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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 20.01.2005
Aktenzeichen: OVG 1 S 38.04
Rechtsgebiete: VwGO, BerlStrG, VwVfG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 1
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
BerlStrG § 4 Abs. 1 Satz 3
BerlStrG § 4 Abs. 3 Satz 1
VwVfG § 41 Abs. 4 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 1 S 38.04

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Monjé und die Richter am Oberverwaltungsgericht Seiler und Fieting am 20. Januar 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. Mai 2004 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden den Antragstellern auferlegt.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 4 000 € festgesetzt.

Gründe:

Die Antragsteller wenden sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen straßenrechtliche Maßnahmen des Antragsgegners zur Einrichtung einer Fußgängerzone in der Grünstraße und angrenzenden Bereichen in der Köpenicker Altstadt. Der Antragsteller zu 1) betreibt auf seinem Grundstück G. 5 ein Optikergeschäft, der Antragsteller zu 2) auf dem Grundstück G. 4 eine Wein- und Spirituosenhandlung. Durch Beschluss vom 27. Mai 2004 hat das Verwaltungsgericht den Antragstellern die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes versagt.

Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde der Antragsteller ist nicht begründet. Die von ihnen innerhalb der Antragsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten und vom Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfenden Gründe rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die Allgemeinverfügungen des Antragsgegners vom 17. Dezember 2003 und 4. Mai 2004 zu Recht mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Antragsgegner die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen gegenüber den Antragstellern angeordnet habe. Entgegen der Auffassung der Antragsteller bedurfte die Anordnung der sofortigen Vollziehung keiner öffentlichen Bekanntgabe, um gegenüber den Antragstellern wirksam zu werden. Zwar bestimmt § 4 Abs. 3 Satz 1 BerlStrG, dass die Teileinziehung durch Allgemeinverfügung erfolgt und im Amtsblatt für Berlin bekannt zu machen ist. Auch mag die Anordnung der sofortigen Vollziehung möglicherweise dann gemäß § 41 Abs. 4 Satz 1 VwVfG öffentlich bekannt zu geben sein, wenn sie zum verfügenden Teil des Verwaltungsakts gehört (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 2. Oktober 1985 - 1 B 39/85 -, NVwZ 1986, 1038; Stelkens/Bonk, VwVfG, 6. Aufl., § 41, RdNr. 89). Jedoch ist das hier nicht der Fall. Vielmehr hat der Antragsgegner die sofortige Vollziehung nachträglich und zudem lediglich gegenüber den Antragstellern angeordnet, weil diese gegen die bezeichneten Allgemeinverfügungen Widerspruch eingelegt haben und dessen aufschiebende Wirkung behaupten. Hierzu war der Antragsgegner befugt (vgl. Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 2. Aufl. § 80, RdNr. 40). Sollte die sofortige Vollziehung nur gegenüber den Antragstellern angeordnet werden, so brauchte diese Anordnung auch nur ihnen gegenüber bekannt gegeben zu werden.

Die Zurückweisung der weiteren, auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche sowie vorläufige Vollzugsfolgenbeseitigung gerichteten Anträge durch das Verwaltungsgericht ist gemessen am zu berücksichtigenden Beschwerdevorbringen ebenfalls nicht zu beanstanden. Die dem Zulässigkeitsmerkmal der Antragsbefugnis zugeordneten Ausführungen der Antragsteller zum angeblich subjektiv-rechtlichen Charakter des § 4 Abs. 1 Satz 3 BerlStrG gehen ins Leere, weil das Verwaltungsgericht die Antragsbefugnis der Antragsteller ebenso wenig verneint hat, wie es im Übrigen die vom Antragsgegner behauptete Bestandskraft der Allgemeinverfügung vom 17. Dezember 2003 angenommen hat. Auch der beschließende Senat kann die Zulässigkeit dieser Anträge offen lassen, weil das zur Prüfung stehende Beschwerdevorbringen jedenfalls nicht deren Begründetheit aufzeigt.

Die im Rahmen eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich nur mögliche und gebotene summarische Prüfung führt danach zumindest nicht zur offensichtlichen Rechtswidrigkeit der hier angegriffenen Maßnahmen. Eine Teileinziehung ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 BerlStrG zulässig, wenn nachträglich Beschränkungen auf bestimmte Benutzungsarten, Benutzungszwecke und Benutzerkreise aus überwiegenden Gründen des öffentlichen Wohls festgelegt werden sollen. Der Antragsgegner hat ausweislich seines Vermerks vom 17. November 2003 (Bl. 13 des Verwaltungsvorgangs des Tiefbauamts) eine solche Abwägung vorgenommen und insbesondere die Aspekte der Lärmminderung, der Steigerung der Wohn- und Aufenthaltsqualität sowie der Erhöhung der Attraktivität der Altstadt für Kunden, Besucher und Bewohner als (auch die wirtschaftlichen Interessen der Antragsteller) überwiegende Gründe des Allgemeinwohls angeführt. Ferner heißt es in dem Vermerk u.a., dass sich mehr als zwei Drittel der befragten Bewohner, Eigentümer und Gewerbetreibenden für das Konzept ausgesprochen hätten. Schon das zeigt, dass der Antragsgegner eine offenbar nicht nur vereinzelt gebliebene Ablehnung seines Konzepts durchaus zur Kenntnis genommen und in seine Abwägung einbezogen hat.

Ist die Teileinziehung zumindest nicht offensichtlich rechtswidrig, so ist es auch nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der von ihm nach § 80 Abs. 5 VwGO vorgenommenen Interessenabwägung ein die Suspensivinteressen der Antragsteller überwiegendes besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung angenommen hat. Ob die dabei angelegten Maßstäbe den von den Antragstellern vorgetragenen Zweifeln begegnen, mag dahinstehen; im Ergebnis ist die Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts jedenfalls nicht zu beanstanden.

Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung insbesondere mit der Erwägung begründet, dass der Gesundheitsschutz der Altstadtbewohner die sofortige Umsetzung der Maßnahme erforderlich mache. So hätten Lärmmessungen ergeben, dass die Lärmbelästigungen durch den Fahrzeugverkehr in der Altstadt tagsüber und nachts für den ganz überwiegenden Teil der Anwohner bereits in gesundheitsgefährdenden Bereichen liege. Schon deshalb sei die Herausnahme des permanenten Kraftfahrzeugverkehrs aus den von der Teileinziehung erfassten Straßen in der Altstadt dringend zum Schutz der Gesundheit der Anwohner erforderlich. Damit ist ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Maßnahme dargelegt.

Aufgrund der besonderen Wertigkeit des mit Verfassungsrang ausgestatteten Schutzguts der Gesundheit (Artikel 2 Abs. 2 GG) überwiegt das besondere Vollziehungsinteresse die (wirtschaftlichen) Interessen der Antragsteller an der vorläufigen Aussetzung der angegriffenen Maßnahmen. Insbesondere kann dem Vollziehungsinteresse nicht der Einwand der Antragsteller entgegengehalten werden, den Anwohnern sei ein Abwarten auf das Hauptsacheverfahren ohne weiteres möglich, weil sie bereits viele Jahre dem Durchgangsverkehr ausgesetzt gewesen seien. Umgekehrt verlieren die Suspensivinteressen der Antragsteller dadurch an Gewicht, dass deren Geschäfte auch nach Einrichtung der Fußgängerzone durch potenzielle Kunden gut erreichbar sind. Insbesondere liegt direkt neben dem Grundstück des Antragstellers zu 1) ein privat bewirtschafteter Parkplatz der Antragsteller mit einer Zufahrt zur M. sowie ein öffentlicher Fußweg von der M. zur G. (vgl. Karte Bl. 133 des Verwaltungsvorgangs des Tiefbauamtes). Zudem befinden sich in der M. etwa auf Höhe der Geschäfte der Antragsteller Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes ergibt sich aus § 72 Nr. 1 GKG i.V.m. §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG a.F..

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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