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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 20.03.2006
Aktenzeichen: OVG 9 S 91.05
Rechtsgebiete: VwGO, KAG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
KAG § 2 Abs. 1 Satz 2
KAG § 8 Abs. 6 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 9 S 91.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schmidt, den Richter am Oberverwaltungsgericht Bath und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Gaube am 20. März 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 2. November 2005 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.256,77 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerde gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer muss in der Beschwerdebegründung darlegen, warum er die angefochtene Entscheidung in bestimmten Punkten für unrichtig hält und aus welchen Gründen eine andere Entscheidung als die des Verwaltungsgerichtes geboten ist (vgl. OVG Bbg, u. a. Beschlüsse des Senats vom 29. April 2003 - 2 B 4/03 -, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - 2 B 265/03 -, veröffentl. in Juris m.w.N.), d. h. aus welchen Gründen eine Änderung des Beschlusses ernsthaft in Betracht zu ziehen ist. Die Prüfung des Oberverwaltungsgerichts beschränkt sich gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO in einer ersten Stufe darauf, ob die Beschwerde geeignet ist, die Begründung des angefochtenen Beschlusses zu erschüttern; nur wenn dies der Fall ist, ist auf einer zweiten Stufe von Amts wegen zu prüfen, ob sich der Beschluss auf der Grundlage der Erkenntnisse des Beschwerdeverfahrens im Ergebnis als richtig erweist oder geändert werden muss (vgl. Beschluss des Senats vom 1. August 2005 - OVG 9 S 2.05 -).

Nach diesen Maßstäben führt die Prüfung des Beschwerdevorbringens nicht zur Vollprüfung der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses, denn es ist nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in Frage zu stellen.

Dem Vorbringen der Beschwerde, für den Erlass des angefochtenen Beitragsbescheides fehle die satzungsrechtliche Grundlage, kann nicht gefolgt werden. Die Antragsteller berufen sich unter Hinweis auf die Rechtsprechung des bisherigen Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg (Urteil vom 3. Dezember 2003 - 2 A 417/01 - S. 19 d. UA) und die Regelung des § 8 Abs. 6 Satz 3 Kommunalabgabengesetz - KAG - in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben vom 17. Dezember 2003 (GVBl. I S. 294) darauf, dass die Satzung bis zum 1. Februar 2004 einen sog. Artzuschlag für gewerbliche genutzte Grundstücke habe enthalten müssen; ohne entsprechende Regelung sei die Maßstabsregelung unvollständig und die Beitragssatzung verfüge mit der Folge der Gesamtnichtigkeit nicht über den nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG erforderlichen Mindestinhalt. Abgesehen davon, dass das Beschwerdevorbringen schon nicht schlüssig erläutert, weshalb nach den örtlichen Verhältnissen im Verbandsgebiet die Regelung eines Artzuschlages für die gewerbliche (industrielle -, Kerngebiets -) Nutzung erforderlich ist, verkennen die Antragsteller, dass die Beitragssatzung - auch nach ihrem eigenen Vorbringen - jedenfalls seit dem 29. Mai 2004, dem Tage nach der Bekanntmachung der 3. Änderungssatzung, eine solche Regelung des Artzuschlages nicht mehr enthält, sei sie - wofür bei verständiger Auslegung der Inkrafttretensvorschriften der ursprünglichen Beitragssatzung vom 7. November 2001 und der 3. Änderungssatzung alles spricht - nur mit Wirkung für die Zukunft oder aber - wie die Antragsteller meinen - infolge der nicht geänderten ursprünglichen Bestimmung (§ 16) über das In-Kraft-Treten zum 29. Dezember 2001 auch mit Wirkung für die Vergangenheit entfallen. Denn nach der zwischen den Beteiligten nicht strittigen Angabe in dem angefochtenen Beitragsbescheid vom 18. Januar 2005 ist die sachliche Beitragspflicht erst im Dezember 2004 entstanden, so dass die Rechtmäßigkeit des Bescheides von dem in diesem Zeitpunkt einschlägigen Regelungsgehalt der Satzung abhängt. Soweit die Antragsteller in diesem Zusammenhang der Sache nach geltend machen wollen, dass die Satzung im maßgeblichen Zeitpunkt ungültig sei, wenn sie bei ihrer erstmaligen Bekanntmachung einen zur Ungültigkeit führenden inhaltlichen Mangel aufwies und daher ohne neuen Beschluss des Satzungsgebers nicht in Kraft gesetzt werden kann, und zwar selbst dann nicht, wenn die Rechtslage nunmehr den Beschluss der Satzung in ihrer bisherigen Fassung zuließe, entspricht dies nicht der Falllage.

Eine solche Konstellation liegt hier nämlich nicht vor. Auf der Grundlage der für das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO geltenden Maßstäbe spricht mit dem Verwaltungsgericht nichts dagegen, dass die am 7. November 2001 beschlossene Beitragssatzung am Tage nach ihrer Bekanntmachung in Kraft getreten ist. Seinerzeit konnte von einer Unvollständigkeit der Maßstabsregelung wegen fehlenden Artzuschlages keine Rede sein. Wenn nunmehr - nach dem Verständnis der Antragsteller - durch die 3. Änderungssatzung eine Unvollständigkeit der Beitragssatzung bis zum Ablauf des 31. Januar 2004 bewirkt worden wäre, führte das nur zur teilweisen Unwirksamkeit der - auch nach Auffassung der Antragsteller versehentlich bewirkten - Rückwirkung auf den Zeitpunkt des erstmaligen Inkrafttretens, soweit es die Zeit bis zum Ablauf des 31. Januar 2004 bzw. des 30. Juni 2004 angeht. Denn eine zu weit in die Vergangenheit zurückreichende Rückwirkungsanordnung ist grundsätzlich teilbar, d.h. sie lässt sich für den zeitlichen Abschnitt zulässiger Rückwirkung aufrechterhalten, wenn - was in der hier vorliegenden Konstellation, in der ohnehin nichts für einen Willen des Satzungsgebers spricht, für die 3. Änderungssatzung eine Rückwirkungsanordnung mit dem beschriebenen Inhalt treffen zu wollen, keinen Bedenken unterliegt - anzunehmen ist, dass der Satzungsgeber in Kenntnis des sonst eintretenden Rechtsverstoßes die Rückwirkung entsprechend beschränkt haben würde (vgl. zur Teilbarkeit von Satzungen OVG Bbg, Urteil vom 14. Juli 2000 - 2 D 27/00.NE - UA S. 9 ff.).

Hiernach wird die Auffassung des Verwaltungsgerichts, bei summarischer Prüfung habe im für die Veranlagung der Antragsteller maßgeblichen Zeitpunkt (ab Dezember 2004) eine wirksame Beitragssatzung ohne bei leitungsgebundenen Einrichtungen entbehrliche Regelung eines Artzuschlages in der Bemessungsregelung vorgelegen, nicht rechtserheblich erschüttert.

Gleiches gilt auch für das Vorbringen der Antragsteller, nach dem wirtschaftlichen Grundstückbegriff dürfe bei bebaubaren Grundstücken nur die überbaubare Grundstücksfläche als durch die Anschlussmöglichkeit bevorteilte wirtschaftliche Einheit herangezogen werden. Insoweit hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des bisherigen Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg (Urteil vom 26. September 2002 - 2 D 9/02.NE - LKV 2003, 284) ausgeführt, dass in Anwendung des wirtschaftlichen Grundstücksbegriffs das Buchgrundstück Ausgangspunkt für die Bestimmung wirtschaftlicher Einheiten ist und regelmäßig die wirtschaftliche Einheit bildet. Weiter hat es richtig ausgeführt, dass das Buchgrundstück im beplanten und im unbeplanten Innenbereich in seiner Gesamtheit Baulandqualität besitzt (vgl. zu diesem Verständnis OVG Bbg a.a.O., S. 13 f. des Urteilsbadrucks) und deshalb auch das Grundstück in seiner gesamten Ausdehnung die wirtschaftliche Einheit bildet (vgl. hierzu OVG Bbg a.a.O., S. 11 des Urteilsabdrucks), deren wirtschaftlicher Vorteile durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Abwasserbeseitigungsanlage umfassend zu entgelten ist. Auch ist die Aussage des Verwaltungsgerichts zutreffend, dass es den Regelfall darstellt, wenn Grundstücke, die in diesem Sinne Bauland und ihrer gesamten Fläche nach wirtschaftliche Einheiten sind, nicht auf ihrer gesamten Fläche überbaut werden können. Diesem Umstand kommt aber für den wirtschaftlichen Vorteil durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Anlage regelmäßig keine Bedeutung zu, weil die durch die Inanspruchnahmemöglichkeit bewirkte Erhöhung des Gebrauchswertes des Grundstücks wächst, je größer die Grundstücksfläche ist (vgl. dazu OVG NW, Beschluss vom 5. November 2002 - 15 A 4060/02 - zitiert nach juris). Hiervon ausgehend ist es nicht nachvollziehbar, weshalb es nach dem Beschwerdevorbringen aus Gründen der Beitragsgerechtigkeit geboten sein sollte, nur Teile einer wirtschaftlichen Einheit für die Berechnung des Beitrages heranzuziehen. Es liegt vielmehr so, dass es je nach Lage der örtlichen Verhältnisse die Beitragsgerechtigkeit berühren kann, wenn der Satzungsgeber eine nur teilweise Berücksichtigung der Grundstücksflächen, etwa durch eine Tiefenbegrenzungsregelung, vorschreibt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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