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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 11.11.2003
Aktenzeichen: OVG 1 N 40.01
Rechtsgebiete: ASOG, FwG, VwGO, GKG


Vorschriften:

ASOG § 1 Abs. 1
ASOG § 13
ASOG § 13 Abs. 1
ASOG § 14
ASOG § 59 Abs. 1 Nr. 2
ASOG § 63 Abs. 1
ASOG § 64 Abs. 1
FwG § 1 Abs. 3
FwG § 15
VwGO § 152 Abs. 1
VwGO § 154 Abs. 2
GKG § 13 Abs. 2
GKG § 14 Abs. 1
GKG § 14 Abs. 3
GKG § 73 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 1 N 40.01

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Monjé und die Richter am Oberverwaltungsgericht Seiler und Fieting

am 11. November 2003 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. Juni 2001 wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 389,24 EUR (= 761,28 DM) festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung, für den noch das Verfahrensrecht in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung maßgeblich ist (§ 194 Abs. 1 Nr. 1 VwGO i.d.F. des Art. 1 Nr. 28 des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20. Dezember 2001 [BGBl. I S. 3987]), ist nicht begründet. Der geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht gegeben.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers gegen den auf § 64 Abs. 1 des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin - ASOG - vom 14. April 1992 (GVBl. S. 119), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. Februar 2003 (GVBl. S. 67), gestützten Leistungsbescheid des Beklagten vom 30. April 1999 mit der Begründung abgewiesen, der Kläger sei als Alleinerbe seines Vaters ersatzpflichtig für diejenigen Aufwendungen, die der Beklagte dem Eigentümer der Mietwohnung des Erblassers gemäß §§ 63 Abs. 1, 59 Abs. 1 Nr. 2 ASOG als Ausgleich für die bei dem Einsatz der Berliner Feuerwehr vom 2. April 1996 entstandenen Schäden an der gewaltsam geöffneten Wohnungseingangstür der Mietwohnung des Erblassers habe gewähren müssen. Denn der Erblasser sei, obwohl bereits vor dem Einschreiten der Feuerwehr verstorben, nach den polizeirechtlichen Grundsätzen der Anscheinsgefahr für den erfolglosen Rettungseinsatz der Feuerwehr gemäß §§ 13 Abs. 1, 64 Abs. 1 ASOG verantwortlich gewesen. Die Feuerwehr habe nämlich in den frühen Morgenstunden des 2. April 1996 über Notruf die Nachricht erhalten, dass in der Wohnung des Erblassers eine Person akut an Atemnot leide. Zur Abwehr dieser vermeintlichen Gefahr für das Leben eines Menschen habe die Wohnungstür als nach den Umständen erforderliche Maßnahme gewaltsam geöffnet werden dürfen.

Die dagegen gerichteten Einwände des Zulassungsantrags zeigen ernstliche Richtigkeitszweifel nicht auf.

Dies gilt zunächst für die Rüge, das Verwaltungsgericht habe seiner Entscheidung einen teilweise unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt. Zwar trifft die im Tatbestand des Urteils wiedergegebene Feststellung, "ein anonymer Anrufer" habe "Feuerwehr und Polizei über den Notruf zur Wohnung des H. G., L.ring , Berlin" gerufen, "da eine Person dort an akuter Atemnot leide", nach Lage der Verwaltungsvorgänge nicht zu. Denn nach dem Polizeibericht vom 3. April 1996 (Bl. 6 VV) alarmierte ein "Unbekannter 112 Anrufer" lediglich die Feuerwache Buckow, nicht aber - wie der Kläger rügt - zusätzlich die Polizei. Diese Ungenauigkeit der tatsächlichen Feststellungen im verwaltungsgerichtlichen Urteil ist für dessen Ergebnisrichtigkeit, auf die es beim Zulassungsgrund ernstlicher Richtigkeitszweifel nach herrschender Meinung allein ankommt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 124 Rdnr. 7 a m.w.N.), unerheblich. Für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts war es irrelevant, ob der Notruf des unbekannt gebliebenen Anrufers nur an die Feuerwehr, die ihrerseits zur Unterrichtung der zuständigen Behörde verpflichtet ist (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 ASOG), oder zusätzlich an die Polizei gerichtet war; entscheidungserheblich war allein der auch vom Kläger nicht in Abrede gestellte Notruf zur Wohnung des Erblassers wegen einer Person mit akutem Atemnotleiden.

Auch die weitere Beanstandung des Klägers, der genaue Todeszeitpunkt des Erblassers sei nicht feststellbar gewesen, sodass sein Versterben kurz vor dem Eintreffen der Feuerwehr nicht feststehe, vermag die Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht in Zweifel zu ziehen. Abgesehen davon, dass das Urteil keine von der Sterbeurkunde abweichenden Feststellungen zum Todeszeitpunkt enthält, ist das Verwaltungsgericht nach Lage der Umstände des vorliegenden Falles zutreffend davon ausgegangen, dass der Notfallanruf von einer unbekannt gebliebenen Person stammte, die die auf Lebensgefahr hindeutenden Atemgeräusche aus der Wohnung des Erblassers durch die geschlossene Wohnungstür wahrgenommen und daraufhin die Feuerwehr alarmiert hatte. Demgegenüber stellt die Annahme des Klägers, der Erblasser hätte im Zeitpunkt des Eintreffens der Feuerwehr schon mehrere Stunden tot gewesen sein können und der Notruf mithin fingiert worden sei, eine rein spekulative Erwägung ohne jeden Anhalt oder Beleg dar.

Auch das Antragsvorbringen des Klägers, §§ 13, 14 ASOG seien auf einen Sterbenden nicht anwendbar, vielmehr werde die Feuerwehr bei Hilfeleistung für einen sterbenden Menschen auf der Grundlage des § 1 Abs. 3 des Gesetzes über den Brandschutz und die Hilfeleistungen bei Notlagen - FwG - i.d.F. vom 3. Mai 1984 (GVBl. S. 764), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Februar 1999 (GVBl. S. 78), tätig, § 15 FwG sehe bei derartigen Hilfeleistungen aber eine Entschädigung des Wohnungseigentümers nicht vor, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat im Einzelnen und unter Zitierung der dafür maßgeblichen polizeirechtlichen Rechtsprechung zur Anscheinsgefahr (OVG Hamburg NJW 1986, 2005 [2006]; VGH Baden-Württemberg DVBl. 1990, 1047 [1048]; Bayrischer VGH DÖV 1996, 82) zutreffend begründet, dass der Erblasser verantwortlicher Verursacher einer Anscheinsgefahr für die öffentliche Sicherheit i.S.v. §§ 1 Abs. 1, 13 Abs. 1, 64 Abs. 1 ASOG war, weil er auch bei für die Kostenpflicht maßgeblicher rückschauender Betrachtung den Anschein einer Gefahr tatsächlich veranlasst und dafür einzustehen hatte. Zuständig für die Abwehr der dem Erblasser vermeintlich drohenden Lebensgefahr war auch die Berliner Feuerwehr (§ 3 Abs. 1 Satz 1 ASOG); sie hat die Eingangstür der Wohnung des Erblassers im Rahmen ihrer Aufgabe zur Gefahrenabwehr gewaltsam geöffnet, um Leben zu retten. Gegenüber dieser beim Rettungseinsatz vom 2. April 1996 wahrgenommenen Aufgabe der Gefahrenabwehr ist die Gewährung von Hilfe und Unterstützung gemäß § 1 Abs. 3 FwG nachrangig, wie sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes des Zulassungsverfahrens folgt aus §§ 13 Abs. 2, 14 Abs. 1 und 3, 73 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 2 Satz 3 VwGO a.F.).

Ende der Entscheidung

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