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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Urteil verkündet am 24.09.2003
Aktenzeichen: OVG 1 B 16.03
Rechtsgebiete: EichG, LMBG, VwGO, GG


Vorschriften:

EichG § 7 Abs. 2
EichG § 17
EichG § 19 Abs. 1 Nr. 1
EichG § 1
EichG § 17 a
LMBG § 27 Abs. 1 Ziff. 3 b
LMBG § 27
VwGO § 86 Abs. 1
VwGO § 40 Abs. 1 Satz 1
VwGO § 43 Abs. 1
GG Art. 19 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 1 B 16.03

Urteil Im Namen des Volkes

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24. September 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. Oktober 2000 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Sachausspruch im Tenor des Urteils des Verwaltungsgerichts wie folgt gefasst wird: Es wird festgestellt, dass die Verpackung der Zahncreme A. 25 ml so gestaltet und befüllt ist, dass sie im Sinne des § 7 Abs. 2 EichG keine größere Füllmenge vortäuscht, als in ihr enthalten ist.

Die Kosten der Berufung werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin stellt das Zahncremekonzentrat A. her. In der Zeit bis Ende 1994 betrug die Nennfüllmenge der in eine Metalltube abgefüllten Zahncreme 30 ml. Seit dem 1. Januar 1995 vertreibt die Klägerin das Produkt in einer Tube mit der Nennfüllmenge von 25 ml. Die Länge der Metalltube wurde um etwa 6 mm gekürzt, die Tubenverschlusskappe aus Kunststoff um etwa 6 mm verlängert. Die zylindrischen Tuben werden etwa waagerecht in eine Pappschachtel eingeschoben. Die Schachtel wurde im Verhältnis zur früheren Umverpackung für die 30 ml-Tube in der Länge, Breite und Höhe um jeweils etwa 2 mm verringert.

Mit Schreiben vom 23. Juni 1995 beanstandete das Landesamt für das Mess- und Eichwesen in Berlin (im Folgenden: Landesamt) gegenüber der Klägerin die Produktgestaltung und kündigte die Einleitung eines Ordnungswidrigkeiten-Verfahrens an. Zur Begründung führte es aus: Die Füllmenge der A. -Tube sei bei praktisch gleichbleibender Packungsgröße verringert worden. Die neue 25 ml-Tube habe eine wesentlich höhere Verschlusskappe bekommen, so dass die Länge der Faltschachtel bis auf die Reduzierung um 2 mm gleich geblieben sei. Bei der Breite der Schachtel sei nach wie vor auf einen Paralleleinschub abgestellt worden. Die Schachtel sei dadurch unnötig größer, als dies bei einem Diagonaleinschub erforderlich sei.

Die Klägerin erwiderte, die Reduzierung der Füllmenge beruhe auf einer Änderung der Fertigpackungsverordnung, die durch EG-Richtlinien erforderlich geworden sei. Das Gesamtvolumen der Pappschachtel sei um rund 14,4 % reduziert worden, während die Füllmenge um etwa 16 % herabgesetzt worden sei; die Differenz der Reduzierung des Schachtelvolumens im Verhältnis zu derjenigen der Füllmenge sei auf die Vergrößerung der Verschlusskappe zurückzuführen. Die im Verhältnis zu dem früher verwendeten Verschluss höhere Verschlusskappe sei auf Wunsch vieler älterer Verbraucher eingeführt worden, die die Tube - wie heute allgemein üblich - auf der Verschlusskappe senkrecht aufstellen wollten.

Nachdem das Landesamt die Einstellung des mit Schreiben vom 7. September 1995 eingeleiteten Ordnungswidrigkeiten-Verfahrens abgelehnt hatte, hat die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben und die Feststellung begehrt, dass die Verpackung der Zahncreme A. 25 ml so gestaltet und befüllt sei, dass sie keine größere Füllmenge vortäusche, als in ihr enthalten ist. Zur Begründung hat sie in erster Instanz im Wesentlichen vorgetragen: Die Verringerung der Füllmenge von 30 ml auf 25 ml habe Ende 1994 erfolgen müssen, weil die befristete Befreiung von der Grundpreiskennzeichnungspflicht für den Nennfüllmengenwert 30 ml ausgelaufen sei. Die dadurch erforderliche Umstellung habe sie genutzt, um das Produkt durch Verwendung einer größeren Verschlusskappe der allgemeinen Marktentwicklung anzupassen. Dadurch solle - vor allem älteren Verbrauchern - die Handhabung erleichtert und das Aufstellen der Tube auf dem Deckel ermöglicht werden. Mitbewerber hätten vergleichbare 25 ml-Tuben am Markt, deren Verpackungsgröße identisch oder fast identisch mit der 25 ml-A.-Tube sei. Die Pappschachtel sei tatsächlich in der Länge von 12,2 cm auf 12,0 cm, in der Breite von 3,6 cm auf 3,4 cm und in der Tiefe von 2,7 cm auf 2,5 cm verringert worden. Die Größe der Faltschachtel weiche nur geringfügig von der nach der DIN 32 errechneten Verpackungsgröße von Schachteln für konische Tuben mit Diagonaleinschub ab. Die Verpackung sei in etwa proportional zur Füllmenge verkleinert worden, bleibe in der Tiefe und Länge hinter den nach der DIN 32 zu errechnenden Werten zurück und überschreite deren Vorgaben nur in der Breite. Diese Abweichung von den DIN-Normen, die nicht für rechtsverbindlich erklärt worden seien, reiche nicht aus, um einen Verstoß gegen § 7 Abs. 2 EichG zu begründen. Ein solcher Verstoß lasse sich auch nicht aus einem Vergleich der alten und der neuen Verpackung herleiten. § 7 Abs. 2 EichG sanktioniere keine angeblichen Verbrauchertäuschungen, die auf einem Vergleich der geänderten Verpackung mit ihrer Vorgängerpackung beruhten. Das folge aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, die auf die Gestaltung und Befüllung der Fertigpackung selbst, also nur auf deren äußere Erscheinungsform abstelle. Das folge zudem auch aus dem Zweck des Gesetzes über das Mess- und Eichwesen, das die Voraussetzungen für richtiges Messen im geschäftlichen Verkehr schaffen wolle.

Der Beklagte war dagegen in der ersten Instanz der Auffassung, dass eine rechtliche Verpflichtung, eine bestimmte Nennfüllmenge zu verwenden oder eine Grundpreiskennzeichnungspflicht für die Nennfüllmengenwerte 30 ml und 25 ml für Zahnpasta zu beachten, für die Klägerin nicht bestanden habe. Die von der Klägerin verwendete 25 ml-Packung verstoße gegen § 7 Abs. 2 EichG, weil die Faltschachtel größer als technisch erforderlich sei. Nach der DIN 32 dürfe die Schachtel nur eine Breite von 29,7 mm aufweisen. Die von der Klägerin benannten Konkurrenzprodukte gleicher Füllmenge unterschieden sich dadurch von dem Produkt der Klägerin, dass die anderen Hersteller sich an den Diagonaleinschub hielten. Die Einhaltung der Forderung eines Diagonaleinschubs entspreche dem Stand der Technik und sei produktionstechnisch unproblematisch. Die Vergrößerung des Durchmessers der Verschlusskappe bewirke zweifellos eine Verbesserung der Handhabung für den Verbraucher. Eine Verlängerung der Kappe sei dazu aber nicht erforderlich gewesen. Es handele sich um eine Schutzbehauptung der Klägerin, um die der Nennfüllmenge nicht angepasste Schachtelgröße "technisch" zu begründen. Bei der Beurteilung der technisch erforderlichen Schachtellänge sei deshalb nicht auf die in der Länge überdimensionierte Verschlusskappe, sondern auf die früher verwendete kürzere Verschlusskappe abzustellen. Die Gestaltung der Fertigpackung A. 25 ml verstoße zudem auch gegen § 27 Abs. 1 Ziff. 3 b des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes - LMBG -.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Wege schriftlicher Entscheidung durch Urteil vom 19. Oktober 2000 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei als Feststellungsklage zulässig. Die Beteiligten stritten darüber, ob die Verpackung der Zahncreme A. 25 ml eine größere Füllmenge vortäusche, als in ihr enthalten sei; dies begründe ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Das Feststellungsinteresse der Klägerin bestehe darin, die Ungewissheit über die wirtschaftliche Verwertbarkeit und die Unsicherheit in der kaufmännischen Disposition hinsichtlich der verwendeten Fertigpackung zu beseitigen. Eine Klärung dieser Fragen im Rahmen eines Ordnungswidrigkeiten-Verfahrens könne der Klägerin nicht zugemutet werden. Das gelte auch angesichts dessen, dass sich ein solches Verfahren nicht gegen die Klägerin selbst, sondern gegen die für sie handelnde verantwortliche Person richteten würde.

Die Feststellungsklage sei auch begründet. Die Verpackung der Zahncreme A. 25 ml sei gemäß § 7 Abs. 2 EichG so gestaltet und befüllt, dass sie keine größere Füllmenge vortäusche, als in ihr enthalten ist. Sinn und Zweck dieser Vorschrift sei es, den Verbraucher davor zu schützen, dass bei ihm auf Grund des äußeren Erscheinungsbildes der Verpackung eines Produkts der Eindruck entsteht, er erwerbe diese Ware in einer Menge, die dem äußeren Volumen der Verpackung in etwa entspricht, wohingegen er tatsächlich weniger erhält. Hierbei sei allein auf die Gestaltung bzw. das äußere Erscheinungsbild der verwendeten Fertigpackung selbst abzustellen. Auf Umstände, die außerhalb der jeweiligen Fertigpackung lägen, komme es im Rahmen des § 7 Abs. 2 EichG nicht an. Danach sei nicht entscheidungserheblich, ob die von der Klägerin verwendete Umverpackung für die 25 ml-Tube kaum von der 30 ml-Vorgängerverpackung zu unterscheiden sei und aus diesem Grunde für Verbraucher, denen die Vorgängerverpackung noch bekannt sei, eine Täuschungsgefahr bestehe. Für die Beurteilung, ob die Fertigpackung nach ihrem äußeren Erscheinungsbild eine größere Füllmenge vortäusche, als in ihr enthalten sei, komme es maßgeblich auf die Vorstellungen des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers an. Handele es sich um ein dem Durchschnittsverbraucher vertrautes Produkt, so könnten sich die zur Entscheidung berufenen Richter hinsichtlich der Verbrauchererwartung auf ihre eigene Sachkunde stützen. Die von der Klägerin verwendete Fertigpackung täusche keine größere Füllmenge vor. Eine Täuschung ergebe sich auch nicht daraus, dass die Umverpackung nicht der Richtlinie zur Gestaltung von Fertigpackungen mit Körperpflegemitteln im Sinne des § 17 EichG, der keine verbindliche Außenwirkung zukomme, entspreche. Aus der Abweichung von dieser Richtlinie, nach der Umverpackungen nicht beanstandet werden sollen, wenn deren Abmessungen nicht größer seien als technisch erfordert, um die Innenverpackung aufzunehmen, oder wenn die Schachteln mit Tuben die nach der DIN 32, Teil 3, errechneten Werte einhalten, dürfe nicht im Umkehrschluss hergeleitet werden, dass sie stets zu beanstanden seien, wenn sie diesen Anforderungen nicht entsprächen. Die Umverpackung der Klägerin überschreite das nach der DIN 32 für Schachteln für zylindrische Tuben aus Metall vorgesehene Maß nur in der Breite um 4 mm, was darauf beruhe, dass die Tube nahezu waagerecht in die Umverpackung eingeschoben werde. Ob eine Tube diagonal oder horizontal in die Umverpackung eingeschoben werde, könne die Verbrauchererwartung hinsichtlich der tatsächlichen Füllmenge aber nicht beeinflussen. Eine Täuschung des Verbrauchers werde auch nicht durch den von der Klägerin verwendeten Verschluss der Tube bewirkt. Die Gestaltung des Tubenverschlusses bewege sich im marktüblichen Rahmen, wie ein Vergleich mit den Zahncremetuben der Marken s. und W. ergeben habe. Weil dem durchschnittlich informierten Verbraucher bewusst sei, dass die Verpackungsgrößen für Zahnpasta mit gleicher Nennfüllmenge verschiedener Hersteller geringfügig voneinander abweichen könnten, werde er vernünftigerweise auch nicht davon ausgehen, dass sich in den verschiedenen Packungen eine unterschiedliche Menge Zahncreme befinde. Im Zweifel werde er vor einem Irrtum auch durch die Angabe der Nennfüllmenge auf der Umverpackung hinreichend geschützt.

Zur Begründung seiner durch den Senat zugelassenen Berufung macht der Beklagte geltend: Rechtsirrig gehe das Verwaltungsgericht davon aus, dass für die Frage, ob eine Fertigpackung gemäß § 7 Abs. 2 EichG eine größere Füllmenge vortäusche, als in ihr enthalten ist, generell ausschließlich auf die Gestaltung bzw. das äußere Erscheinungsbild der verwendeten Verpackung abzustellen sei. Damit verkenne das Gericht, dass dieser Grundsatz auf Fälle wie dem Vorliegenden, in dem ohne einen deutlich wahrnehmbaren Hinweis in einer äußerlich nahezu unveränderten Umverpackung eine Tube mit einer gegenüber der Vorgängerverpackung erheblich reduzierten Füllmenge vertrieben werde, keine Anwendung finden könne. Die hier beanstandete Verpackung sei lediglich in der Form minimal und nicht entsprechend der Nennfüllmengenreduzierung verkleinert worden. Farbe, Etikett, Beschriftung und vor allem der Verkaufspreis seien für den Verbraucher unverändert geblieben. Dadurch sei die Verpackung mit 17 % weniger Inhalt vom Verbraucher nicht als neue, veränderte Verpackung erkannt worden, zumal alte Vergleichsmuster im Handel nicht mehr vorhanden gewesen seien. Zur Feststellung der Vorstellung des Verbrauchers über die Menge des Inhalts der Verpackung sei auf die frühere Verpackung abzustellen, da seine Erwartungshaltung nahezu ausschließlich durch das von diesem Produkt gewohnte Verhältnis von Verpackung und Füllmenge bestimmt werde. Die zu enge Auslegung des § 7 Abs. 2 EichG habe auch zur Folge gehabt, dass das Verwaltungsgericht den unveränderten Aufdruck "reicht für 150 Anwendungen" und den unveränderten EAN-Code nicht als täuschungsrelevante Faktoren eingestuft habe. Mit den gleich gebliebenen Angaben habe der Anschein erweckt werden sollen, als habe sich am Packungsinhalt mengenmäßig nichts geändert. Unabhängig davon sei auch die verbliebene Prüfung des Verwaltungsgerichts, ob das äußere Erscheinungsbild der Verpackung bei Außerachtlassung der früheren Verpackung eine größere Füllmenge vortäusche, fehlerhaft. Zur Ermittlung des Verständnisses des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers hätten die an der angefochtenen Entscheidung mitwirkenden Richter nicht über die nötige Sachkunde verfügt; vielmehr hätte es dazu einer Beweisaufnahme bedurft. Der Verzicht darauf stelle einen Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO dar. Aber auch in materiell-rechtlicher Hinsicht verneine das Verwaltungsgericht schon im Hinblick auf das äußere Erscheinungsbild der Verpackung zu Unrecht den Täuschungstatbestand des § 7 Abs. 2 EichG.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2000 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats liege ein Verstoß gegen § 7 Abs. 2 EichG nur vor, wenn eine Täuschung über die Füllmenge allein durch die Gestaltung der zu beurteilenden Fertigpackung hervorgerufen werde. Eine Täuschung des Verbrauchers durch einen Vergleich mit der jeweiligen Vorgängerverpackung werde nicht von § 7 Abs. 2 EichG erfasst. Die Umverpackung der Zahncreme A. 25 ml sei für sich genommen nicht täuschend gestaltet. Für den Hersteller bestehe kein Zwang, die kleinstmögliche Packung zu verwenden. Ihre Umverpackung entspreche im Wesentlichen der DIN 32, Teil 3, Ziff. 3.1. Die Abweichungen von den Maßen, die sich nach der DIN errechnen ließen, seien kaum wahrnehmbar und könnten daher nicht Grundlage einer Täuschung sein. Eine Täuschung des Verbrauchers sei - wie das Kammergericht entschieden habe - bei einer Abweichung von den Vorschriften der DIN erst bei dem Überschreiten eines "gewissen Übermaßes" anzunehmen. Dies sei hier nicht der Fall. Auch die Innenverpackung sei nicht täuschend gestaltet. Der Tubenverschluss bewege sich im marktüblichen Rahmen und wirke im Verhältnis zur Gesamtlänge der Tube nicht übergroß. Verschiedene Konkurrenzunternehmen würden - von der Beklagten unbeanstandet - nahezu identische Innenverpackungen verwenden. Das Verwaltungsgericht habe auch nicht gegen seine Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen, indem es zu den Vorstellungen des Verbrauchers über die Menge der in der Fertigpackung enthaltenen Ware kein Sachverständigengutachten eingeholt habe. Das Verwaltungsgericht habe von einer Beweisaufnahme absehen dürfen, weil es selbst die erforderliche Sachkunde besessen habe. Bei Zahncreme handele es sich um ein Erzeugnis des allgemeinen Bedarfs, für das die Kammermitglieder selbst auf Grund eigener Lebenserfahrung die Verbrauchererwartungen hätten beurteilen können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf den Inhalt der Streitakten (2 Bände), die zur Streitakte eigereichten acht befüllten Zahnpastatuben mit der jeweiligen Umverpackung (A., s., W., C. und O.) sowie die die Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge des Beklagten (2 Teilhefter), die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Feststellungsklage der Klägerin zu Recht stattgegeben.

Der Sachausspruch im Tenor des Verwaltungsgerichts bedurfte jedoch einer Klarstellung. Denn die getroffene Feststellung, dass die Verpackung der Zahncreme A. 25 ml so gestaltet und befüllt ist, dass sie keine größere Füllmenge vortäuscht, als in ihr enthalten ist, kann sich - entsprechend dem Sachantrag der Klägerin in der Klageschrift und ihrem Vorbringen in erster Instanz - nur auf die Vereinbarkeit der verwendeten Fertigpackung mit § 7 Abs. 2 EichG beziehen.

Für die Klage ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Die Klägerin erstrebt die Feststellung, dass eine bestimmte, von ihr verwendete Fertigpackung nicht gegen eine bestimmte Vorschrift des Eichgesetzes verstößt. Dessen Rechtssätze sind dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Gehört die zu beurteilende Frage dem öffentlichen Recht im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO an, so verliert sie ihre diesbezügliche Rechtsnatur nicht dadurch, dass von ihrer Beantwortung auch bußgeldrechtliche Bewertungen abhängen (BVerwG, NVwZ 1988, 430).

Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig.

Die Klage betrifft ein streitiges Rechtsverhältnis, das durch besondere Umstände hinreichend konkretisiert worden ist. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Frage, ob die von der Klägerin seit 1995 verwendete Fertigpackung mit geringerer Füllmenge als zuvor mit § 7 Abs. 2 EichG vereinbar ist. Das Landesamt hat dazu konkrete Beanstandungen erhoben und ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Damit ist das streitige Rechtsverhältnis hinreichend konkretisiert (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13. Januar 1969 - BVerwG 1 C 86.64 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 31; BVerwG, NVwZ 1988, 430 [431]; vgl. auch: Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 43 Rdnr. 19; Lässig, Zulässigkeit der vorbeugenden Feststellungsklage bei drohendem Bußgeldbescheid, NVwZ 1988, 410 f. m.w.N.).

Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht das berechtigte Interesse der Klägerin wegen der eingetretenen Ungewissheit über die rechtliche Zulässigkeit der verwendeten Fertigpackung und der Notwendigkeit, diese Ungewissheit über deren weitere Verwendbarkeit alsbald zu beseitigen, als gegeben angesehen. Da bisher keine Untersagungsverfügung des Landesamts gegen die Klägerin erlassen worden ist, das Landesamt - soweit nach den Verwaltungsvorgängen ersichtlich - eine solche nicht einmal in Erwägung gezogen hat, wehrt sich die Klägerin gegen den künftigen Erlass eines Untersagungsbescheides bzw. gegen den künftigen Erlass eines Bußgeldbescheides. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob in dem eingeleiteten Ordnungswidrigkeiten-Verfahren ein Bußgeldbescheid überhaupt noch erlassen werden könnte, weil inzwischen mit hoher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Denn die A. 25 ml-Tube wird bis heute unverändert im Handel angeboten, so dass auch noch ein neues Ordnungswidrigkeiten-Verfahren eingeleitet werden könnte. Damit muss die Klägerin auch rechnen, weil der Beklagte an seiner Rechtsauffassung festhält. Der Senat schließt sich der Rechtsauffassung an, dass die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes jedenfalls dann gerechtfertigt ist, wenn dem Kläger ein Straf- oder Bußgeldverfahren droht (vgl. auch: BVerfG, LRE 12, 18; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13. Januar 1969 - BVerwG 1 C 86.64 - a.a.O.; BVerwGE 39, 247 [249]; 71, 318 [319 f.], VGH Kassel, NVwZ 1988, 445 [446 m.w.N.]). Denn einem Betroffenen ist nicht zuzumuten, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen "auf der Anklagebank erleben zu müssen". Der Betroffene hat vielmehr ein als schutzwürdig anzuerkennendes Interesse daran, den Verwaltungsrechtsweg als "fachspezifischere" Rechtsschutzform einzuschlagen. Dies folgt auch aus dem Gebot des nach Art. 19 Abs. 4 GG zu gewährleistenden effektiven Rechtsschutzes (vgl. BVerfG, NVwZ 2003, 856 f.). Der Zulässigkeit der Klage steht auch nicht entgegen, dass sich ein Bußgeldverfahren nicht gegen die Klägerin selbst, sondern gegen die für die Gestaltung von Fertigpackungen in ihrem Betrieb verantwortliche Person würde richten. Denn die Weisungsbefugnisse der Klägerin als Arbeitgeberin sind dahingehend begrenzt, dass sie ihren Angestellten jedenfalls nicht zumuten darf, durch die Befolgung einer Weisung gegen Bußgeldvorschriften zu verstoßen.

Die Feststellungsklage ist auch begründet.

Die von der Beklagten gegenüber der Klägerin ausgesprochene Beanstandung der A. 25 ml-Packung und die Einleitung eines Bußgeldverfahrens sind auf §§ 7 Abs. 2, 19 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über das Mess- und Eichwesen (Eichgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. März 1992 (BGBl. I S. 711), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3586 [3603]) - EichG - gestützt. Nach § 7 Abs. 2 EichG müssen Fertigpackungen so gestaltet und befüllt sein, dass sie keine größere Füllmenge vortäuschen als in ihnen enthalten ist. Dies ist im Fall der A. 25 ml-Packung nicht der Fall.

Der Senat hält an seiner schon in früheren Entscheidungen vertretenen Rechtsauffassung fest, nach der eine Täuschung des Verbrauchers über die Füllmenge der Fertigpackung, die erst durch einen Vergleich der aktuell verwendeten Fertigpackung mit der jeweiligen Vorgängerverpackung mit größerer Nennfüllmenge ausgelöst werden kann, nicht von § 7 Abs. 2 EichG erfasst wird (Beschlüsse des Senats vom 26. Juni 1996 - OVG 1 B 57.94 - und - OVG 1 B 58.97 -). Dies folgt aus Wortlaut und Zweck der Norm.

Schon der Wortlaut des § 7 Abs. 2 EichG lässt kein anderes Normverständnis zu. Wenn in der Vorschrift bestimmt ist, Fertigpackungen müssten so gestaltet und befüllt sein, dass sie keine größere Füllmenge vortäuschen, als in ihnen enthalten ist, kommt darin deutlich zum Ausdruck, dass nur eine Täuschung durch die Fertigpackung selbst, d.h. durch ihre äußere Erscheinungsform, gemeint ist (ebenso: Strecker, Kommentar zum Fertigpackungsrecht, Stand: November 1992, § 17 EichG, Anm. 4 [S. 88/4 f.]). Denn das Gesetz will Täuschungen aus der "Gestaltung der Fertigpackungen" verhindern (z.B. durch doppelwändige Packmittel, Hohlräume usw.). Durch die Verwendung des Plurals sollen nicht etwa auch Täuschungen erfasst werden, die erst durch einen Vergleich mehrerer, unterschiedlich gestalteter Fertigpackungen bewirkt werden können. Dadurch wird lediglich dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich regelmäßig um Massenware handelt, die dem Verbraucher in großer Stückzahl angeboten wird. Alle eichrechtlichen Vorschriften, die sich mit Fertigpackungen befassen, benennen diese daher im Plural (vgl. §§ 6 ff. EichG).

Das Vortäuschen einer größeren Füllmenge durch die Verpackung muss sich zudem allein aus objektiven Kriterien ergeben (Strecker, a.a.O., § 7 EichG, Anm. 1 [S. 70 f.]). Die Täuschung wird in den Vergleichsfällen aber dadurch bewirkt, dass ein Teil der Verbraucher sich noch an die Vorgängerverpackung erinnert und zur neuen Verpackung greift, in der irrtümlichen Annahme, diese sei mit der bisherigen identisch und entspreche daher hinsichtlich der Füllmenge der in der alten Verpackung enthaltenen Menge. Die wesentlichen, den Irrtum auslösenden Momente haften somit nicht objektiv der neuen Fertigpackung an, sondern werden subjektiv erst durch Fehlvorstellungen des Verbrauchers bewirkt.

Dass durch § 7 Abs. 2 EichG nur die Fälle erfasst werden sollen, in denen die Fertigpackung für sich betrachtet, d.h. so wie sie vom Verbraucher beim Kauf vorgefunden wird, eine größere Füllmenge vortäuscht, als in ihr enthalten ist, folgt vor allem aus dem Zweck der eichrechtlichen Vorschriften. Die Zwecke des Eichgesetzes sind in § 1 EichG umschrieben. Danach soll der Verbraucher durch das Eichgesetz beim Erwerb messbarer Güter geschützt und im Interesse eines lauteren Handelsverkehrs sollen die Voraussetzungen für richtiges Messen im geschäftlichen Verkehr geschaffen werden (§ 1 Nr. 1 EichG). Durch die eichrechtlichen Vorschriften soll Messsicherheit gewährleistet werden (§ 1 Nr. 2 EichG). Zur Erreichung dieser Zwecke sind zum Eichgesetz zahlreiche Ausführungsvorschriften erlassen worden, durch die die Anforderungen im Einzelnen konkretisiert werden. Darin kommt der Wille des Gesetz- und Verordnungsgebers zum Ausdruck, durch präzise und objektive Kriterien die möglichst einfache Kontrolle zu ermöglichen, ob ein geschäftliches Verhalten den eichrechtlichen Regelungen entspricht (vgl. KG, LRE 30, 236 [238]). So befasst sich die Verordnung über Fertigpackungen vom 30. Dezember 1981 (BGBl. I S. 1585), zuletzt geändert durch Verordnung vom 28. Juli 2000 (BGBl. I S. 1238, 1242) - Fertigpackungsverordnung FPV - detailliert und präzise mit der Ausgestaltung von Verpackungen. Dabei ist Regelungsgegenstand jeweils nur die einzelne Verpackung für sich genommen. Ein Verbraucherschutz, der darüber hinausgehend den Erwerber vor Täuschungen schützen soll, die ihre Ursache außerhalb der zu erwerbenden messbaren Güter haben und nicht allein nach objektiven Kriterien zu ermitteln sind, würde diesem System des Eichrechts widerlaufen. Dem entspricht es, die Frage einer Zuwiderhandlung gegen das Täuschungsverbot "ausschließlich mit Blick auf die Gestaltungselemente der jeweiligen Fertigverpackung, also nach einem rein objektiven Maßstab" (KG, a.a.O.) zu beantworten. Dieser Grundsatz erleidet - entgegen der Auffassung des Beklagten - auch in den Fällen keine Ausnahme, in denen "ohne einen deutlich wahrnehmbaren Hinweis in einer äußerlichen nahezu unveränderten Umverpackung eine Tube mit einer gegenüber der Vorgängerverpackung erheblich reduzierten Füllmenge vertrieben" wird. Denn es ist gerade nicht der Zweck der eichrechtlichen Vorschriften, die durch eine Füllmengenreduzierung verschleierte Preiserhöhung eines Produkts zu verhindern.

Auch die Allgemeinen Grundsätze für die Gestaltung von Fertigpackungen im Sinne von § 17 a EichG vom 31. Januar 1972 (MinBlFin 1977, S. 26), geändert durch Bekanntmachung vom 23. Januar 1978 (MinBlFin 1978, S. 65) oder die Allgemeinen Grundsätze zur Gestaltung von Schachteln für Tuben und von anderen Umverpackungen für Fertigpackungen im Sinne von § 17 a EichG vom 23. Januar 1978 (MinBlFin 1978, S. 63 - beide abgedr. bei: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Bd. II, Stand: 31. März 2003, C 115, § 7 EichG, Rdnr. 36 ff.) können zu keinem anderen Ergebnis führen. Diese verwaltungsinternen Richtlinien binden weder die Betroffenen noch die Gerichte und können daher den Anwendungsbereich der gesetzlichen Vorschriften, die weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Zweck einschlägig sind, nicht erweitern (KG, ZLR 88, 523 [527, 529]; KG, LRE 30, 236 [239]; VG München, GewA 1999, 345 [347]; Zipfel/Rathke, a.a.O., Rdnr. 17 a, 35). Auch Gründe eines wünschenswerten, effektiven Verbraucherschutzes ermöglichen keine andere Auslegung. Als Norm, die im Interesse des Verbrauchers die Verhältnismäßigkeit von Verpackung und Inhalt gewährleisten soll, ist § 7 Abs. 2 EichG nur insoweit verbraucherschützend, als durch diese Regelung verhindert werden soll, dass der Verbraucher nicht durch übertriebene Verpackungen in seinem Einschätzungsvermögen getäuscht wird; wenn die Verpackung für sich genommen diesen Anforderungen entspricht, ist dem Verbraucherschutz des Eichgesetzes Genüge getan.

Ein über den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 2 EichG hinausgehender Schutz des Verbrauchers, der auch eine Täuschung erfassen würde, die erst durch einen Vergleich einer Fertigpackung mit der jeweiligen Vorgängerfertig-packung bewirkt wird, könnte dagegen nur durch Anwendung anderer gesetzlicher Bestimmungen, wie etwa des Gesetzes über den Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen (Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz) - LMBG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Juni 1993 (BGBl. I S. 1169), zuletzt geändert durch das zweite Änderungsgesetz vom 25. November 1994 (BGBl. I S. 3538) erreicht werden. Diese Frage ist jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, den die Klägerin durch ihren Sachantrag bestimmt hat. Die Feststellungsanträge orientieren sich an dem Wortlaut des § 7 Abs. 2 EichG und nicht an dem ganz anders gefassten § 27 LMBG.

Stellt man ausschließlich auf die Fertigpackung A. 25 ml ab, so täuscht diese keine größere Füllmenge vor, als in ihr enthalten ist.

Zweck des § 7 Abs. 2 EichG ist es, den Verbraucher davor zu schützen, dass bei ihm auf Grund des äußeren Erscheinungsbildes einer Produktverpackung der Eindruck erweckt wird, er könne das Produkt in einer Menge erwerben, die dem äußeren Volumen der Verpackung in etwa entspricht, obwohl diese tatsächlich wesentlich weniger enthält (vgl. auch zum Weiteren: VGH München, GewA 1999, 345 [347]). Dabei ist maßgebend darauf abzustellen, welche Vorstellungen der Durchschnittsverbraucher über den Inhalt der jeweiligen Fertigpackung auf Grund deren äußerer Gestaltung entwickelt und ob dabei eine Diskrepanz zwischen seiner Vorstellung über den Inhalt und dem tatsächlichen Inhalt der Fertigpackung besteht. Bei der Ermittlung der Verbrauchererwartung und der Prüfung, ob die Gefahr einer Irreführung besteht, ist von einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher auszugehen (vgl. EuGH, NJW 1998, 3183 [3185 Tz. 37]; VG München, a.a.O.; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, a.a.O., Rdnr. 22).

Zur Feststellung der Verbrauchererwartungen ist es - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht erforderlich, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Denn im Hinblick auf die Verbrauchererwartungen und die Gefahr einer Irreführung des Durchschnittsverbrauchers durch die Gestaltung der A. 25 ml-Tube verfügt der Senat hinreichend über eigene Sachkunde, um ohne Beweisaufnahme abschließend entscheiden zu können. Auch der EuGH hat über die Frage der Verbrauchererwartung im Hinblick auf den irreführenden Charakter einer Bezeichnung, einer Marke oder einer Werbeaussage wiederholt entschieden, ohne ein Sachverständigengutachten einzuholen oder eine Verbraucherbefragung in Auftrag zu geben (EuGH, NJW 1998, 3183 [3184, Tz. 31]). Der EuGH hat in der Regel auch die nationalen Gerichte in gleicher Weise für kompetent angesehen, ohne Beweisaufnahme beurteilen zu können, ob eine bestimmte Werbeaussage irreführen ist (a.a.O.,Tz. 32). Der EuGH hat zwar nicht ausgeschlossen, dass bei Vorliegen besonderer Umstände ein nationales Gericht nach seinem nationalen Recht ein Sachverständigengutachten einholen oder eine Verbraucherbefragung in Auftrag geben könne, um beurteilen zu können, ob eine Werbeaussage irreführen kann (a.a.O.,Tz. 35). Besondere Umstände oder besondere Schwierigkeiten sind im vorliegenden Fall jedoch nicht ersichtlich. Es besteht auch kein Grund, die Verbrauchererwartung im Hinblick auf eine irreführende Werbung anders zu beurteilen, als die in Bezug auf eine über die Füllmenge täuschende Verpackung. Der vom Beklagten gerügte Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) liegt nicht vor.

Bei der Ermittlung der Verbrauchererwartungen im Hinblick auf die Beurteilung einer Fertigpackung als "Mogelpackung" können gegebenenfalls die Kriterien hilfreich sein, die verschiedene, mit Fachkundigen besetzte Gremien dazu formuliert haben. Diese Richtlinien oder Allgemeinen Grundsätze sind zwar keine verbindlichen Rechtsvorschriften über die Anwendbarkeit des § 7 Abs. 2 EichG; sie geben jedoch einen wesentlichen Anhalt in Bezug auf die Verbrauchererwartungen, die den Richtlinien zu Grunde gelegt worden sind (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, a.a.O., § 7 EichG, Rdnr. 23 ff., 35). Dabei ist auf der ersten Stufe zu prüfen, inwieweit die Fertigpackung der A. 25 ml von den Richtlinien, von denen angenommen werden kann, dass sie im Allgemeinen von den Herstellern beachtet werden, abweicht und auf der zweiten Stufe zu untersuchen, ob die festgestellten Abweichungen rechtlich erheblich oder sachlich gerechtfertigt sind (vgl. Zipfel/Rathke, a.a.O., Rdnr. 28 ff.). Diese Richtlinien und Allgemeinen Grundsätze können jedoch dann nicht zur Anwendung des § 7 Abs. 2 EichG auf eine bestimmte Fertigpackung führen, wenn dies nicht dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung entspricht (vgl. KG, LRE 30, 236 [239]; VG München, GewA 1999, 345 [347], Zipfel/Rathke, a.a.O., Rdnr. 35). Denn rechtlich allein maßgebend bleibt die gesetzliche Regelung. Dass diese Richtlinien und Allgemeinen Grundsätze noch zu der früheren Regelung des § 17 a EichG in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Eichgesetzes vom 20. Januar 1976 (BGBl. I S. 141) formuliert worden sind, steht ihrer Heranziehung nicht entgegen, weil der hier anzuwendende § 7 Abs. 2 EichG wörtlich - bis auf die hier nicht relevante Aufnahme der "Befüllung" als Täuschungsmerkmal - der frühren Regelung entspricht.

Nach Ziffer III. Satz 1 a) der Allgemeinen Grundsätze für die Gestaltung von Fertigpackungen im Sinne von § 17 a EichG vom 31. Januar 1972 (MinBlFin 1977, S. 26), geändert durch Bekanntmachung vom 23. Januar 1978 (MinBlFin 1978, S. 65 - abgedr. bei: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, a.a.O., Rdnr. 36 ff.) - führt die Verringerung der Füllmenge einer Fertigpackung gegenüber der bisherigen Nennfüllmenge um einen erheblichen Betrag der Füllmenge zur Einstufung als Mogelpackung, wenn das Leervolumen nicht prozentual um etwa das gleiche Volumen reduziert wird. Diese Bestimmung kann jedoch schon deshalb keine Anwendung finden, weil sie wiederum auf einen Vergleich der neuen Fertigpackung mit der jeweiligen Vorgängerfertigpackung abstellt, der nach den vorstehenden Erörterungen gerade nicht dem Wortlaut und Zweck des § 7 Abs. 2 EichG entspricht. Im Übrigen würde auch die Anwendung der Regelung nicht zu einem Verstoß gegen § 7 Abs. 2 EichG führen. Die von der Klägerin Anfang 1995 bei der A. -Tube vorgenommene Reduzierung der Nennfüllmenge um etwa 16,7 % (von 30 ml auf 25 ml) erfolgte zugleich mit einer Reduzierung des Volumens der Fertig-Umverpackung um etwa 14,7 %. Die Differenz der Reduzierung der Nennfüllmenge im Verhältnis zu der des Volumens der Umverpackung steht nicht in einem solchen Missverhältnis, dass die Gestaltung der Umverpackung schon allein deshalb als täuschend über die Füllmenge angesehen werden müsste.

Nicht heranzuziehen sind auch die Allgemeinen Grundsätze zur Gestaltung von Schachteln für Tuben und von anderen Umverpackungen für Fertigpackungen im Sinne von § 17 a EichG vom 23. Januar 1978 (MinBlFin 1978, S. 63 - abgdr. bei: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, a.a.O., Rdnr. 37 f.). Denn diese Allgemeinen Grundsätze gelten nach deren Ziffer 5 nicht für Fertigpackungen mit Körperpflegemitteln, zu denen auch das von der Klägerin vertriebene Zahncremekonzentrat A. zählt.

Dagegen ist die Richtlinie zur Gestaltung von Fertigpackungen mit Körperpflegemitteln im Sinne von § 17 EichG vom 20. Juli 1976 (MinBlFin 1976, S. 496) in der Neufassung vom 3. Februar 1982 (MinBlFin 1982, S. 41 - abgdr. bei: Strecker, Kommentar Fertigpackungsrecht, Bd. 1, IV. Eichgesetz - Kommentar, § 17 EichG, S. 121 ff.) als ein die Verbrauchererwartung widerspiegelndes Regelwerk auch in diesem Fall einschlägig. Nach deren Ziffer I.4. sollen die (für das Mess- und Eichwesen) zuständigen Behörden Schachteln mit Tuben nicht beanstanden, wenn diese die nach der DIN 32, Teil 3, Februar 1981 (abgedr. bei: Strecker, a.a.O., § 17 EichG, Anlage 1, S. 110 ff.) errechneten Werte einhalten. Von den Maßen, die für das Verhältnis der Innenverpackung in Form einer zylindrischen Tube aus Metall zu der Umverpackung in Gestalt einer Schachtel aus dem Werkstoff Karton vorgesehen sind, hält die A. 25 ml-Umverpackung nur das Breitenmaß nicht ein. Bei einer vom Senat gemessenen und gemäß Nr. 3. Satz 3 der DIN auf ganze Millimeter aufgerundeten Gesamttubenlänge von 117 mm, einer Gesamtbreite der Tube unterhalb der Verschlusskappe von 22 mm und einer Höhe der Tube von ebenfalls 22 mm, wäre eine Umverpackung von 123 mm Länge, 30 mm Breite und 25 mm Höhe zulässig. Die von der Klägerin tatsächlich verwendete Umverpackung hat - nach den Messungen des Senats - eine Länge von 119 mm, eine Breite von 34 mm und eine Höhe von 25 mm. Sie überschreitet damit die nach der DIN 32 zu errechnenden Maße nur in der Breite um etwa 4 mm. Das liegt daran, dass die Tube unten am Falz eine tatsächliche Breite von 34 mm aufweist. Die Tube ließe sich daher in einer Schachtel von 30 mm Breite nur dann unterbringen, wenn sie nicht (nahezu) waagerecht, sondern diagonal in diese eingeschoben werden würde. Dahinstehen kann, ob nicht schon technische Notwendigkeiten oder die für die Klägerin entstehenden Kosten, die mit einer Umstellung der Fertigung auf Diagonaleinschub verbunden wären, eine Abweichung von dem Breitenmaß nach der DIN 32 rechtfertigen können (vgl. dazu: Ziff. I.1.2.1 der Richtlinie). Denn der Diagonaleinschub der Tube in die Umverpackung, den andere Hersteller ähnlicher Zahnpasta-Tuben anwenden, ist weder in der Richtlinie zur Gestaltung von Fertigpackungen mit Körperpflegemitteln noch in der DIN 32, Teil 3, Februar 1981 vorgeschrieben. Er wird auch unabhängig davon von dem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher nicht erwartet. Denn der Durchschnittsverbraucher erwartet nicht die kleinstmögliche Verpackung, die technisch gerade noch ausreichend ist, um die Innenverpackung (Tube) aufnehmen zu können, sondern vor allem eine gut handbare Verpackung. Eine Täuschung über die tatsächliche Füllmenge wird durch den waagerechten Einschub, den die Klägerin bei dem beanstandeten Produkt verwendet, nicht bewirkt.

Nach Abschnitt II. der Richtlinie zur Gestaltung von Fertigpackungen mit Körperpflegemitteln sollen die zuständigen Behörden der Länder abweichend von dem Grundsatz des Abschnitts I. der Richtlinie alle Fertigpackungen beanstanden, wenn durch täuschende Aufmachung (z.B. extrem hochgezogene Böden, überdicke Wandungen) der Eindruck einer größeren Füllmenge erweckt wird. Dies ist bei der A. 25 ml-Tube jedoch nicht der Fall. Auch die von der Klägerin verwendete Tubenverschlusskappe ist nicht so gestaltet, dass sie eine Täuschung der Verbraucher über die Füllmenge bewirkt. Die Klägerin hat dazu überzeugend dargelegt, dass sie mit der Neugestaltung des Tubenverschlusses den geänderten Verbrauchererwartungen - vor allem der älteren Konsumenten - habe entgegenkommen wollen, die inzwischen u.a. darauf gerichtet gewesen seien, die Tube senkrecht auf den Deckel aufstellen zu können. Auch der Beklagte hat in diesem Zusammenhang eingeräumt, dass die Vergrößerung des Durchmessers der Verschlusskappe zweifellos eine Verbesserung der Handhabung für den Verbraucher bewirkt habe; dazu sei jedoch nur eine Verbreiterung, nicht aber auch eine Verlängerung der Verschlusskappe erforderlich gewesen. Demgegenüber hat die Klägerin vorgetragen, bei der Auswahl des Verschlusses habe sie auf ein bereits am Markt eingeführtes Modell zurückgegriffen. Dies trifft - jedenfalls bei einem Vergleich der A. 25 ml-Tube mit den Tubenverschlüssen für die 25 ml-Zahncreme-Tuben der Marken W. und s. - zu. Damit bewegt sich auch die beanstandete Tubenverschlusskappe der Klägerin im marktüblichen Rahmen. Der Durchschnittsverbraucher erwartet keinen anderen Verschluss und empfindet den von der Klägerin verwendeten nicht als täuschend im Hinblick auf die Füllmenge.

Auch weitere Umstände, insbesondere die verschiedenen Aufdrucke auf der A. 25 ml-Tube und deren Umverpackung sind ebenfalls nicht geeignet, eine größere Füllmenge vorzutäuschen, als in der Fertigpackung enthalten ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Der Senat hat die Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen, weil der Frage, ob eine Fertigpackung im Sinne des § 7 Abs. 2 EichG so gestaltet und befüllt ist, dass sie eine größere Füllmenge vortäuscht, als in ihr enthalten ist, wenn die Täuschung des Verbrauchers erst durch einen Vergleich der Fertigpackung mit einem Verpackungsvorgänger mit größerer Nennfüllmenge ausgelöst werden kann, grundsätzliche Bedeutung zukommt.



Ende der Entscheidung

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