit sich die Klägerin hinsichtlich der Indizwirkung eines unerklärbar hohen Wasserverbrauchs für die Unrichtigkeit der Wasserzähleranzeige auf das Urteil des OVG Saarlouis vom 20. Januar 1994 - 1 R 4/92 - NJW 1994, 2243, beruft, kann ihr schon deshalb nicht gefolgt werden, weil in dem dort entschiedenen Fall - anders als hier - der Wasserzähler nicht auf seine innere Beschaffenheit überprüft werden konnte und deshalb nach Auffassung des erkennenden Gerichts Raum für den Schluss auf eine fehlerhafte innere Beschaffenheit des Wasserzählers anhand sonstiger äußerer Umstände war.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zeigt die Klägerin auch nicht mit ihrem Vorbringen auf, der von dem Beklagten zu verantwortende Verlust des Wasserzählers, dessen Begutachtung das Verwaltungsgericht selbst ausweislich seines Schreibens vom 25. Mai 2004 in Betracht gezogen habe, stelle analog § 444 ZPO eine Beweisvernichtung dar mit der Folge, dass der Wasserverbrauch nicht nach der gemessenen Menge, sondern auf der Grundlage der durchschnittlichen Jahresverbrauchsmenge durch Schätzung zu ermitteln sei. Das Verwaltungsgericht hat - nachdem der Berichterstatter die Beteiligten mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2006 darauf hingewiesen hatte, dass angesichts der inneren und äußeren Befundprüfung des Wasserzählers durch eine staatlich anerkannte Prüfstelle eine Beweisaufnahme nicht erforderlich sei - bei seiner Überzeugungsbildung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 108 VwGO) dem Umstand, dass der Wasserzähler abhanden gekommen war, keine maßgebliche Bedeutung beigemessen. Insofern stellt sich bereits die Frage nach der Entscheidungserheblichkeit des Vorbringens der Klägerin für die angefochtene Entscheidung. Jedenfalls ist die Entlastung eines beweisbelasteten Beteiligten nach den aus § 444 ZPO entwickelten Rechtsgrundsätzen (vgl. zu deren Anwendung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren BVerwG, Urteil vom 26. April 1960 - II C 68.58 -, BVerwGE 10, 270) nur möglich, wenn dem anderen Beteiligten eine Beweisvereitelung vorzuwerfen ist. Das setzt aber voraus, dass dessen schuldhaftes Verhalten den beweisbelasteten Beteiligten in eine Beweisnot gebracht hat. Hieran fehlt es, wenn der beweisbelastete Beteiligte den Beweis selbst hätte sichern können (vgl. BSG, Urteil vom 10. August 1993 - 9/9a RV 10/92, juris). Dementsprechend hat das Verwaltungsgericht die Auffassung vertreten, dass der Beklagte das Abhandenkommen des Wasserzählers nicht zu vertreten habe, da es der Klägerin nach dem für sie nachteiligen Prüfergebnis der staatlich anerkannten Prüfstelle unbenommen gewesen sei, sich des Beweismittels zu versichern, um in einer nachfolgenden Rechtsstreitigkeit den Wasserzähler einer weiteren Prüfung zuführen zu können, sie aber von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe. Dem tritt die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen nicht substanziiert entgegen, soweit sie lediglich einwendet, dass der Wasserzähler sich zu keinem Zeitpunkt in ihrem Eigentum befunden habe, weil damit die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gemäß §§ 485 ff. ZPO i.V.m. § 98 VwGO nicht ausgeschlossen war.

2. Die Rechtssache weist auch nicht die im Zulassungsantrag geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Zu einer den Anforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist es erforderlich, dass eine bisher weder höchstrichterlich noch obergerichtlich beantwortete und zugleich entscheidungserhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen und erläutert wird, warum sie im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung der Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf. Diesen Anforderungen wird die Antragsbegründung nicht gerecht. Dem von der Klägerin aufgezeigten Problem der Beweislastverteilung und der Frage der analogen Anwendung des § 444 ZPO wäre hier schon mangels Entscheidungserheblichkeit in einem Berufungsverfahren nicht nachzugehen. Im Übrigen ist die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht nach Beweislastgrundsätzen getroffen worden, sondern beruht auf einem Anscheinsbeweis, der die Beweislast nicht umkehrt, sondern vollen Beweis erbringt (vgl. statt vieler BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1962 - VI C 39.60 -, BVerwGE 14, 181). Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3, § 63 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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