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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Urteil verkündet am 29.08.2003
Aktenzeichen: OVG 2 B 4.01
Rechtsgebiete: PStV, VwGO


Vorschriften:

PStV § 68
PStV § 68 Abs. 1 Nr. 15
VwGO § 102 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 2 B 4.01

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. August 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Freitag, den Richter am Oberverwaltungsgericht Liermann und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Broy-Bülow sowie die ehrenamtliche Richterin Balk und den ehrenamtlichen Richter Bayer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 2. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Gebührenbescheides. Der Kläger, der eine Erbenermittlung betreibt, beantragte mit dem an das Standesamt Reinickendorf von Berlin gerichteten Schreiben vom 16. August 1998 unter anderem die Übersendung einer beglaubigten Ablichtung der Geburtsurkunde einer am 9. September 1891 geborenen Frau K. Mit Schreiben vom 22. September 1998 teilte das Standesamt ihm mit, dass diese Eintragung in Berlin Reinickendorf nicht habe aufgefunden werden können. Insoweit stellte es dem Kläger eine Suchgebühr in Höhe von 12,00 DM in Rechnung, die es mit Bescheid vom 5. Oktober 1998 auf 35,00 DM heraufsetzte. Der Kläger legte dagegen Widerspruch ein, den die Bezirksbürgermeisterin von Berlin Reinickendorf durch den Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 1999 zurückwies. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Suchgebühr sei gemäß § 68 Abs. 1 Nr. 15 der Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes entstanden, weil die Adressierung der Anfrage an das Standesamt Reinickendorf nicht ausreichend zum Aufsuchen des Eintrages gewesen sei. Da der Standesamtbezirk Reinickendorf aus der Zusammenlegung verschiedener früherer Standesamtbezirke hervorgegangen sei, hätte vielmehr konkret der damalige Standesamtbezirk im maßgebenden Zeitpunkt des Urkundeneintrags angegeben werden müssen. Das Ersuchen des Klägers im vorliegenden Fall habe die Nachsuche in sämtlichen Registern der früheren Standesamtbezirke notwendig gemacht, was einen die Festsetzung einer Suchgebühr rechtfertigenden zusätzlichen Aufwand verursacht habe.

Der Kläger hat hiergegen Klage mit dem Ziel der Aufhebung des Gebührenbescheids und der Erstattung des vom Beklagten bereits einbehaltenen Teilbetrages von 12,00 DM erhoben. Er hat im Wesentlichen geltend gemacht: Eine Suchgebühr sei nicht entstanden, weil er mit der Adressierung des Gesuchs an das Standesamt Reinickendorf von Berlin die erforderlichen Angaben hinsichtlich des Standesamtbezirks gemacht habe. Der Begriff des Standesamtbezirks sei nach dem Personenstandsgesetz eindeutig als derjenige Bezirk definiert, für den ein Standesamt zum Zeitpunkt der Antragstellung zuständig sei. Soweit ein heutiger Standesamtbezirk aus der Zusammenlegung mehrerer früherer Standesamtbezirke hervorgegangen sei und hierdurch ein Mehraufwand beim Suchen nach Personenstandseinträgen verursacht werde, handele es sich um behördeninterne Vorgänge, die es nicht rechtfertigten, dem Auskunft suchenden Bürger eine zusätzliche Suchgebühr aufzuerlegen. Überdies werde eine derartige Suchgebühr in vergleichbaren Fällen von keinem anderen Standesamt in Deutschland, und auch in Berlin, erhoben.

Durch das Urteil vom 2. Oktober 2000 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben, den Gebührenbescheid aufgehoben und den Beklagten zur Erstattung der bereits gezahlten Gebühr von 12,00 DM verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Gebührenbescheid sei rechtswidrig. Der Kläger habe mit der Adressierung seines Ersuchens an das Standesamt Reinickendorf konkludent den Standesamtbezirk angegeben, in dem gesucht werden sollte. Der Begriff des Standesamtbezirks in der Gebührenregelung bezeichne den heutigen, also zum Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden Standesamtbezirk. Das folge aus einer systematischen Gesamtschau der Regelungen im Personenstandsgesetz und in der Ausführungsverordnung, da sich der Begriff des Standesamtbezirks danach einheitlich auf den aktuell vorhandenen Bezirk beziehe. Hätte der Verordnungsgeber eine davon abweichende Bedeutung gewollt, so hätte er dies etwa durch den Begriff "ehemaliger Standesamtbezirk" zum Ausdruck bringen müssen. Auch Sinn und Zweck der Gebührenerhebung, einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand abzugelten, stehe dieser Auslegung nicht entgegen, zumal bei Zweifeln hinsichtlich des Normverständnisses die den Bürger weniger belastende Variante zu Grunde zu legen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung des Beklagten, zu deren Begründung er sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und ergänzt.

Er beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 2. Oktober 2000 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Sachdarstellung wird auf die Akten des Gerichts und auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung, über die der Senat trotz Ausbleibens des Klägers im Verhandlungstermin gemäß § 102 Abs. 2 VwGO entscheiden konnte, hat keinen Erfolg. Der angefochtene Gebührenbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Suchgebühr ist § 68 Abs. 1 Nr. 15 der Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes in der hier maßgebenden Fassung der 15. Änderungsverordnung vom 25. Mai 1998 (BGBl. I S. 1138) - PStV -. Danach ist für das Suchen eines Eintrags oder Vorgangs, wenn hierfür entweder Datum oder Standesamtbezirk oder sonstige zum Aufsuchen notwendige Angaben nicht gemacht werden können, je nach Aufwand eine Gebühr von 30,00 bis 100,00 DM zu erheben. Diese Vorschrift ist nach ihrem insoweit eindeutigen Wortlaut dahin zu verstehen, dass der Tatbestand für die Erhebung einer Suchgebühr nur erfüllt ist, wenn - unter anderem - der Standesamtbezirk nicht angegeben wird; das gilt unabhängig von dem tatsächlich für die weitere Bearbeitung des Antrags erforderlichen Aufwand, der erst auf der Rechtsfolgenseite bei Erfüllung dieser tatbestandlichen Voraussetzung für die Festsetzung innerhalb des vorgegebenen Gebührenrahmens Bedeutung hat.

Dem Verwaltungsgericht ist auch darin zu folgen, dass sich das Mindesterfordernis der Angabe des Standesamtbezirks auf den im Zeitpunkt des Auskunftsersuchens bestehenden Standesamtbezirk bezieht und dass deshalb die Benennung eines in dem jetzigen Standesamtbezirk aufgegangenen früheren Standesamtbezirks, in dessen räumlichen Zuständigkeitsbereich seinerzeit der Urkundeneintrag vorgenommen worden ist, nicht gefordert werden kann. Zu dieser Auslegung des im Gebührentatbestand verwendeten, nicht durch einen Zusatz wie "früherer" oder "damaliger" eingeschränkten Begriffs des Standesamtbezirks ist das Verwaltungsgericht überzeugend unter Berücksichtigung der Regelungssystematik und des erkennbaren Zwecks der Vorschrift gelangt; hierauf wird verwiesen. Auch das Berufungsvorbringen des Beklagten führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Allein das vom Verwaltungsgericht vertretene Normverständnis genügt dem Gebot der Bestimmtheit gebührenrechtlicher Tatbestände, das den Betroffenen die hinreichende Berechenbarkeit von Gebührenbelastungen gewährleisten soll (vgl. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, Schriften zum öffentlichen Recht, Bd. 399, S. 69 und die Nachweise in Fußnote 33). Nur diese Auslegung berücksichtigt hinreichend die gebotene Unterscheidung zwischen dem Bereich der dem Staat übertragenen Organisationsgewalt auf der einen Seite und den dem Auskunft suchenden Bürger zugänglichen Erkenntnismöglichkeiten und zumutbaren Nachforschungsbemühungen auf der anderen Seite. Danach kann dem Bürger nur zugemutet werden, die ihm bekannten und aus den allgemein zugänglichen Erkenntnisquellen - Behörden- und Telefonverzeichnisse usw. - entnehmbaren Informationen zu dem erfragten Vorgang und Eintrag anzugeben. Bezogen auf das hier streitige Auskunftsverlangen bedeutet dies, dass der Kläger nur den im Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden Standesamtbezirk ermitteln und benennen musste. Soweit dieser Standesamtbezirk aus der Zusammenlegung mehrerer kleinerer Standesamtbezirke hervorgegangen ist, hat er damit jedenfalls den räumlichen Bereich umschrieben, innerhalb dessen die geforderte Urkunde nach seiner Auffassung zu finden sein müsste. Dagegen kann von ihm billigerweise nicht erwartet werden, dass er sich zu einer weiteren Spezifizierung seiner Angaben auch die Kenntnis darüber beschafft, welchem ehemaligen Standesamtbezirk der entsprechende Vorgang zuzuordnen ist. Dies ist allein eine Frage der internen Behördenorganisation. Deshalb kann auch nur der Beklagte zuverlässig über den entsprechenden Informationsstand verfügen. Wie hoch der Aufwand für die Suche einer Personenstandsurkunde bei einem in dieser Weise zusammengefassten Standesamtbezirk im Einzelfall ist und durch welche organisatorischen Vorkehrungen die Suche bewerkstelligt oder vereinfacht wird, fällt allein in den Verantwortungsbereich der betreffenden staatlichen Stellen, nicht aber in die Risikosphäre des Auskunftssuchenden. Gewisse, vom Verwaltungsgericht aufgezeigte Ungereimtheiten hinsichtlich der gebührenmäßigen Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes im Vergleich zu anderen Gebührentatbeständen des § 68 PStV sind im Übrigen als Folge der bei der Regelung von Gebührentatbeständen generell zulässigen Pauschalierung und Typisierung hinzunehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Gründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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