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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 03.08.2006
Aktenzeichen: OVG 9 S 4.06
Rechtsgebiete: VwGO, VwVG BB, AO


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2
VwVG BB § 5
AO § 259 Satz 1
1. Eine Vollstreckung im Sinne von § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO droht erst dann, wenn die Behörde konkrete Vorbereitungshandlungen für die Durchführung der Vollstreckung getroffen hat und aus der Sicht eines objektiven Betrachters die Vollstreckung zeitlich so unmittelbar bevorsteht, dass es dem Antragsteller nicht zuzumuten ist, zunächst bei der Behörde und nicht unmittelbar bei Gericht die Aussetzung der Vollziehung zu beantragen.

2. Eine Mahnung nach § 259 Abs. 1 AO genügt in diesem Sinn nicht ohne weiteres für eine drohende Vollstreckung, auch wenn mit ihr eine Androhung oder Ankündigung der Vollstreckung verbunden wird. Es kommt maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls an.


OVG 9 S 4.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schmidt, den Richter am Oberverwaltungsgericht Bath und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Gaube am 3. August 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 9. Januar 2006 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 210,- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.

Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) muss die Beschwerde gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einen bestimmten Antrag enthalten, innerhalb der Frist von einem Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Der Beschwerdeführer muss darlegen, warum er die angefochtene Entscheidung in bestimmten Punkten für unrichtig hält und aus welchen Gründen eine andere Entscheidung des Verwaltungsgerichts geboten ist (vgl. nur Beschluss des Senats vom 1. August 2005 - OVG 9 S 2.05 -), d.h. aus welchen Gründen eine Änderung des Beschlusses ernsthaft in Betracht zu ziehen ist. Eine Prüfung von Amts wegen findet insoweit nicht statt. (Zu einer etwaigen weiteren Prüfung, falls die Begründung des angefochtenen Beschlusses mit der Beschwerde erschüttert wird, vgl. den vorzitierten Beschluss des Senats vom 1. August 2005).

Nach diesen Maßstäben kann die Antragstellerin mit ihrer Beschwerdebegründung nicht durchdringen. Sie zeigt nicht auf, dass sich das Verwaltungsgericht mit dem Antrag in der Sache hätte befassen müssen, statt ihn wegen Fehlens des behördlichen Aussetzungsverfahrens des § 80 Abs. 6 VwGO als unstatthaft abzulehnen.

Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Durchführung des behördlichen Aussetzungsverfahren nicht wegen drohender Vollstreckung (§ 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO) entbehrlich gewesen sei. Das von der Antragstellerin vorgelegte Mahnschreiben des Antragsgegners vom 3. Mai 2005 reiche dafür nicht aus, da darin nur ganz allgemein darauf hingewiesen werde, im Falle der Nichtzahlung der ausstehenden Hundesteuer werde nach Ablauf einer Frist von einer Woche das Verwaltungszwangsverfahren "eingeleitet"; erforderlich sei, dass eine konkrete Vollstreckungsmaßnahme alsbald zu erwarten sei. Dagegen hat die Antragstellerin vorgebracht, dass die Mahnung offenbar an die Vorschrift des § 259 Abgabenordnung (AO) anknüpfe, nach der vor Beginn der Vollstreckung mit einer Zahlungsfrist von einer Woche gemahnt werden solle. In Ansehung dieser Regelung müsse im Gegensatz zur Auffassung des Verwaltungsgerichts nach Ablauf der Wochenfrist jederzeit ohne weitere Ankündigung mit der Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen gerechnet werden.

Mit diesen Ausführungen wird die Begründung des angefochtenen Beschlusses nicht erschüttert. Dass es sich bei dem Schreiben um eine Mahnung im Sinne von § 259 Satz 1 AO, der gemäß § 5 Verwaltungsvollstreckungsgesetz Brandenburg (VwVG BB) bei der Vollstreckung von Geldforderungen der Kommunen entsprechend gilt, handeln könnte, mag unterstellt werden. Daraus folgt indessen nicht ohne weiteres, dass die Vollstreckung im Sinne von § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO schon droht. Die Mahnung nach § 259 AO ist selber noch nicht Teil der Vollstreckung, wie sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift ("..vor Beginn der Vollstreckung..") ergibt, sondern Teil des Erhebungsverfahrens (Hübschmann/ Hepp/ Spitaler, AO, FGO, Stand: März 2006, - HHSp -, Müller-Eiselt, § 259 AO RNr. 7) und verfolgt das Ziel, den Schuldner unter Hinweis auf die nachteiligen Folgen einer Vollstreckung noch einmal zur freiwilligen Zahlung zu veranlassen, also eine Vollstreckung gerade zu erübrigen. Was nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist konkret geschieht und mit welchen zeitlichen Vorgaben und Maßnahmen die Vollstreckung der Mahnung folgt, ist eine im Wesentlichen noch offene Frage, zumal die Mahnung nach § 259 AO grundsätzlich nicht Sache der Vollstreckungsstelle, sondern der für das Leistungsgebot zuständigen Stelle ist (HHSp -, Müller-Eiselt, § 259 AO RNr. 7). Das Verwaltungsgericht hat dementsprechend jedenfalls insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass der hier vorliegende Hinweis der Stadtkasse P_____ nach Ablauf der gesetzten Ein-Wochen-Frist sehe man sich gezwungen, das Verwaltungszwangsverfahren "einzuleiten", für ein Drohen der Vollstreckung noch nicht ausreicht, als nicht eine jede Androhung oder Ankündigung der Vollstreckung im Rahmen des § 259 AO für § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO genügt.

Eine Vollstreckung im Sinne dieser Vorschrift droht erst dann, wenn die Behörde konkrete Vorbereitungshandlungen für die Durchführung der Vollstreckung getroffen hat und aus der Sicht eines objektiven Betrachters die Vollstreckung zeitlich so unmittelbar bevorsteht, dass es dem Antragsteller nicht zuzumuten ist, zunächst bei der Behörde statt unmittelbar bei Gericht die Aussetzung der Vollziehung zu beantragen (vgl. BFH schon zur vergleichbaren Regelung des Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit -VGFGEntlG-, Beschluss vom 5. Juni 1985 -II S 3/85-, BFHE 143, 414; BFH, Beschluss vom 27. März 2000 - III S 6/99 -, FG Münster, Beschluss vom 10. Dezember 2001 - 1 V 3502/01E, G, U -, FG München, Beschluss vom 29. Januar 2003 - 13 V 5374/02 - und FG Meckl.- Vorpomm., Beschluss vom 28. August 2004 - 3 V 102/04 - jeweils zur gleich lautenden Vorschrift des § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-, alle zitiert nach juris). Dem entspricht auch die bisherige Rechtsprechung des Senats, wonach allein auf der Grundlage der Ankündigung, dass bei Nichtzahlung die Vollstreckung notwendig werde, die Vollstreckung noch nicht droht, sondern erforderlich ist, dass der Beginn von Vollstreckungsmaßnahmen von der Behörde für einen unmittelbar bevorstehenden Termin angekündigt ist oder konkrete Vorbereitungen der Behörde für eine alsbaldige Vollstreckung vorliegen (vgl. Beschluss des Senats vom 2. Mai 2006 - OVG 9 S 5.06 -, m.w.N., ferner Beschluss des OVG Brandenburg vom 17. März 2004 - 2 B 49/04-, zitiert nach juris). Wann eine Mahnung i.S.d. § 259 AO die Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO erfüllt, hängt danach von den Umständen des Einzelfalls ab. Entscheidend ist, ob dem Schuldner gemessen an konkreten Vollstreckungsvorbereitungen bei der Vollstreckungsankündigung noch ausreichend Zeit verbleibt, bei der Behörde einen Aussetzungsantrag zu stellen (HHSp, Birkenfeld, § 69 FGO Nr. 1119). Insoweit gilt ein strenger Maßstab, weil § 80 Abs. 6 VwGO das Ziel verfolgt, die Gerichte von Aussetzungsanträgen zu entlasten, und im Regelfall davon auszugehen ist, dass die Behörden über einen bei ihnen angebrachten Aussetzungsantrag vor Durchführung der Vollstreckung entscheiden. Unzumutbar ist der Antrag bei der Behörde erst dann, wenn aus der Sicht des Betreffenden fassbare und triftige Gründe bestehen, dass der Antrag insoweit zu spät kommen könnte (vgl. zu einem solchen Fall etwa BFH, Beschluss vom 22. November 2000 - V S 15/00 -, zitiert nach juris, bei einer "Vollstreckungsankündigung", nachdem in erster Gerichtsinstanz die Behörde in der Hauptsache bestätigt worden war) oder die Behörde sich über ihn im Sinne einer Nichtbescheidung oder sonst durch Betreiben der Vollstreckung hinwegsetzen würde. Eine solche Sachlage hat das Verwaltungsgericht nicht erkannt, sondern aus dem Begriff "Einleiten" - wie die Hervorhebung des Begriffes in der Beschlussbegründung ausweist - des Verwaltungszwangsverfahrens geschlossen, dass der Antragstellerin bis zur Konkretisierung von Vollstreckungsmaßnahmen noch ausreichend Zeit für einen Aussetzungsantrag beim Antragsteller bzw. ein Abwarten auf seine Bescheidung verblieb, bevor es zu Vollstreckungsmaßnahmen kommen könnte. Damit hat die Antragstellerin sich indessen nicht weiter auseinander gesetzt. Insbesondere hat sie auch keine Umstände vorgetragen, wonach es zur Zeit des Antrags vom 18. Mai 2005 bei Gericht schon zu bestimmten Vollstreckungs- oder eine Vollstreckung konkret vorbereitenden Handlungen des Antragsgegners gekommen wäre. Immerhin war in diesem Zeitpunkt die mit der Mahnung vom 3. Mai 2005 gesetzte Wochenfrist schon überschritten, ohne dass etwas geschehen wäre. Zudem hielt die Antragstellerin selbst im Zeitpunkt des Antrages bei Gericht einen Aussetzungsantrag bei der Behörde für noch sinnvoll, da sie einen solchen Antrag unter demselben Datum wie in der Antragsschrift für das Gericht gestellt hat.

Hat die Beschwerde somit schon aus den dargelegten Gründen keinen Erfolg, kommt es nicht weiter darauf an, ob Letzteres auch für die weitere Begründung des Verwaltungsgerichts gilt, dass dem Aussetzungsantrag auch in der Sache nicht hätte stattgegeben werden können, oder ob nach der Beschwerdebegründung insoweit hätte etwas anderes gelten können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1, 63 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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