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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 15.04.2005
Aktenzeichen: OVG 2 N 314.04
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 17
AuslG § 84
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 2 N 314.04

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Freitag, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Broy-Bülow und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Korbmacher am 15. April 2005 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 20. August 2004 wird abgelehnt.

Die Kosten des Antragsverfahrens tragen die Kläger, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe:

Die Kläger begehren die Erteilung von Visa für die Klägerinnen zu 2. und 3. zum Zwecke des Ehegatten- bzw. Kindernachzugs zu dem Kläger zu 1. Dies hat die Beklagte durch Bescheid vom 18. November 2003 abgelehnt. Das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 20. August 2004 ist darauf gestützt, dass die Erwerbsbiographie des Klägers zu 1. überwiegend durch Zeiten des Arbeitslosenhilfebezugs gekennzeichnet sei, so dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Lebensunterhalt der Klägerinnen zu 2. und 3. ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel dauerhaft gesichert sei. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung (§ 124 a Abs. 4 VwGO) gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 20. August 2004 hat keinen Erfolg.

Hierbei erscheint schon fraglich, ob es sich bei der von den Klägern zur Begründung ihres Zulassungsantrags aufgeworfenen Frage, ob die Prognose der Nachhaltigkeit der Lebensunterhaltssicherung auf eine rückschauende Betrachtung gestützt werden darf, überhaupt um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung im prozessualen Sinne handelt (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Selbst wenn man den Vortrag der Kläger, mit dem sie sinngemäß zum Ausdruck bringen, dass sie die erstinstanzliche Entscheidung in diesem Punkt für fehlerhaft halten, dem komplementären Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuordnen würde, hat der Zulassungsantrag keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 20. August 2004 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. März 2004, DVBl. 2004, 838 f.).

Maßgebend für die Beurteilung ist insoweit die dem angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin zugrunde liegende Rechtslage nach dem Ausländergesetz, denn die Anwendung des nach Ablauf der Frist für die Begründung des Zulassungsantrags am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) ist in diesem Zusammenhang nicht geboten, weil sich die von den Klägern im Schriftsatz vom 21. Oktober 2004 fristgemäß erfolgten Darlegungen nicht auf die Gesetzesänderung und damit nicht auf die geltende Rechtslage beziehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 2003, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 32 sowie Vorlagebeschluss des OVG NRW vom 13. August 2003, NVwZ-RR 2004, 78).

Die Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Ehegattennachzug (§ 18 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 AuslG) und den Kindernachzug (§ 20 Abs. 2, Abs. 3 AuslG) setzt jeweils voraus, dass der Lebensunterhalt nach Maßgabe des § 17 AuslG gesichert ist, d.h. eine wirtschaftliche Existenzgrundlage der Familie zur Unterhaltssicherung besteht, die ihr ein Leben ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel ermöglicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. November 1996, NVwZ-RR 1997, 441). Dies ist hier nicht der Fall, auch wenn man die mit der Beschwerdebegründung vom 21. Oktober 2004 eingereichten Lohnabrechnungen der Fa. L. GmbH für die drei Monate von Mai bis Juli 2004 in Höhe von durchschnittlich 1 548 € in die Betrachtung einbezieht.

Die vom Gesetz als Nachzugsvoraussetzung verlangte Existenzsicherung durch eigene Erwerbstätigkeit des in Deutschland lebenden Ausländers (§ 17 Abs. 2 Nr. 3 AuslG) kann entgegen der Auffassung der Kläger nicht allein durch eine punktuelle Betrachtung des jeweils aktuellen Beschäftigungsverhältnisses beurteilt werden. Sie setzt bei gegebenem Anlass eine Abschätzung auf Grund rückschauender Betrachtung voraus, ob ohne unvorhergesehene Ereignisse auch in Zukunft gewährleistet erscheint, dass der Ausländer den Lebensunterhalt für die Familie dauerhaft ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel aufbringen kann. Auch wenn eine solche Prognose auf Grund der gegenwärtigen Arbeitsmarktsituation mit Unwägbarkeiten belastet ist, muss zumindest auf der Basis der sich aus der bisherigen Erwerbsbiographie ergebenden Daten ein Verlaufsschema erkennbar sein, das bei Extrapolation der relevanten Erfahrungen die begründete Annahme stabiler Einkommensverhältnisse erlaubt. Dies hat das Verwaltungsgericht zu Recht verneint. Es hat seit dem 1. Januar 2002 in ständigem Wechsel insgesamt 19 Monate Arbeitslosenhilfebezug und 13 Monate Arbeitseinkommen ermittelt. Die Beigeladene hat mit ihrem Schriftsatz vom 11. November 2004 auf den Zeitraum August 1997 bis Juni 2004 bezogen 48 Monate Arbeitslosenhilfebezug bei 24 Monaten Beschäftigungszeiten ermittelt. Aus der erstinstanzlichen Klageerwiderung des Beigeladenen vom 2. Juni 2004 ist zu entnehmen, dass der Kläger zu 1. sogar vom 5. Juni 1996 bis zum 31. März 1999 durchgehend Arbeitslosenhilfe bezogen hat. Erschwerend kommt hinzu, dass es in der Vergangenheit bei den Arbeitsverhältnissen und dem Bezug von Arbeitslosenhilfe wiederholt zu erheblichen zeitlichen Überschneidungen gekommen ist, die der Kläger zu 1. nicht angegeben hat. So bezog der Kläger zu 1. in der Zeit vom 1. April 2004 bis zum 13. Juni 2004 ca. 2 1/2 Monate Arbeitslosenhilfe, obwohl sich aus den Lohnabrechnungen der Firma L. GmbH eine Arbeitsaufnahme ab dem 1. April 2004 ergibt. Gleiches ist für den ca. 9-monatigen Arbeitslosenhilfebezug in der Zeit vom 8. April 2002 bis 31. Dezember 2002 festzustellen, in dessen Verlauf der Kläger zu 1. eine Bescheinigung seines Arbeitgebers (Fa. H.- und S. GmbH W.) vom 19. November 2002 vorgelegt hat, aus der ein bereits bestehendes Arbeitsverhältnis mit einem monatlichen Bruttoverdienst in Höhe von 2 500 € hervorgeht. Diese belastenden Umstände sind von den Klägern im vorliegenden Verfahren weder bestritten noch entkräftet worden. Es kann deshalb insgesamt nicht von einem dauerhaft gesicherten Lebensunterhalt ausgegangen werden, der im Falle des begehrten Ehegatten- und Kindernachzugs eine Existenzgrundlage sein könnte.

Soweit sich die Kläger darauf berufen, dass sich der Schwager des Klägers zu 1. gegenüber der Bundesrepublik Deutschland zur Freistellung von etwaigen Sozialhilfeleistungen an die Klägerinnen zu 2. und 3. während der Aufenthalts-dauer verpflichtet habe, ist dieser Umstand prozessual schon deshalb nicht berücksichtigungsfähig, weil er nicht innerhalb der Begründungsfrist für den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das den Klägern am 27. August 2004 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts geltend gemacht, sondern erst mit Schriftsatz vom 10. November 2004 vorgetragen worden ist.

Unabhängig davon lässt das Gesetz (§ 17 Abs. 2 Nr. 3 AuslG) eine Drittmittelsicherung nur durch unterhaltspflichtige Familienangehörige zu. Hierzu gehören Verwandte der Seitenlinie nicht (vgl. OVG Bln, Beschluss vom 4. März 2004 - OVG 2 N 44.04 -). Eine Verpflichtungserklärung im Sinne des § 84 AuslG begründet eine solche Unterhaltspflicht auch nicht, sondern ist lediglich ein Instrument zur erleichterten Durchsetzung und Vollstreckung von staatlichen Ersatzansprüchen (vgl. Beschluss des Senats vom 23. Februar 2004 - OVG 2 N 68.04 - m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Festsetzung des Verfahrenswertes folgt aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Ende der Entscheidung

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