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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 22.05.2007
Aktenzeichen: OVG 9 S 13.07
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 4
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 146 Abs. 4 S. 3
Dem summarischen Charakter des Verfahrens über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Klage gegen Abgabenbescheide entspricht es, dass auch die für eine unbillige Härte sprechenden Umstände nur nach Aktenlage berücksichtigt werden. D.h. jedenfalls bei anwaltlich vertretenen Antragstellern müssen die Härtegründe bis zur Entscheidung substantiiert vorgetragen und - soweit möglich und erforderlich - durch präsente Beweismittel glaubhaft gemacht worden sein.
OVG 9 S 13.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schmidt, den Richter am Oberverwaltungsgericht Lehmkuhl und die Richterin am Finanzgericht Sander-Hellwig am 22. Mai 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 22. Januar 2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 713,02 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) muss die Beschwerde gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer muss in der Beschwerdebegründung darlegen, warum er die angefochtene Entscheidung in bestimmten Punkten für unrichtig hält und aus welchen Gründen eine andere Entscheidung als die des Verwaltungsgerichtes geboten ist, d.h. aus welchen Gründen eine Änderung des Beschlusses ernsthaft in Betracht zu ziehen ist. Die Prüfung des Oberverwaltungsgerichts beschränkt sich gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO in einer ersten Stufe darauf, ob die Beschwerde geeignet ist, die Begründung des angefochtenen Beschlusses zu erschüttern; nur wenn dies der Fall ist, ist auf einer zweiten Stufe von Amts wegen zu prüfen, ob sich der Beschluss auf der Grundlage der Erkenntnisse des Beschwerdeverfahrens im Ergebnis als richtig erweist oder geändert werden muss (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 1. August 2005 - OVG 9 S 2.05 -).

Das Beschwerdevorbringen, das den Umfang der obergerichtlichen Prüfung des angefochtenen Beschlusses bestimmt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) und mit dem sich der Antragsteller allein auf die Nichtigkeit der Grundsteuermessbescheide vom 11. Dezember 1998 und 22. März 1999 beruft, rechtfertigt nach diesen Grundsätzen nicht die Änderung oder Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Werden Grundstücke nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) rückübertragen, tritt derjenige, auf den das Grundstück rückübertragen wird (Berechtigter i.S. von § 2 Abs. 1 VermG) erst mit Bestandskraft des Bescheids über die Rückübertragung in die sich aus dem Grundstück ergebenden Rechte und Pflichten nach §§ 16, 34 Vermögensgesetz (VermG) ein. Bei der Vollentziehung (hier: jüdischen Eigentums unter nationalsozialistischer Herrschaft) bleibt bis zur Bestandskraft des Rückgabebescheides der Wert ein Teil des Vermögens des Verfügungsberechtigten. Die bis zur Rückgabeentscheidung gezogenen Nutzungen verbleiben grundsätzlich dem Verfügungsberechtigten, dieser hat aber auch die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen gewöhnlichen Erhaltungskosten zu tragen (KG Berlin, Urteil vom 19.10.1998, 22 U 6294/98, KGR Berlin 1999, 160-161).

Der Antragsteller ist aus diesen Gründen bis zum Ablauf des Jahres, in dem die Bestandskraft des Bescheids über die Rückübertragung (2006) eingetreten ist, Schuldner der Grundsteuer geblieben. Er war der zutreffende Inhaltsadressat der Grundsteuermessbescheide, so dass Nichtigkeit dieser Bescheide nicht in Betracht kommt. Der Antragsteller hat mit seinem Hinweis auf die dem entgegen seiner Ansicht nach vorliegende Nichtigkeit nicht vermocht, die Richtigkeit des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 22. Januar 2007 zu erschüttern.

Der an den durch § 146 Abs. 4 VwGO vorgegebenen Prüfungsrahmen gebundene Senat hatte nicht zu beurteilen, ob der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 22. Januar 2007 aus anderen Gründen möglicherweise Rechtsfehler aufweist. Der gerichtlichen Überprüfung im Hauptsacheverfahren muss deshalb u.a. die Beurteilung der Frage vorbehalten bleiben, ob die Gemeinde sich für die Änderung der Grundsteuerbescheide vom 9. März 2006 durch die angefochtenen Bescheide auf eine Änderungsvorschrift der Abgabenordnung berufen konnte, wobei diesbezüglich wohl allein § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO in Betracht kommen dürfte, der den Erlass, die Änderung oder die Aufhebung eines Grundlagenbescheides voraussetzt (vgl. hierzu z. B.: BFH-Urteil vom 24. Oktober 1996 - IV R 50/95 -, BFH/NV 1997, 331 m.w.N.). Ob diese Voraussetzungen im Streitfall gegeben sind und die Grundlagenbescheide, auf die sich der Beklagte stützt, in diesem Sinne eine Anpassungspflicht bezüglich der angefochtenen Folgebescheide auslösen konnten, ist offen. In diesem Zusammenhang könnte auch von Bedeutung sein, dass ein Feststellungsbescheid, der einem Feststellungsbeteiligten nicht bekannt gegeben worden ist, dennoch - z.B. im Hinblick auf die Feststellungsverjährung - für diesen nicht völlig ohne Rechtswirkungen bleibt (vgl. BFH-Urteile vom 13. September 1994 - IX R 89/90 -, BStBl II 1995, 39; vom 26. April 1988 - VIII R 292/82; vom 25. November 1987 - II R 227/84 -, BStBl II 1988, 410 und vom 13. März 1986 - IV R 304/84 - , BStBl II 1986, 509).

Die begehrte Aussetzung der Vollziehung kommt auch nicht unter dem außerdem geltend gemachten Gesichtspunkt der unbilligen Härte in Betracht (vgl. hierzu: Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 80 Rdnr. 116 m.w.N.). Im Verfahren über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Klage gegen Abgabenbescheide erfolgt grundsätzlich nur eine summarische Prüfung in dem Sinne, dass sich aufdrängenden Fehlern des Bescheides sowie dem substantiierten Vorbringen des Antragstellers nachgegangen wird (vgl. nur Beschluss des Senats vom 30. Januar 2006 - 9 S 92.05 -, juris). Dem summarischen Charakter des Verfahrens entspricht zudem, dass auch die für eine unbillige Härte sprechenden Umstände nur nach Aktenlage berücksichtigt werden, d.h. insoweit, als sie bis zur Entscheidung substantiiert vorgetragen und - soweit möglich und erforderlich - durch präsente Beweismittel glaubhaft gemacht worden sind (vgl. BFH- Beschluss vom 31. Januar 1967 - VI S 9/66 -, BStBl. II 1967, 255; Tipke/Kruse, Abgabenordung Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 69 Rdnr. 105 m.w.N.). Jedenfalls gilt das bei anwaltlich vertretenen Antragstellern. Der hier anwaltlich vertretene Antragsteller hat von einer näheren Konkretisierung und insbesondere einer Glaubhaftmachung seines Vortrags bezüglich seiner wirtschaftlichen Verhältnisse gänzlich abgesehen. Seine Ausführungen genügen deshalb nicht seiner Darlegungspflicht, weil nach § 146 Abs. 4 S. 3 VwGO unter Berücksichtigung der genannten Grundsätze auch im Beschwerdeverfahren auf eine Glaubhaftmachung dafür nicht verzichtet werden kann, dass durch die sofortige Vollziehung für den Antragsteller Nachteile entstehen, die nicht oder nur schwer wieder gutzumachen sind.

Dem Antrag bleibt der Erfolg nach allem versagt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 3, 63 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.

Der Beschluss ist unanfechtbar ( § 152 Abs. 1 VwGO , § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG ).

Ende der Entscheidung

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