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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 12.12.2002
Aktenzeichen: OVG 2 S 37.02
Rechtsgebiete: VerpackV, GWB, VwGO, KrW-/AbfG


Vorschriften:

VerpackV § 6 Abs. 1
VerpackV § 6 Abs. 3 Satz 1
VerpackV § 6 Abs. 3 Satz 11
VerpackV § 8
VerpackV § 8 Abs. 1
VerpackV § 9
VerpackV § 9 Abs. 2
VerpackV § 9 Abs. 2 Satz 2
VerpackV § 9 Abs. 3
GWB § 7
GWB § 8
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 1
KrW-/AbfG § 22 Abs. 2
KrW-/AbfG § 24 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 2 S 37.02

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Liermann, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Broy-Bülow und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Merz am 12. Dezember 2002 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 2. Oktober 2002 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 175 000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die im Lebensmitteleinzelhandel tätigen Antragstellerinnen, die unter anderem auch in Einwegverpackungen abgefüllte Getränke vertreiben, wenden sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen die Einführung einer Pfanderhebungspflicht auf Einweg-Getränkeverpackungen für die Getränkebereiche Mineralwasser, Bier sowie Erfrischungsgetränke mit Kohlensäure.

Für diese Getränkebereiche wird nach Maßgabe der in § 9 Abs. 2 und 3, § 6 Abs. 3 Satz 1 und 11 der Verpackungsverordnung (VerpackV) die Pflicht der Hersteller und Vertreiber von entsprechenden einwegverpackten Getränken zur Erhebung eines Pfandes sowie zur Rücknahme und Verwertung der Verpackungen gemäß § 6 Abs. 1, § 8 Abs. 1 VerpackV am 1. Januar 2003 einsetzen, nachdem im Bundesanzeiger vom 2. Juli 2002 (S. 14689, 14690) unter Androhung der sofortigen Vollziehung die Ergebnisse der von der Bundesregierung durchgeführten Nacherhebung bekannt gegeben worden sind, die erneut eine Unterschreitung der bundesweiten Mehrwegquote von 72 % sowie für die genannten Getränkebereiche auch eine Unterschreitung der 1991 festgestellten Mehrweganteile auswiesen.

Gegen die Bekanntgabe haben die Antragstellerinnen beim Verwaltungsgericht Klage (VG 10 A 350.02) erhoben. Den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen, hilfsweise, der Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung aufzugeben, bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Klage die Verpflichtung der Antragstellerinnen zur Erhebung eines Pfandes auf Einweg-Getränkeverpackungen in den genannten Getränkebereichen auszusetzen, hat das Verwaltungsgericht durch den Beschluss vom 2. Oktober 2002 zurückgewiesen. Auf die Rechtsausführungen in den Gründen unter II. des Beschlussabdrucks wird verwiesen. Der Beschluss ist dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen am 7. Oktober 2002 zugestellt worden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die von den im Rubrum aufgeführten Antragstellerinnen erhobene Beschwerde, mit der sie beantragen, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage VG 10 A 350.02,

a) bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in der Sache RsC-309/02,

hilfsweise,

b) bis zur Freistellungsentscheidung des Bundeskartellamts nach § 7 GWB zu (einer) Pfandkooperation(en),

hilfsweise,

c) bis zur Entscheidung des vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängigen Hauptsacheverfahrens gegen das Land Nordrhein-Westfalen (BVerwG 7 C 53.02) wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht das vorläufige Rechtsschutzbegehren der Antragstellerinnen mit dem angefochtenen Beschluss vom 2. Oktober 2002 abgelehnt, weil das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der am 2. Juli 2002 im Bundesanzeiger erfolgten Bekanntmachung der Nacherhebungsergebnisse bezüglich der Mehrweganteile das Interesse der Antragstellerinnen, von der Pfanderhebungspflicht vorerst verschont zu bleiben, überwiegt.

Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerinnen führt zu keiner anderen Beurteilung.

1. Ohne Erfolg stützen die Antragstellerinnen ihr Aussetzungsbegehren allein auf die Vorgreiflichkeit anderer beim Europäischen Gerichtshof und beim Bundesverwaltungsgericht anhängiger Gerichtsverfahren sowie auf das Fehlen etwa erforderlicher kartellrechtlicher Behördenentscheidungen.

a) Soweit die Antragstellerinnen mit dem Hauptantrag die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Hinblick auf das beim Europäischen Gerichtshof anhängige Verfahren bezüglich der Vereinbarkeit der hier maßgebenden Vorschriften der Verpackungsverordnung mit Gemeinschaftsrecht anstreben, steht dem von vornherein entgegen, dass selbst ein derartiger Verstoß der Regelungen der Verpackungsverordnung gegen Gemeinschaftsrecht einen generellen Aufschub des Eintritts der Pfanderhebungspflicht in Deutschland nicht rechtfertigen könnte. Wie der Senat bereits in seinen Beschlüssen vom 20. Februar 2002 in den Verfahren OVG 2 S 6.01 (DVBl. 2002, S. 630, 639,640) und OVG 2 S 7.01 entschieden hat, könnte ein festgestellter Verstoß der Verpackungsverordnung gegen Gemeinschaftsrecht aufgrund des unmittelbar geltenden Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts vor entgegenstehendem nationalen Recht (vgl. Geiger, EUV/EGV, 3. Aufl. 2000, Art. 10, Rdnr. 32) nicht zur Nichtigkeit der deutschen Regelung, sondern nur zu deren Unanwendbarkeit auf Getränkeverpackungen aus anderen Mitgliedstaaten (Importprodukte) führen, die hiervon nicht erfasst würden. Für die in Deutschland hergestellten Verpackungen würde es bei der Anwendbarkeit der Regelungen der Verpackungsverordnung bleiben, bis eine Rechtsanpassung - sollte sich dies überhaupt als erforderlich erweisen - auf nationaler Ebene erfolgt ist. Schon deshalb ist der von den Antragstellerinnen angeführte Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. August 2002 - 19 K 2019.02 -, der sich zudem auf Importe aus anderen Mitgliedstaaten und die sich für diese aus der Pfanderhebungspflicht für Einwegverpackungen möglicherweise ergebenden Erschwernisse im Warenverkehr und Wettbewerb bezieht, für die vorliegende Entscheidung nicht erheblich. Im Übrigen hat der Senat in dem Beschluss vom 20. Februar 2002 - OVG 2 S 6.01, DVBl. 2002, S. 630, 640 f. - ausgeführt, dass nicht von einer Inkompatibilität der Verpackungsverordnung mit dem Gemeinschaftsrecht auszugehen ist. Hieran wird auch unter Berücksichtigung des genannten Vorlagebeschlusses des Verwaltungsgerichts Stuttgart festgehalten, so dass für das Eingreifen des von den Antragstellerinnen herangezogenen Vereitelungsverbotes des Art. 10 Abs. 2 EGV für Maßnahmen, die den Richtlinienzielen entgegenstehen (vgl. hierzu Callies/Ruffert, EUV/EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 249 Rdnr. 43, 44), kein Raum gesehen wird.

b) Das im vorliegenden Verfahren mit Schriftsatz vom 15. November 2002 erst nach Ablauf der einmonatigen Beschwerdebegründungsfrist gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO geltend gemachte Begehren, die Pfanderhebungspflicht bis zu einer Freistellungsentscheidung des Bundeskartellamts gemäß § 7 GWB für die Einrichtung eines Pfand- und Rücknahmesystems in Deutschland auszusetzen, kann schon wegen der Verfristung nicht zum Erfolg führen. Unabhängig davon tragen die Antragstellerinnen hiermit kein unüberwindliches rechtliches Hindernis gegen das Einsetzen der Pfanderhebungspflicht im Januar 2003 vor. Die hier maßgebenden Vorschriften der Verpackungsverordnung schreiben den Verpflichteten kartellförmige Abreden zur Durchführung der Pfanderhebungspflicht nicht vor. Die Wahl der organisatorischen und rechtlichen Vorkehrungen, mit deren Hilfe dies zu bewerkstelligen ist, ist vielmehr den Getränkeherstellern und -vertreibern im Rahmen der ihnen übertragenen Produktverantwortung vorbehalten. Dabei wird zwar eine Kooperation der betreffenden Unternehmer im gesamten Bundesgebiet ökonomisch sinnvoll sein, wobei es nahe liegt, dass die Installation eines zentralen Finanz-Clearing-Systems die effizienteste und günstigste Lösung sein wird. Gleichwohl kann nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass hierin notwendigerweise eine nur durch eine Freistellung gemäß § 7 GWB oder eine Ministererlaubnis gemäß § 8 GWB legalisierbare Kartellabrede zu sehen wäre. Wie die Antragsgegnerin hervorhebt, können im Rahmen der gebotenen Abstimmung mit der Kartellbehörde durchaus Möglichkeiten erarbeitet werden, die Pfanderhebungs- und -erstattungspflicht auch kartellfrei zu realisieren. Aber selbst wenn eine Freistellung oder Ausnahmeregelung nach §§ 7 und 8 GWB erforderlich sein sollte, sind und waren die Getränkehersteller und -vertreiber nicht gehindert, um eine derartige Entscheidung der Kartellbehörde rechtzeitig nachzusuchen. Es ist nicht erkennbar, dass dies derzeit aussichtslos wäre und dass nicht zu Beginn des Jahres 2003 eine rechtliche Möglichkeit erwirkt werden kann, ein solches System zu installieren, wobei notfalls der Pfanderhebungs- und Rückgabepflicht sowie der Rücknahmepflicht für eine gewisse Übergangszeit durch provisorische Maßnahmen entsprochen werden könnte. Im Übrigen stand den Getränkeherstellern und -vertreibern mit der Sechs-Monatsfrist nach der Bekanntgabe der Nacherhebungsergebnisse ein hinreichend langer Zeitraum zur Verfügung, sich auf das Einsetzen der Pfanderhebungspflicht umfassend vorzubereiten. Diese Frist diente gerade dazu, auch derartige rechtliche Hindernisse auszuräumen. Darauf, dass Klage- und vorläufige Rechtsschutzverfahren gegen die Einführung der Pfanderhebungspflicht anhängig waren, durften sich die Antragstellerinnen nach Lage der Dinge nicht verlassen, zumal der Senat bereits Ende Februar einem vorbeugenden einstweiligen Rechtsschutzbegehren von Unternehmen der Getränkeindustrie nicht stattgegeben hatte.

c) Auch die mit der Vorgreiflichkeit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in dem anhängigen Revisionsverfahren BVerwG 7 C 53.02 gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 3. September 2002 (17 K 1907.02) begründete, hilfsweise beantragte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerinnen bis zur Rechtskraft der Entscheidung in jenem Verfahren ist nicht geboten. Dieses Verfahren ist aufgrund des abweichenden Streitgegenstandes nicht vorgreiflich für das vorliegende Rechtsschutzverfahren, da sich der dort gestellte Feststellungsantrag gegen mögliche behördliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Pflichten aus der Verpackungsverordnung durch die zuständigen Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen richtet und ein stattgebendes Urteil auch nur für den Bereich dieses Bundeslandes Geltung beanspruchen könnte. Eine Aussetzung des Vollzugs allein im Hinblick auf dieses Revisionsverfahren könnte allenfalls unter dem übergeordneten Gesichtspunkt der Gewährung effizienten vorläufigen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) erwogen werden. Dafür müsste aber zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein, dass das Bundesverwaltungsgericht in dem dort anhängigen Verfahren auch über die Rechtmäßigkeit der maßgebenden Regelungen der Verpackungsverordnung befinden wird. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden. Es spricht vielmehr alles dafür, dass sich die Klage, zu deren Zulässigkeit das Bundesverwaltungsgericht in dem zum 16. Januar angesetzten Termin verhandeln will, als unzulässig erweisen wird, weil schon durchgreifende Bedenken gegen die Annahme eines konkreten Rechtsverhältnisses zwischen den Klägern und dem Land Nordrhein-Westfalen bestehen. Hinzukommen erhebliche rechtliche Bedenken gegen das Feststellungsinteresse der Kläger für ihr vorbeugendes Rechtsschutzbegehren unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität dieser Klageform. Jedenfalls dürfte das allgemeine Feststellungsinteresse im Hinblick darauf zu verneinen sein, dass die verfahrensrechtliche Möglichkeit besteht, bei der Berliner Verwaltungsgerichtsbarkeit um Rechtsschutz gegen die Bundesrepublik Deutschland (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit) nachzusuchen, mit der Folge, dass im Falle einer stattgebenden gerichtlichen Entscheidung die Pfanderhebungspflicht als solche entfallen und dies für die Hersteller und Vertreiber im gesamten Bundesgebiet gelten würde (so auch OVG NW, Beschluss vom 27. November 2002 - OVG 20 B 1926.02 - BA S. 11, 12). Bei dieser Ausgangslage sieht sich der an das objektive Recht gebundene Senat gehindert, allein mit Rücksicht auf dieses Revisionsverfahren die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen. Ob die Antragsgegnerin dies von sich aus veranlasst, obliegt allein ihren behördlichen Zweckmäßigkeitsüberlegungen.

2. Auch unter Berücksichtigung des weiteren Beschwerdevorbringens der Antragstellerinnen bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der durch die Bekanntgabe der Nacherhebungsergebnisse am 2. Juli 2002 ausgelösten Pfanderhebungspflicht.

Soweit die Antragstellerinnen geltend machen, dass allein schon im Hinblick auf die in der materiell-rechtlichen Beurteilung von der Entscheidung des Senats vom 20. Februar 2002 - OVG 2 S 6.01 - abweichende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 3. September 2002 und der noch ausstehenden Revisionsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in dem genannten Verfahren ein geringerer Maßstab an die rechtlichen Bedenken anzulegen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Der zur Entscheidung angerufene Senat hat vielmehr die Frage, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen, uneingeschränkt selbstständig zu prüfen.

Dass § 24 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 22 Abs. 2 KrW-/AbfG auch hinsichtlich des mit der Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 VerpackV angestrebten Ziels einer Stützung der Mehrweganteile eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstellt, hat der Senat bereits in der genannten Entscheidung vom 20. Februar 2002 - OVG 2 S 6.01 - (DVBl. 2002, S. 630, 635 f.) festgestellt; das Verwaltungsgericht hat dies in dem angefochtenen Beschluss ausführlich und überzeugend unter Einbeziehung auch der Entstehungsgeschichte der Vorschrift begründet. Die dagegen erhobenen Einwendungen der Antragstellerinnen vermögen diese Beurteilung nicht zu erschüttern.

Soweit die Antragstellerinnen die Verfassungsmäßigkeit der Quotenregelung der Verpackungsverordnung mit dem Vorbringen in Frage zu stellen versuchen, dass bei einer gesamtökologischen Betrachtung Mehrweg-Getränkeverpackungen nicht per se ökologisch vorteilhafter seien als Einweg-Getränkeverpackungen, kann ihnen ebenfalls nicht gefolgt werden. Wie der Senat schon in der Entscheidung vom 20. Februar 2002 (DVBl. 2002, S. 630, 638) her-vorgehoben hat, liegen dem Regelungssystem der §§ 8 und 9 VerpackV primär die abfallwirtschaftlichen Ziele der Abfallvermeidung und -reduzierung sowie der stofflichen Verwertung zugrunde, nicht jedoch gesamtökologische Erwägungen. Vergleichbare Prioritäten setzt auch die geltende EG-Verpackungsrichtlinie 94/62/EG vom 20. Dezember 1994 (Art. 1 Abs. 2). Das bedeutet aber, dass der Regelung der Verpackungsverordnung die Grundlage allenfalls dann entzogen sein könnte, wenn Mehrweg-Getränkeverpackungen generell bei gesamtökologischer Betrachtung eindeutig den Einweg-Getränkeverpackungen gleichständen, die Stützung der Mehrweganteile deshalb ökologisch sinnlos wäre. Eine solche unzweifelhafte Feststellung liegt jedoch nicht vor. Im Gegenteil weisen auch die neueren Studien des Umweltbundesamtes nach wie vor ökologische Vorteile der Mehrweg-Getränkeverpackungen aus. Die von den Antragstellerinnen zur Stützung ihrer gegenteiligen Auffassung herangezogenen, ohnehin nur summarisch nach Art einer Schlussfolgerung zusammenfassenden Ausführungen der Arbeitsgemeinschaft Prognos Basel, die eine ökobilanziell vergleichende Betrachtung und Bewertung von Einweg- und Mehrwegverpackungssystemen in Abhängigkeit von Füllvolumen und Distributionsentfernung anstellt, werden vom Umweltbundesamt hinsichtlich der Methodik und der Relevanz der Aussage für die Beurteilung substantiiert bestritten und mit Schreiben vom 6. November 2002 als "krasse Fehlinterpretation sowohl des Untersuchungsziels als auch der Ergebnisse der Ökobilanz für Getränkeverpackungen II (Phase 2)" bezeichnet, die zudem diese Parameter schon berücksichtige. Auch das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH - IfEU- hat sich mit Schreiben vom 7. November 2002 deutlich von den gezogenen Schlussfolgerungen der AG Prognos distanziert. Auch die weiteren von den Antragstellerinnen zitierten Untersuchungen sind - wie die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdeerwiderung dargelegt hat - für die hier zu treffende Beurteilung nicht aussagekräftig.

Mit ihrem Einwand, die Regelung der Verpackungsverordnung lege ihnen im Rahmen der erforderlichen Einrichtung eines bundesweit einheitlichen Pfanderhebungs-, Erstattungs- und Rücknahmesystems Verpflichtungen auf, deren Erfüllung außerhalb ihres Einwirkungsbereichs lägen, verkennen die Antragstellerinnen das der Regelung zugrunde liegende Prinzip der Produktverantwortung. Diese ist in rechtlich verbindlicher Form darauf angelegt, dass die Getränkehersteller und -vertreiber innerhalb des ihnen vorgegebenen rechtlichen Rahmens selbstverantwortlich und kooperativ die notwendigen organisatorischen und rechtlichen Voraussetzungen schaffen, um zur gegebenen Zeit der Pfanderhebungspflicht genügen zu können.

3. Auch das die gegenläufigen Interessen der Antragstellerinnen überwiegende öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes hat das Verwaltungsgericht zu Recht bejaht. Es hat das gewichtige öffentliche Interesse zutreffend darin gesehen, dass angesichts des sich ständig beschleunigenden Trends zur Verwendung von Einweg-Getränkeverpackungen in den hier streitigen Getränkebereichen zu besorgen ist, dass die Mehrwegquote bis zu einem kritischen Wert abnimmt, der eine Umkehr der Entwicklung faktisch ausschließt, so dass die angestrebte Stützungsfunktion der Pfanderhebungsregelung nicht mehr erfüllt werden kann und die Regelung der Verordnung irreparabel obsolet werden könnte. Der Hinweis der Antragstellerinnen auf die durch die Installation eines Pfanderhebungs-, Pfanderstattungs- und Rücknahmesystems entstehenden hohen Kosten und die im Falle eines Obsiegens in der Hauptsache möglicherweise verlorenen Investitionen ist zwar gewichtig. Diese wirtschaftlichen Auswirkungen können jedoch das Überwiegen der genannten öffentlichen Belange nicht in Frage stellen. Dass die Einführung der Pfanderhebungspflicht für Einweg-Getränkeverpackungen erhebliche Kosten für die Hersteller und Vertreiber verursachen wird, ist unstreitig, wobei die Antragsgegnerin allerdings nach wie vor die von den Antragstellerinnen vorgetragene Höhe der erforderlich werdenden Investitionen bestreitet. Diese Kosten sind notwendig mit der von dem Gesetz- und Verordnungsgeber unter den gegebenen Umständen geforderte Einrichtung von Pfanderhebungs-, Pfanderstattungs- und Rücknahmesystemen verbunden und nach der der Regelung zugrunde liegenden Wertung des Normgebers grundsätzlich durch die abfallwirtschaftlichen Zielsetzungen gerechtfertigt, zumal ein Teil der Mehrkosten an die Endverbraucher weitergegeben werden kann. Den Getränkeherstellern und -vertreibern stand überdies ein relativ langer Vorbereitungszeitraum zur Verfügung, um sich auch hinsichtlich der erforderlich werdenden finanziellen Aufwendungen auf die Aktualisierung der Pfanderhebungspflicht einzustellen.

Mit Rücksicht auf diesen Vorbereitungszeitraum können sich die Antragstellerinnen auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass es ihnen gegenwärtig nicht mehr möglich sei, ab Januar 2003 ein optimal funktionierendes Pfandsystem einzurichten. Darauf hätten sie sich, statt nur auf die gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten zu setzen, rechtzeitig einrichten müssen. Zumindest für eine gewisse Übergangszeit können sie sich im Übrigen mit provisorischen Vorkehrungen behelfen.

Angesichts dieser Situation fällt im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen entscheidend zugunsten des öffentlichen Vollziehungsinteresses ins Gewicht, dass im vorliegenden Verfahren keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der durch die Bekanntgabe der Nacherhebungsergebnisse vom 2. Juli 2002 ausgelösten Pflichten für die Antragstellerinnen bestehen. Mit Rücksicht auf dieses Fehlen rechtlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit kommt im Übrigen auch dem von den Antragstellerinnen als Rechtsschutzverweigerung gerügten Umstand, dass bisher eine Entscheidung in den beim Verwaltungsgericht anhängigen Klageverfahren noch nicht vorliegt, für die Interessenabwägung im vorliegenden Verfahren kein maßgebendes Gewicht zu.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO sowie aus § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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