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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 25.02.2003
Aktenzeichen: OVG 4 S 64.02
Rechtsgebiete: PräsWahlG, BRRG, VwGO
Vorschriften:
PräsWahlG § 6 Abs. 1 | |
BRRG § 31 Abs. 1 | |
BRRG § 31 Abs. 1 Satz 1 | |
BRRG § 31 Abs. 1 Satz 2 | |
VwGO § 80 Abs. 1 |
OVG 4 S 64.02
Berlin, den 25. Februar 2003
In der Verwaltungsstreitsache
Tenor:
wird die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 29. November 2002 zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 19 951,62 EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Nach dem im Beschwerdeverfahren maßgebenden Prüfungsstoff (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) hat das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden. Die vom Antragsgegner dargelegten und hier allein zu prüfenden Gründe rechtfertigen keine andere Beurteilung.
1. Soweit der Antragsgegner geltend macht, dem Antragsteller gegenüber sei kein im Verwaltungsrechtsweg angreifbarer Verwaltungsakt erlassen worden, genügt sein Vorbringen nicht den formellen Anforderungen (des § 146 Abs. 4 VwGO). Zu diesem Aspekt legt die Beschwerde weder die Gründe dar, aus denen die Entscheidung zu ändern ist, noch setzt sie sich mit dem angefochtenen Beschluss auseinander (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Für die geforderte Prüfung, ob das Verwaltungsgericht "auf der Grundlage des PräsWahlG die Kompetenz- und Zuständigkeitsverteilung zwischen dem Senat von Berlin, dem Abgeordnetenhaus von Berlin und der Senatsverwaltung für Justiz zutreffend beurteilt hat", ist kein Raum (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO).
2. Ohne Erfolg wendet sich der Rechtsbehelf gegen die Wertung des Verwaltungsgerichts, bezüglich der Übereinstimmung des § 6 Abs. 1 PräsWahlG mit den bundesrahmenrechtlichen Vorgaben des § 31 Abs. 1 BRRG bestünden erhebliche rechtliche Bedenken.
2.1. Der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte Prüfungsmaßstab wird vom Beschwerdevorbringen nicht relevant in Frage gestellt. Die Argumentation, durch § 31 Abs. 1 Satz 2 BRRG werde dem Gesetzgeber ein zwar eingeschränkter, doch "gleichwohl wirksamer gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum" bei der Bestimmung des Kreises der sog. politischen Beamten zuerkannt, der vom Verwaltungsgericht "nicht in jeder Weise", nur unter "gewisser Zurückhaltung" überprüfbar sei, überzeugt nicht. Abgesehen davon, dass sich der Rechtsbehelf nicht mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu den durch das hergebrachte beamtenrechtliche Lebenszeitprinzip (vgl. auch Battis, BBG, 2. Auflage 1997, § 36 Rdnr. 3; Grigoleit, ZBR 1998, 128 [129]; Lemhöfer in Plog/Wiedow, BBG, § 36 Rdnr. 3) und durch § 31 Abs. 1 Satz 1 BRRG gezogenen Grenzen befasst, stehen seiner Interpretation Wortlaut und Zusammenhang jener Regelung sowie deren Entstehungsgeschichte entgegen.
Bereits die Formulierung, der Personenkreis sei "gesetzlich zu bestimmen", lässt erkennen, dass sich § 31 Abs. 1 Satz 2 BRRG darauf beschränkt, die Einstufung als politischer Beamter von einer Entscheidung des formellen Gesetzgebers abhängig zu machen. Der Zusammenhang mit Satz 1 der Regelung, der die in Betracht kommenden Beamten abschließend abstrakt bestimmt, verdeutlicht, dass der Gesetzgeber bei der von ihm nach § 31 Abs. 1 Satz 2 BRRG zu treffenden Entscheidung nicht aus den Bindungen des Satzes 1 entlassen werden sollte (vgl. Oldiges/Brinktrine, DÖV 2002, 943 [948]; Ule, Beamtenrecht, 1970, § 31 BRRG Rdnr. 2). Die Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drs. II/1549) bekräftigt dieses Verständnis der Norm. In ihr ist ausgeführt, wegen der Verschiedenartigkeit der Verhältnisse überlasse es der Entwurf den Ländern, zu bestimmen, welche Beamten in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden könnten; jedoch gebiete der Schutz der Beamten, dass diese Bestimmung durch Gesetz getroffen werde (a.a.O. S. 43). Hiermit übereinstimmend hat auch das Bundesverwaltungsgericht (in seinem Urteil vom 13. September 2001 - BVerwG 2 C 39.00 - [BVerwGE 115, 89, 95 f.]) eine landesrechtliche Regelung inhaltlich nur an § 31 Abs. 1 Satz 1 BRRG gemessen und erst als "weitere Voraussetzung" die Beachtung "des in § 31 Abs. 1 Satz 2 BRRG enthaltenen Gesetzesvorbehalts" erörtert (im rechtlichen Ansatz ebenso: Brockhaus in Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, Teil C § 38 Rdnr. 12, 14; Lemhöfer, a.a.O. Rdnr. 30).
Der Hinweis auf die unterschiedliche rechtliche Einordnung der Generalstaatsanwälte bei den Oberlandesgerichten ist in diesem Zusammenhang unergiebig. Der Umstand, dass die Länder von der durch § 31 Abs. 1 BRRG eröffneten Möglichkeit aus rechtspolitischen Gründen in unterschiedlichem Umfang Gebrauch gemacht und getroffene Regelungen später geändert haben, besagt nichts zu den hier relevanten Grenzen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit. Ebenso wenig ist der Einwand berechtigt, den Verwaltungsgerichten sei es verwehrt, durch "strikte Rechtsanwendung" föderative Unterschiede zu beseitigen. Der angefochtene Beschluss stellt den dem Gesetzgeber eröffneten Spielraum nicht in Frage. Den Ländern bleibt es auch bei dem herrschenden, hier zugrunde gelegten Verständnis der Norm unbenommen, den Kreis der politischen Beamten abweichend zu bestimmen. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung beschränkt sich allein darauf, ob der durch § 31 Abs. 1 Satz 1 BRRG bundesrechtlich gesetzte Rahmen überschritten ist.
2.2. Die Angriffe der Beschwerde gegen die Würdigung des Verwaltungsgerichts, die Zuordnung des "Amtes des Generalstaatsanwalts bei dem Landgericht Berlin" (Leitender Oberstaatsanwalt als Leiter der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Berlin mit jener Amtsbezeichnung) zum Kreis der politischen Beamten sei mit § 31 Abs. 1 Satz 1 BRRG nicht zu vereinbaren, überzeugen nicht.
Mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts, welches das Amt des Antragstellers umfassend anhand der aus dem Rahmenrecht herausgearbeiteten Fallgruppen erörtert hat (Amt an Nahtstelle zwischen Politik und Beamtenschaft; Funktion, die stete Übereinstimmung mit den politischen Ansichten und Zielen der Regierung bedingt), setzt sich die Beschwerde nur partiell auseinander. Die vom Antragsgegner herausgegriffenen Einzelaspekte (welche der Senat nach Maßgabe des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat) stellen die Wertung des Beschlusses nicht in Frage.
Inwieweit das nur in Berlin bislang (vgl. jetzt Gesetz vom 20. November 2002 [GVBl. S. 346]) vorgesehene Herausheben des Behördenleiters als Generalstaatsanwalt, die Größe der Staatsanwaltschaft, die Stellung Berlins als größtem Stadtstaat der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der hier maßgeblichen Kriterien des § 31 Abs. 1 Satz 1 BRRG von Bedeutung sein könnten, zeigt der Rechtsbehelf nicht auf (und ist auch sonst nicht ersichtlich). Die geforderte Gleichstellung mit dem Generalstaatsanwalt bei dem Kammergericht lässt - ungeachtet der vom Verwaltungsgericht referierten Kritik an der Zuordnung der Generalstaatsanwälte bei den Oberlandesgerichten zu den politischen Beamten (siehe auch Kugele, Der politische Beamte, 2. Auflage 1978, S. 125; Lemhöfer, a.a.O. Rdnr. 7, 12, 31; Schröder in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, 2. Auflage 1996, § 67 Rdnr. 39; Summer in Fürst, GKÖD I, K § 36 Rdnr. 6) - die im Beschluss näher bezeichnete Ämterhierarchie unberücksichtigt: Im Hinblick auf seine nachgeordnete Stellung kann das Amt nicht als Nahtstelle zwischen Politik und Verwaltung angesehen werden; es fehlt an seiner Ansiedlung am direkten Übergang der politischen Instanzen zum Beamtenapparat. Auch mit dem Hinweis, dass der Generalstaatsanwalt bei dem Landgericht Berlin wiederholt in Sitzungen des Rechtsausschusses Stellungnahmen zu rechtspolitischen Themen und politisch bedeutsamen Verfahren abgegeben habe, ist nicht dargelegt, dass der Amtsinhaber in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen müsste; auf die Funktionsbeschreibung der Staatsanwaltschaft im angefochtenen Beschluss geht die Beschwerde nicht ein.
3. Schließlich vermag auch das Vorbringen des Rechtsbehelfs zur Interessenabwägung eine abweichende Beurteilung nicht zu rechtfertigen.
Außer Betracht bleiben müssen die im Schriftsatz vom 21. Februar 2003 erstmals vorgetragenen Umstände im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Dienstvereinbarung. Im Hinblick darauf, dass die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen ist (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) und das Oberverwaltungsgericht nur die dargelegten Gründe prüft (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), können bei der Beschwerdeentscheidung nur solche Gründe gewürdigt werden, auf die sich der Beschwerdeführer fristgerecht berufen hat. Späteres Vorbringen, das über die Erläuterung und Verdeutlichung rechtzeitig vorgebrachter Aspekte hinaus geht, ist unbeachtlich.
Die fristgemäß dargelegten Gründe greifen nicht. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dem Interesse des Antragstellers, von den Folgen der Abberufung und Versetzung in den einstweiligen Ruhestand vorerst verschont zu bleiben, Vorrang vor dem geltend gemachten öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit eingeräumt.
Der Rechtsbehelf wendet sich insoweit weder gegen den Prüfungsmaßstab des Verwaltungsgerichts, das ausgehend vom gesetzlichen Regelfall des § 80 Abs. 1 VwGO gewichtige Gründe für den Sofortvollzug gefordert hat, noch setzt er sich mit den im Beschluss bezeichneten Nachteilen auseinander, die sich aus der Vollziehung der Maßnahme für den Antragsteller ergeben. Die allein auf das öffentliche Vollzugsinteresse bezogene Argumentation überzeugt nicht.
Dabei kann offen bleiben, ob in Anbetracht der erheblichen rechtlichen Bedenken gegen die angefochtene Maßnahme Raum für eine Interessenabwägung zugunsten des Antragsgegners bleiben könnte und ob das Vorbringen des Antragsgegners überhaupt geeignet ist, die sofortige Vollziehbarkeit einer Versetzung in den einstweiligen Ruhestand zu rechtfertigen. Ebenso bedarf keiner Erörterung, ob die aus dem in der Beschwerde geschilderten Verhalten des Antragstellers gezogenen Schlüsse berechtigt sind, insbesondere die Annahme tragen, dieser sei (gemeint wohl: generell) nicht gewillt, Weisungen Folge zu leisten.
Jedenfalls ist nicht aufgezeigt, dass eventuell auftretende Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit nicht mit dem zur Verfügung stehenden beamtenrechtlichen Instrumentarium bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache bewältigt werden könnten. Die Beschwerde macht nicht geltend, dass die in Betracht kommenden beamten- und disziplinarrechtlichen Maßnahmen angewandt worden und erfolglos geblieben seien. Ihr Vorbringen, in Anbetracht der Funktion des Antragstellers sei es "unzumutbar, die Durchsetzung erteilter Weisungen in jedem Einzelfall gerichtlich und disziplinarrechtlich" (etwa mit Verweisen und Missbilligungen) "zu betreiben", trägt den insoweit eröffneten Möglichkeiten nicht hinreichend Rechnung. Einer gerichtlichen Durchsetzung von Anordnungen bedarf es nicht, da ein Beamter ihm erteilte Weisungen - gegebenenfalls nach erfolgloser Durchführung des Remonstrationsverfahrens - umgehend ausführen muss, ohne dass es (von Ausnahmefällen abgesehen) auf deren Rechtmäßigkeit ankäme (vgl. BVerfG, ZBR 1995, 71 f.), und ihn auch die Inanspruchnahme von gerichtlichem Rechtsschutz gegen eine Weisung grundsätzlich nicht von der Pflicht zur sofortigen Ausführung entbindet (BVerfG, a.a.O. S. 72). Die bei einer Verletzung der Gehorsamspflicht (§ 21 Satz 2 LBG) in Betracht kommenden disziplinarrechtlichen Maßnahmen müssten sich gerade wegen des herausgehobenen Amtes nicht von vornherein auf Verweise und Missbilligungen beschränken; vielmehr könnte je nach Gewicht und Häufigkeit etwaiger Verstöße auch die Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens mit den in der LDO vorgesehenen vorläufigen Maßnahmen in Betracht kommen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass entsprechendes konsequentes Vorgehen - soweit überhaupt erforderlich - von vornherein "unzumutbar" wäre und der Antragsteller nicht wie andere Beamte auf diesem Wege zur Beachtung seiner Pflichten angehalten werden könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Wertfestsetzung auf § 14 Abs. 1, § 13 Abs. 4 Satz 2, § 20 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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