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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 03.06.2004
Aktenzeichen: OVG 2 S 18.04
Rechtsgebiete: VwGO, GebBeitrG, BauGebO, VwGO, GKG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
VwGO § 80 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 80 Abs. 5
GebBeitrG § 2 Abs. 1
GebBeitrG § 8 Abs. 2
GebBeitrG § 8 Abs. 3
GebBeitrG § 8 Abs. 5
BauGebO § 1 Abs. 1 Satz 1
BauGebO § 5 Nr. 1
VwGO § 154 Abs. 2
GKG § 13 Abs. 2
GKG § 20 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin am 3. Juni 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 13. Februar 2004 geändert.

Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Gebührenbescheid des Antragsgegners vom 31. Januar 2003 wird in vollem Umfang abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 67 403,42 EUR festgesetzt.

Gründe:

Durch Bescheid vom 31. Januar 2003 erteilte der Antragsgegner der Antragstellerin die Baugenehmigung für die Errichtung eines Hotelgebäudes unter Gewährung von Befreiungen für die Überschreitung der planungsrechtlich zulässigen GRZ von 0,3 auf 0,74 und der zulässigen GFZ von 1,5 auf 5,97.

Mit dem weiteren Bescheid vom 31. Januar 2003 setzte er für das Verfahren Gebühren in Höhe von insgesamt 161 250 EUR fest, und zwar für die Baugenehmigung 22 600 EUR und für die Befreiungen 138 650 EUR, hierbei 105 632,80 EUR für die Überschreitung der zulässigen Geschossfläche um 3 018,08 m² bei 35,00 EUR/ m² sowie 29 174,04 EUR für die Überschreitung der zulässigen Grundflächenzahl um 208,02 m² bei 102,00 EUR/m² (insgesamt 134 806,84). Nach der Entrichtung dieser Gebühren, von der der Antragsgegner die Aushändigung der Baugenehmigungsunterlagen abhängig gemacht hatte, legte die Antragstellerin Widerspruch gegen den Gebührenbescheid ein, über den noch nicht entschieden worden ist.

Dem Antrag der Antragstellerin gemäß § 80 Abs. 5, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hat das Verwaltungsgericht durch den Beschluss vom 13. Februar 2004 hinsichtlich des auf die genannten planungsrechtlichen Befreiungen entfallenden Betrages in Höhe von 134 806,84 EUR in der Weise stattgegeben, dass die Aufhebung der Vollziehung insoweit gegen Sicherheitsleistung durch Stellung einer Bürgschaft unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage durch ein Kreditinstitut, das im Inland zum Geschäftsbetrieb befugt ist, angeordnet wurde. Hinsichtlich der auf die Baugenehmigung entfallenden Gebühr hat es den Antrag zurückgewiesen.

Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, gegen die Rechtmäßigkeit der für die Befreiungen erhobenen Gebührenforderung beständen insoweit ernstliche Zweifel, als die der Forderung zu Grunde liegenden Tarifstellen 2034 c Nrn. 1 und 3 der Baugebührenordnung in der Fassung vom 16. Oktober 2001 (GVBl. S. 562) - BauGebO - nach denen bei Befreiungen hinsichtlich der zulässigen GFZ ein Betrag von 35,00 EUR/m² und hinsichtlich der zulässigen GRZ ein Betrag von 102,00 EUR/m² zu entrichten sind, Gebührenforderungen zur Folge hätten, die unter Berücksichtigung der in dem Urteil des BVerfG vom 19. März 2003 - 2 BvL 9.98 u.a. - NVwZ 2003, S. 715 - entwickelten Grundsätze zur Zulässigkeit von Gebühren ihrer Höhe nach in einem groben Missverhältnis zu dem für die Gebührenbemessung maßgebenden Zweck, die Kosten für den Verwaltungsaufwand zu decken, ständen.

Die dagegen von dem Antragsgegner eingelegte Beschwerde ist begründet. Der Antrag der Antragstellerin gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO von Gesetzes wegen sofort vollziehbaren Gebührenforderung sowie die Rückzahlung des entrichteten Gebührenbetrages anzuordnen, kann keinen Erfolg haben. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bestehen insbesondere keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO an der Rechtmäßigkeit der Gebührenforderung.

Das in § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln gegen öffentlich-rechtliche Abgaben- und Kostenforderungen aufgestellte Erfordernis ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes ist auf die gesetzgeberische Wertung zurückzuführen, die der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO bestimmten sofortigen Vollziehbarkeit derartiger Abgabenforderungen zu Grunde liegt. Indem der Gesetzgeber durch diese Vorschrift abweichend von der Grundregel des § 80 Abs. 1 VwGO den Eintritt der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen ausgeschlossen hat, hat er zum Ausdruck gebracht, dass derartige Abgabenforderungen im Hinblick auf ihre spezifische Funktion grundsätzlich ohne Rücksicht auf ihre Anfechtung durch den Pflichtigen vollziehbar sein sollen. Diese Regelung findet ihre Rechtfertigung in dem Ziel, die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung und eine sinnvolle Haushaltsplanung dadurch zu gewährleisten, dass der stete Zufluss der zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben bestimmten Mittel, also auch der hier in Frage stehenden Gebührenforderungen, sichergestellt wird. Damit soll verhindert werden, dass sich der Pflichtige allein durch die Einlegung von Rechtsbehelfen, die sich möglicherweise später als unbegründet erweisen könnten, der Leistung vorerst entziehen. Die erforderlichen Einnahmen sollen der öffentlichen Hand vielmehr zur kontinuierlichen Erfüllung ihrer Aufgaben zunächst einmal zur Verfügung stehen; der Abgabenpflichtige muss mithin in der Regel vorleisten und sich im Falle seines Obsiegens im Verfahren der Hauptsache auf einen Rückerstattungsanspruch verweisen lassen, dessen Realisierung prinzipiell gesichert ist (vgl. dazu im Einzelnen den Beschluss des Senats vom 4. Dezember 2001 - OVG 2 SN 8.01 - BRS 64 Nr. 220, ferner den Beschluss vom 13. Dezember 1994 - OVG 2 S 6.94 -, NVwZ-RR 1995, S. 433, jeweils mit Nachweisen).

Angesichts dieses Regelungszwecks der Vorschrift können nur solche vom Pflichtigen gegen die Abgabenforderung erhobenen rechtlichen Bedenken eine die generelle Vollziehbarkeit hindernde Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen, auf Grund deren vom Gericht schon im Rahmen der eingeschränkten Erkenntnis- und Prüfungsmöglichkeiten eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens "ernste" - also mit überwiegender Wahrscheinlichkeit durchgreifende - Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Forderung festgestellt werden können (vgl. den Beschluss des Senats vom 4. Dezember 2001, a.a.O.). Derartige Zweifel lassen sich jedoch entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts aus den von der Antragstellerin vorgetragenen rechtlichen Bedenken nicht herleiten. Die abschließende rechtliche Klärung muss vielmehr einem Verfahren der Hauptsache vorbehalten bleiben.

Das Verwaltungsgericht hat seine Beurteilung der Rechtswidrigkeit der Gebührenforderung maßgebend darauf gestützt, dass sowohl die die Verordnungsermächtigung in § 6 Abs. 1 enthaltenden Regelungen des Gesetzes über Gebühren und Beiträge - GebBeitrG - vom 22. Mai 1957 (GVBl. S. 516), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. April 1996 (GVBl. S. 126), als auch die auf dieser Grundlage erlassene Baugebührenordnung in der hier anwendbaren Fassung vom 16. Oktober 2001 (GVBl. S. 562) - BauGebO - mit den in den Tarifstellen 2034 c Nrn. 1 und 3 festgelegten Gebührentatbeständen und -sätzen bei einer am Erfordernis der Normenklarheit orientierten Auslegung eine Gebührenbemessung allein anhand des durch die Befreiungsentscheidungen entstandenen Verwaltungsaufwandes zuließen. Der entsprechende Verwaltungsaufwand werde aber durch die im vorliegenden Fall erhobenen Befreiungsgebühren von fast 135 000 EUR um ein Vielfaches überschritten, was zur Folge habe, dass diese Gebührentarifsätze, weil sie zu einem derartigen groben Missverhältnis zwischen der Höhe der Forderung und dem durch die Gebühr zu deckenden Verwaltungsaufwand führen könnten, nach den in dem genannten Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. März 2003 (a.a.O.) entwickelten Kriterien nichtig seien. Das dieser rechtlichen Beurteilung zu Grunde liegende Verständnis der genannten Gebührenvorschriften ist jedoch nicht zwingend. Vielmehr legt es die dem Wortlaut und dem Regelungssystem zu entnehmende Funktion der für die bauplanungsrechtlichen Befreiungen geltenden Gebührenbestimmungen nahe, dass diese über die Abgeltung des Verwaltungsaufwandes hinaus auch dem Ausgleich der dem Genehmigungsempfänger infolge der Befreiungsentscheidung zufließenden Vorteile zu dienen bestimmt sind und dass hinsichtlich dieses Gebührenzwecks von einem groben Missverhältnis zur Höhe der Gebühr nicht ausgegangen werden kann. In dem Urteil vom 19. März 2003 (a.a.O.) leitet das Bundesverfassungsgericht aus der Begrenzungs- und Schutzfunktion der finanzverfassungsrechtlichen Kompetenznormen des Grundgesetzes (Art. 104 a ff. GG) die Forderung ab, dass die einer Gebührenvorschrift zugewiesenen spezifischen, grundsätzlich legitimen Gebührenzwecke - wie der Kostendeckung, des Vorteilsausgleichs, der Verhaltenslenkung oder soziale Zwecke - nach der tatbestandlichen Ausgestaltung der betreffenden Gebührenregelung von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen sein müssen, die sich auch dazu eignet, sachlich rechtfertigende Gründe für die Gebührenbemessung ihrer Höhe nach zu liefern. Ob und inwieweit diese Voraussetzung erfüllt ist, ist durch Auslegung anhand der dafür anerkannten Regeln zu ermitteln (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2003, NVwZ 2003, S. 717). Eine an diesen Kriterien orientierte Auslegung der hier anzuwendenden Gebührenvorschriften lässt es jedoch zu, die Regelungen dahin zu verstehen, dass die Gebühren dem Grund und der Höhe nach nicht nur die Abgeltung des Verwaltungsaufwandes, sondern auch einen Vorteilsausgleich bezwecken sollen.

Allerdings ist in die Vorschriften des Gebühren- und Beitragsgesetzes, dessen § 6 Abs. 1 die Verordnungsermächtigung enthält, der Vorteilsausgleich als möglicher Gebührenzweck nicht explizit aufgenommen worden. Im Hinblick auf den umfassenden, die Gebühren- und Beitragserhebung für unterschiedlich geregelte Materien erfassenden Anwendungsbereich dieses Gesetzes kann jedoch davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber einen weiten Gestaltungs- und Konkretisierungsspielraum eingeräumt hat, in dessen Rahmen er neben dem Zweck der Kostendeckung auch andere legitime Gebührenzwecke, wie denjenigen des Vorteilsausgleichs, verfolgen kann, sofern dies sachgerecht ist. Einer solchen Gestaltungsmöglichkeit des Verordnungsgebers entgegenstehende Regelungen enthält das Gesetz nicht. Soweit § 8 Abs. 2 GebBeitrG bestimmt, dass die Verwaltungsgebühren unter Berücksichtigung der Kosten des Verwaltungszweiges festzusetzen sind, ergibt sich hieraus keine Beschränkung dergestalt, dass die Erhebung von Gebühren und Beiträgen in Berlin ausschließlich der Kostendeckung dienen darf. Dies macht bereits die Verwendung des Wortes "Berücksichtigung" deutlich. Hätte der Gesetzgeber eine solche Beschränkung gewollt, so hätte er in Anlehnung an die den Abgabenzweck von Beiträgen näher umgrenzende Regelung in § 8 Abs. 5 GebBeitrG eine Formulierung der Art verwenden können, dass die Verwaltungsgebühren "nach den Kosten des Verwaltungszweigs" festzusetzen sind. Zu diesem Ergebnis führt auch ein systematischer Vergleich mit der Regelung des § 8 Abs. 3 GebBeitrG, nach dem die Höhe der Benutzungsgebühr so zu bemessen ist, dass alle Kosten der Einrichtungen gedeckt sowie Rücklagen für die wirtschaftliche und technische Entwicklung gebildet werden können. Für den spezifischen Fall der Benutzungsgebühren wird hier also auf die Kostendeckung sowie die Möglichkeit der Rücklagenbildung als maßgebende Gebührenzwecke abgestellt. Im Umkehrschluss hierzu kann für die Erhebung von Gebühren im Allgemeinen nicht davon ausgegangen werden, dass allein der Zweck der Kostendeckung verfolgt werden dürfe. Für ein demgegenüber abweichendes Verständnis kann auch nicht die Regelung des § 2 Abs. 1 GebBeitrG herangezogen werden, wonach Verwaltungsgebühren "für die Vornahme von einzelnen Amtshandlungen" erhoben werden. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 19. März 2003, a.a.O., S. 717) in der zu universitären Rückmeldegebühren ergangenen Entscheidung aus der Formulierung in dem betreffenden Gesetz, "für ... die Bearbeitung jeder Rückmeldung" sei eine Gebühr zu entrichten, entnommen, der Gebührentatbestand benenne mit der Bearbeitung der Rückmeldung eine Leistung, deren Erbringung einen sachlichen und personellen Kostenaufwand verursache; das verwendete Wort "für" bringe zum Ausdruck, dass die Rückmeldegebühr eine Gegenleistung für die Bearbeitung der Rückmeldung sei. Diese Regelungskonstellation ist mit der hier vorliegenden jedoch nicht zu vergleichen. Das Wort "für" in § 2 Abs. 1 GebBeitrG bezieht auf die "Vornahme einer Amtshandlung", mithin das Ergebnis einer Bearbeitung und nicht diese selbst. Das Gesetz knüpft damit erkennbar die Gebührenpflicht - neutral - an den Anlass der Vornahme einer Amtshandlung, ohne festzulegen, welche Gebührenzwecke der jeweiligen Gebührenerhebung zu Grunde gelegt werden dürfen.

Dieser dem Verordnungsgeber eingeräumte Gestaltungs- und Konkretisierungsspielraum verstößt auch nicht gegen das Erfordernis der Normenklarheit. Die erörterte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist nicht so zu verstehen, dass für den Gebührenpflichtigen immer bereits auf der Gesetzesebene im Einzelnen erkennbar sein muss, für welche öffentliche Leistung die Gebühr erhoben wird und welche Zwecke mit der Gebührenbemessung verfolgt werden sollen. Im Rahmen dieser Beurteilung ist von Bedeutung, dass das Bundesverfassungsgericht in dem Urteil vom 19. März 2003 (a.a.O.) über eine bereits im Gesetz selbst festgelegte, und keiner weiteren Konkretisierung durch eine Verordnung bedürftige Gebührenregelung zu entscheiden hatte. Unter dem Aspekt des Schutzes des Gebührenpflichtigen muss es jedoch auch als ausreichend angesehen werden, wenn für ihn der Zweck der Gebührenerhebung auf derjenigen Regelungsebene erkennbar ist, auf der die konkrete Gebührenregelung getroffen wird. Es muss danach genügen, dass der Gesetzgeber, wie hier durch die Bestimmungen des Gebühren- und Beitragsgesetzes, deutlich macht, dass er neben der Kostendeckung auch noch die Verfolgung weiterer Gebührenzwecke zulassen will und die genauere Konkretisierung des Anlasses und des Zwecks für die Erhebung und die Bemessung einer Gebühr erst durch den Verordnungsgeber erfolgt.

Eine derartige Konkretisierung ist durch § 1 Abs. 1 Satz 1 der BauGebO in der Fassung vom 16. Oktober 2001 in Verbindung mit den Tarifstellen 2034 c Nr. 1 und 3 geschehen. Zwar nimmt auch der Wortlaut dieser Tarifstelle nicht ausdrücklich Bezug auf bestimmte Gebührenzwecke. Aus der Berechnungsweise lässt sich jedoch schließen, dass der Verordnungsgeber bei der Gebührenbemessung sowohl den Zweck der Kostendeckung als auch den des Vorteilsausgleichs verfolgt. Mit der Mindestgebührenhöhe von 664,00 EUR bzw. 1 022 EUR soll jedenfalls der Zweck der Kostendeckung bei geringem Verwaltungsaufwand erreicht werden. Aus der Berechnung der Gebühr nach einem Quadratmetersatz je zusätzlicher Geschossfläche bzw. Grundfläche kann nicht zwingend der Schluss gezogen werden, die Größe der Fläche diene im Rahmen grundsätzlich zulässiger Pauschalierungen lediglich als Indikator für den mit der Befreiung verbundenen Verwaltungsaufwand. Denn dieser Ansatz könnte für sich betrachtet nicht erklären, weshalb die Gebühren auch bei Befreiungen, welche die üblichen Größenordnungen bei weitem überschreiten, linear ansteigend berechnet werden und eine Degression oder Kappungsgrenze nicht - mehr - vorgesehen ist, obwohl der Verwaltungsaufwand nach der Lebenserfahrung ab einer bestimmten Größenordnung nicht in gleichem Maße wie der Flächenzuwachs ansteigt. Dies lässt sich plausibel nur darauf zurückführen, dass auch der mit der Befreiung verbundene wirtschaftliche Vorteil teilweise ausgeglichen werden soll. Denn dieser nimmt auch bei größeren Überschreitungen in der Regel annähernd proportional zum Flächenzuwachs zu.

Für eine Einbeziehung des Zwecks des Vorteilsausgleichs spricht auch ein Vergleich mit der Bestimmung des § 5 Nr. 1 BauGebO, der für Rahmengebühren eine Gebührenbemessung nach der Bedeutung der Amtshandlung und dem wirtschaftlichen Nutzen für die Beteiligten vorsieht. Soll sich die Verwaltung bei den vom Verordnungsgeber vorgesehenen Gebührenspielräumen an diesem Grundsatz orientieren, so kann davon ausgegangen werden, dass der Verordnungsgeber diesen Zweck umso mehr bei der Bemessung der Gebühr nach festen Kriterien ohne Spielraum, wie bei den Tarifstellen 2034 c Nrn. 1 und 3 der Anlage zur Baugebührenordnung, verfolgt.

Einer solchen Auslegung steht § 1 Abs. 1 Satz 1 BauGebO nicht entgegen, wonach die "Gebühren für Leistungen der Einrichtungen im öffentlichen Bauwesen nach dieser Gebührenordnung und dem anliegenden Gebührenverzeichnis" erhoben werden. Mit der Verwendung des Wortes "für" stellt das Gesetz neutral auf eine "Leistung" als Anlass für die Gebührenerhebung ab. Der Begriff der Leistung kann aber gleichermaßen den Leistungsvorgang, der mit einem entsprechenden Verwaltungsaufwand verbunden ist, wie auch den Leistungserfolg, der zu einem wirtschaftlichen Vorteil für den Gebührenschuldner führt, umfassen. Insofern lässt die Formulierung des zweiten Satzteils, der die Erhebung von Gebühren "nach dieser Gebührenordnung und dem anliegenden Gebührenverzeichnis" anordnet, die Möglichkeit offen, dass sich aus diesen Vorschriften auch andere verfolgte Zwecke als nur der der Kostendeckung ergeben.

Zu einer gegenteiligen Auslegung gibt auch die vom Antragsgegner mitgeteilte amtliche Begründung zur Tarifstelle 2034 (Bl. 40 d.A.) keinen Anlass. Wenn es dort heißt: "Die Gebühren für die Erteilung von Befreiungen von planungsrechtlichen Festsetzungen oder Vorschriften wurden erhöht, da die bisher festgesetzten Gebühren nicht kostendeckend sind", so findet darin der Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs zwar ebenfalls keine ausdrückliche Erwähnung. Da es sich aber um eine Änderung einer seit Jahrzehnten in ähnlicher Weise bestehenden Regelung handelte, kann jedoch durchaus davon ausgegangen werden, dass der Verordnungsgeber gleichwohl den Zweck des Vorteilsausgleichs beibehalten wollte und die Änderung lediglich dazu genutzt hat, dem Zweck der Kostendeckung besser Geltung zu verschaffen.

Sprechen somit gewichtige Gründe dafür, dass die hier einschlägigen landesrechtlichen Regelungen in die Bemessung der Gebühren für bauplanungsrechtliche Befreiungen zulässigerweise auch den legitimen Gebührenzweck des Vorteilsausgleichs einbeziehen, so wird der vom Verwaltungsgericht an den vom Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 19. März 2003 (a.a.O.) entwickelten Kriterien orientierten Beurteilung der angefochtenen Gebührenforderung die Grundlage entzogen. Vielmehr wäre die Ausrichtung der tariflichen Gebührensätze an der der Antragstellerin als Bauherrin infolge der Überschreitung der planerisch zulässigen Nutzungsmaße zuwachsenden wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten unter der Voraussetzung der Wahrung des Äquivalenzprinzips grundsätzlich gerechtfertigt. Dass die tariflich festgesetzten Gebührensätze oder die tatsächliche Höhe der hier streitigen Gebührenforderung mit dem Äquivalenzprinzip als einer gebührenrechtlichen Ausformung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unvereinbar wären, kann nicht festgestellt werden. Unter dem Gesichtspunkt des Äquivalenzprinzips verfügt der Gesetz- und Verordnungsgeber über einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Bemessung der Gebühr (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. April 2003 - 6 C 6.02 -, NVwZ 2003, S. 1508, 1512). Die hier vorgenommene Verknüpfung der tariflichen Gebührensätze in Höhe von 35,00 EUR je m² je zusätzlicher Geschossfläche und 102,00 EUR je m² zusätzlicher Grundfläche mit dem diese Beträge bei der gebotenen typisierenden und pauschalierenden Betrachtung regelmäßig um ein Vielfaches übersteigenden wirtschaftlichen Wertzuwachs des Vorhabens für den Genehmigungsempfänger ist prinzipiell ebenso sachlich gerechtfertigt, wie die Orientierung von Genehmigungsgebühren an bestimmten Hundert- oder Tausendsätzen der Investitions- oder Herstellungskosten (vgl. den zitierten Beschluss des BVerwG vom 30. April 2003, a.a.O. sowie das Urteil vom 19. Januar 2000, a.a.O., S. 533, 535). Ob und inwieweit der Genehmigungsempfänger mit dem Vorhaben von der durch Art. 14 GG geschützten Baufreiheit Gebrauch macht, ist für die Beurteilung der Gebührenhöhe unter dem Aspekt des Äquivalenzprinzips nicht von ausschlaggebender Bedeutung; dieser Gesichtspunkt kann der hier streitigen Gebühr jedenfalls deshalb nicht entgegengehalten werden, weil diese für eine in das Ermessen der Behörde gestellten werterhöhenden Befreiungen von der Einhaltung geltender planungsrechtlicher Festsetzung erhoben wird. In dieser dem Empfänger individuell zurechenbaren Leistung liegt ein Vorteil, der bei der Gebührenbemessung Berücksichtigung findet. Von einem groben Missverhältnis der tarifmäßigen Gebührensätze im Verhältnis zu dem legitimen Gebührenzweck des Vorteilsausgleichs kann danach nicht gesprochen werden. Insbesondere kann nicht von einer erdrosselnden oder abschreckenden Wirkung der vorgesehenen Gebührensätze in Bezug auf die Entscheidung und die Motivation Bauwilliger zur Durchführung von Bauvorhaben ausgegangen werden. Das gilt auch für die hier streitige Gesamtforderung, deren Höhe sich rechnerisch aus dem Umfang der Überschreitung der zulässigen Nutzungsmaße hinsichtlich der Geschossfläche und der Grundfläche ergibt und die damit im Prinzip eben dem Wertzuwachs entspricht, der der Antragstellerin infolge der Erweiterung der nutzbaren Flächen durch die Befreiung zugeflossen ist. Angesichts dessen kann - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - aus dem Äquivalenzprinzip auch nicht die Notwendigkeit einer ab einer gewissen Höhe der anfallenden Gebühr eingreifenden Kappungsgrenze hergeleitet werden, welche im Gegenteil auf rechtliche Bedenken hinsichtlich der mit dem Gleichheitssatz zu vereinbarenden Bevorzugung der Empfänger umfangreicherer Nutzungsmaßbefreiungen im Verhältnis zu solchen Bauherrn stoßen könnte, denen nur geringere Überschreitungen der Nutzungsmaße gestattet werden.

Soweit das Bundesverwaltungsgericht in den neueren Entscheidungen vom 30. April 2003 (- 6 C 5.02 -, NVwZ 2003, S. 1385, 1386 und - 6 C 6.02 -, NVwZ 2003, S. 1208, 1215) unter Bezugnahme auf die vom Bundesverfassungsgericht in dem Urteil vom 19. März 2003 (a.a.O.) entwickelten - kompetenzrechtlich begründeten - Maßstäbe aus dem gebührenrechtlichen Äquivalenzprinzip das Erfordernis ableitet, dass sich auch im Falle einer über die Kostendeckung hinausgehenden Berücksichtungsfähigkeit des wirtschaftlichen Wertes der Amtshandlung die im Regelfall festzusetzende Gebühr hinsichtlich ihrer Höhe nicht völlig von den Kosten des Verwaltungsaufwandes für die gebührenpflichtige Leistung entfernen dürfe, ist ebenfalls ein Rechtsverstoß der hier streitigen Gebührenforderung nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellbar. Für diese Beurteilung kann es nach dieser Rechtsprechung nicht entscheidend auf einen isolierten Vergleich der im vorliegenden Fall entstandenen Gebühr von rund 135 000 EUR mit dem durch die Bearbeitung des Befreiungsantrags verbundenen Verwaltungsaufwand ankommen - wie es das Verwaltungsgericht in Form einer Hochrechnung des Arbeitsaufwandes an Hand eines Stundensatzes getan hat -, da sich in diesem Betrag die gebührenrechtlich legitim berücksichtungsfähige Erweiterung der wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten des Grundstücks niederschlägt. Sachgerechter erscheint es vielmehr, diese Vergleichsberechnung anhand einer Gegenüberstellung der im durchschnittlichen Regelfall bei der Bearbeitung einer nach der Baugebührenordnung planungsrechtlichen Befreiung anfallenden Gebühr mit den regelmäßig bei der Bearbeitung von Befreiungsanträgen entstehenden Personal- und Sachkosten vorzunehmen. Die vom Antragsgegner zu den Akten gereichten statistischen Daten, wonach Befreiungsgebühren über 20 000 EUR sehr selten, und über 100 000 EUR nur vereinzelt angefallen sind, lassen ungeachtet der zwischen den Beteiligten hinsichtlich der Ermittlung der Verwaltungskosten bestehenden Kontroversen jedenfalls den Schluss zu, dass von einem extremen Missverhältnis zwischen der Höhe von Befreiungsgebühren und dem dafür regelmäßig entstehenden Verwaltungsaufwand nicht einmal ansatzweise ausgegangen werden kann. Angesichts dessen bestand zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts insoweit im vorliegenden Eilverfahren kein Anlass.

Die hier gegebene besondere Konstellation, dass der Rechtsvorgängerin bereits zuvor eine lediglich durch Zeitablauf erloschene Baugenehmigung für ein etwa gleichartiges Vorhaben erteilt worden war, durfte der Verordnungsgeber auf Grund der ihm eingeräumten Gestaltungsfreiheit und der in diesem Rahmen zulässigen typisierenden und pauschalierenden Regelungsmöglichkeiten unberücksichtigt lassen.

Es ist schließlich auch weder dargetan noch ersichtlich, dass die Vollziehung der Gebührenforderung für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die von ihr geltend gemachten, durch die hohe Gebührenforderung auftretenden Schwierigkeiten bei der Finanzierung des Vorhabens reichen insoweit nicht aus (vgl. dazu auch den Beschluss des Senats vom 4. Dezember 2001 - OVG 2 SN 8.01 - a.a.O.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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