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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 08.07.2008
Aktenzeichen: OVG 9 S 20.08
Rechtsgebiete: VwGO, BGB, AmtsOBbg, VwVfG


Vorschriften:

VwGO § 122 Abs. 2
VwGO § 146 Abs. 4
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 1
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
BGB § 535
AmtsOBbg § 4 Abs. 3
AmtsOBbg § 5 Abs. 2
VwVfG § 1 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 9 S 20.08

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Kipp, die Richterin am Finanzgericht Sander-Hellwig und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Riese am 8. Juli 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 11. Februar 2008 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf unter 300 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - muss die Beschwerde gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer muss in der Beschwerdebegründung innerhalb der einmonatigen Beschwerdebegründungsfrist gem. § 146 Abs. 4 S. 1 VwGO darlegen, warum er die angefochtene Entscheidung in bestimmten Punkten für unrichtig hält und aus welchen Gründen eine andere Entscheidung als die des Verwaltungsgerichtes geboten ist, d. h. aus welchen Gründen eine Änderung des Beschlusses ernsthaft in Betracht zu ziehen ist. Die Prüfung des Oberverwaltungsgerichts beschränkt sich gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO in einer ersten Stufe darauf, ob die Beschwerde geeignet ist, die Begründung des angefochtenen Beschlusses zu erschüttern; nur wenn dies der Fall ist, ist auf einer zweiten Stufe von Amts wegen zu prüfen, ob sich der Beschluss auf der Grundlage der Erkenntnisse des Beschwerdeverfahrens im Ergebnis als richtig erweist oder geändert werden muss (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Senats vom 1. August 2005 - OVG 9 S 2.05 -).

Nach diesem Maßstab hat die Beschwerdeführerin die Begründung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts Potsdam nicht erschüttert, so dass das Beschwerdegericht nicht weiter zu prüfen hat, ob sich der angefochtene Beschluss trotz vorhandener Darlegungen, die dessen Richtigkeit erschüttern, zumindest im Ergebnis als zutreffend erweist.

Zu Unrecht nimmt die Beschwerdeführerin zunächst daran Anstoß, dass das Verwaltungsgericht zur Begründung seines Beschlusses die obergerichtlichen Grundsätze der in den Gründen zitierten Entscheidungen des Senats vom 22. November 2006 (OVG 9 A 68.05) und vom 22. Mai 2007 (OVG 9 N 38.06), auf die es seine Entscheidung stützt, nicht im Einzelnen ausgeführt hat. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr allein dadurch, dass es sich im Wesentlichen mit einem Verweis auf die entsprechende Rechtsprechung des Senats begnügt hat, seiner Begründungspflicht gem. § 122 Abs. 2 VwGO Genüge getan. Denn es ist prozessrechtlich grundsätzlich zulässig, die für die gerichtliche Überzeugung leitenden Gründe anzugeben durch eine in den Entscheidungsgründen ausgesprochene Bezugnahme auf tatsächliche Feststellungen und rechtliche Erwägungen in einer genau bezeichneten anderen Entscheidung. Das gilt jedenfalls, sofern die Beteiligten die in Bezug genommene Entscheidung kennen oder von ihr ohne Schwierigkeiten Kenntnis nehmen können und sofern sich für sie aus einer Zusammenschau der Ausführungen in der Bezug nehmenden und der in Bezug genommenen Entscheidung die für die richterliche Überzeugung maßgeblichen Gründe mit hinreichender Klarheit ergeben (vgl. BVerwG, Beschluss v. 03. Januar 2006 - 10 B 17/05 -, juris).

Hiervon ausgehend gibt der Umfang der von der Beschwerdeführerin beanstandeten Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats in dem angefochtenen Beschluss keinen Anlass zu Zweifeln an dessen prozessualer Wirksamkeit. Zumindest das in Bezug genommene Urteil des Senats vom 22. November 2006 war im Zeitpunkt der Bekanntgabe des erstinstanzlichen Beschlusses ohne weiteres im Volltext über "juris" abrufbar. Es war also für die Beteiligten zusammen mit der sie betreffenden Entscheidung verfügbar. Aus der Gesamtschau beider Entscheidungen (der erstinstanzlichen und der zitierten zweitinstanzlichen) ergibt sich für die Beteiligten auch deutlich, welche Erwägungen für die angefochtene Entscheidung maßgeblich geworden sind. Denn das Verwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen zutreffend ausgeführt, dass nach der zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung die Heranziehung der "üblichen Miete" als Bemessungsgrundlage für bestimmte Objekte einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz darstellt. Die diesbezüglich gleichgelagerte Problematik im Streitfall führt nach Auffassung des Verwaltungsgerichts zu demselben Ergebnis. Die Erwägungen der in Bezug genommenen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin - Brandenburg sind deshalb in der Zusammenschau auch als maßgebend für den Bezug nehmenden angefochtenen Beschluss zu erachten. Der Beschwerdeführerin hätte es also im Fall einer erfolgreichen Beschwerde zumindest zunächst einmal gelungen sein müssen, den durch die Begrifflichkeit in der Satzung angenommenen Gleichheitsverstoß auszuräumen.

Das ist nicht der Fall. Die Beschwerdeführerin hat den mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss in der Sache schon deshalb nicht erschüttert, weil ihre Beschwerdebegründung die Auseinandersetzung mit der zitierten Rechtsprechung des Senats und damit mit den Gründen des Beschlusses so gut wie gänzlich vermissen lässt. Auch ihre Einlassungen zur Sache auf S. 6 der Beschwerde vom 26. Februar 2008 stellen in diesem Zusammenhang nicht einmal ansatzweise eine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung dar, auf die sich das Verwaltungsgericht stützt.

Das gilt insbesondere für die Aussage der Beschwerdeführerin, die streitbefangene Satzung stelle in § 4 Abs. 3 für den Besteuerungsmaßstab u.a. bei durch die Eigentümer selbst genutzten Objekten durch die Verwendung des Begriffs "übliche Miete" ausschließlich auf den Begriff "Miete" i.S.v. § 535 BGB ab. Dieser Begriff beinhalte zwingend ausschließlich den reinen Mietzins ohne Betriebskosten. Es kann indes dahingestellt bleiben, ob diese behauptete Absicht der Gemeinde zutrifft, sich der zivilrechtlichen Begriffe zu bedienen. Denn selbst wenn man zum Verständnis der streitbefangenen Satzung das Zivilrecht heranzieht, berührt das die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht. Auch zivilrechtlich wird nämlich entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin regelmäßig unter "Miete" der Nettomietzins zuzüglich Umlagen und Nebenentgelten verstanden, die der Vermieter für die Nebenkosten oder Betriebskosten (vgl. Anlage 3 zu § 27 der II. Berechnungsverordnung) erhebt. Denn auch die Nebenleistungen sind Teil der Miete, weil sie durch das jeweilige Mietverhältnis veranlasst sind (vgl. Palandt- Weidenkaff, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 65. Auflage 2006, § 535 Rdnr. 72). Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, dass dem Vermieter der zugeflossene Vermögensvorteil nicht auf Dauer (endgültig) verbleibt. Umlagen und Nebenentgelte gehören auch nicht zu den durchlaufenden Posten, denn sie werden vom Vermieter nicht im Namen und für Rechnung des Mieters vereinnahmt und verausgabt (vgl. BFH, Urteil vom 14. Dezember 1999 - IX R 69/98 -. BStBl II 2000, 197 m. zahlreichen w.N.). Die entsprechenden Darlegungen in der Beschwerdebegründung sind damit für die Begründetheit der Beschwerde ohne Belang. Der Verweis der Antragsgegnerin auf den Begriff der Miete in § 535 BGB liegt folglich neben der Sache. Die die einschlägige Rechtsprechung dagegen im Kern kennzeichnende Problematik, ob die Heranziehung der "üblichen Miete" als Besteuerungsmaßstab in den fraglichen Fällen gegen den in Art. 3 GG grundgesetzlich verankerten Gleichheitssatz verstößt, hat die Beschwerdeführerin völlig unbeachtet gelassen. Ihrer Darlegungspflicht i.S. von § 146 Abs. 4 VwGO hat sie damit nicht genügt.

Dieser Entscheidung des Senats steht auch die geänderte, von der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 5. Mai 2008 eingereichte Satzung vom 9. April 2008 nicht entgegen, die mit Rückwirkung zum 1. Januar 2000 bestimmt, dass die Nebenkosten in die Bemessungsgrundlage für die Zweitwohnungssteuer weder bei vermieteten noch bei eigengenutzten Objekten einzubeziehen sind.

Das neue Satzungsrecht muss im Rahmen der Begründetheitsprüfung der Beschwerde schon deshalb außer Betracht bleiben, weil es von der Antragsgegnerin erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist in das Beschwerdeverfahren eingeführt worden ist. Nach Ablauf der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 S. 1 VwGO vorgetragene Beschwerdegründe finden aber bei der Überprüfung, ob die erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bedenken unterliegt, grundsätzlich keine Berücksichtigung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 15. Aufl., § 146, Rn. 43 m.w.N.).

Dessen ungeachtet ist allerdings auch fraglich, ob die erstinstanzlich angenommenen ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Zweitwohnungssteuerbescheides durch das neue Satzungsrecht überhaupt ausgeräumt werden könnten. Die auf ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Zweitwohnungssteuerbescheids basierende Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung würde nämlich im Ergebnis auch unter Berücksichtigung der geänderten Satzung nicht in Frage gestellt, wenn das neue Satzungsrecht diesbezüglich zu neuen ernstlichen Zweifeln Anlass gäbe. Die Zweitwohnungssteuer ist von dem Beklagten unstreitig nach Maßgabe der "alten" Satzung auf der Grundlage der "üblichen Miete" festgesetzt worden. Auf der Grundlage der geänderten Satzungsbestimmungen, die nunmehr den "Mietaufwand" ohne Nebenkosten (die Nettokaltmiete) als Bemessungsgrundlage heranziehen, könnte damit die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Zweitwohnungssteuerbescheides nun in Zweifel zu ziehen sein, weil die Steuer auf einer falsch berechneten Bemessungsgrundlage beruhte. Das wäre dann der Fall, wenn die fraglichen Bemessungsgrundlagen in beiden Satzungen inhaltlich nicht identisch wären. Auch diesbezüglich fehlt aber jedenfalls die die Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses erschütternde Darlegung durch die Beschwerdeführerin.

Ebenfalls ohne Erfolg rügt die Beschwerdeführerin, der angefochtene Beschluss sei rechtswidrig, weil er die Antragsgegnerin in ein Prozessrechtsverhältnis einbeziehe, obwohl diese nicht passivlegitimiert sei. Auch hier irrt die Beschwerdeführerin; die Zulässigkeit des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz scheitert entgegen deren Einlassungen nicht an ihrer fehlenden Passivlegitimation.

Der Antrag ist ebenso wie die Klage im Hauptsacheverfahren gegen den Rechtsträger zu richten, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat (§ 78 Abs. 1 Ziff. 1 VwGO). Zutreffend hat im Streitfall den angefochtenen Umlagenbescheid vom 16. August 2006 nicht die Gemeinde Stechow-Ferchesar erlassen, sondern das Amt Nennhausen, dem diese Gemeinde angehört (§ 5 Abs. 2 S.2 i. V. m. § 4 Abs. 2 und 3 Amtsordnung für das Land Brandenburg - AmtsOBbg -) in der Fassung der Bekanntmachung Vom 10. Oktober 2001 (GVBl. I/01, 188) zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben vom 04. Juni 2003 (GVBl. I/03, 172, 176). Nach § 5 Abs. 2 AmtsOBbg besorgt das Amt für die amtangehörigen Gemeinden in eigener Zuständigkeit neben anderen Aufgaben auch die Veranschlagung und Erhebung der Gemeindeabgaben. Nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 4 VwVfG, wonach eine jede Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmende Stelle als Behörde anzusehen ist (vgl. hierzu auch: Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 15. Aufl., § 42, Rn. 16 m.w.N.), handelt das Amt dabei als Behörde. Das Amt Nennhausen ist deshalb der den Verwaltungsakt erlassende Rechtsträger in dem hier maßgeblichen Sinn.

Die Passivlegitimation der Antragsgegnerin ergibt sich ferner aus der weiteren gesetzlichen Bestimmung des § 4 Abs. 3 AmtsO Bbg, wonach das Amt die Gemeinde in gerichtlichen Verfahren vertritt. Das Amt tritt in diesen Fällen in Prozessstandschaft für die amtsangehörigen Gemeinde auf, nicht als Vertreter (vgl. Berater/Schumacher/Scheibner, Amtsordnung für das Land Brandenburg, Kommentar, § 5 Textziffer 3.1.2.). Daraus lässt sich der Grundsatz herleiten, dass amtsangehörige Gemeinden grundsätzlich nicht Beteiligte in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren sind (so auch ausdrücklich: Oberverwaltungsgericht Greifswald, Beschluss vom 2. August 1994 - 1 M 84/94 -, LKV 1995, 252 m.w.N.). Das Amt Nennhausen, vertreten durch die Amtsdirektorin, ist folglich sowohl der "richtige" Antragsgegner in dem vorliegenden Rechtsstreit als auch der "richtige" Beklagte im Hauptsacheverfahren.

Nach allem ist der Beschwerde der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1, 63 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO , § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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