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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 10.02.2009
Aktenzeichen: OVG 9 S 26.08
Rechtsgebiete: VwGO, KAG
Vorschriften:
VwGO § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 | |
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 1 | |
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3 | |
KAG § 8 Abs. 2 Satz 1 | |
KAG § 8 Abs. 2 Satz 2 |
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS
OVG 9 S 26.08 OVG 9 S 27.08 OVG 9 S 28.08
In den Verwaltungsstreitsachen
hat der 9. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Leithoff, die Richterin am Finanzgericht Sander-Hellwig und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Marenbach am 10. Februar 2009 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 19. März 2008 (12 L 657/05) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerinnen jeweils zur Hälfte.
Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für beide Instanzen jeweils auf 541,13 EUR festgesetzt.
Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 19. März 2008 (12 L 658/05) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerinnen jeweils zur Hälfte.
Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für beide Instanzen jeweils auf 37,95 EUR festgesetzt.
Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 19. März 2008 (12 L 659/05) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerinnen jeweils zur Hälfte.
Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für beide Instanzen jeweils auf 1.635,87 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerinnen wenden sich gegen die vorläufige Vollziehbarkeit dreier Straßenausbaubeitragsbescheide, durch die sie jeweils zu folgenden Straßenausbaubeiträgen herangezogen worden sind:
Grundstück | Beitragshöhe (Bescheide vom 20. August 2004 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23. August 2005) |
G_____; D_____ | 2.164,53 € |
G_____; F_____; N_____; (_____ | 156,53 € |
G_____; F_____; (_____ | 10.900,19 € |
Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung lediglich in Bezug auf den Bescheid betreffend das Grundstück Gemarkung S_____ angeordnet, soweit der geforderte Ausbaubeitrag 6.543,49 Euro überstieg; im Übrigen hat es die Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt. Nach Beschwerdeerhebung änderte der Antragsgegner die Bescheide wie folgt:
Grundstück | neue Beitragshöhe (Änderungsbescheide vom 5. Juni 2008) |
G_____; F_____; D_____ | 2.289,52 € |
G_____; F_____; N_____; (_____ | 127,36 € |
G_____; F_____; (_____ | 5.878,14 € |
Hierauf haben die Antragstellerinnen im Beschwerdeverfahren nicht reagiert.
II.
Die Beschwerden haben keinen Erfolg.
Gegenstand der Beschwerden ist jeweils die Frage, ob den Antragstellerinnen vorläufiger Rechtsschutz gegen die Straßenausbaubeitragsbescheide vom 20. August 2004 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23. August 2005 zusteht. Das gilt schon deshalb, weil die Antragstellerinnen die Änderungsbescheide vom 5. Juni 2008 nicht in das Verfahren einbezogen haben; danach kann offen bleiben, ob eine solche Einbeziehung überhaupt zulässig wäre.
Die Beschwerden sind ungeachtet der nicht erfolgten Einbeziehung der Änderungsbescheide wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, soweit der Antragsgegner den Straßenausbaubeitrag bezüglich der Flurstücke 1_____ nachträglich vermindert hat; im Umfang der Verminderung geht das Begehren nach vorläufigem Rechtsschutz ins Leere.
Im Übrigen sind die Beschwerden zulässig, aber unbegründet.
Beschwerden gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sind innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen (§ 146 Abs. 4 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Mit Blick auf diese Bestimmungen wird im Beschwerdeverfahren zunächst nur untersucht, ob die innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist dargelegten Gründe die Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung erschüttern. Nur wenn das der Fall ist, prüft das Oberverwaltungsgericht ohne Bindung an die dargelegten Gründe weiter, ob nach allgemeinem Maßstab der in Rede stehende vorläufige Rechtsschutz zu gewähren ist.
Danach sind die Beschwerden hier zurückzuweisen.
Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass eine beitragsfähige Maßnahme in Gestalt einer Verbesserung im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) vorliegt. Die diesbezügliche Begründung des Verwaltungsgerichts wird durch die Beschwerden nicht erschüttert. Das Verwaltungsgericht hat unter anderem darauf abgestellt, dass auf bestimmten Teilstrecken erstmals ein Gehweg angelegt und die Straßenbeleuchtung insgesamt verbessert worden sei. Hiermit setzen sich die Beschwerdebegründungen schon nicht auseinander. Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen einer Verbesserung weiter damit begründet, dass der Gehweg auf anderen Teilstrecken verbreitert worden sei und im Übrigen einen verbesserten Unterbau und eine verbesserte Oberfläche erhalten habe. Diese Argumentation wird nicht durch den Hinweis erschüttert, dass zuvor ein Plattenweg von ca. 100 cm Breite und eine parallel dazu verlaufende gepflasterte (Straßen-)Entwässerungsrinne von ca. 80 cm Breite vorhanden gewesen seien, die zusammen ebenfalls einen gut benutzbaren Gehweg von ca. 1,80 cm Breite ergeben hätten. Abgesehen davon, dass der Plattenweg und die Entwässerungsrinne ausweislich auch der von den Antragstellerinnen selbst vorlegten Fotos durch einen Grünstreifen voneinander getrennt gewesen sind, steht außer Frage, dass der nunmehr vorhandene Gehweg mit glatter Oberfläche verkehrstechnische Vorteile gegenüber einem aus einem Plattenweg und einer Entwässerungsrinne zusammengesetzten "Gehweg" bietet. Die Beschwerden zeigen auch nicht auf, dass diese Verbesserung durch anderweitige Verschlechterungen in der Weise kompensiert worden wären, dass beitragsrechtlich insgesamt keine Verbesserung vorliegt. Die Hinweise auf eine Verschmälerung der Zufahrt des Grundstücks D_____, auf das damit im Zusammenhang stehende Verschwinden von ca. 40 qm Pflastersteinen und auf die Nachteilhaftigkeit der Ausbaumaßnahme am Gehweg für die Entwässerung der anliegenden Grundstücke greifen insoweit nicht. Hiermit sind keine verkehrstechnischen Belange angesprochen. Bei Verkehrsanlagen ist indessen die Frage, ob im beitragsrechtlichen Sinne eine Verbesserung vorliegt, verkehrstechnisch zu beantworten; dies gilt nicht nur in Bezug auf die positiven Seiten einer Ausbaumaßnahme, sondern auch in Bezug auf die Frage, ob diese positiven Seiten durch negative Seiten derselben Ausbaumaßnahme so kompensiert werden, dass im Ergebnis keine Verbesserung vorliegt (vgl. jeweils mit weiteren Nachweisen: Becker, in: Becker, u. a., Kommentar zum Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg, Rdnr. 106 und 110 zu § 8 KAG; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeitragsrecht, 8. Auflage, § 32 Rdnr. 40 ff., 51 f.).
Anders als die Antragstellerinnen mit ihren Beschwerden meinen, bietet die Verbesserung des Gehwegs und der Straßenbeleuchtung ihnen auch einen wirtschaftlichen Vorteil im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG. Die Möglichkeit, den verbesserten Gehweg und die verbesserte Straßenbeleuchtung in Anspruch zu nehmen, erhöht den Gebrauchswert ihrer Grundstücke. Dieser Vorteil wird ebenfalls nicht durch die Verschmälerung der Zufahrt zum Grundstück D_____, durch das Verschwinden von Pflastersteinen oder durch Nachteile bei der Grundstücksentwässerung beseitigt. Die Zufahrt zum Grundstück D_____ kann ihre Funktion nach wie vor erfüllen. Dem Verschwinden der Pflastersteine und etwaigen Problemen mit der Grundstücksentwässerung kann und muss außerhalb des Beitragserhebungsverfahrens begegnet werden, hierauf hat - in Bezug auf eine Pfützenbildung auf der Zufahrt des Grundstücks D_____ - bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen, ohne dass die Beschwerde sich damit auseinandergesetzt hätte.
Soweit die Antragstellerinnen mit ihren Beschwerden geltend machen, dass das Flurstück 1_____ von der Eigentümerin des benachbarten Flurstücks 1_____ im Wege eines Überbaus mitgenutzt werde und dass diese bereits zu einem Straßenausbaubeitrag auch für das Flurstück 1_____ herangezogen worden sei, setzen sie sich nicht mit der selbstständig tragenden Argumentation des Verwaltungsgerichts auseinander, wonach ein Überbau nichts an der Beitragspflicht des Grundstückseigentümers ändert; dies genügt bereits dem Darlegungserfordernis des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht. Das gleiche gilt, soweit die Antragstellerinnen behaupten, die vom Verwaltungsgericht konkret zu Grunde gelegte Aufteilung des Flurstücks 1_____ in Flächen mit unterschiedlichem Nutzungsfaktor sei unrichtig; insoweit haben die Antragstellerinnen lediglich eine vom Verwaltungsgericht abweichende Tatsachenbewertung vorgenommen, ohne die Vorzugswürdigkeit ihre Sicht substantiiert darzutun. Abgesehen davon ist für umfangreiche Tatsachenaufklärung im Eilverfahren kein Raum; verbleibende Unsicherheiten gehen wegen der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO vom Gesetzgeber getroffenen Grundentscheidung zu Gunsten der vorläufigen Vollstreckbarkeit zu Lasten der Abgabenpflichtigen.
Die Kostenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für die Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG); die Änderung der Streitwertfestsetzungen für die erstinstanzlichen Verfahren auf § 63 Abs. 3 GKG. Begehren mehrere Personen mit einem gemeinsamen Antrag vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Heranziehung zu Straßenausbaubeiträgen, die sie als Gesamtschuldner trifft, so ist als Streitwert grundsätzlich ein Viertel des einfachen Heranziehungsbetrages festzusetzen. Soweit der Senat in der Vergangenheit demgegenüber stets eine Vervielfachung entsprechend der Antragstellerzahl vorgenommen hat, gibt er seine bisherige Rechtsprechung auf. Bei der Streitwertfestsetzung sind die Werte mehrerer verfolgter Begehren dann nicht zusammenzuzählen, wenn die Begehren wirtschaftlich identisch sind. Das ist regelmäßig der Fall, wenn sich mehrere Gesamtschuldner gemeinsam gegen eine Leistungspflicht wehren. Zwar kann jeder von ihnen gesondert in Anspruch genommen werden (vgl. § 421 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB). Im Binnenverhältnis besteht aber eine Ausgleichspflicht (vgl. § 426 Abs. 1 BGB). Dies genügt für die Annahme einer wirtschaftlichen Identität, es sei denn, es wäre absehbar, dass der gebotene Ausgleich tatsächlich nicht erfolgen wird; dafür bestehen hier aber keine Anhaltspunkte.
Diese Beschlüsse sind unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Ende der Entscheidung
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