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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 18.12.2002
Aktenzeichen: OVG 4 S 41.02
Rechtsgebiete: VwGO, BPersVG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
BPersVG § 7 Satz 1
BPersVG § 69 Abs. 1
BPersVG § 69 Abs. 2 Satz 5
BPersVG § 76 Abs. 1 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 4 S 41.02

Berlin, den 18. Dezember 2002

In der Verwaltungsstreitsache

Tenor:

wird auf die Beschwerde des Antragstellers der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 22. Juli 2002 geändert.

Die aufschiebende Wirkung der Klage (VG 5 A 230.01) gegen den Bescheid des Auswärtigen Amtes vom 28. Mai 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 14. August 2001 wird angeordnet.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2 000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde ist begründet. Der angefochtene Beschluss kann keinen Bestand haben.

1. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig.

Für ihn fehlt entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Es ist nicht die Frage, ob der Antragsteller seine "Rechtsposition ... verbessern" kann. Bei Erfolg seines Antrages wird er vor Nachteilen bewahrt, da er von der (weiteren) Vollziehung der von ihm als rechtswidrig angesehenen Versetzungsverfügung verschont bleibt. Dass eine Rückabwicklung von vornherein unmöglich, ein amtsangemessener Einsatz bei der Botschaft in Rom ausgeschlossen wäre, ist von der Antragsgegnerin trotz Bestreitens des Antragstellers nicht substanziiert worden, ohnehin schwerlich denkbar.

2. Der Antrag ist auch begründet. An der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen bei der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen Prüfung relevante Zweifel, sodass das Interesse des Antragstellers, deren sofortige Vollziehung vorerst rückgängig zu machen, schwerer wiegt als das Vollzugsinteresse.

2.1. Die angefochtenen Bescheide leiden nach gegenwärtigem Erkenntnisstand unter einem formellen Mangel, da der Personalrat der Maßnahme nicht zugestimmt hat. Die Versetzung des Antragstellers bedurfte gemäß § 69 Abs. 1 in Verbindung mit § 76 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG der Zustimmung des Personalrats des Auswärtigen Amtes, die nicht vorliegt.

2.1.1. Die unter dem 16. Mai 2001 erteilte Zustimmung dieses Gremiums ist - wovon auch die Beteiligten ausgehen - nicht wirksam, da das Mitbestimmungsverfahren nicht ordnungsgemäß eingeleitet worden war. Der ihr zu Grunde liegende Antrag des Auswärtigen Amtes vom 2. Mai 2001 enthielt die unzutreffende Behauptung, die beabsichtigte Versetzung erfolge im Einvernehmen mit dem Antragsteller. Die fehlerhafte Unterrichtung des Personalrats hat die Unwirksamkeit der Zustimmung zur Folge (vgl. OVG Münster, PersR 1996, 365 f.).

2.1.2. Dieser Mangel ist nicht geheilt worden. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin gilt die Maßnahme nicht (nach erneutem Antrag) gemäß § 69 Abs. 2 Satz 5 BPersVG als gebilligt.

Voraussetzung für den Eintritt der Fiktionswirkung ist die ordnungsgemäße Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens (Fischer/Goeres in Fürst GKÖD V K § 69 Rdnr. 12 g; Grabendorff/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 9. Auflage 1999, § 69 Rdnr. 17). Die Erklärungsfrist, nach deren Ablauf die Maßnahme als gebilligt gilt, beginnt mit Eingang des Zustimmungsantrags bei dem Personalrat und dessen (hinreichender) Unterrichtung von der beabsichtigten Maßnahme (BVerwGE 78, 65 [68 ff.]). Der Antrag kann auch mündlich gestellt werden; die Erklärung muss aber hinreichend deutlich erkennen lassen, dass es sich um einen Zustimmungsantrag handelt (VGH Mannheim, PersV 1992, 354 [355]; Fischer/Goeres, a.a.O K § 69 Rdnr. 8; Grabendorff u.a., a.a.O. § 69 Rdnr. 4). Maßgeblich ist ihr Eingang beim Vorsitzenden des Personalrats. Dessen Befugnis, den Personalrat zu vertreten (§ 32 Abs. 3 Satz 1 BPersVG), umfasst auch die Entgegennahme der für den Personalrat bestimmten Erklärungen (so die wohl h.M.: Altvater u.a., BPersVG, 4. Auflage 1996, § 32 Rdnr. 26; Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Auflage 1978, §§ 32/33 Rdnr. 91; Fischer/Goeres, a.a.O. K § 32 Rdnr. 43 und 46; Grabendorff u.a., a.a.O. § 32 Rdnr. 24; Lorenzen in Lorenzen u.a., BPersVG, Teil II § 32 Rdnr. 30 sowie Gerhold in Lorenzen u.a., a.a.O. § 69 Rdnr. 17 a).

Hiervon ausgehend wurde die Erklärungsfrist (§ 69 Abs. 2 Sätze 3 und 5 BPersVG) durch das Telefonat des Vortragenden Legationsrats Dr. K. mit dem Mitglied des Personalrats B. am 29. Mai 2001 nicht in Lauf gesetzt. Dabei kann dahinstehen, ob der nach § 7 Satz 1 BPersVG regelmäßig für die Dienststelle handelnde Leiter durch Dr. K. vertreten werden konnte. Wenn dem so war, fehlt es an einem an den Personalrat zu Händen des Vorsitzenden gerichteten Antrag. Die Behauptung der Antragsgegnerin, der "Personalrat" sei telefonisch um "Zustimmung zur Versetzung" gebeten worden, findet im Aktenmaterial keine Grundlage. Ausweislich eines Vermerks in der Personalakte des Antragstellers vom 29. Mai 2001 wurde nur Herr B. telefonisch angesprochen und lediglich "informiert", dass die Versetzung nicht im Einvernehmen erfolge. Aus der eidesstattlichen Versicherung des Dr. K. vom 30. Oktober 2002 ergibt sich nichts Weitergehendes. Dort ist ebenfalls allein von einer telefonischen Sachverhaltsmitteilung die Rede, nicht aber davon, dass (über Herrn B.) ein Antrag an den Personalrat bzw. dessen Vorsitzenden gerichtet und das Gremium nochmals um Zustimmung zur Versetzung gebeten werden sollte. Hiermit übereinstimmend schildert auch das Personalratsmitglied B. in seinem Schreiben vom 30. Oktober 2002 das Telefonat als bloße von ihm "rezeptiv" entgegengenommene Information. Der Umstand, dass der Inhalt den Anrufs nach seiner Erinnerung im Vorstand des Personalrats einschließlich seines Vorsitzenden "besprochen" und als Korrektur der ursprünglich fehlerhaften Beteiligung verstanden wurde, vermag die fehlende ausdrückliche Antragstellung (bezogen auf Adressat und Inhalt der Erklärung von Dr. K.) nicht zu ersetzen. Die eidesstattliche Versicherung der Personalratsvorsitzenden Seibel vom 15. November 2002 bestätigt diesen Geschehensablauf. Auch ihr ist nicht zu entnehmen, dass jener Anruf als an den Vorsitzenden gerichteter nochmaliger Zustimmungsantrag verstanden wurde oder zu verstehen war.

Das weitergehende Vorbringen der Antragsgegnerin, der Personalrat habe die Zustimmungsfiktion "mit Absicht" herbeigeführt, ist nicht ansatzweise substantiiert, geschweige denn glaubhaft gemacht worden. Die Äußerung des Herrn B., ein derartiges Vorgehen sei bei Versetzungen gegen den Willen des Betroffenen nicht unüblich, hat keinen Bezug zum konkreten Einzelfall.

2.2. Die fehlerhafte Personalratsbeteiligung hat die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide zur Folge. Eine ohne (wirksame) Zustimmung der Personalvertretung vorgenommene Versetzung ist fehlerhaft und auf fristgerechte Anfechtung durch den Beamten aufzuheben (vgl. Fischer/Goeres, a.a.O. K § 76 Rdnr. 22).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Wertfestsetzung auf § 14 Abs. 1 Satz 1, § 13 Abs. 1 Satz 2, § 20 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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