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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 20.06.2003
Aktenzeichen: OVG 2 S 16.03
Rechtsgebiete: BauO Bln


Vorschriften:

BauO Bln § 11 Abs. 2 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN BESCHLUSS

Aktenzeichen OVG 2 S 16.03

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Freitag, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Broy-Bülow und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schrauder

am 20. Juni 2003 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. April 2003 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 4 000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin betreibt im Erdgeschoss des Gebäudes Straße in Berlin einen Imbiss. Die dortige Geschäftszeile ist in der Weise gestaltet, dass sich im Erdgeschossbereich die Schaufenster der Geschäfte befinden und deren Eigenwerbung im Wesentlichen im Bereich unterhalb der Fensterreihe im ersten Obergeschoss der Gebäude. Oberhalb dieses Bereichs befinden sich zum Teil sogenannte Werbeausstecker, die - im 90°-Winkel zur Fassade angebracht - quer in den Straßenraum hineinwirken.

Mit Bescheid vom 13. Februar 1990 hat der Antragsgegner für das Geschäftslokal eine Baugenehmigung für einen Werbeausstecker (1,15 m x 3,67 m) erteilt, der von der Unterkante der Fensterreihe im ersten Obergeschoss bis zur Unterkante der Fensterreihe im zweiten Obergeschoss des Gebäudes reicht sowie für ein beleuchtetes Flachtransparent (3,00 m x 1,75 m) in dem Bereich unterhalb der Fensterreihe im ersten Obergeschoss. Damals befand sich noch ein italienisches Restaurant in dem Geschäft, so dass die Werbung in den landestypischen Farben grün-weiß-rot gehalten war. Die Baugenehmigung enthielt den Zusatz, dass jede nachträgliche Änderung einer neuen Genehmigung bedarf.

Die Antragstellerin hat die Werbung in dem Werbeausstecker durch Plexiglasscheiben mit der Aufschrift (rote Schrift auf gelbem Grund) ersetzt und zusätzlich die gesamte Fläche unterhalb der Markise bis über die Schaufensteroberkante hinaus sowie linksseitig fast bis zum Boden fortgesetzt für Werbung in Anspruch genommen. Sie hat durch diese zusätzlichen Werbeflächen das Schaufenster sowohl in der Höhe als auch in der Breite stark verkleinert, so dass von der Geschäftsansicht - außer der Verkleidung durch die Werbung - lediglich eine verglaste Eingangstür als "Schaufenster" übriggeblieben ist, denn der zweite Flügel dieser Tür ist einfarbig rot überklebt.

Mit Bescheid vom 6. Februar 2003 verfügte der Antragsgegner unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Beseitigung der ausgewechselten Werbeflächen in dem Ausstecker und der unterhalb der Markise zusätzlich angebrachten Werbeanlagen, die das frühere Schaufenster in der beschriebenen Weise "umrahmen". Zur Begründung führte der Antragsgegner an, dass es sich durch das räumlich dichte Nebeneinander einer Mehrzahl von Werbeanlagen, die ihre Wirkung gemeinsam auf einen engen begrenzten Wirkungskreis ausübten, um eine störende Häufung im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 3 BauO Bln handele. Über und neben dem Eingang werde das Geschäft mit Werbeanlagen überfrachtet. In ihrem Zusammenspiel entfalteten die Werbeanlagen eine dominante und aufdringliche visuelle Wirkung in der der Wilmersdorfer Straße zugewandten Erdgeschosszone, so dass das Gebäude bis zum Beginn des zweiten Geschosses nur als Werbestaffage wahrnehmbar sei. In unmittelbarer Umgebung fänden sich keine vergleichbaren genehmigten Werbeanlagen für Eigenwerbung dieser Art. Für die Anordnung der sofortigen Vollziehung bestehe ein besonderes öffentliches Interesse, weil die Werbeanlagen in besonderer Weise zur Nachahmung anreizen und eine potentielle Vorbildwirkung für andere Gewerbetreibenden entfalten würden.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 21. Februar 2003 zurückgewiesen. Auf die Ausführungen in dem Beschluss vom 14. April 2003 wird Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Antragstellerin vorträgt, dass der Werbeausstecker genehmigt und die eingebrachten neuen Werbetafeln nicht größer seien als die zuvor dort befindlichen genehmigten Tafeln. Es handele sich um eine Einkaufsstraße, die durch bunte und vielfältige Werbung der Ladenlokale geprägt sei. Das Anbringen bunter und schriller Werbung sei dort ortsüblich.

Nach Auffassung des Antragsgegners kann sich die Antragstellerin nicht auf Bestandsschutzgesichtspunkte berufen. Mit der Schließung der Pizzeria habe die dortige Werbung ihre Daseinsberechtigung verloren; dementsprechend sei die alte Werbung des italienischen Gastronomiebetriebs ersatzlos entfernt worden. Schon die damals erteilte Genehmigung habe den ausdrücklichen Hinweis enthalten, dass jede nachträgliche Änderung der Werbeanlage einer neuen Genehmigung bedürfe, so dass die nunmehr angebrachte Werbung in dem Ausstecker die Genehmigungsfrage neu aufwerfe, zumal ein solches "Monstrum" an Ausstecker im öffentlichen Raum heute im Interesse der Ortsbildpflege nicht mehr genehmigt werden würde. Durch die von der Antragstellerin unterhalb der Markise noch zusätzlich angebrachten Werbeanlagen handele es sich insgesamt um eine "Orgie" von Werbebotschaften auf engstem Raum in äußerst aufdringlicher Farbgestaltung, die zu einer Verunstaltung des Gebäudes selbst und der Umgebung geführt habe. Soweit es in der W Straße noch andere "Werbeausreißer" geben sollte, würde die Behörde sukzessive gegen diese vorgehen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die von der Antragstellerin in dem Werbeausstecker und unterhalb der Markise im Bereich des Schaufensters angebrachten Werbeanlagen sind formell und materiell illegal und nicht genehmigungsfähig. Die Beseitigungsanordnung § 70 Abs. 1 BauO Bln ist nach dem sich aus der Fotodokumentation ergebenden Erscheinungsbild des Geschäftslokals rechtlich nicht zu beanstanden.

Die ausgetauschten Plexiglasscheiben in dem Werbeausstecker und die zusätzlich unterhalb der Markise und seitlich an dem - früheren - Schaufenster angebrachten Werbetafeln sind aus Bauprodukten im Sinne des § 2 Abs. 8 BauO Bln hergestellt und erfüllen schon aufgrund ihrer überwiegend ortsfesten Nutzung sowie ihrer zumindest mittelbaren bautechnischen Verbindung mit dem Erdboden den Begriff der baulichen Anlage im Sinne des § 2 Abs. 1 BauO Bln (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 7. Mai 1999 - OVG 2 B 2.96 -, OVGE 23, 134 = BRS 62 Nr. 157 sowie auch OVG Hbg., Urteil vom 31. Mai 2001, NVwZ-RR 2002, 562). Die in § 55 Abs. 1 BauO Bln genannten Ausnahmen von der bauordnungsrechtlichen Genehmigungsbedürftigkeit liegen nicht vor; insbesondere die für Werbeanlagen in § 56 Abs. 1 Nr. 8 a) bis f) BauO Bln aufgezählten Fallgestaltungen sind hier nicht einschlägig.

Für Werbeanlagen gelten gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 BauO Bln die gestalterischen Anforderungen des § 10 BauO Bln, wobei es sich bei § 11 Abs. 2 Satz 3 BauO Bln im Wesentlichen um einen Unterfall der Verunstaltung des Straßen-, Orts- oder Landschaftsbildes im Sinne des § 10 Abs. 2 Satz 1 BauO Bln handelt (vgl. Wilke/Dageförde/Knuth/Meyer, BauO Bln, 5. Aufl. 1999, § 11 Rdnr. 17 m.w.N.).

Die Vielzahl von Anlagen der Eigenwerbung nahezu "rundum" das Geschäftslokal der Antragstellerin erfüllt den Tatbestand der störenden Häufung von Werbeanlagen im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 3 BauO Bln.

Eine störende Häufung von Werbeanlagen setzt zunächst ein räumlich so dichtes Nebeneinander von Werbeanlagen voraus, dass sie gleichzeitig wahrgenommen werden und ihre optische Wirkung gemeinsam entfalten können, wobei es grundsätzlich keine Rolle spielt, ob es sich um Fremdwerbeanlagen oder um Werbung an der Stätte der Leistung handelt, weil beide Werbeformen die gleiche störende Wirkung auf die jeweilige Örtlichkeit ausüben können (vgl. OVG NW, Urteil vom 17. April 2002, UPR 2002, S. 354, 355 = BauR 2002, S. 1231, 1233; OVG Hbg., a.a.O., S. 564). Wann eine störende Häufung von Werbeanlagen anzunehmen ist, hängt von der jeweiligen konkreten Situation ab. Für die gebotene umgebungsbezogene Betrachtungsweise ist auf den jeweiligen Aufstellungsort, seine Umgebung und die wechselseitigen Auswirkungen auf das Gesamtbild der Umgebung abzustellen (vgl. OVG NW, a.a.O.).

Danach zeigt sich im vorliegenden Fall eine deutliche Abweichung des Erscheinungsbildes des Geschäftslokals der Antragstellerin von dem anderer Gewerbetreibenden in der näheren Umgebung, weil durch die "Rundumverkleidung" mit Werbeanlagen, im Prinzip kein Schaufenster, sondern nur noch eine verglaste Eingangstür optisch übriggeblieben ist. Das Geschäftslokal wird durch die Masse der Werbeinformationen förmlich erdrückt. Die Werbung ist gemessen an der Größe des Geschäfts völlig überdimensioniert und hat auch eine negative Ausstrahlung auf das Erscheinungsbild der Geschäftsstraße in der näheren Umgebung, in der die Schaufensterflächen der Geschäfte im Verhältnis zu den Eingangsbereichen deutlich dominieren und nicht umgekehrt durch ein Übermaß an Werbung auf diese gleichsam reduziert werden. Diese Kumulation bewirkt in Verbindung mit der Farbgebung zugleich die Aufdringlichkeit dieser Art von Werbung an der Stätte der Leistung und damit die störende Wirkung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Beschwerdegegenstands folgt aus §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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