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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 07.12.2004
Aktenzeichen: OVG 1 K 1.04
Rechtsgebiete: ZSEG


Vorschriften:

ZSEG § 1 Abs. 1
ZSEG § 3 Abs. 1
ZSEG § 3 Abs. 2
ZSEG § 4
ZSEG § 8
ZSEG § 8 Abs. 1
ZSEG § 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 1 K 1.04

In der Kostensache

hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Monjé und die Richter am Oberverwaltungsgericht Seiler und Fieting am 7. Dezember 2004 beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. Mai 2001 wird geändert.

Die der Beschwerdeführerin zu gewährende Entschädigung wird auf weitere 333,10 DM (= 170,31 €) festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerdeführerin ist im Verfahren VG 11 A 1176.97 durch gerichtlichen Beweisbeschluss vom 31. März 2000 beauftragt worden, ein schriftliches Sachverständigengutachten zu erstatten. Die nach Erstellung des Gutachtens beantragte Sachverständigenentschädigung wurde in Höhe des Rechnungsbetrages von 1 959 DM am 17. August 2000 festgesetzt und zur Auszahlung angewiesen. Mit Schreiben vom 16. Februar 2001 bat das Verwaltungsgericht die Beschwerdeführerin, zu einzelnen Punkten des Gutachtens eine weitere Stellungnahme abzugeben, da das Gutachten "insoweit unzureichend" sei. Die Beschwerdeführerin nahm mit Schreiben vom 23. März 2001 auftragsgemäß Stellung und beantragte mit Rechnung vom 27. März 2001 dafür die Festsetzung einer weiteren Sachverständigenentschädigung in Höhe von 333,10 DM. Die Festsetzung dieser Entschädigung lehnte das Verwaltungsgericht auf Antrag des Beschwerdegegners mit Beschluss vom 4. Mai 2001 mit der Begründung ab, die Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 23. März 2001 enthalte lediglich eine Nachbesserung des ursprünglichen Gutachtens; hierfür könne sie in entsprechender Anwendung der Werkvertragsregelungen des BGB keine weitere Vergütung beanspruchen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die Beschwerde ist gemäß § 16 Abs. 2 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen - ZSEG - i.d.F. der Bekanntmachung vom 1. Oktober 1969 (BGBl. I S. 1756), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Februar 2002 (BGBl. I S. 981), das nach Art. 2, § 25 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718) auf das vorliegende Verfahren weiterhin Anwendung findet, zulässig. Die Beschwerde ist entgegen der dem Beschluss des Verwaltungsgerichts beigefügten Rechtsmittelbelehrung nicht an eine Frist gebunden, noch unterliegt sie dem Anwaltszwang (§ 16 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 ZSEG). Die Beschwerdeführerin ist im vorliegenden Verfahren, an dem die Parteien des Ausgangsverfahrens nicht beteiligt sind (Meyer/Höver/Bach, ZSEG, 22. Aufl., § 16 Rdnr. 4.3 und 13.2), beschwerdeberechtigt (§ 16 Abs. 2 Satz 2 ZSEG); der Beschwerdewert (§ 16 Abs. 2 Satz 1 ZSEG) wird überschritten.

Die Beschwerde ist auch begründet. Die Beschwerdeführerin hat gemäß §§ 3 Abs. 1 und 2, 8 Abs. 1 ZSEG einen Anspruch auf Entschädigung und Aufwendungsersatz ihrer durch die Stellungnahme vom 23. März 2001 (zusätzlich) erbrachten Leistung als Sachverständige in Höhe des von ihr geltend gemachten Rechnungsbetrages von 333,10 DM, der seiner Höhe nach (4 Stunden á 80,00 DM; 3 Seiten á 4,00 DM, 1,10 DM Porto) den gesetzlichen Bestimmungen entspricht.

Entgegen der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts handelt es sich bei der ergänzenden Stellungnahme vom 23. März 2001 nicht um eine bei entsprechender Anwendung der Werkvertragsregelungen des BGB von der weiteren Vergütung ausgeschlossene Nachbesserung des im August 2000 eingereichten schriftlichen Sachverständigengutachtens. Diese Auffassung des Verwaltungsgerichts ist schon in ihrem rechtlichen Ausgangspunkt unzutreffend. Das Rechtsverhältnis des gerichtlich bestellten Sachverständigen (§ 1 Abs. 1 ZSEG) unterliegt nicht dem bürgerlichen Vertragsrecht, sondern stellt sich rechtlich als eine öffentlich-rechtliche Indienstnahme dar (OVG Berlin, JurBüro 2001, 485 m.w.N.), sodass der Entschädigungsanspruch des vom Gericht herangezogenen Sachverständigen öffentlich-rechtlicher Natur ist (Meyer/Höver/Bach, a.a.O. § 1 Rdnr. 29.1). Da das ZSEG keine Regelungen über den Ausschluss oder den Verlust des Entschädigungsanspruchs enthält, entsteht dieser Anspruch grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Verwertbarkeit der erbrachten Leistung des Sachverständigen und ist nur zu versagen, wenn die bestimmungsgemäße Entschädigung grob unbillig wäre, weil der Sachverständige schuldhaft seinen ihm obliegenden Verpflichtungen nicht nachgekommen ist oder die Unverwertbarkeit der ihm obliegenden Leistung vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt hat; insbesondere besteht der Entschädigungsanspruch grundsätzlich unabhängig davon, wie die Verfahrensbeteiligten oder das Gericht das Gutachten "bewerten" (Meyer/Höver/Bach, a.a.O. § 3 Rdnr. 9 und 12.1 m.w.N.; Bleutge, ZSEG, 3. Aufl., § 3 Rdnr. 45 f).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe steht der Beschwerdeführerin der geltend gemachte weitere Entschädigungsanspruch zu.

Das undatierte, am 12. August 2000 bei Gericht eingegangene schriftliche Sachverständigengutachten entsprach dem Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 31. März 2000. Darin hat die Beschwerdeführerin zu allen Fragen des Beweisbeschlusses eine sachverständige Stellungnahme abgegeben. Dementsprechend ist sie bestimmungsgemäß entschädigt worden. Soweit das Verwaltungsgericht in dem Gutachten Angaben über eine früher begonnene Behandlung des Klägers des Ausgangsverfahrens oder eine Auseinandersetzung mit der Prognose über die voraussichtliche Dauer einer Behandlung im Attest des Dr. B. vom 6. Dezember 1999 (Punkte 1 und 2 des gerichtlichen Auftrags zur weiteren Stellungnahme vom 16. Februar 2001) vermisst hat, waren Aussagen dazu nicht Gegenstand des ursprünglichen Beweisbeschlusses vom 31. März 2000. Die Beschwerdeführerin sollte sich danach - lediglich - zu der Frage äußern, ob der Kläger des Ausgangsverfahrens an einem Kriegstrauma mit Krankheitswert leidet, welchen Grad diese Traumatisierung ggf. hat und ob eine Prognose über die ggf. erforderliche Dauer der Behandlung möglich ist. Die sachverständige Beantwortung dieser Fragen erforderte keine Auseinandersetzung mit der ärztlichen Einschätzung im Attest von Herrn Dr. B. oder dem Beginn einer früheren ärztlichen Behandlung. Die vom Verwaltungsgericht mithin schon nicht zutreffend bemängelte Unvollständigkeit des Sachverständigengutachtens beruht zudem nicht auf - zumal nicht schuldhafter - Säumnis der Beschwerdeführerin, sondern allenfalls auf bis dahin nicht hinreichend präziser Fragestellung im Beweisbeschluss. Wünscht das Gericht die Beantwortung weiterer, dem Gutachter bis dahin nicht gestellter Fragen, handelt es sich der Sache nach um eine Erweiterung des bisherigen Gutachterauftrags; für eine solche ergänzende Gutachterleistung ist der Sachverständige zusätzlich zu entschädigen.

Dies gilt in gleicher Weise, wenn das Gericht das Sachverständigengutachten in einzelnen Punkten für (noch) nicht überzeugend hält und dem Gutachter - wie hier unter Pkt. 3 bis 6 des gerichtlichen Auftrages zur weiteren Stellungnahme vom 16.2.2001 geschehen - eine Erläuterung seines Gutachtens aufgibt. Auch der Auftrag an den Sachverständigen, gutachterliche Feststellungen zur Überzeugungsbildung des Gerichts zu erläutern oder zu vertiefen, stellt eine Heranziehung zu Beweiszwecken i.S.v. § 1 Abs. 1 ZSEG dar, die bei schriftlicher Beantwortung gemäß §§ 3 Abs. 2, 8 ZSEG, bei Erläuterung in mündlicher Verhandlung gemäß §§ 3 Abs. 2, 4, 10 ZSEG zu entschädigen ist. Dies gilt auch dann, wenn das Gericht das schriftliche Gutachten selbst mit den zusätzlichen Erläuterungen des Sachverständigen nach wie vor nicht für überzeugend hält.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 16 Abs. 5 ZSEG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 16 Abs. 2 Satz 4 ZSEG).

Ende der Entscheidung

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