Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Urteil verkündet am 22.06.2005
Aktenzeichen: OVG 2 B 6.05
Rechtsgebiete: BauGebO, GebBeitrG, PrKAG


Vorschriften:

BauGebO § 1 Abs. 1
BauGebO § 1 Abs. 1 Satz 1
BauGebO § 8 Abs. 2
GebBeitrG § 2 Abs. 1
GebBeitrG § 6 Abs. 1
GebBeitrG § 8 Abs. 1
GebBeitrG § 8 Abs. 2
PrKAG § 6 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 2 B 6.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Korbmacher, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Broy-Bülow und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Riese sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Brauner und Funk

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Gebühren für baurechtliche Befreiungen im Zusammenhang mit der ihr erteilten Baugenehmigung vom 31. Januar 2003 zur Errichtung eines Hotelgebäudes auf dem Grundstück B. in Berlin-Wilmersdorf. Das Grundstück liegt nach den Ausweisungen des Bebauungsplans IX-89 in einem allgemeinen Wohngebiet. Dieser setzt für das Grundstück u.a. eine Grundflächenzahl (GRZ) von 0,3 und eine Geschossflächenzahl (GFZ) von 1,5 fest. Für den Fall, dass Gebäude errichtet werden, die keine Wohnungen enthalten, ist nach der Planergänzungsbestimmung Nr. 3 im allgemeinen Wohngebiet eine GRZ von 0,4 und eine GFZ von 2,0 zulässig. Mit Schreiben vom 22. März 2002 beantragte die Klägerin Befreiungen für eine Überschreitung der GRZ von 0,4 auf 0,79 und der GFZ von 2,0 auf 6,17. Die Gesamtbaukostenhöhe für das Vorhaben hatte sie im Bauantrag vom 22. Februar 2002 mit 5 600 000 EUR angegeben. Mit Bescheiden vom 31. Januar 2003 erteilte das Bezirksamt Wilmersdorf von Berlin die Baugenehmigung und die beantragten Befreiungen. Zugleich setzte es durch Bescheid vom 31. Januar 2003 die in diesem Zusammenhang angefallenen Gebühren fest. Für die Erteilung der Befreiungen von dem zulässigen Maß der baulichen Nutzung bei Überschreitung der zulässigen Geschossflächen- und Grundflächenzahl erhob das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf auf der Grundlage von § 1 Abs.1 der Baugebührenordnung in der Fassung der Änderungsverordnung vom 16. Oktober 2001 (GVBl. S. 562) - Baugebührenordnung - in Verbindung mit Tarifstelle 2034 c) Nr. 1 und 3 des Gebührenverzeichnisses Gebühren in Höhe von 105 632,80 EUR für die Befreiung von der GFZ (Mehrgeschossfläche 3 018,08 m² x 35,00 EUR) und in Höhe von 29 174,04 EUR für die Befreiung von der GRZ (Mehrgrundfläche 286,02 m² x 102,00 EUR). Die Gebühr für die Baugenehmigung selbst betrug 22.600,00 EUR.

Die Klägerin legte Widerspruch gegen den Gebührenbescheid vom 31. Januar 2003 im Umfang der Gebühren für die Befreiung von der GFZ und der GRZ ein. Sie machte geltend, dass die Baugebührenordnung 2001 nichtig sei, soweit sie für Befreiungen von der GFZ und der GRZ nach Tarifstelle 2034 c) Nr. 1 und 3 des Gebührenverzeichnisses eine feste Gebühr je Quadratmeter ohne Kappungsgrenze vorsehe. Dadurch gingen die Befreiungsgebühren weit über die Kosten für den tatsächlichen Arbeitsaufwand der Behörde hinaus und es sei kein angemessenes Verhältnis von Leistung und Gegenleistung mehr gegeben. Die Bemessung der Gebühr könne sich nach dem Äquivalenzprinzip jedoch nur am Wert der von der Behörde erbrachten Leistung orientieren. Es bestehe auf diese Weise weder ein sinnvolles Verhältnis zwischen der Baugenehmigungsgebühr und der Befreiungsgebühr noch zwischen der Befreiungsgebühr und den Gesamtbaukosten. Im vorliegenden Fall sei zudem der Arbeitsaufwand für die Erteilung der Befreiungen besonders gering gewesen, weil schon der Vorbescheid lediglich auf zuvor bereits erteilte Befreiungen für ein im Wesentlichen identisches Bauvorhaben der Grundstückseigentümerin aus dem Jahre 1996 habe Bezug nehmen können. Für solche Fälle müsse die Baugebührenordnung zumindest einen Ermäßigungstatbestand vorsehen. Den Widerspruch wies das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2004 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat diese neben dem Vorbringen im Widerspruchsverfahren auch auf Zweifel an einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden Ermächtigungsgrundlage im Gesetz über Gebühren und Beiträge für die Gebührenregelung in der Baugebührenordnung i.V.m. Tarifstelle 2034 c) Nr. 1 und 3 des Gebührenverzeichnisses gestützt, soweit diese neben dem Gebührenzweck der Kostendeckung auch den des Vorteilsausgleichs verfolge. Zugleich beantragte sie die Feststellung der Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren.

Der Klage hat das Verwaltungsgericht Berlin durch Urteil vom 17. Dezember 2004 - VG 19 A 183.04 - stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass mit der Gebührenerhebung nach Tarifstelle 2034 c) Nr. 1 und 3 des Gebührenverzeichnisses zur Baugebührenordnung, auf die der angefochtene Gebührenbescheid hinsichtlich der Gebühren für die Befreiung von der GFZ und der GRZ gestützt sei, eine Abschöpfung der mit den erteilten Befreiungen verbundenen wirtschaftlichen Vorteile verfolgt werde. Diese Tarifstelle sei nichtig, denn sie sei nicht mit Art. 64 Abs. 1 Satz 2 Verfassung von Berlin - VvB - und dem allgemeinen bundesverfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt in Verbindung mit § 8 Abs. 2 des Gesetzes über Gebühren und Beiträge vom 22. Mai 1957 (GVBl. S. 516) - GebBeitrG - sowie mit der finanzverfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung (Art. 70 Abs. 1 i.V.m. Art. 105 und 106 GG) vereinbar und verstoße zudem gegen das Äquivalenzprinzip. Auf die weiteren Einzelheiten der Entscheidung und Begründung des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Er begründet die Berufung im Wesentlichen damit, dass der angefochtene Gebührenbescheid durch die Tarifstelle 2034 c) Nr. 1 und 3 des Gebührenverzeichnisses zur Baugebührenordnung und diese wiederum durch eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage im Gesetz über Gebühren und Beiträge gedeckt sei. Die Ermächtigungsgrundlage im Gesetz über Gebühren und Beiträge müsse hinsichtlich des Wortlauts nicht den Anforderungen des Art. 64 Abs. 1 Satz 2 VvB genügen, weil das Gesetz schon vor dem In-Kraft-Treten dieser Vorschrift im Jahre 1957 erlassen worden sei. Maßgebend seien deshalb lediglich die Anforderungen des seinerzeit geltenden Art. 47 VvB. Das Gesetz über Gebühren und Beiträge gelte damit auch ohne eine Art. 129 GG entsprechende Übergangsregelung fort. Der Zweck der genannten Verwaltungsgebühren bestehe vor allem in der Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils, der dem Gebührenschuldner durch die Befreiungserteilung als Leistung der Verwaltung zuteil werde (Vorteilsausgleich). Dieser Gebührenzweck sei legitim und der Ermächtigungsnorm im Gesetz über Gebühren und Beiträge zumindest im Auslegungswege zu entnehmen. Zugleich sei mit der Ausgestaltung der Tarifstelle 2034 c) Nr. 1 und 3 des Gebührenverzeichnisses als linear mit dem Wert des wirtschaftlichen Vorteils ansteigender Gebühr ohne Kappungsgrenze auch eine Verhaltenssteuerung beabsichtigt, um einen weitgehend plankonformen Städtebau zu erreichen und Abweichungen vom geltenden Planungsrecht durch die Bauherren möglichst in Grenzen zu halten. Auch das sei ein legitimes Anliegen des Verordnungsgebers. Die Behörde sei bei der Gebührenerhebung nicht auf den Ausgleich des mit dem Leistungsvorgang verbundenen Kostenaufwandes der Behörde beschränkt; die Amtshandlung sei vielmehr nur der Anlass für die Gebührenerhebung. § 8 Abs. 2 GebBeitrG, wonach die Verwaltungsgebühren unter Berücksichtigung der Kosten des Verwaltungszweiges festzusetzen seien, stehe dem nicht entgegen. Er lasse keine Beschränkung der Höhe der Verwaltungsgebühren auf eine Kostendeckung erkennen. Mit der relativ offenen, nur die Berücksichtigung der Kosten des Verwaltungszweiges fordernden Fassung der Ermächtigungsgrundlage habe der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber vielmehr Raum für verschiedene Gebührenzwecke geben wollen, denn die Ermächtigungsnorm im Gesetz über Gebühren und Beiträge könne gar nicht alle in den Rechtsverordnungen zu regelnden Gebührensachverhalte erfassen. Das Berücksichtigungsgebot sei lediglich im Sinne eines Gesichtspunkts zu verstehen, der in die Entscheidung über die Höhe der Gebühren mit einfließen müsse.

Ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip liege nicht vor. Die Tarifstelle 2034 c) Nr. 1 und 3 des Gebührenverzeichnisses der Baugebührenordnung 2001 führe nicht zu Gebührenfestsetzungen, die sich nicht mehr auf die Kosten des Verwaltungsaufwands zurückführen ließen, denn ganz überwiegend würden mit dem Gebührenaufkommen noch nicht einmal die sich aus Sach- und Personalkosten zusammensetzenden Verwaltungskosten gedeckt. Die nach dem Gesetz zu berücksichtigenden Kosten des Verwaltungszweigs beträfen nicht nur den Kostenaufwand für die konkrete Entscheidung über den Befreiungsantrag, sondern auch den für die so genannten Verwaltungsgemeinkosten der an der Amtshandlung beteiligten verschiedenen Stellen der Verwaltung. Schließlich sei bei umfänglichen Befreiungen eine über den üblichen Rahmen hinausgehende Ämterbefassung und Koordination erforderlich. Von einer erdrosselnden Wirkung der Gebührenhöhe könne nicht ausgegangen werden. Dies gelte erst recht, wenn die Gebühren auf Dritte abgewälzt werden könnten. Hätte die Klägerin statt der Befreiung die für ihr Vorhaben nach dem geltenden Planungsrecht benötigten Grundstücksflächen zur Einhaltung des Maßes der baulichen Nutzung hinzu erworben, wäre dafür wesentlich mehr als die Gebühr für die Befreiung aufzuwenden gewesen. Auch im Verhältnis zu den Bauherstellungskosten des Vorhabens erreiche die Befreiungsgebühr nur einen Anteil im einstelligen Prozentbereich, so dass von einem groben Missverhältnis nicht die Rede sein könne. Aus dem Vorhandensein eines positiven Bauvorbescheids könne auch kein Gebührenermäßigungsanspruch abgeleitet werden, denn ein Vorbescheid vermittle noch keinen individualrechtlichen Anspruch auf eine Bebauung, sondern beinhalte nur die befristete Verpflichtung der Behörde zu einer entsprechenden Entscheidung. Im Übrigen gebe es hierfür einen eigenständigen Gebührentatbestand.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Dezember 2004 zu ändern und die Klage gegen den Gebührenbescheid des Bezirksamts Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin vom 31. Januar 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2004 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Dezember 2004 zurückzuweisen.

Zur Begründung nimmt sie auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Dezember 2004 sowie ihr Vorbringen im Widerspruchs- und Klageverfahren Bezug und führt ergänzend aus, dass der Beklagte nunmehr selbst klargestellt habe, dass der Hauptzweck der erhobenen Befreiungsgebühren die Abschöpfung der durch die Befreiung erlangten wirtschaftlichen Vorteile sei. Außerdem werde vom Beklagten nunmehr noch die Verhaltenssteuerung als weiterer Gebührenzweck genannt, mit dem Ziel, die Bauherren von einer übermäßigen Inanspruchnahme der Befreiungsmöglichkeiten abzuhalten. Die Rechtsauffassung des Beklagten zur Ermächtigungsgrundlage und zu dem von ihr gedeckten Zweck der Gebührenerhebung sei schon im Ansatz falsch. Es komme nicht darauf an, ob das Gesetz über Gebühren und Beiträge bestimmte zulässige Gebührenzwecke ausdrücklich ausschließe, sondern es komme umgekehrt darauf an, inwieweit das Gesetz die Verfolgung bestimmter Gebührenzwecke, wie die Vorteilsabschöpfung oder die Verhaltungssteuerung, ausdrücklich zulasse. Der Gebührenzweck sei als maßgebliches Bemessungskriterium für die Höhe der Gebühren eine der wesentlichen Regelungen, die vom Gesetzgeber selbst getroffen werden müsse. Der Beklagte würde die wirtschaftlichen Zusammenhänge verkennen, wenn er eine Abschreckungswirkung der Gebührenhöhe damit verneine, dass die Gebühren letztlich über Dritte - Mieter oder Erwerber des Grundstücks - refinanziert werden könnten, denn die Weitergabe der über die Herstellungskosten hinausgehenden gebührenbedingten Mehrkosten an Dritte sei nur nach den Gesetzmäßigkeiten des Marktes möglich. Die durch die Befreiung gewährte "zusätzliche" Geschossfläche sei zudem keine Inanspruchnahme öffentlicher Güter, sondern ausschließlich die Nutzung des verfassungsrechtlich geschützten privaten Eigentums, so dass für eine Abschöpfung dieses Vorteils kein Raum sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Ursache der umfangreichen Befreiungsnotwendigkeiten die völlig veraltete und defizitäre Bauleitplanung des Beklagten im Westteil der Stadt Berlin sei. Durch das Festhalten an dem veralteten Baunutzungsplan verletze das Land Berlin seine Planungspflicht und nötige die Bauherren zu umfangreichen und damit gebührenintensiven Befreiungsanträgen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Dezember 2004 - VG 19 A 183.04 - ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der von der Klägerin angefochtene Gebührenbescheid des Bezirksamts Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin vom 31. Januar 2003 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), soweit darin Gebühren für die Erteilung von Befreiungen vom zulässigen Maß der baulichen Nutzung bei Überschreitung der zulässigen Geschossflächenzahl (105.632,80 €) und der zulässigen Grundflächenzahl (29.174,04 €) festgesetzt worden sind. Die Rechtsgrundlage für diese Gebührenerhebung ist nichtig, denn ihr fehlt hinsichtlich des Gebührenzwecks der Vorteilsabschöpfung eine hinreichend bestimmte gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. An seiner gegenteiligen Rechtsauffassung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren (Beschluss vom 3. Juni 2004 - OVG 2 S 18.04 - NVwZ-RR 2005, 304) hält der Senat nicht fest.

I. Rechtsgrundlage für die vorgenannte Gebührenerhebung in dem Bescheid vom 31. Januar 2003 ist § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Erhebung von Gebühren im Bauwesen vom 31. Juli 2001 (GVBl. S. 326) in der Fassung der Ersten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Erhebung von Gebühren im Bauwesen vom 16. Oktober 2001 (GVBl. S. 562) - Baugebührenordnung (BauGebO) - i.V.m. Tarifstelle 2034 c) Nr. 1 und 3 des Gebührenverzeichnisses. Danach werden Gebühren für Leistungen der Einrichtungen im öffentlichen Bauwesen nach dieser Gebührenordnung und dem anliegenden Gebührenverzeichnis erhoben. Dieses sah bis zur Zweiten Verordnung zur Änderung der Baugebührenordnung vom 10. Mai 2005 (GVBl. S. 297) unter Tarifstelle 2034 c) als Gebühr für die Erteilung von Befreiungen von planungsrechtlichen Festsetzungen vom zulässigen Maß der baulichen Nutzung

1. bei Überschreitung der zulässigen Geschossflächenzahl, je m² zusätzlicher Geschossfläche (§ 20 BauNVO) 35,00 EUR mindestens 664,00 EUR

...

3. bei Überschreitung der zulässigen Grundflächenzahl (§ 19 BauNVO), je m² zusätzlicher Grundfläche 102,00 EUR mindestens 1022,00 EUR vor.

Nach dem Regelungsinhalt dieser Tarifstelle handelt es sich bei den Befreiungsgebühren um Verwaltungsgebühren, denn sie werden für eine Befreiungserteilung auf Antrag des Gebührenschuldners erhoben und stellen damit eine Gegenleistung für die Vornahme einer einzelnen Amtshandlung auf Veranlassung eines Beteiligten im Sinne des § 2 Abs. 1 GebBeitrG dar.

II. Der Zweck der Befreiungsgebühr erschließt sich aus der Normstruktur. Diese zeigt in Tarifstelle 2034 c) Nr. 1 und 3 des Gebührenverzeichnisses einen zweistufigen Aufbau. Durch eine Mindestgebühr wird in den Fällen eines nur geringfügigen Befreiungsbedarfs die Abdeckung eines pauschal angenommenen Mindestverwaltungskostenaufwands gewährleistet. Soweit die Mindestgebührenhöhe durch die sich grundsätzlich nach einem Festbetrag pro Quadratmeter Grund- bzw. Geschossfläche errechnende Befreiungsgebühr überschritten wird (ab ca. 19 m² GFZ/ca. 10 m² GRZ), steigt sie unbegrenzt linear mit dem Flächenzuwachs an. Das Fehlen einer Kappungsgrenze, wie sie durch die Elfte Verordnung zur Änderung der Verwaltungsgebührenordnung vom 16. Dezember 1980 (GVBl. 1981 S. 38) Tarifstelle 6343 - Anmerkung - in Höhe der anfallenden Gebühr für eine Genehmigung des Bauvorhabens nach Tarifstelle 6301 für Befreiungsgebühren eingeführt worden, aber mit dem In-Kraft-Treten der Baugebührenordnung vom 31. Juli 2001 (GVBl. S. 326) wieder entfallen ist, macht deutlich, dass sich die Gebührenhöhe nicht nur an dem Zweck der Kostendeckung orientiert. Mit der Abschaffung der Kappungsgrenze für Befreiungsgebühren trat vielmehr der weitere Gebührenzweck der Vorteilsabschöpfung zu dem der Kostendeckung hinzu, auch wenn diese Rechtsänderung mit gestiegenem Verwaltungsaufwand und erforderlichen Gebührenerhöhungen sowie mit Schwierigkeiten in der Handhabung der Vorgängerfassung der Gebührenordnung begründet worden war (vgl. hierzu Senatsvorlage zur VO Nr. 14/144, Begr. S.28, 33; SenBauWo Vermerk vom 28. Oktober 2002 für die Baustadträtesitzung am 7. November 2002 - 5127 - sowie Schreiben SenStadt vom 17. Juli 2003 an BezA Chlbg. - VI E 31).

Der Gebührenzweck der Vorteilsabschöpfung ist dem Wortlaut der Norm nicht zu entnehmen, sondern der vom Verordnungsgeber gewählten Regelungstechnik für die Erhebung von Befreiungsgebühren in Tarifstelle 2034 c) Nr. 1 und 3 des Gebührenverzeichnisses. Diese führt dazu, dass die Befreiungsgebühren ihren auf die Vorteilsabschöpfung abzielenden Charakter erst mit zunehmendem Flächenzuwachs durch die Befreiung vom zulässigen Maß der baulichen Nutzung entfalten und sich zugleich von dem Ziel (nur) der Deckung des Verwaltungskostenaufwands entfernen. Diese Scherenbewegung kann bis zur Marginalisierung der Verwaltungskosten im Verhältnis zur Gesamtgebührenhöhe führen. Wann jedoch im Einzelfall durch die Gebührenhöhe die Grenze zur Vorteilsabschöpfung überschritten wird, ob dies schon ab dem "quadratmetermäßigen" Erreichen der Mindestgebühr der Fall ist oder ob diese Schwelle eher bei einem bestimmten Prozentsatz der Bauherstellungskosten als Erfahrungswert für den regelmäßig in diesem Zusammenhang anfallenden Verwaltungsaufwand anzunehmen ist, wie er der Gebührenerhebung bei der Erteilung von Baugenehmigungen nach der Tarifstelle 2000 des Gebührenverzeichnisses pauschal zugrunde gelegt wird, entzieht sich einer näheren Festlegung. Die fließenden Grenzen in Verbindung mit der regelungstechnischen Verzahnung der Gebührenzwecke der Kostendeckung und der Vorteilsabschöpfung innerhalb der Vorschrift haben zugleich zur Folge, dass die Gebührenregelung rechtlich nicht "teilbar" ist und etwaige den einen Gebührenzweck betreffende Rechtsmängel auch auf den anderen und im Ergebnis auf die Wirksamkeit der Norm insgesamt durchschlagen.

Soweit der Beklagte in der Berufungsbegründung als weiteren Gebührenzweck die Verhaltenssteuerung genannt hat, um die Bauherren zu einem möglichst plankonformen Bauen anzuhalten, ist dieser weder der Baugebührenordnung in Verbindung mit dem Gebührenverzeichnis noch den Materialien zu der Befreiungsgebührenregelung zu entnehmen und als nachgeschobene Begründung ohne Substanz.

III. Gegen die Verfolgung des Gebührenzwecks der Vorteilsabschöpfung durch die Baugebührenordnung bestehen grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken, denn in der Rechtsprechung ist anerkannt, dass sowohl die Kostendeckung als auch die Vorteilsabschöpfung verfassungsrechtlich legitime Gebührenzwecke sein können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. April 2003, BVerwGE 118, 128, 133 f. = NVwZ 2003, 1508, 1510 m.w.N. sowie zusammenfassende Übersicht bei Jobs, LKV 2003, 350, 351,352).

1. Dem steht nicht entgegen, dass die mit der Befreiungsgebühr im vorliegenden Fall beabsichtigte Vorteilsabschöpfung nicht an die Gewährung eines Sondervorteils an einem Allgemeingut anknüpft, wie es z.B. bei der Wasserentnahmeabgabe (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. November 1995, BVerwGE 93, 319 ff.) oder der Gebühr für eine Rufnummerzuteilung im Ortsnetzbereich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. April 2003, a.a.O.) der Fall ist, sondern an die Eröffnung weitergehender Nutzungsmöglichkeiten an einem Privatgrundstück, die keine staatliche Eigentumsgewährung darstellt, weil mit einer Befreiungserteilung lediglich dem verfassungsrechtlichen Schutz des durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Privateigentums durch eine größtmögliche Aktualisierung der Baufreiheit Rechnung getragen werden soll. Die vom Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts umfasste Baufreiheit wird jedoch nur nach Maßgabe des einfachen Rechts gewährleistet, weil der Inhalt des Eigentums durch die Regelfestsetzungen des Bebauungsplans und die mit ihnen zulässigerweise verbundenen, gesetzlich definierten Befugnisse bestimmt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 1998, BVerwGE 106, 228, 234; Urteil vom 19. Februar 2004, BVerwGE 120, 130, 137). Eine Anknüpfung der Gebührenerhebung an den durch die Befreiungserteilung entstandenen Wertzuwachs des Grundstücks, ist deshalb nicht grundsätzlich ausgeschlossen, der verfassungsrechtliche Kontext der Befreiungserteilung beschränkt diese aber zumindest hinsichtlich des Umfangs der staatlichen Partizipation. Ob diese Beschränkung beispielsweise in der Ausgestaltung einer Gebührenordnung mit einer Degression (vgl. hierzu: BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2004, NJW 2004, 3321) oder Kappungsgrenze zum Ausdruck kommen kann, bedarf keiner Entscheidung, denn für den Gebührenzweck der Vorteilsabschöpfung, wie er sich der Befreiungsgebührenregelung in § 1 Abs. 1 Satz 1 BauGebO i.V.m. Tarifstelle 2034 c) Nr. 1 und 3 des Gebührenverzeichnisses entnehmen lässt, fehlt schon eine hinreichend bestimmte gesetzliche Ermächtigungsgrundlage.

2. Eine hinreichend bestimmte gesetzliche Ermächtigungsgrundlage ist zwingend erforderlich, weil die Bestimmtheitsklausel des bundesverfassungsrechtlichen Ermächtigungsvorbehalts für Rechtsverordnungen (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG), die zwar für die Landesgesetzgebung nicht unmittelbar gilt, aber als aus dem rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassungssystem folgender Grundsatz auch für die Landesgesetzgebung verbindlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Oktober 1981, BVerfGE 58, 257, 277 m.w.N.), verlangt, dass Inhalt, Zweck und Ausmaß einer Rechtsverordnung hinreichend deutlich in einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bestimmt sein müssen. Der Gebührenpflichtige muss nicht nur erkennen können, für welche öffentliche Leistung (Amtshandlung) eine Gebühr erhoben wird, sondern auch, welchen Zweck der Gesetzgeber mit der Gebührenerhebung und -bemessung verfolgt. Tendenz und Programm der Rechtsverordnung müssen gesetzlich so weit umrissen sein, dass schon aus der Ermächtigung erkennbar und vorhersehbar ist, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. April 2003, a.a.O., S. 1509; BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 1988, BVerfGE 78, 249, 272; Beschluss vom 20. Oktober 1981, a.a.O.). Diese Anforderungen an eine hinreichend erkennbare, klare gesetzgeberische Entscheidungen über die bei der Bemessung der Gebührenhöhe verfolgten Gebührenzwecke sind gleichsam die Kehrseite des weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraums des Gebührengesetzgebers (BVerfG, Urteil vom 19. März 2003, BVerfGE 108, 1, 18 f. = NVwZ 2003, 715, 717; Wienbracke, Die verfassungsrechtliche Verankerung des Kostendeckungsprinzips, DÖV 2005, 201, 202).

Dem muss auch die Ermächtigungsgrundlage für die Regelung der Befreiungsgebühren im Gesetz über Gebühren und Beiträge genügen. Als landesgesetzliche Vorschrift ist sie zudem an der Bestimmtheitsklausel des dem Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG inhaltlich entsprechenden Art. 64 Abs. 1 Satz 2 VvB zu messen (vgl. Driehaus, VvB, 1. Aufl. 2002, Art. 64 Rdnr. 2).

Dem steht nicht entgegen, dass bei dem Erlass des Gesetzes über Gebühren und Beiträge im Jahre 1957 diese Vorschrift noch nicht in der Verfassung von Berlin enthalten war (siehe hierzu Art. 47 Abs. 1 Satz 1 VvB vom 1.September 1950, GVBl. S. 433), denn mit deren Einfügung in die Landesverfassung durch das Achtundzwanzigste Gesetz zur Änderung der Verfassung von Berlin vom 6. Juli 1994 (GVBl. S. 217) hatte auch das Gesetz über Gebühren und Beiträge den Bestimmtheitsanforderungen an Ermächtigungsgrundlagen Rechnung zu tragen. Spätestens seit der nachfolgenden Änderung des Gesetzes über Gebühren und Beiträge im Jahre 1996 (Art. II des Gesetzes vom 15. April 1996, GVBl. S. 126) ist deshalb davon auszugehen, dass die Delegationsnormen in diesem Gesetz - auch wenn sie nicht geändert worden sein sollten - in den Willen des Gesetzgebers als verfassungskonform mit aufgenommen worden sind und mit ihrem Inhalt auch nach der Verfassungsänderung fortgelten sollten.

Das Problem der Fortgeltung früherer Ermächtigungen zu Rechtsverordnungen (Art. 129 Abs. 4 GG, vgl. hierzu Maunz/Dürig/ Herzog/ Scholz, GG, Stand: Februar 2005, Art. 129 RNr. 2 u. 16 m.w.N.) stellt sich hier nicht, weil die Delegationsnorm noch gilt, und die Baugebührenordnung erst nach der Anpassung der Verfassung von Berlin an Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und der nachfolgenden Änderung des Gesetzes über Gebühren und Beiträge erlassen worden ist.

IV. Ermächtigungsgrundlage für die Gebührenregelung in § 1 Abs.1 Satz 1 BauGebO i.V. m. Tarifstelle 2034 c) Nr. 1 und 3 des Gebührenverzeichnisses ist § 6 Abs. 1 GebBeitrG. Danach erlässt der Senat durch Rechtsverordnungen nach Maßgabe der Vorschriften dieses Gesetzes Gebühren- und Beitragsordnungen. § 6 Abs. 1 GebBeitrG ist ein Gebührenzweck der Vorteilsabschöpfung nicht zu entnehmen, denn zu den Gebührenzwecken verhält sich die Vorschrift nicht.

Soweit § 6 Abs.1 GebBeitrG an weitere Vorschriften des Gesetzes und deren Maßgaben für die Gebührenerhebung und -bemessung anknüpft, findet sich in § 8 Abs. 1 GebBeitrG eine allgemein formulierte Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Gebührenordnungen mit im Voraus nach festen Normen und Sätzen zu bestimmenden Gebühren unter näherer Bezeichnung der Art und des Inhalts der die Zahlungspflicht begründenden Amtshandlungen. Ein weiterer Anknüpfungspunkt für § 6 Abs. 1 GebBeitrG ist die Regelung des Gebührenzwecks von Verwaltungsgebühren in § 8 Abs. 2 GebBeitrG. Danach sind die Gebühren unter Berücksichtigung der Kosten des Verwaltungszweiges festzusetzen.

1. Die Ermächtigungsgrundlage in § 6 Abs. 1, § 8 Abs. 1 GebBeitrG ist hinsichtlich der Regelung der gebührenpflichtigen Amtshandlungen (noch) hinreichend bestimmt. Sie überlässt zwar die nähere Bezeichnung der Art und des Inhalts der die Zahlungspflicht begründenden Amtshandlungen und damit die Festlegung, welcher verfahrensmäßige Vorgang im Einzelnen die Gebührenpflicht auslösen soll, der Normierung durch die jeweilige Gebührenordnung, so dass die verschiedensten Amtshandlungen durch Aufnahme in die Rechtsverordnung gebührenpflichtig gemacht werden können, ohne dass dies an tatbestandliche Grenzen der Ermächtigungsnorm stoßen würde. Die Ausfüllungsbedürftigkeit des Gesetzes durch die verschiedenen Fachgebührenordnungen liegt jedoch in der Natur der Sache, weil das Gesetz über Gebühren und Beiträge die Ermächtigungsgrundlage für die Gebührenerhebung aller Verwaltungsstellen des Landes Berlin (vgl. § 1 Abs. 2 GebBeitrG) ist und für die landesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts entsprechend gilt (vgl. § 1 Abs. 3 GebBeitrG). Schließlich ist der unter Bestimmtheitsgesichtspunkten zu fordernde Konkretisierungsgrad von Ermächtigungsgrundlagen für Rechtsverordnungen immer auch eine Frage der Besonderheiten des jeweiligen Regelungsgegenstands (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2002, BVerwGE 116, 347, 350 m.w.N.), so dass vor allem bei vielgestaltigen Sachverhalten in dieser Hinsicht geringere Anforderungen zu stellen sind (BVerfG, Beschluss vom 20. Oktober 1981, BVerfGE 58, 257, 278 m.w.N.), ohne dass bereits von einer kompetenzrechtlich unzulässigen Verlagerung des originären gesetzgeberischen Gestaltungswillens auf die Exekutive ausgegangen werden muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 1988, BVerfGE 78, 249, 273).

2. Die Ermächtigungsgrundlage in § 6 Abs. 1, § 8 Abs. 2 GebBeitrG ist hinsichtlich der Regelung des Gebührenzwecks soweit hinreichend bestimmt, als sie sich nach dem Wortlaut auf den Kostendeckungszweck bezieht, denn danach sind die Verwaltungsgebühren "unter Berücksichtigung" der Kosten des Verwaltungszweiges festzusetzen. Diese Vorschrift stellt jedoch keine Ermächtigungsgrundlage für eine Vorteilsabschöpfung als zulässigen Gebührenzweck bei der Erhebung der Befreiungsgebühren dar, denn eine mögliche Zulässigkeit des Gebührenzwecks der Vorteilsabschöpfung ergibt sich weder im Auslegungsweg, noch aus dem Sinnzusammenhang der Norm mit anderen Bestimmungen und deren analoger Anwendung noch aus der Entstehungsgeschichte (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 20. Oktober 1981, a.a.O., S.277).

a) Dem als Auslegungshilfe zur Ermittlung eines vom gesetzgeberischen Willen möglicherweise mitumfassten Gebührenzwecks in Betracht kommenden, weil auf Verwaltungsgebühren bezogenen § 2 Abs. 1 GebBeitrG ist kein Gebührenzweck der Vorteilsabschöpfung zu entnehmen. Danach werden Verwaltungsgebühren für die Vornahme von einzelnen Amtshandlungen erhoben, die auf Veranlassung der Beteiligten oder aufgrund gesetzlicher Ermächtigung im überwiegenden Interesse Einzelner vorgenommen werden. Das Wort "für" bringt die Gegenleistung für die Vornahme der Amtshandlung zum Ausdruck und damit zugleich den Zweck den hiermit verbundenen sachlichen und personellen Kostenaufwand zu decken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. März 2003, BVerfGE 108, 1, 21 = NVwZ 2003, 715, 717).

b) Eine analoge Anwendung der für Beitragserhebungen geltenden Vorschriften, in denen sich eine Anknüpfung der Gebührenbemessung an die Vorteile findet (§§ 4, 8 Abs. 5 und 10 Abs. 3 GebBeitrG) durch sinngemäße Übernahme des darin geregelten Zwecks der Vorteilsabschöpfung auch für den Bereich der Verwaltungsgebühren kommt nicht in Betracht, denn es ist insoweit keine ausfüllungsbedürftige Lücke im Gesetz erkennbar. Vielmehr entspricht die Zuordnung der unterschiedlichen Gebührenzwecke zu den Verwaltungsgebühren einerseits und den Beiträgen andererseits dem Willen des Gesetzgebers. Dies zeigen die historischen Gesetzesmaterialien, auf die die Begründung zu § 8 Abs. 2 GebBeitrG Bezug nimmt (Abghs.-Drucks. 1957 Nr. 1131, S. 5). Darin heißt es, dass sich durch § 8 Abs. 2 GebBeitrG "keine grundsätzliche Änderung gegenüber dem bisherigen Recht (§§ 4, 6, 7 und 9 PrKAG)" ergeben habe. "Bei den Verwaltungsgebühren sei das an sich selbstverständliche Kostendeckungsprinzip zu beachten". Das Preußische Kommunalabgabengesetz vom 14. Juli 1893 (PrGBl. S. 152) - PrKAG -, auf das hier Bezug genommen wird, unterschied bereits zwischen Verwaltungsgebühren (§ 6 Abs. 2 PrKAG) und Beiträgen (§ 9 Abs. 1 PrKAG). Die Gebühren mussten so bemessen werden, dass "deren Aufkommen die Kosten des bezüglichen Verwaltungszweiges nicht übersteigt" (§ 6 Abs. 3 PrKAG). Die "Beiträge (waren) nach den Vortheilen zu bemessen" (§ 9 Abs. 1 Satz 2 PrKAG). Hieran änderte auch eine spätere Gesetzesänderung des PrKAG nichts (Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 26. August 1921, PrGS. S. 84), die lediglich zu einem Austausch des Wortes "müssen" in § 6 Abs. 3 PrKAG (die Gebühren müssen so bemessen werden, dass deren Aufkommen die Kosten des bezüglichen Verwaltungszweiges nicht übersteigt) durch das Wort "sollen" geführt hat, ohne dass dies einen auf den Gebührenzweck bezogenen Hintergrund hatte. Vielmehr sollte weiterhin eine erhebliche Überschreitung der Verwaltungskosten ausgeschlossen bleiben (vgl. Nöll/Freund/Surén, PrKAG, 9. Aufl. 1931, Art. 6 Nr. 3, S. 489, Fußn. 3b), S. 52).

c) Die Formulierung in § 8 Abs. 2 GebBeitrG, wonach die Verwaltungsgebühren "unter Berücksichtigung" der Kosten des Verwaltungszweiges festzusetzen sind, kann schon aus verfassungsrechtlichen Gründen keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die Verfolgung weiterer Gebührenzwecke auf Rechtsverordnungsebene sein.

aa) Hiergegen spricht unter dem Gesichtspunkt des Ermächtigungsvorbehalts (Art. 80 Abs.1 Satz 1 GG), dass der Gesetzgeber bei der Delegation der Befugnis zur Regelung eines Sachbereichs mit intensiven Grundrechtseingriffen verbindliche gesetzliche Vorgaben treffen muss und sich nicht seiner Regelungsverantwortung entäußern darf, indem er einen Teil der Gesetzgebungsmacht der Exekutive überträgt, ohne die Grenzen der Kompetenzen nach Tendenz und Programm näher umrissen zu haben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2004, NJW 2005, 45, 47; Beschluss vom 20. Oktober 1981, BVerfGE 58, 257, 277). Immerhin ist die Festlegung des Gebührenzwecks - wie der vorliegende Fall zeigt - ein wesentlicher Bestimmungsfaktor für die Höhe der Gebühr. Greift eine Gebührenregelung - wie die Vorteilsabschöpfung auf Rechtsverordnungsebene - erheblich in die Rechtsstellung des Betroffenen ein, müssen erhöhte Anforderungen an den Bestimmtheitsgrad der Ermächtigung gestellt werden, denn die Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm muss der Grundrechtsrelevanz der Regelung entsprechen, zu der ermächtigt wird (BVerfG, Beschluss vom 20. Oktober 1981, a.a.O., S. 278).

bb) Darüber hinaus sind in den Fällen, in denen mit der Gebührenerhebung vom Verordnungsgeber unterschiedliche Zwecke - wie die der Kostendeckung und die der Vorteilsabschöpfung - verfolgt werden sollen, differenzierte gesetzliche Vorgaben hinsichtlich des Gebührenzwecks in der Ermächtigungsgrundlage unter dem Gesichtspunkt der hinreichenden Bestimmtheit (Art. 80 Abs.1 Satz 2 GG) zum Schutze des Gebührenschuldners unverzichtbar, denn eine hinreichende Klarheit darüber, welche Zwecke in die Bemessung der Gebührenhöhe einfließen, ist auch eine notwendige Voraussetzung dafür, dass mehrere Gebührenregelungen innerhalb der Rechtsordnung so aufeinander abgestimmt werden können, dass die Gebührenschuldner nicht durch unterschiedliche Gebühren mehrfach zur Abschöpfung desselben Vorteils einer Leistung herangezogen werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2003, BVerfGE 108, 1, 20 = NVwZ 2003, 715, 717).

cc) Die daraus folgende Forderung nach einer vollständigen Nennung aller Gebührenzwecke durch den Gesetzgeber in der Ermächtigungsgrundlage für die Gebührenordnungen ist auch unter dem Blickwinkel der neben der bestehenden Regelung für die inhaltliche Ausgestaltung gesetzlicher Ermächtigungsvorschriften (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) für den Bereich der autonomen Satzungsgebung sowie der besonderen Gewaltverhältnisse entwickelten Wesentlichkeitstheorie gerechtfertigt und stellt keine Überdehnung der verfassungsrechtlichen Anforderungen dar. Danach hat der Gesetzgeber die wesentlichen Fragen der jeweiligen Materie selbst zu regeln und darf sie nicht einfach dem ermächtigten Selbstverwaltungs- oder Exekutivorgan überlassen und sich dadurch der Regelungsverantwortung entziehen, ohne die Regelung nach Tendenz und Programm näher einzugrenzen. Ob und inwieweit dies Regelungen des parlamentarischen Gesetzgebers erfordert, richtet sich nach der Intensität mit der die Grundrechte des Regelungsadressaten durch die jeweiligen Maßnahmen betroffen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Oktober 1981, BVerfGE 58, 257,268 sowie weitere Nachweise hierzu bei Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand: Februar 2005, Art. 20, Kap. VI Rdnr. 85). Eine solche Grundrechtsrelevanz ist bei der regelungstechnischen Einfügung des Gebührenzwecks der Vorteilsabschöpfung in die Tarifstelle 2034 c) Nr. 1 und 3 des Gebührenverzeichnisses mit einer derart gebührenerhöhenden Wirkung wie im vorliegenden Fall, die schon aus kompetenzrechtlichen Gründen einer besonderen gesetzlichen Legitimation zur Abgrenzung im Verhältnis zur Steuer bedarf, ohne weiteres zu bejahen, so dass die Gefahr der "Vergesetzlichung" aufgrund eines umfassend verstandenen Parlamentsvorbehalts (Gewaltenmonismus, vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1998, NJW 1998, 2515, 2520 zur Rechtschreibreform m.w.N. sowie Beschluss vom 11. Dezember 2000, NVwZ-RR 2001, 311,313 zum Schulrecht) nicht gegeben ist.

dd) Die Legislativzuständigkeit für den Erlass von verwaltungsgebührenrechtlichen Vorschriften durch Bund und Länder folgt aus der allgemeinen Sachkompetenz (Art. 70 Abs.1 GG), wobei die finanzverfassungsrechtlichen Spezialvorschriften (Art. 105, Art. 106 GG) negativ als Kompetenzschranke gegenüber der Befugnis zur Regelung von nichtsteuerlichen Abgaben aufgrund der allgemeinen Zuständigkeitsnormen wirken. Die Erzielung frei fungibler Einnahmen für den allgemeinen Staatshaushalt ist jedoch der Steuer vorbehalten. Nichtsteuerliche Abgaben dürfen nicht in eine funktionale Konkurrenz zur Steuer treten (- Funktionsvorbehalt der Steuer - vgl. Wienbracke, DÖV 2005, 201, 204 m.w.N.), denn die grundgesetzliche Finanzverfassung (Art. 70 Abs. 1, Art. 105, 106 GG) verlöre ihren Sinn und ihre Funktion, wenn unter Rückgriff auf andere Sachkompetenzen und unter Umgehung der finanzverfassungsrechtlichen Verteilungsregelungen Einnahmekreisläufe durch Gebührenerhebungen aufgrund gesetzlich nicht genannter Gebührenzwecke organisiert werden könnten und damit zugleich ein weiterer Zugriff auf die auch nicht unerschöpflichen Ressourcen des Bürgers freigegeben wäre. Es gehört zu den grundlegenden Prinzipien der Finanzverfassung zur Begrenzung der Zulässigkeit nichtsteuerlicher Abgaben, dass diese einer besonderen Rechtfertigung bedürfen, denn sie müssen sich ihrer Art nach von der Steuer, die voraussetzungslos auferlegt und geschuldet wird, deutlich unterscheiden (BVerwG, Urteil vom 16. September 2004, NVwZ 2005, 215, 216; BVerfG, Urteil vom 19. März 2003, BVerfGE 108, 1, 16 = NVwZ 2003, 715, 716). Dem Gesetzgeber obliegt es deshalb in eigener Verantwortung und aufgrund offener Willensbildung erkennbar zu bestimmen, welche Zwecke er verfolgen und in welchem Umfang er die Finanzierungsverantwortlichkeit der Gebührenschuldner einfordern will. Wählt der Gesetzgeber einen im Wortlaut eng begrenzten Gebührentatbestand, kann nicht geltend gemacht werden, er habe noch weitere, ungenannte Gebührenzwecke verfolgen wollen, denn zur Normenklarheit gehört auch die Normenwahrheit (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2003, a.a.O., S. 717). Die Tarifstelle 2034 c) Nr. 1 und Nr. 3 des Gebührenverzeichnisses entbehrt damit hinsichtlich des erkennbar mit der Gebührenerhebung verfolgten Gebührenzweckes der Vorteilsabschöpfung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage und ist nichtig.

Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob die Gebührenregelung in der Tarifstelle 2034 c) Nr. 1 und Nr. 3 des Gebührenverzeichnisses sowie die konkrete Gebührenhöhe in dem angefochtenen Bescheid vom 31. Januar 2003 auch noch gegen das Äquivalenzprinzip verstößt, so dass es auch keiner Klärung bedarf, ob das Äquivalenzprinzip neben den vom Bundesverfassungsgericht in seiner neueren Rechtsprechung (BVerfG, Urteil vom 19. März 2003, BVerfGE 108, 1 = NVwZ 2003,715) aufgestellten finanzverfassungsrechtlichen Rechtfertigungsanforderungen an eine Gebührenregelung weiterhin Geltung beansprucht oder Modifikationen erfahren hat ( vgl. BVerwG, Urteil, vom 3. Dezember 2003, Buchholz 421.2 Nr. 160).

Ebenso kann dahinstehen, ob die Baugebührenordnung in den Fällen, in denen bereits ein Vorbescheid mit den entsprechenden determinierenden Festlegungen ergangen ist, unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zumindest einen Ermäßigungstatbestand für nachfolgend zu erteilende Befreiungen hätte vorsehen müssen. Auch auf den von der Klägerin angeführten möglichen Ursachenzusammenhang (Verletzung der Planungspflicht) mit dem hohen und damit gebührenintensiven Befreiungsbedarf kommt es nicht an.

Einer Aussetzung des Verfahrens zur Vorlage der entscheidungserheblichen Frage der Rechtsgültigkeit der Norm an den Verfassungsgerichtshof bedarf es nicht, weil sich die Nichtigkeit nicht auf ein formelles Landesgesetz, sondern nur auf eine landesrechtliche Rechtsverordnung bezieht (§ 46 Abs.1 VerfGHG).

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.2 VwGO.

Die in dem angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Dezember 2004 erfolgte Feststellung der Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren ist angesichts der Schwierigkeit des Falles nicht zu beanstanden.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus §§ 167 Abs.1 VwGO, 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt. Dies betrifft insbesondere den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), denn sowohl bei der als nichtig angesehenen Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung in der Baugebührenordnung als auch bei der Ermächtigungsgrundlage hierfür im Gesetz über Gebühren und Beiträge sowie dem Korrekturmaßstab hierfür in der Verfassung von Berlin handelt es sich um irreversibles Landesrecht, so dass eine Revision hierauf nicht gestützt werden könnte. Allein das allgemeine wirtschaftliche Interesse an der Klärung der Frage der Rechtsgültigkeit der Gebührenregelung reicht hierfür nicht aus (vgl. Kopp/ Schenke, VwGO, 13. Auflage, § 132 RNr. 11,12).

Ende der Entscheidung

Zurück