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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 27.05.2004
Aktenzeichen: OVG 2 N 100.04
Rechtsgebiete: VwGO, FGG, BGB, FamG
Vorschriften:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 | |
FGG § 16 a Nr. 4 | |
BGB § 1741 Abs. 1 | |
FamG § 34 | |
FamG § 35 | |
FamG § 36 |
OVG 2 N 100.04
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senats des Oberverwaltungsgerichts Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Freitag, den Richter am Oberverwaltungsgericht Liermann und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Broy-Bülow am 27.05.2004 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Februar 2003 wird abgelehnt.
Die Kosten des Antragsverfahrens trägt der Kläger.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 4 000 EUR festgesetzt.
Gründe:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung (§ 124 a Abs. 4 VwGO) gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Februar 2003 hat keinen Erfolg, weil der in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO genannte Zulassungsgrund, auf den sich der Kläger beruft, nicht vorliegt.
Die Berufung war nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
Der Zulassungstatbestand des Bestehens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist nur dann erfüllt, wenn Umstände oder rechtliche Gesichtspunkte dargelegt werden, die den Schluss rechtfertigen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit voraussichtlich einer rechtlichen Prüfung nicht standhalten wird. Hierbei muss sich der Antrag mit den entscheidungstragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts auseinander setzen, wobei sich die Zweifel auf die Richtigkeit des Ergebnisses beziehen müssen (vgl. OVG Bln, Beschluss vom 5. März 1998, NVwZ 1998, S. 650 m.w.N., Beschluss des Senats vom 2. März 2000, LKV 2000, S. 452 = BRS 63 Nr. 170). Insoweit muss im Einzelnen substanziiert dargelegt werden, aus welchen Gründen das Gericht bei Vermeidung der gerügten Fehler zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen müssen (vgl. OVG Sachs.-A., Beschluss vom 7. Juni 2001, NVwZ-RR 2002, S. 74; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 30. April 1997, DVBl. 1997, S. 1343).
Danach sind die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts vom 24. Februar 2003 entspricht der maßgeblichen Sach- und Rechtslage.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Visums zum Zwecke des Kindernachzugs (§ 20 Abs. 2 AuslG), weil die nach vietnamesischem Recht erfolgte Adoption im konkreten Fall mit den Grundsätzen des deutschen Adoptionsrechts nicht vereinbar ist.
Gemäß Art. 22 Abs. 1 und 2 EGBGB unterliegt die Annahme als Kind und deren Folgen in Bezug auf das Verwandtschaftsverhältnis grundsätzlich dem Recht des Staates (hier: Vietnam), dem der Annehmende angehört. Der angefochtene Gerichtsbescheid vom 24. Februar 2003 stellt dementsprechend auch nicht die grundsätzliche Wirksamkeit der am 17. November 1997 erfolgten Adoption des Klägers nach vietnamesischem Recht und deren grundsätzliche Verbindlichkeit auch für deutsche Behörden und Gerichte in Frage. Dennoch ist die nach ausländischem Recht erfolgte Adoption nicht ohne weiteres im deutschen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zu beachten, denn eine Anerkennung der ausländischen Adoptionsentscheidung kann auch auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Rückgriff auf die Grundsätze des § 16 a Nr. 4 FGG wegen Unvereinbarkeit mit dem deutschen Recht ausgeschlossen sein. Dies ist der Fall, wenn ihre Zugrundelegung bei Entscheidungen zu einem Ergebnis führen würde, das mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar ist. Dies kann insbesondere bei der Nichtbeachtung des Kindeswohls im Rahmen einer ausländischen Adoption der Fall sein (vgl. Bassenge/Herbst/ Roth, FGG, 9. Aufl., § 16 a Rdnr. 8; VGH Kassel, Urteil vom 5. Juli 1993, NJW-RR 1994, 391 ff.). Denn gemäß § 1741 Abs. 1 BGB ist eine Annahme als Kind nur zulässig, wenn sie dem Kindeswohl dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Gegen diesen zentralen Grundsatz ist im vorliegenden Fall bei der Adoption des Klägers offensichtlich verstoßen worden, auch wenn das vietnamesische Adoptionsrecht "die Begründung mütterlicher Bande der Zuneigung zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden" neben der "Sicherung des Unterhalts, der Sorge und der guten Erziehung" voraussetzt und damit jedenfalls abstrakt insoweit mit dem deutschen Adoptionsrecht vergleichbar ist (vgl. Art. 34 Gesetz über Ehe und Familie der Sozialistischen Republik Vietnam, abgedruckt bei Bergmann/ Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Vietnam, III.B, S. 32, 35). Schon das Protokoll zur Übergabe und Aufnahme des Klägers weist nur wirtschaftliche Gründe für die Adoption aus ("schwierige Wirtschaftssituation", "gute Wirtschafts- und Wohnverhältnisse zum Kindpflegen") und begnügt sich im Übrigen mit der vorgedruckten Versicherung der Beteiligten gegenüber dem Volkskomitee, dass die "Adoption nach §§§ 34, 35, 36 Kapitel VI des Familiengesetzes" erfolgt.
Dass das Kindeswohl - von wirtschaftlichen Überlegungen abgesehen - in Be-zug auf die auch nach vietnamesischem Recht vorausgesetzte Begründung mütterlicher Bande hier keine Rolle gespielt haben kann, ergibt sich schon daraus, dass die Adoptivmutter des Klägers bereits die Ausreise zum Zwecke der Eheschließung und Übersiedlung nach Deutschland fünf Wochen vor der am 17. November 1997 erfolgten Adoption beantragt hatte, ohne den Kläger im Rahmen dieses Verfahrens auch nur zu erwähnen, geschweige denn ihn mitnehmen zu wollen. Das Kind war zu diesem Zeitpunkt ca. 1 1/2 Jahre alt und wurde nach dem Gesprächsvermerk des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland Ho-Chi-Minh-Stadt vom 4. März 2002 auch gegenüber dem späteren deutschen Ehemann der Adoptivmutter des Klägers jahrelang verschwiegen. Dies änderte sich erst im März 2002 als für den damals fast 6 Jahre alten Kläger ein Visum für den Kindernachzug beantragt wurde. Die Adoptivmutter hatte inzwischen ein Alter von fast 49 Jahren erreicht. Dass sich unter diesen Umständen keine tragfähige persönliche Bindung zwischen der Adoptivmutter und dem Kläger entwickelt haben konnte, wie sie das Adoptionsrecht zum Ziel hat, liegt auf der Hand. Dem stand vor der Ausreise der Adoptivmutter schon das geringe Kindesalter des Klägers und danach die räumliche und zeitliche Distanz zwischen beiden entgegen, die durch keinerlei Kontakte oder auch nur finanzielle Unterstützungsleistungen überbrückt worden war. Diese waren unterblieben, weil der Ehemann der Adoptivmutter lange nichts von der Existenz des Adoptivkindes wissen sollte. Das bedeutet, dass der inzwischen 8 Jahre alte Kläger bis zum heutigen Tag praktisch unverändert von seiner leiblichen Mutter in Vietnam betreut und erzogen worden ist und seine Adoptivmutter so gut wie nicht kennen gelernt hat.
Unter diesen Umständen bestehen entgegen der Auffassung des durch seine Adoptivmutter vertretenen Klägers keine ernstlichen Zweifel daran, dass die Abweisung der Klage auf Erteilung eines Visums für den Kindernachzug durch den angefochtenen Gerichtsbescheid vom 24. Februar 2003 im Ergebnis richtig ist. Die Darlegungen in dem Antrag auf Zulassung der Berufung vom 12. März 2003 vermögen die tragenden Entscheidungsgründe nicht zu erschüttern. Sie betreffen lediglich die Frage, ob etwaige Verfahrensfehler (fehlende Zustimmung des Vaters zur Adoption) des vietnamesischen Adoptionsverfahrens von deutschen Gerichten beanstandet werden können und welche Rechtsmittel in Vietnam gegen ein nicht ordnungsgemäßes Adoptionsverfahren zur Verfügung stehen würden. Die Behauptung, in Vietnam sei eine umfangreiche Prüfung im Rahmen des Adoptionsverfahrens auch unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls erfolgt, wird durch nichts belegt, denn sie ist auch nach eigenen Angaben des Klägers "nicht extra dokumentiert" worden. Selbst bei unterstellter Wirksamkeit des Adoptionsverfahrens nach vietnamesischem Recht entbindet dies nicht von der Parallelprüfung anhand der adoptionsrechtlichen Maßstäbe nach deutschem Recht in entsprechender Anwendung der Grundsätze des § 16 a Nr. 4 FGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Verfahrenswertes auf § 14 Abs. 3 und 1, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Ende der Entscheidung
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