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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 05.02.2003
Aktenzeichen: OVG 2 N 47.02
Rechtsgebiete: EALG vom 27.9.1994


Vorschriften:

EALG vom 27.9.1994 (BGBl. I S. 2624) i.d.F. des VermBerG vom 20.10.1998 (BGBl. I S. 3180) Art. 11 Abs. 1
EALG vom 27.9.1994 (BGBl. I S. 2624) i.d.F. des VermBerG vom 20.10.1998 (BGBl. I S. 3180) Art. 11 Abs. 3
Die Regelung des § 11 Abs. 3 EALG über die Herausgabe kraftloser Wertpapiere erfasst den gesamten Bestand an kraftlosen Wertpapieren, die von dem früheren Amt für den Rechtsschutz des Vermögens der Deutschen Demokratischen Republik verwahrt wurden. Ihr Anwendungsbereich ist dagegen nicht auf die gemäß § 11 Abs. 1 EALG für kraftlos erklärten nicht von der Wertpapierbereinigung erfassten Inhaberpapiere beschränkt, die von Personen mit Sitz im Beitrittsgebiet vor dem 8. Mai 1945 begeben worden sind.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN BESCHLUSS

Aktenzeichen OVG 2 N 47.02

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Freitag, den Richter am Oberverwaltungsgericht Liermann und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Broy-Bülow am 5. Februar 2003 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. Oktober 2002 wird abgelehnt.

Die Kosten des Antragsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 4 090 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Kläger begehrt die Herausgabe ungelochter Altwertpapiere eines in der Nachkriegszeit in der Tschechoslowakei enteigneten und liquidierten Unternehmens anstelle der vom Beklagten unter Anwendung des § 11 Abs. 3 Satz 3 des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes - EALG - vom 27. September 1994 (BGBl. I S. 2624) in der Fassung des Vermögensrechtsbereinigungsgesetzes vom 20. Oktober 1998 (BGBl. I S. 3180) herausgegebenen Papiere, deren Kraftlosigkeit durch bankübliche Lochung kenntlich gemacht worden ist. Das Verwaltungsgericht hat die hierauf gerichtete Klage durch das Urteil vom 10. Oktober 2002 als unbegründet abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der dagegen gerichteten Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Er sieht die grundsätzliche Bedeutung darin, dass bisher nicht gerichtlich geklärt sei, ob die Regelung des § 11 Abs. 3 Satz 3 EALG über die Herausgabe für kraftlos erklärter Wertpapiere nur für die in Absatz 1 des § 11 EALG umschriebenen, von Personen mit Sitz im Beitrittsgebiet vor dem 8. Mai 1945 begebenden Inhaberpapiere, oder - entsprechend der vom Kläger für fehlerhaft angesehenen Herausgabepraxis des Beklagten - für alle im Bestand des Bundesamts zur Regelung offener Vermögensfragen vorhandenen kraftlosen Wertpapiere gilt.

Der Antrag hat keinen Erfolg. Der Kläger hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des Zulassungstatbestandes des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht dargetan. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die angestrebte Klärung einer entscheidungserheblichen Frage des materiellen oder formellen Rechts über die Bedeutung für den konkreten Fall hinausgehend in dem Interesse der einheitlichen Rechtsanwendung oder der Fortentwicklung des Rechts geboten erscheint (st. Rspr. des BVerwG, z.B. BVerwGE 13, S. 90, vgl. auch die Nachweise bei Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 132 Rdnr. 9). Dazu muss der Rechtsmittelführer eine der klärenden Feststellung zugängliche und bedürftige konkrete Rechtsfrage formulieren (vgl. Kopp/ Schenke, a.a.O., § 133 Rdnr. 15 mit Nachweisen). Zwar enthält die vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage der Auslegung des § 11 Abs. 3 Satz 3 EALG im Verhältnis zu Abs. 1 dieser Vorschrift an sich eine der Feststellung fähige konkrete Rechtsfrage. Gleichwohl bedarf sie nach Maßgabe der genannten Kriterien hier nicht der grundsätzlichen obergerichtlichen Klärung. Denn an einer grundsätzlichen Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage fehlt es auch dann, wenn sich die als über den Einzelfall hinaus bedeutsam bezeichnete Rechtsfrage auf der Grundlage des Gesetzeswortlautes mit Hilfe der allgemein anerkannten Regeln sachgerechter Interpretation ohne weiteres beantworten lässt (st. Rspr. des BVerwG, vgl. z.B. Beschluss vom 27. August 1996, Buchholz 401.1 § 7 h EStG Nr. 1 und vom 22. Dezember 1994, Buchholz 11 Artikel 28 GG Nr. 102 mit Nachweisen).

Eine derartige Konstellation ist hier gegeben. Die vom Kläger aufgeworfene Frage des Anwendungsbereichs des Artikel 11 Abs. 3 EALG lässt sich unschwer bereits anhand des eindeutigen Wortlauts dieser Vorschrift im Vergleich zu demjenigen des Abs. 1 und dem hieraus ersichtlichen Regelungsgehalt allein in dem vom Verwaltungsgericht vertretenen Sinne beantworten. Während Artikel 11 Abs. 1 EALG ausdrücklich nur von der Wertpapierbereinigung nicht erfasste Inhaberpapiere für kraftlos erklärt, die von Personen mit Sitz im Beitrittsgebiet vor dem 8. Mai 1945 begeben worden, enthält Abs. 3 eine derartige Beschränkung des Kreises der Wertpapiere auf Unternehmen mit Sitz in der ehemaligen DDR nicht, sondern knüpft in ihrem Satz 1 allein daran an, dass die Papiere vom früheren Amt für den Rechtsschutz des Vermögens der Deutschen Demokratischen Republik verwahrt wurden. Allein aus diesen unterschiedlichen tatbestandlichen Voraussetzungen und dem hieraus ersichtlichen Regelungszusammenhang wird deutlich, dass diese beiden Absätze des Artikel 11 EALG jeweils selbständige und voneinander unabhängige Regelungen treffen; Abs. 1 erklärt eine bestimmte, eng umschriebene Art von Inhaberpapieren für kraftlos, Abs. 3 betrifft die Herausgabe von sämtlichen von der Bundesanstalt aus dem Bestand des früheren Amtes für den Rechtsschutz des Vermögens der DDR übernommenen - aus welchen Gründen auch immer - kraftlosen Wertpapiere. Diese Auslegung wird zudem durch das der Vorschrift des Artikel 11 Abs. 3 EALG erklärtermaßen zugedachte Ziel bestätigt, die im Bundesamt derzeit noch verwahrten umfangreichen Bestände an kraftlosen Wertpapieren möglichst umfassend zu reduzieren (vgl. Kapinos, EALG-VermG-LAG, Artikel 11 EALG Rdnr. 106). Dementsprechend wird dieses vom Verwaltungsgericht und von der Beklagten vertretene Normverständnis auch in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 12/7588, S. 49) sowie in der einschlägigen Kommentarliteratur (vgl. Kapinos, a.a.O., Rdnr. 119) übereinstimmend vertreten. Der Kläger hat keine Gesichtspunkte vorgetragen, die es rechtfertigen könnten, die von ihm vertretene einschränkende Auslegung der Vorschrift ernsthaft in Betracht zu ziehen. Soweit er vorträgt, dem Verwaltungsgericht könne nicht darin gefolgt werden, dass die "allumfassende" Lochung aller beim Bundesamt lagernder Wertpapiere den Zweck verfolge, eine möglichst umfassende Reduzierung des Wertpapierbestandes zu erreichen, weil nicht ersichtlich sei, dass der Bestand bei Ausgabe ungelochter Papiere geringer oder langsamer vermindert werde, ist den Entscheidungsgründen des Urteils oder dem Vorbringen der Beklagten eine dahingehende - abwegige - Rechtsauffassung nicht zu entnehmen. Es erübrigt sich daher, hierauf näher einzugehen.

Soweit der Kläger im Zulassungsantrag darüber hinaus geltend macht, die von ihm geforderten Papiere seien nicht kraftlos und unterfielen deshalb von vornherein nicht der Bestimmung des Artikel 11 Abs. 3 EALG, weil sie zumindest nach Klärung der entsprechenden Rechtsverhältnisse zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik eine Art Entschädigungsanspruch gegen diese repräsentieren könnten, hat er eine der klärenden und verallgemeinernden Feststellung zugängliche und bedürftige grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne der bereits dargelegten Kriterien an ein solches Rechtsschutzbegehren nicht formuliert. Er wirft hiermit lediglich die in jedem Einzelfall nach Maßgabe der konkreten Bedingungen zu beantwortende Rechtsfrage auf, ob das betreffende Papier, dessen Herausgabe begehrt wird, als kraftlos geworden gemäß Artikel 11 Abs. 3 Satz 3 EALG zu behandeln und auszuhändigen ist, oder nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 13 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Ende der Entscheidung

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