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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 30.01.2006
Aktenzeichen: OVG 9 S 92.05
Rechtsgebiete: KAG, VwGO


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs 2 Nr. 1
VwGO § 80 Abs. 5 S 1 Alt 1
VwGO § 86
VwGO § 146 Abs. 4
KAG Bbg § 8 Abs 2 S 2
KAG Bbg § 8 Abs 4 S. 3
KAG Bbg § 8 Abs. 6 S 1
Eine etwaige Unterschreitung des nach dem wirtschaftlichen Grundstückbegriff zu ermittelnden Beitragssatzes führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Beitragsbescheide.
OVG 9 S 92.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schmidt, den Richter am Oberverwaltungsgericht Bath und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Gaube am 30. Januar 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 9. November 2005 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdever-fahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 814,50 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerde gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer muss in der Beschwerdebegründung darlegen, warum er die angefochtene Entscheidung in bestimmten Punkten für unrichtig hält und aus welchen Gründen eine andere Entscheidung als die des Verwaltungsgerichtes geboten ist (vgl. OVG Bbg, u. a. Beschlüsse des Senats vom 29. April 2003 - 2 B 4/03 -, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - 2 B 265/03 -, veröffentl. in Juris m.w.N.), d. h. aus welchen Gründen eine Änderung des Beschlusses ernsthaft in Betracht zu ziehen ist. Die Prüfung des Oberverwaltungsgerichts beschränkt sich gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO in einer ersten Stufe darauf, ob die Beschwerde geeignet ist, die Begründung des angefochtenen Beschlusses zu erschüttern; nur wenn dies der Fall ist, ist auf einer zweiten Stufe von Amts wegen zu prüfen, ob sich der Beschluss auf der Grundlage der Erkenntnisse des Beschwerdeverfahrens im Ergebnis als richtig erweist oder geändert werden muss (vgl. Beschluss des Senats vom 1. August 2005 - OVG 9 S 2.05 -).

Die Prüfung des Beschwerdevorbringens der Antragstellerin führt nicht zu einer Eröffnung der beschriebenen zweiten Prüfungsstufe. Es ist nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses in Frage zu stellen.

Die angefochtene Entscheidung leidet nicht an dem behaupteten Verfahrensmangel eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz. Dessen Umfang richtet sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach dem dort anzuwendenden Prüfungsmaßstab. Diesen Prüfungsmaßstab für das Verfahren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bei Abgabenbescheiden (§ 80 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO) hat das Verwaltungsgericht dem angefochtenen Beschluss jedoch zutreffend zugrunde gelegt, indem es ausgeführt hat, dass ernstliche Zweifel erst gegeben sind, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als dessen Misserfolg und der Prüfungsrahmen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegenüber der Vollprüfung im Hauptsacheverfahren eingeschränkt ist. Regelmäßig ist von der Gültigkeit der einer Abgabenerhebung zugrunde liegenden Satzungsvor-schrift auszugehen, es sei denn, sie wäre offensichtlich rechtswidrig. Das Gericht hat sich auf die (summarische) Kontrolle der äußeren (formellen) Gültigkeit der Norm und sich ersichtlich aufdrängender materieller Satzungsfehler sowie die Prüfung spezieller Einwände des Antragstellers gegen das Satzungsrecht und die sonstigen Voraussetzungen der Abgabenerhebung zu beschränken, wobei die Prüfung der Einwendungen des Antragstellers dort ihre Grenze findet, wo es um die Klärung schwieriger Rechts- und Tatsachenfragen geht (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 11. August 2005 - OVG 9 S 5.05 - S. 3 des Beschlussabdrucks; grundlegend OVG Bbg, Beschluss vom 23. September 1996 - 2 B 53/96 - MittStGB Bbg. 1997, Nr. 11, S. 22). Hiernach ist die Verpflichtung des Gerichts eingeschränkt, Unterlagen zur Überprüfung der rechtmäßigkeit bzw. Gültigkeit der Abgabensatzung beizuziehen. Speziell die Unterlagen zur Berechnung des Beitragssatzes (Aufwands- und Flächenermittlung, Kalkulation) gehören danach nicht zu den nach § 86 VwGO von vornherein und notwendig anzufordernden Akten. Es liegt vielmehr in der Sphäre des Antragstellers, sich schon vor Antragstellung bei Gericht oder jedenfalls im Verlauf des gerichtlichen Verfahren, soweit es möglich und zumutbar ist, durch Akteneinsicht beim Antragsgegner hinsichtlich etwaiger Fehler bei der Ermittlung des Beitragssatzes oder sonstiger Satzungsfehler kundig zu machen (vgl. zum Straßenbaubeitragsrecht und zum Anspruch auf Akteneinsicht nach dem Kommunalabgabengesetz des Landes Brandenburg - KAG - einschlägigen Verwaltungsverfahrensrecht: Beschluss des Senats vom 1. August 2005 a.a.O., S. 5 ff des Beschlussabdrucks); das Gericht ist nicht gehalten, von sich aus sämtliche Vorgänge der Behörde beizuziehen und ungefragt zu überprüfen (vgl. Beschluss des Senats vom 22. August 2005 - OVG 9 S 7.05 - S. 4 des Beschlussabdrucks).

Nach diesen Grundsätzen durfte das Verwaltungsgericht ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des mit dem Widerspruch angefochtenen Beitragsbescheides mit der Begründung verneinen, dass die bloße Behauptung, die Kalkulation des Beitragssatzes sei auf der Grundlage des grundbuchrechtlichen Grundstücksbegriffs erfolgt, dafür nicht ausreiche, zumal es diese Bewertung zusätzlich damit begründet hat, dass die Satzung selbst den wirtschaftlichen Grundstücksbegriff für maßgeblich erkläre und dieser wirtschaftliche Grundstücksbegriff im Ausgangspunkt für die Bildung wirtschaftlicher Einheiten auf das Buchgrundstück abstelle (Beschlussabdruck S. 6 f. unter Hinweis auf das Urteil des OVG Bbg vom 26. September 2002 - 2 D 9/02.NE - LKV 2003, 284). Insofern bedurfte es besonderer Erläuterung durch die Antragstellerin, dass der wirtschaftliche Grundstücksbegriff im Beitragsgebiet zu einer abweichenden Flächenermittlung führt, die mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu einer Aufwandsüberdeckung und damit zu einem überhöhten Beitragssatz führen könnte, um bereits im summarischen Verfahren die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides enrnsthaft in Zweifel zu ziehen.

Derartiges kann auch den Ausführungen in der Beschwerdebegründung nicht entnommen werden. Substantiierte Einwände gegen die Ermittlung und Berechnung des Beitragssatzes sind mit dem Hinweis auf die Flächenberücksichtigung in den von der Antragstellerin unter "Typ 1 und 2" (S. 3 f. der Beschwerdebegründung) beschriebenen Konstellationen weiterhin nicht erhoben. Abgesehen davon, dass ein Vorkommen solcher Fallkonstellationen im Beitragsgebiet und das Erfordernis zu ihrer Berücksichtigung nach der konkret gewählten Aufwandsermittlungsmethode nach dem durchschnittlichen Aufwand (vgl. § 8 Abs. 4 Satz 3 KAG) nicht dargelegt werden, verkennt die Antragstellerin auch die Auswirkungen des wirtschaftlichen Grundstücksbegriffs in diesen Fallgestaltungen. Bei einer wirtschaftlichen Einheit aus drei Grundstücken, von denen nur ein Buchgrundstück tatsächlich angeschlossen wird (Typ 1), würde eine Flächenermittlung nach den (drei) Buchgrundstücken voraussichtlich zu keinem anderen Ergebnis führen als bei Zugrundelegung des wirtschaftlichen Grundstücksbegriffs. Die Annahme, es sei nur das tatsächlich angeschlossene Buchgrundstück mit seiner Fläche zu berücksichtigen, verkennt, dass die Entstehung des Anschlussbeitrages nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG den tatsächlichen Anschluss nicht voraussetzt, sondern die zu entgeltende Vorteilslage bereits mit der Anschlussmöglichkeit eintritt. Deshalb wären auch die anschließbaren weiteren zwei Buchgrundstücke in die Flächenermittlung einzubeziehen. Unterschiede in der Berechnung der Maßstabseinheiten könnten insoweit - abhängig von der konkreten, von der Antragstellerin nicht näher erläuterten Maßstabsregelung der Satzung - nur bei unterschiedlicher Bebaubarkeit der Buchgrundstücke eintreten; eine selbstständige Bebaubarkeit der einzelnen Buchgrundstücke stünde aber wiederum der Annahme nur einer wirtschaftlichen Einheit entgegen. Fehlte es hingegen an einer selbstständigen baulichen Ausnutzbarkeit der Buchgrundstücke oder jedenfalls einzelner von ihnen, so wäre auch bei Anwendung des buchrechtlichen Grundstücksbegriffs eine einheitliche Veranlagung der nicht selbstständig bebaubaren Flächen mit den benachbarten Grundstücken desselben Eigentümers vorzunehmen (vgl. zu dieser Ausnahme Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Kommentar, Stand September 2005, § 8 KAG, Rn. 394 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Bei der von der Antragstellerin geschilderten zweiten Fallgruppe erscheint schon im Ansatz nicht gesichert, dass solche topografischen Gegebenheiten wie ein das Grundstück durchschneidender Graben zwingend zu einer vom Buchgrundstück abweichenden kleineren Veranlagungsfläche führen müssten. Wenn man dies unterstellt, ist eine solche Fallkonstellation aber nicht geeignet, den Beitragssatz als gegenüber der Antragstellerin fehlerhaft erscheinen zu lassen. Verkleinert sich nämlich bei der rechtlich gebotenen Betrachtung die Zahl der Maßstabseinheiten, bewirkt dies kalkulatorisch eine Steigerung des Beitragssatzes mit der Folge, dass die Antragstellerin einen höheren Beitrag zu entrichten hätte. Solche Fehler der Beitragsermittlung kann die Antragstellerin mangels subjektiver Betroffenheit bzw. mangels Rechtswidrigkeit des Beitrages, soweit er festgesetzt worden ist, nicht mit Erfolg geltend machen. Mit der gleichen Überlegung kann auch der Hinweis der Antragstellerin auf ein Grundstück in der Bachstelzenstraße, bei dessen Veranlagung eine land- und forstwirtschaftlich genutzte Fläche unberücksichtigt gelassen worden sei, verworfen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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